Pinot Grigio stand nicht im Testament (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

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2018 | 1. Auflage
400 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43376-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Pinot Grigio stand nicht im Testament -  Paul Grote
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Der Mensch, der Wein und das Böse »Kommen Sie zu uns nach Südtirol!« Mit diesen Worten lädt Winzer Werner Kannegießer den Fotografen Frank Gatow auf sein Weingut ein. Doch als der Hamburger in Südtirol eintrifft, um Weinberge und modernste Kellereien zu fotografieren, ist der Winzer tot. Er soll beim Tauchen in der Karibik ertrunken sein. »Angeblich«, wie seine Tochter Theresa meint. Sie bezweifelt die Version vom Herzschlag unter Wasser. Aber dafür fehlt ihr jeglicher Beweis. Und für einen Mord in der Karibik sind die Bozener Carabinieri nicht zuständig. Erst auf Theresas Drängen hin stellt Gatow halbherzig Ermittlungen an. Schon bald stolpert er über zahlreiche Ungereimtheiten, und auf einmal scheint ihm der Mordverdacht gar nicht mehr so abwegig. Doch dann begeht er einen folgenschweren Fehler ...

Paul Grote ist Deutschlands bekanntester Weinkrimi-Autor. Als Reporter in Südamerika entdeckte er sein Interesse für Wein und Weinbau und machte ihn zu seinem Thema. Seitdem hat er die wichtigsten europäischen Weinbaugebiete bereist und 18 Weinkrimis veröffentlicht.

Paul Grote ist Deutschlands bekanntester Weinkrimi-Autor. Als Reporter in Südamerika entdeckte er sein Interesse für Wein und Weinbau und machte ihn zu seinem Thema. Seitdem hat er die wichtigsten europäischen Weinbaugebiete bereist und 19 Weinkrimis veröffentlicht.

1.  Kapitel


»Er ist beim Tauchen ertrunken – angeblich, wie es heißt. Aber ich glaube es nicht.«

Nach diesen Worten wandte Theresa Kannegießer ihren Kopf zur Seite und blickte in den langen dunklen Gang zwischen den Fässern. Auf der linken Seite standen die kleinen Barriques, sie waren in zwei Reihen übereinandergestapelt. Gegenüber standen die botte da vino, die wuchtigen Fässer, einige von ihnen mit geschnitztem Boden, teils sehr künstlerisch gestaltete Arbeiten, andere mehr grob, besondere Ereignisse der Geschichte des Weinguts markierend. Fast bedächtig ging die junge Önologin an der Reihe entlang, strich mit der Hand über die Fässer, den Kopf unter dem niedrigen Gewölbebogen gesenkt, das Gesicht noch immer abgewandt, als wolle sie vermeiden, dass der fremde Besucher in ihrer Mimik las.

»Angeblich ertrunken?« Frank Gatow war entgeistert stehen geblieben und betrachtete nachdenklich die schlanke Gestalt der jungen Frau mit dem offenen Gesicht, das die Kurzhaarfrisur besonders betonte. »Ist Ihnen klar, was Sie da gerade gesagt haben?« Seine Worte hallten dumpf in dem niedrigen Keller.

Die Önologin zog ihre verwaschene blaue Jacke fester um die Schultern, als sei ihr kalt, dabei musste sie die Kellertemperaturen gewohnt sein. Schließlich gehörten die Kontrolle der Fässer hier im Keller des Weinguts Johannishof und das ständige Probieren zu ihren wesentlichen Aufgaben, um die Entwicklung der reifenden Weine zu verfolgen und weitere Maßnahmen im richtigen Moment einzuleiten.

»Was meinen Sie damit? Können Sie sich nicht denken, was bei einem Fremden wie mir, den der Tod Ihres Vaters nicht unmittelbar etwas angeht, das Wort ›angeblich‹ auslöst?« Frank war sich selbst nicht sicher, ob er erschrocken, besorgt oder entsetzt sein sollte. Gleichzeitig kamen ihm Zweifel in den Sinn und Skepsis gegenüber dieser schwerwiegenden Behauptung. »Ich werde sicher nicht der Erste sein, mit dem Sie darüber sprechen, Signorina Kannegießer! Ein leichtsinnig dahingesagtes Wort kann ein gewaltiges Gewicht haben, es kann eine Lawine auslösen und auch zu sehr bösen Reaktionen führen.«

