Bote des Feuers (eBook)

Historischer Roman
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
559 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7325-6080-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Bote des Feuers -  Richard Dübell
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1348: Die Pest zieht ihre mörderische Spur durch Europa. Im Chaos gehen Glaube, Menschlichkeit und Hoffnung verloren.
Aber ist die Krankheit wirklich eine Strafe Gottes? Oder steckt ein teuflischer Plan dahinter? Stimmt es, dass ein selbsternannter Todesengel seine Anhänger aussendet, um die Krankheit zu verbreiten?
Als die junge Adlige Gisela und der jüdische Abenteurer Joseph auf die Spur der 'Jünger Azraels' stoßen, beginnt ein Wettlauf gegen den Schwarzen Tod ... und eine unmögliche Liebe.



Richard Dübell, geboren 1962, ist Träger des Kulturpreises der Stadt Landshut und des Literaturpreises "Goldener Homer". Er zählt zu den beliebtesten deutschsprachigen Autoren Historischer Romane. Seine Bücher standen auf der Bestsellerliste des Spiegel und wurden in vierzehn Sprachen übersetzt. Mehr Informationen über den Autor finden Sie auf seiner Homepage: www.duebell.de

Richard Dübell, geboren 1962, ist Träger des Kulturpreises der Stadt Landshut und des Literaturpreises "Goldener Homer". Er zählt zu den beliebtesten deutschsprachigen Autoren Historischer Romane. Seine Bücher standen auf der Bestsellerliste des Spiegel und wurden in vierzehn Sprachen übersetzt. Mehr Informationen über den Autor finden Sie auf seiner Homepage: www.duebell.de

3


Gabriele de Mussis blinzelte, als er als Letzter der Delegation aus den Toren der Stadt Caffa ins Freie hinaustrat. Bis zur Morgendämmerung mochten es noch ein, zwei Stunden sein. Der Nieselregen ließ die Feuer im Lager der Tataren verwaschen durch die Dunkelheit leuchten.

Nach über einem Jahr Belagerung war man in Caffa an nächtliche Finsternis gewöhnt. Öl, Tran und Fett hatten längst den Eingang in den Speiseplan der Bewohner gefunden und waren zu wertvoll, um als Brandmittel für Laternen zu dienen. Wer nachts durch die Gassen von Caffa huschte – immer an den Wänden entlang, um den gelegentlichen Pfeilschauern der tatarischen Bogenschützen zu entgehen –, hatte sich längst mit Dunkelheit, Stolpern, angeschlagenen Zehen und Kopfnüssen von zu spät gesehenen Dachbalken abgefunden. So wie mit dem Beschuss. Die herunterkommenden Pfeile konnte man ebenso hören wie das Flattern der von den Schleudern abgeschossenen Steine und ihnen ausweichen – außer man saß zufällig in einem der Häuser, die den Steinen im Weg standen. Aber das eine oder andere beiläufige Opfer hatte man zu akzeptieren, wenn man belagert wurde; die überlebenden Nachbarn, die die Erschlagenen aus den Trümmern zogen, pflegten der Meinung zu sein, dass es auch schlimmer hätte kommen können.

Gabriele musterte den unregelmäßigen Ring aus trübe schimmernden Lagerfeuern, der sich im Nordosten der Stadt bis zum Meer hinunterzog und in der Gegenrichtung im unregelmäßigen Gelände verschwand. Die Fessel, die das Belagerungsheer Caffa angelegt hatte, ging dort bis zu den steilen Klippenhängen. Die Klippen schoben einen Sporn ins Meer hinaus und schützten den Hafen Caffas von Süden her. Diese Felsen und der Umstand, dass die Tataren sich nicht auf das Meer hinauswagten, waren der Grund dafür, dass der Hafen offen geblieben war. Natürlich beschossen die Belagerer jedes Schiff, das Caffa verließ oder dort anlegen wollte, und die Anzahl der am Strand angespülten oder die Hafenzufahrt unsicher machenden gesunkenen Wracks war beträchtlich – doch der Hafen war offen geblieben, und die Versorgung der eingeschlossenen Bürger funktionierte so weit, dass man halbwegs überleben konnte. Djanibek Khan, der Anführer der Tataren, würde Caffa niemals besiegen können, solange ihm der Hafen nicht gehörte.

