Tony Rinaudo - Der Waldmacher (eBook)

Johannes Dieterich (Herausgeber)

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2018 | 1. Auflage
164 Seiten
Rüffer & Rub Sachbuchverlag
978-3-906304-45-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Tony Rinaudo - Der Waldmacher -
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Der Agrarökonom Tony Rinaudo revolutioniert mit seiner Methode FMNR die Wiederaufforstung in Afrika. Die Methode beruht auf der Nutzung vorhandener Baumstümpfe und Baumwurzeln. Durch gezieltes Ausschneiden von schwachen Sprossen wird das Wachstum der Pflanzen begünstigt. Inzwischen wird die Methode erfolgreich in Ländern wie Niger, Äthiopien, Tschad, Burkina Faso oder Mali angewandt. Wo vor zehn Jahren noch stachelige Büsche standen oder sich die Wüste ständig ausdehnte, forsten Farmer dank der Methode große Landstücke auf. Allein in der Region Humbo in Südäthiopien wurden so 2700 Hektar Land (ca.?3800 Fußballfelder) begrünt. Während in vielen Regionen Afrikas die Menschen auf Lebensmittelhilfe angewiesen sind, erwirtschaften die Dörfer in Humbo inzwischen Maisüberschüsse. Das Buch erzählt vom steinigen Weg zum Erfolg der Methode.

Johannes Dieterich, geboren 1957, berichtet als Afrika-Korrespondent für mehrere deutschsprachige Tageszeitungen und Magazine wie die Berliner Zeitung, die Frankfurter Rundschau, brandeins (Hamburg) sowie profil (Wien) seit mehr als 20 Jahren aus Johannesburg. Sein Berichterstattungsgebiet umfasst nicht weniger als 50 Staaten. Mit Tony Rinaudo traf der Reporter erstmals im April 2016 in Somalia zusammen, danach begleitete er den 'Waldmacher' auch nach Äthiopien und in den Niger. Der in der Klosterstadt Maulbronn geborene Schwabe studierte Theologie sowie Geschichte und wandte sich nach dem Studium dem Journalismus zu. Er arbeitete mehrere Jahre lang sowohl fürs Fernsehen wie für Printmedien, bevor er nach der Freilassung Nelson Mandelas nach Südafrika zog. 2017 erschien sein Buch 'Südafrika' im Berliner Ch. Links-Verlag.

Johannes Dieterich, geboren 1957, berichtet als Afrika-Korrespondent für mehrere deutschsprachige Tageszeitungen und Magazine wie die Berliner Zeitung, die Frankfurter Rundschau, brandeins (Hamburg) sowie profil (Wien) seit mehr als 20 Jahren aus Johannesburg. Sein Berichterstattungsgebiet umfasst nicht weniger als 50 Staaten. Mit Tony Rinaudo traf der Reporter erstmals im April 2016 in Somalia zusammen, danach begleitete er den "Waldmacher" auch nach Äthiopien und in den Niger. Der in der Klosterstadt Maulbronn geborene Schwabe studierte Theologie sowie Geschichte und wandte sich nach dem Studium dem Journalismus zu. Er arbeitete mehrere Jahre lang sowohl fürs Fernsehen wie für Printmedien, bevor er nach der Freilassung Nelson Mandelas nach Südafrika zog. 2017 erschien sein Buch "Südafrika" im Berliner Ch. Links-Verlag.

Vorwort | Anne Rüffer

Einleitung | Johannes Dieterich

"Ist das nicht Tony?" | Johannes Dieterich

Die Entdeckung des unterirdischen Waldes | Tony Rinaudo

Hoffnung für Trockengebiete: "Farmer Managed Natural Regeneration" ist die richtige Antwort auf die ruinöse Landdegeneration | Dennis Garrity