Dass diese Reaktionen für die junge Frau unangenehme Folgen haben könnten, war Frank Gatow in dem Moment klar geworden, als sie das Wort »angeblich« an den Satz angehängt hatte, mit dem sie die Todesumstände ihres Vaters kurz und knapp beschrieben hatte. Jemand, der so etwas aussprach, brachte sich womöglich selbst in Gefahr. Frank betrachtete sie nachdenklich. Sollte er weiter auf das Thema eingehen oder seinen Rundgang durch das Weingut fortsetzen? Schließlich war er zum Fotografieren hergekommen und nicht, um sich mit den – ja, unter Umständen auch Hirngespinsten einer jungen Frau zu befassen. Vielleicht konnte oder wollte sie sich nicht mit den schrecklichen, in gewisser Weise aber auch banalen Todesumständen ihres Vater abfinden? Das Ganze zu dramatisieren, war möglicherweise ihre Art der Trauer. Doch er musste sich mit der Frage beschäftigen, er konnte ihr schlecht ausweichen. Schließlich hatte erst der Kontakt mit ihrem Vater, Werner Kannegießer, ihn auf die Idee gebracht, den Fotoband über Südtirol, seine Weingüter, die Winzer und deren Weine zu machen. Und natürlich über die Berge, die Alpen, die Dolomiten! Sie waren ständig präsent, man brauchte nicht einmal den Kopf zu heben, immer standen sie am Horizont wie unüberwindliche Mauern. Kannegießers Weingut weit oberhalb des Kalterer Sees gehörte unbedingt in ein Buch über Südtirol. Daher, das wurde Frank jetzt bewusst, kam er um die Beschäftigung mit dem Tod des Winzers nicht herum, besonders da sein Weingut zurzeit auf Sparflamme betrieben wurde, halbherzig, wie Theresa es formuliert hatte. Bis vor einer halben Stunde war er davon ausgegangen, das Weingut Kannegießer in den nächsten Tagen aufzusuchen. Die Önologin würde ihm sicher Zutritt verschaffen. Schließlich lebte sie dort. Also musste er ihr zuhören.

Abrupt drehte sich die junge Frau um, sah Frank an und kam langsam auf ihn zu. »Ich weiß sehr genau, was ich sage!«

Das Glitzern in ihren Augen, waren das Tränen? War es Kummer, oder war es Hass? Frank merkte immer häufiger, dass seine Augen von Jahr zu Jahr schlechter wurden, eine Katastrophe für ihn als Fotografen. Ständig musste er den Dioptrienregler im Sucher korrigieren. Sein Gespür hingegen war feiner geworden.

»Und natürlich habe ich mit anderen darüber gesprochen, Herr Gatow.«

»Auch mit denen, die das vielleicht treffen oder betreffen könnte?« Das klang beinahe vorwurfsvoll.

»Sicher, das habe ich. Aber nicht mit vielen, jedoch mit denen, die es angeht. Da sind die Familien meines Vaters, zwei sind es, die beiden Töchter, die er mit seiner ersten Frau gezeugt hat …« Theresa lachte unfroh. »… meine geliebten Stiefschwestern. Dann meine Mutter und mein jüngerer Bruder. Alle von uns haben irgendwie mit Wein zu tun, schließlich wurden wir auf dem Weingut geboren, wir wurden quasi mit Wein getauft, haben dort unsere Kindheit und Jugend verbracht, haben in denselben Kinderzimmern gelebt, teils mit denselben Sachen gespielt. Das prägt – kann ich Ihnen sagen – und schafft auch Widerwillen.«

Es waren ungute Erinnerungen, der Bitterkeit ihrer Stimme nach zu urteilen. »Meine Mutter …« – Theresa suchte nach den richtigen Worten – »… ist auch ein Fall für sich. Aber ich will nicht vorgreifen, nur so viel, denn Sie werden es ja doch erfahren: Sie ist kurz nach Vaters Tod zu ihrem Freund gezogen.«

Viel weiter konnte man kaum vorgreifen, dachte Frank. Wollte sie ihn negativ beeinflussen? Die Mutter würde diesen »Freund« bereits vor dem Tod des Vaters gekannt haben. Was für eine katastrophale Ehe, gelinde gesagt, musste es gewesen sein, wenn Kannegießer von dem Freund gewusst haben sollte, aber auch falls nicht.