Gabriele fühlte die Blicke der anderen Delegationsmitglieder auf sich. Er war das jüngste Mitglied der Abordnung und nicht einmal Bürger der Stadt, und doch betrachteten die anderen ihn als ihren Sprecher. Es war bekannt geworden, dass er bei früheren Reisen in die Gegenden östlich des Schwarzen Meers genügend Sprachkenntnisse aufgeschnappt hatte, um sich mit den Tataren unterhalten zu können. Ein Lob auf den reisenden Arzt, dachte er sarkastisch, er sammelt Wissen und Fertigkeiten – und zieht sich so ziemlich jede Krankheit zu, die man sich denken kann, und mit etwas Glück und Gottes Gnade überlebt er sie alle – und dann erhält er als Belohnung dafür den Auftrag, dem Löwen in den offenen Rachen zu spazieren. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, wie lange seine Courage noch vorhalten würde. Er war in der Stadt geblieben, obwohl viele Fremde die unregelmäßig verkehrenden Schiffe genutzt hatten, um zu fliehen. Er hatte sich vorgesagt, dass ein Arzt bei den Verwundeten und Kranken bleiben musste. Aber je länger sich sein Aufenthalt hinzog, desto mehr beneidete er diejenigen, die den Mut besessen hatten, sich als Feiglinge zu erkennen zu geben.

Und jetzt hatte er auch noch diesen Auftrag zu erfüllen. Die Aufgabe der Delegation lautete, Djanibek Khan dazu zu bewegen, endlich das von Caffa angebotene Lösegeld anzunehmen und die Belagerung aufzuheben, bevor das Patt zwischen beiden Parteien zu einem ewigen Stillstand kam. Es hatte schon mehrere derartige Versuche gegeben, allesamt vergeblich. Einmal hatte der Khan die Abgeordneten pfählen lassen. Die anderen Delegationen waren unverletzt zurückgekehrt. Man konnte nie wissen, wann es dem Khan wieder einfallen würde, die Botschafter zu Tode zu schinden.

Hinter ihnen schlossen sich die Torflügel. Matteo del Bosco, an dessen Seite sich Gabriele hielt, blickte auf. »Worauf warten wir, meine Herren?«, fragte er. Seine Stimme sollte vermutlich forsch klingen, aber in Gabrieles Ohren hörte sie sich dünn an. Während Gabriele der Sprecher der Gruppe war, galt Matteo als ihr Anführer.

Soldaten erwarteten sie an einem der Zugänge zum Heerlager und brachten sie schweigend tiefer hinein. Das Zelt des Khans stand auf einem freien Platz inmitten der anderen Zelte. Es war mit Goldfarbe überzogen. Der Überzug hatte gelitten in den langen Monaten der Belagerung und wies jetzt mehr schwarze als schimmernde Stellen auf. Feuer brannten um es herum. Neben einem der Feuer sah Gabriele etwas, das ihn mit Schrecken erfüllte. Auch die anderen Delegationsmitglieder sahen es und blieben stehen. Gabriele hörte Gemurmel. Matteo del Bosco zischte: »Schsch!«

Ein Mann kniete auf dem Boden, den Kopf gesenkt. Er war nicht gefesselt. Ein Tatar bewachte ihn. Der Gefangene schien nur halb bei Bewusstsein zu sein, denn sein Oberkörper schwankte hin und her. Neben ihm lag ein langer, abgeschälter, zugespitzter Pfahl. Gabriele sah das Fett schimmern, mit dem der Pfahl eingerieben worden war. Djanibek Khan schien zur Begrüßung der Delegation eine Pfählung vorbereitet zu haben.

Der Mann war kein Tatar, sondern ein Europäer.

Er trug die Kutte eines Mönchs, aber er hatte keine Tonsur. Um seinen Hals hing ein silbernes Kreuz an einer ebenfalls silbernen Kette, das die Tataren ihm gelassen hatten, damit die Delegation auch wirklich erkannte, was er war.

Er war ein Priester.

Gabriele blickte auf, als Djanibek Khan aus seinem Zelt trat. Er erkannte den Khan nur deshalb, weil die Wachen vor seinem Zelt strammstanden. Er hatte einen beeindruckenden Mann erwartet, aber der Khan sah nicht anders aus als seine Soldaten: eine untersetzte Gestalt, die aus genietetem Leder und einer Kettenrüstung zusammengesetzt schien, auf der ein quadratischer Kopf saß. Die Gesichtszüge der Tataren wirkten stets übelgelaunt und brutal, aber Gabriele war genügend herumgekommen, um zu wissen, dass dies ein Vorurteil war – man hatte ihm einmal in aller Freundschaft mitgeteilt, dass die Gesichter seines Volkes wegen ihrer Länge und der großen Augen auf die Tataren äußerst dümmlich wirkten. Er selbst, so hatte man ihn weiter ins Vertrauen gezogen, galt mit seinen blonden Haaren und den hellen Augen als außergewöhnlich hässlich.