"Vertrauen wäre zumindest mal ein Anfang" | Interview mit Günter Nooke

Epilog | Tony Rinaudo

Anhang
Bibliografie
Bildnachweis
Biografien der Autoren

»Ist das nicht Tony?«

Johannes Dieterich

Hier könnte man ohne Weiteres »Heidi« filmen. Der Wildbach plätschert lustig vor sich hin. Glücklich mampfen die Kühe das saftige Gras. Das Kinn auf seinen Stock gestützt blickt ein Hirtenjunge verträumt ins Tal. Nur die dunkle Haut des Knaben lässt ahnen, dass hier nicht Heidis Heimat ist. Und zwei nahe gelegene, mit Gras bedeckte Hütten verraten vollends, dass sich diese Postkartenidylle auf einem anderen Kontinent abspielt, weit weg von der Schweiz. Wir befinden uns in Afrika, genauer gesagt: in den Bergen nahe der südäthiopischen Stadt Sodo.

»Wenn Sie vor zehn Jahren hier gewesen wären, würden Sie noch viel mehr staunen«, sagt Tony Rinaudo. Der australische Agrarexperte scheint vor Glück gleich zu platzen: Als der Melbourner im Jahr 2006 zum ersten Mal nach Sodo kam, sahen die Berge noch wie nach einer Naturkatastrophe aus. Statt von Bäumen und Gras war die Landschaft damals höchstens von stacheligen Büschen und Kriechpflanzen bedeckt, die Erosion hatte tiefe Furchen in die Abhänge gerissen, bei starkem Regen stürzten regelmäßig Schlammlawinen ins Tal. Sie rissen zuweilen sogar einige der afrikanischen Rundhütten mit sich: Einmal wurde eine fünfköpfige Familie unter den Erdmassen begraben.

In jener Zeit waren die Menschen in der Region Sodo noch auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen – wie im 50 Kilometer weiter südwestlich gelegenen Dörfchen Humbo, dessen Hausberg dem nackten Buckel eines Nilpferds glich. Tony Rinaudo war damals von der Hilfsorganisation World Vision nach Humbo geschickt worden, um eine der letzten noch fließenden Quellen einzufassen. Der Agrarexperte sah allerdings schnell, dass die dortige Bevölkerung ein wesentlich größeres Problem als die nicht eingefasste Quelle hatte: Mit dem ständigen Abholzen der Bäume und dem Übergrasen der Weiden hatte sie ihre eigene Lebensgrundlage zerstört.

»Wir haben oft darüber geredet, ob wir wegziehen sollten«, erinnert sich Anato Katmar, dessen drei Hektar große Farm am Fuß des ehemaligen Nilpferdbuckels liegt: »Aber wohin?« Damals lebte er mit seiner Frau und den fünf Kindern noch in eine kleine Hütte gezwängt, die Mais- und Sorghum-Ernte fiel Jahr für Jahr miserabler aus, von dem kahlen Hügel kullerten ab und zu Felsbrocken in seine Felder und zermalmten die Pflanzen. Von der Höhe herab war als einziger Laut der noch übrig gebliebenen Tierwelt das höhnische Bellen der Paviane zu hören: Die Affen fraßen jedes bisschen Grün weg, das sich auf dem nackten Hügel zeigte. Viele Abende im Jahr gingen die Katmars hungrig ins Bett.

Äthiopien gilt als das Hungerland des Kontinents schlechthin. Aus dem inzwischen über 100 Millionen Einwohner zählenden Staat am Horn von Afrika wurden einst die schlimmsten Dürrekatastrophen der Erde gemeldet. Bis Bob Geldof mit seiner »Band Aid« 1984 das Gewissen der Weltöffentlichkeit wachgerüttelt hatte, mussten eine halbe Million Äthiopier sterben. Noch heute hat das Land – wie die meisten der 55 Staaten des Kontinents – Schwierigkeiten, seine Bevölkerung zu ernähren: Während die Zahl der Hungernden in den vergangenen 25 Jahren weltweit zurückging, ist sie in Afrika weiter gestiegen. Und zwar von 181,7 Millionen Menschen im Jahr 1990 auf 232,5 Millionen im Jahr 2017.