»Hatten Sie, Herr Gatow, mal das Vergnügen, meine Mutter zu treffen? Wahrscheinlich nicht. Stimmt, Sie waren noch nie hier. Und sie hat meinen Vater nie auf Geschäftsreisen begleitet.«

»Nein, Ihre Mutter habe ich bislang nicht getroffen.« Nach dem, was er soeben erfahren hatte, war Frank auch wenig daran gelegen. »Sie sprachen eben von wir, in Bezug auf die zweite Familie. Wer gehört dazu?«

»Mein kleiner Bruder, Marco, er ist gerade mal neunzehn Jahre alt, das Nesthäkchen, der einzige Italiener, wie es in der ersten Familie heißt. Dabei wissen sie, dass sie ihn damit beleidigen.«

Bei beiden Begriffen, sowohl beim Italiener wie auch beim Nesthäkchen, war keinerlei Herablassung aus Theresas Stimme herauszuhören. Wieso konnte sich jemand beleidigt fühlen, Italiener genannt zu werden? Schließlich waren alle Südtiroler Italiener. Doch anscheinend nahmen die anderen Theresas Bruder nicht für voll, oder verachteten sie die Kinder aus der zweiten Ehe des Vaters?

»Er ist überlastet worden, mein Brüderchen, immer, mein Vater hat ihm alles aufgebürdet, viel zu viel für sein Alter. Alles hat er können sollen, er war derjenige, der eines Tages das Weingut übernehmen sollte, der Mann, nicht ich, obwohl es eigentlich mein Interesse ist und letztlich auch mein Ziel! Ich kann es, und ich scheue die Verantwortung nicht. Marco fehlt die Vorstellung, die Vision für die Zukunft unseres Weinguts sowie der Wille, seine Ideen auch durchzusetzen. Aber er ist der ideale Erste Offizier. Ich würde gern mit ihm arbeiten, er ist absolut verlässlich. Wir beide wären das ideale Team. Außer uns ist niemand in der Familie dafür geeignet, und niemand ist so gut ausgebildet wie ich.«

Es hörte sich für Frank ein wenig zu selbstbewusst an. Er wusste nicht, wie alt Theresa war, sie mochte das Studium gerade erst hinter sich gebracht haben. Aber er war sich darüber klar, dass man mit zunehmendem Alter junge Leute immer häufiger unterschätzte, ihnen zu wenig zutraute. Seine Tochter Christine hatte ihn bereits eines Besseren belehrt: Sie war heute eine bessere Fotografin als er, auf jeden Fall kreativer, wagemutiger und distanzloser, wobei er überzeugt war, einen tieferen Blick für das zu haben, was hinter den Dingen lag, was sich unter der Oberfläche abspielte, was verborgen bleiben sollte.

»Marco sollte der Starwinzer werden«, fuhr Theresa fort, »er, der erste Sohn nach drei Töchtern. Papa wollte ihn außerdem zum versierten Taucher machen, zum richtigen Mann, wie er sagte, zumindest so, wie er sich den vorstellte. Ja, mein Vater war das, was manche einen Macho nennen. Marco kränkelt, wurde behauptet, verstehen Sie? Ich weiß es besser, es war seine Art von Protest. Fußball interessiert ihn nicht, Autos sind für ihn lediglich Mittel zur Fortbewegung. Und sich unter Wasser zwischen Korallen und bunten Fischen zu bewegen? Ein Unding, die ersten Tauchgänge mit Papa müssen die Hölle für ihn gewesen sein. Er hat sich verweigert, bewusst oder unbewusst – egal. Das ist seine Sache.« Mit einem scheinbar gleichgültigen Achselzucken setzte sie einen Schlusspunkt unter ihre Ausführungen.

Frank war inzwischen näher getreten, hatte die verstohlene Handbewegung bemerkt, mit der Theresa sich über die Augen gefahren war, aber dem Grund für die Tränen war er nicht nähergekommen. Am liebsten hätte er dieses verminte Feld familiärer Streitigkeiten sofort verlassen und wäre zum Wein zurückgekehrt, zu dem, was in den Fässern ringsum lagerte, gärte oder reifte. Die geschnitzten Motive auf den Böden der Fässer interessierten ihn. Welche Anlässe hatte es dafür gegeben, wer hatte die Schnitzereien angefertigt, wie musste er sie ausleuchten, um alle Konturen herauszuarbeiten? Am schwierigsten war es, die Reflexe in den lackierten Flächen zu vermeiden. Hier unten war alles anders, in diesem Gewölbe lebte die...

Erscheint lt. Verlag 31.8.2018
Reihe/Serie Europäische-Weinkrimi-Reihe
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Amateurdetektiv • Cosy Crime • Deutschsprachige Krimis • Erbstreitigkeiten • Kalterer See • Kulinarischer Krimi • Spannung • Südtirol • Trentino • Urlaubslektüre • Wein • Weinanbau • Weingut • Weinkrimi • Winzer • Winzerkrimi
ISBN-10 3-423-43376-0 / 3423433760
ISBN-13 978-3-423-43376-1 / 9783423433761
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