Djanibek Khan hatte erst vier Jahre zuvor die Nachfolge seines Vaters als Anführer der Goldenen Horde angetreten; den guten Sitten seines Volkes folgend hatte er dabei seine beiden älteren Brüder beseitigt. Seitdem war er damit beschäftigt gewesen, die Moskauer Großfürsten zu terrorisieren, sich in die Angelegenheiten des Herzogtums Litauen einzumischen und in seinem Herrschaftsbereich den Islam als einzige Religion zu installieren. Bereits seit fünf Jahren plante er Caffa zu erobern, aber eine genuesische Flotte hatte seine Armee zerschlagen, und die Goldene Horde hatte fliehen müssen, fünfzehntausend Tote dabei zurücklassend. Vor über einem Jahr war sie wiedergekommen, Rache im Sinn.

Dem Khan folgte ein Unterführer, der hektisch auf ihn einredete. Djanibek grollte etwas. Der Unterführer redete weiter. Djanibek blieb stehen, wandte sich halb um und bellte etwas, so dass der Unterführer zusammenzuckte und einen Schritt zurückwich. Die Kiefer des Offiziers mahlten, aber er schloss jetzt den Mund und trat beiseite.

»Ihr alle«, sagte der Khan und deutete auf die Delegation, die sich verneigte, »ihr alle … auf euch wartet das Gras.« Er machte eine Kunstpause und grinste dann.

Gabriele drehte die Worte des Tatarenkhans hastig in seinem Kopf hin und her, versuchte sich daran zu erinnern, ob er etwas Ähnliches schon gehört hatte, bedachte die Herkunft der Goldenen Horde aus den asiatischen Steppen und übersetzte schließlich: »Er sagt, wir sind erledigt.«

»Fragt ihn, was diese unsägliche Zurschaustellung bedeutet«, sagte Matteo und deutete auf den gefesselten Priester.

»Angst«, erwiderte Gabriele. »Todesangst auf unserer Seite.«

»Ihr habt ihn noch gar nicht gefragt.«

»Ich brauche ihn nicht zu fragen, um das zu wissen. Der nächste Schritt wird sein, dass er den armen Kerl vor unseren Augen pfählen lässt.«

»Gütiger Himmel! Was für ein Monster! Wieso denkt er, uns Angst einjagen zu müssen?«

»Damit wir sie hinter die Mauern der Stadt tragen. Anders kann er uns nicht besiegen. Nur durch unsere Angst.«

»Ihr meint, er will gar nicht verhandeln?«

»Ich meine«, sagte Gabriele, »dass er das Gesprächsangebot wahrscheinlich gar nicht angenommen hätte, wenn ihm der Unglückliche nicht in die Hände gefallen wäre.«

»Gütiger Himmel!«

Djanibek Khan war der hastigen Unterhaltung interessiert gefolgt. Er hatte sie nicht unterbrochen oder sich darüber aufgeregt, dass man sich nicht mit ihm befasste. Gabriele glaubte nicht, dass er auch nur ein Wort verstanden hatte, aber er schien aus den Gesten und Mienen erraten zu haben, worum es gegangen war – und dass er sein Ziel erreicht hatte. Die Angst der Abgesandten war schon jetzt greifbar.

»Wie geht es jetzt weiter?«, fragte Matteo del Bosco unsicher.

»Ihr macht ihm das Angebot mit dem Lösegeld, er wird es ablehnen, dann wird er den Gefangenen umbringen, dann dürfen wir wieder gehen. Wenn wir Glück haben, vollzählig.« Gabriele versuchte es leichthin zu sagen, aber sein Herz hämmerte vor Angst so hart, dass es ihm wehtat.

»Wie meint...

Erscheint lt. Verlag 28.9.2018
Sprache deutsch
Original-Titel Bote des Feuers
Themenwelt Literatur Historische Romane
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ISBN-10 3-7325-6080-5 / 3732560805
ISBN-13 978-3-7325-6080-6 / 9783732560806
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