Für die chronische Krise werden neben politischen und klimatischen Ursachen auch ökologische Einschnitte verantwortlich gemacht: allen voran die Verschlechterung der Böden und das Verschwinden der Bäume. Äthiopien, das einst zu weiten Teilen mit Wald bedeckt war, hat in den vergangenen 50 Jahren fast 90% seiner stämmigen Pflanzen verloren. Doch wenn sich Experten über eines einig sind, dann ist es die Bedeutung der Bäume für die Qualität der Böden: Sie halten die Erde fruchtbar und feucht, sorgen mit ihrem Schatten für wesentlich geringere Bodentemperaturen und brechen den Wind, der ansonsten die in der Trockenzeit zu Staub zerbröselte Erde fortträgt.

Am schlimmsten hat die ökologische Verheerung die Sahelzone heimgesucht. Dort breitete sich die Wüste bis vor zwanzig Jahren immer weiter in Richtung Süden aus, die Bäume verschwanden. Fast alle Versuche, der zunehmenden Verödung in den trockenen Landstrichen mit dem Pflanzen neuer Bäume Herr zu werden, schlugen fehl: Die meisten der teuren Setzlinge erlebten nicht einmal ihren ersten Geburtstag. »Millionen von US-Dollar wurden verschwendet«, sagt Tony Rinaudo, der einst für Wiederaufforstungsprogramme in der Sahelzone zuständig war: »Wenn ein Bruchteil unserer Setzlinge überlebte, konnten wir froh sein.«

Das soll nun allerdings Vergangenheit sein, sagt der ansonsten ausgesprochen bescheiden auftretende Australier. Der Agronom aus Melbourne will eine wesentlich erfolgreichere Methode der Wiederbewaldung und Wiederbelebung der Böden gefunden haben – und zwar zum Nulltarif. Rinaudo hat sich nichts Geringeres vorgenommen, als dem Hunger in Afrika den Garaus zu machen: Seine Entdeckung könnte für den Kontinent bedeutender als Milliarden von US-Dollar an Entwicklungshilfe werden.

»Hol mich hier raus«

Als der Australier 1999 erstmals nach Humbo kam, wurde er nicht wie der Messias begrüßt. Die Dorfbewohner standen dem fremden Agrarexperten wenn nicht gar feindselig, so doch zumindest skeptisch gegenüber. Sie argwöhnten, dass das Bleichgesicht im Auftrag ausländischer Agrarkonzerne unterwegs sei. Seine Vorschläge, auf den ohnehin ausgemergelten Feldern auch noch Bäume wachsen zu lassen, die hungrigen Rinder vom kahlen Hügel fernzuhalten und den Köhlern das Schlagen von Brennholz zu verbieten, klangen unsinnig oder sogar verdächtig: Mit dem merkwürdigen Baumfreund wollte man lieber nichts zu tun haben. Anato Katmar gehörte zu den wenigen, der dem Fremden eine Chance einzuräumen bereit war: Womöglich, weil er ohnehin nichts mehr zu verlieren hatte. »Tony«, sagt Katmar, »war meine letzte Chance.« Für seine erste Kooperative musste sich Rinaudo mit einer Handvoll Farmern begnügen: Die sahen sich zu allem Überfluss auch noch dem Gespött und Misstrauen ihrer Nachbarn ausgesetzt.

Heute gibt es in Humbo sieben Kooperativen mit über fünftausend Mitgliedern, keiner von ihnen scheint mehr an Tony Rinaudos Methode zu zweifeln. Während die anderen Dörfer der Region im El-Niño-Jahr 2016 wieder einmal auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen waren, wurden in den Kooperativen am Fuß des Nilpferdrückens Überschüsse eingefahren: Sie werden zur Verteilung in bedürftigen Teilen des Landes an das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) verkauft. Der Hügel selbst ist inzwischen wieder von mehr als zwei Meter hohen Bäumen bewaldet, und auf den Farmen wachsen Obstbäume, die außer Schatten auch Früchte – und hin und wieder einzelne Äste als Brennholz abwerfen. Statt seiner Rundhütte konnte sich Anato inzwischen ein richtiges Haus mit Backsteinen und Wellblechdach leisten. Außer dem obligatorischen Mais und Hirse baut er Kaffee und Bananen an, die er zusammen mit den Mangos aus dem Garten auf dem Markt verkauft. Den Erlös investierte der Farmer in die Ausbildung seiner Kinder: Die zwei Ältesten schlossen bereits ihr Studium ab, die drei Jüngsten gehen noch ins Gymnasium. Bei den Katmars gibt es inzwischen dreimal täglich zu essen: »Hunger«, sagt Vater Anato, »kennen wir nur noch aus der Erinnerung.«

Tony Rinaudo folgt den Erzählungen seines Musterfarmers mit strahlender Miene – für den Agronomen geht in Humbo ein Traum in Erfüllung. Schon Anfang der 1980er-Jahre war Rinaudo von seiner Mission »Serving in Mission« (SIM) in den Niger geschickt worden: Dort sollte er den Vormarsch der Wüste mit dem Pflanzen neuer Bäume stoppen. Mehrere Jahre lang ging der Australier als Don Quichotte der Setzlinge gegen die alles verheerenden Sandmühlen vor: Kaum 10% seiner Bäumchen hätten nach dem Einpflanzen die Hitze und die staubigen Stürme überstanden, erinnert er sich. Und falls einer der Setzlinge mal durchkam, wurde er später von Ziegen gefressen oder noch später zu Brennholz zerhackt. Schließlich hätte Rinaudo mit seiner Geduld auch fast noch den Glauben verloren: »Hol mich hier raus«, haderte er wie einst Hiob mit seinem Gott.

In der Wahrnehmung des ehemaligen Missionars ging seine Geschichte in Maradi auch biblisch weiter. Eines Tages, als Rinaudo gerade Luft an den Reifen seines Geländewagens herausließ, um besser durch die trostlose Sandlandschaft zu kommen, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Bei den grünen Trieben, die überall um ihn herum aus dem Sand sprossen, handelte es sich mitnichten – wie er bislang immer angenommen hatte – um nutzloses Kraut: Sie stellten sich bei genauerer Betrachtung vielmehr als Baumtriebe heraus. Wenn diese jedoch mitten im Sand wachsen konnten, musste sich unter ihnen ein noch intaktes Wurzelwerk befinden, folgerte Rinaudo: Und weil dasselbe Phänomen überall in der Region zu beobachten war, durfte man von einem riesigen Wurzel-Netzwerk unter dem Sand der Sahelzone ausgehen. Bäume, die gewissermaßen verkehrt herum im Wüstenboden stecken, schwante dem Agrarexperten: ein unterirdischer Wald.

Sein Damaskus-Erlebnis stellte Rinaudos Welt vom Kopf auf die Füße. Wenn man den grünen Trieben im Sand nur eine Chance gäbe, würden sie ganz von selbst zu Bäumen heranwachsen, mutmaßte er: Sein verzweifeltes Pflanzen neuer Bäume war womöglich völlig überflüssig. Alles, was man zur Regeneration der verheerten Landschaft brauchte, war ein Taschenmesser, das Rinaudo ständig mit sich trägt: Damit pflegt er die zum Verbuschen neigenden Triebe der Bäumchen zu beschneiden. Weil die Sprösslinge auf die noch im Wurzelwerk gelagerten Nährstoffe, vor allem Zucker, zurückgreifen können, wachsen sie meist in atemberaubendem Tempo zu ausgewachsenen Bäumen...

Erscheint lt. Verlag 24.8.2018
Reihe/Serie rüffer&rub visionär
Co-Autor Tony Rinaudo, Dennis Garrety
Mitarbeit Interviewte Person: Günter Nooke
Übersetzer Roland Brolde
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Naturwissenschaften Biologie
Weitere Fachgebiete Land- / Forstwirtschaft / Fischerei
Schlagworte Afrika • Äthiopien • Burkina Faso • Entwicklungshilfe • Ernährung • FMNR • Klimawandel • Mali • Niger • Tschad • Wiederaufforstung
ISBN-10 3-906304-45-0 / 3906304450
ISBN-13 978-3-906304-45-8 / 9783906304458
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