Des Lebens dornige Pfade -  Phillip Kordes

Des Lebens dornige Pfade (eBook)

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2018 | 1. Auflage
316 Seiten
TWENTYSIX (Verlag)
978-3-7407-0094-2 (ISBN)
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»Des Lebens dornige Pfade« ist das 2. Buch der Trilogie. Die Handlung spielt von 1876 bis 1896. Benedikt Halbach ist zu einem der reichsten Landwirte geworden. Schon in jungen Jahren bestimmt er die Geschicke der Gemeinde mit. Aber seine Macht hat auch Schattenseiten. Benedikt spürt nur allzu deutlich Anfeindungen und Neid. Hinzu kommen private Schicksale, mit denen er fertig werden muss. Und noch immer träumt er von einer anderen Welt.

Phillip Kordes wuchs im Hochsauerland auf. Er studierte in Dortmund Pädagogik und war bis 2001 Lehrer an der Realschule. Bisher sind vier Kriminalromane von ihm erschienen. »Mord in acht Tagen« und »Windvögel« spielen im Hochsauerland. »Maske des Schweigens« und »time - Zeit der Sühne« sind im Ruhrgebiet angesiedelt. Seine historischen Romane »Dunkler Rauch am Horizont« und »Des Lebens dornige Pfade« sind der 1. und 2. Band einer Trilogie aus dem Sauerland. Darüber hinaus veröffentlichte Phillip Kordes nahezu 400 Kurzkrimis bzw. Kurzromane sowie zwei Fortsetzungsromane.

3


Der Sonntag war der schönste Tag der Woche. An den Sonntagen ruhte die schwere Arbeit auf den Höfen. Nur die Kühe wurden wie immer regelmäßig gemolken und das übrige Vieh versorgt.

Der Sonntagmorgen stand ganz im Zeichen des Kirchganges. Während des Gottesdienstes saß Benedikt Halbach auf seinem angestammten Platz in der zweiten Bank, neben ihm Onkel Ludwig mit Jakob. Vor ihnen hatten sich Benedikts Brüder Johannes und Paul und sein Schwager Lutz Saalfeld niedergelassen. Diese beiden Reihen besetzten die Halbachs stets, wenn sie früh genug zur Messe gingen. Auf der anderen Seite der Kirche saßen Benedikts Frau Sophia, Tante Lydia, sowie seine Schwestern Magdalena und Helene. Johannes verfolgte wie immer aufmerksam das Geschehen. Es war sein sehnlichster Wunsch, Priester zu werden. Seine Mutter wäre stolz auf ihn gewesen.

Vor einem Jahr war der Pastor gestorben und durch einen neuen ersetzt worden. Er hieß Adam Fricke. Im Gegensatz zum alten Pastor ließ Fricke sich aber nicht mit seinem Namen anreden, sondern verlangte von den Züschenern, dass sie ihn »Hochwürden« nannten oder »Herr Pfarrer«. Ein Pfarrer darf predigen, taufen und das Abendmahl austeilen, pflegte er zu sagen. Aber das Wichtigste sei, dass ein Pfarrer auch eine Gemeinde leite, da das Wort von »Pfarrherr« komme.

Für Benedikt war Fricke ein unangenehmer Mann. Was ihn störte, waren die unerbittlichen Predigten von Strafe und Vergeltung. Von Gnade oder Vergebung sprach Fricke nie.

An diesem Sonntag beherrschte der Tod den Gottesdienst. Edgar Gansheim war seiner schweren Verletzung erlegen. Als Doktor Kluse aus Winterberg endlich gekommen war, hatte er nichts mehr für ihn tun können. Adam Fricke predigte über das schreckliche Ende des Ehemannes, der eine junge Frau und ein ungeborenes Kind zurückgelassen hatte.

Pfarrer Fricke hatte sich schon wenige Wochen nach seiner Amtseinführung unbeliebt gemacht. Am Ende seiner ersten Predigt hatte Fricke den Bauern eine gute Heuernte gewünscht, ihnen aber nicht erlaubt, am heiligen Sonntag das Heu einzufahren. Es war ein schöner Tag, die Sonne schien, und es war seit Tagen zum ersten Mal richtig warm. Frickes Vorgänger hatte bei einem solchen Wetter den Bauern die Arbeit auf den Feldern erlaubt. Wer wusste denn schon genau, was der nächste Tag bringen würde? Aber Adam Fricke war unerbittlich. Der Sonntag war und blieb heilig und unantastbar für die Arbeit. Niemand widersprach.

Jeden Sonntagnachmittag nutzten die Menschen in Züschen, um Besuche zu machen und über den neuesten Klatsch zu tratschen, den die Tagelöhner und Handlungsreisenden mitbrachten.

Einmal im Monat kamen auch Sophias Eltern zum Mittagessen. Die Hände ihres Vaters, mit denen er Sophia kurz tätschelte, waren rau und rissig, Arbeiterhände, Bauernhände. Sein Gang war ein wenig gebeugt von der Last der Jahre und der schweren Arbeit. Obwohl sein Gesicht alt aussah, hatte er immer einen fröhlichen Gesichtsausdruck in seinen blauen Augen.

Walter Bertram brachte eine große Tüte Fleisch mit.

»Schweinebraten«, sagte er stolz.

Sophia nahm ihm den Braten aus der Hand und küsste seine Wange.

»Wie geht es dir?«, fragte er wie immer. »Was hast du heute gemacht? Geputzt und aufgeräumt?«

»Es ist Sonntag, Papa«, antwortete Sophia.

»Ach so, ja.«

Das war alles. Wahrscheinlich fragt er auch nur aus Höflichkeit, dachte Sophia wieder, denn sie lockte ihm auch sonst kaum eine Silbe aus dem Mund.

Walter Bertram humpelte zu der Eckbank, auf die er sich immer setzte.

Aus den Augenwinkeln beobachtete Sophia ihn. Ihr Vater war in den letzten Jahren sehr gealtert. Nur die Augen altern nie, dachte Sophia.

Er brauchte einen Stock beim Gehen. Manchmal, wenn er sich unbeobachtet glaubte, blieb er an einem Zaun stehen, stützte sich auf einen Pfosten und rang nach Luft. Er hatte Schmerzen in der Brust, aber er sagte es niemandem. Sophias Mutter kam sich immer nutzloser vor. Sie vernachlässigte ihren Haushalt und wartete nur auf die Sonntage, an denen sie sich von Sophia und Magdalena bedienen lassen konnte.

Am Mittag gab es Fleisch, Kartoffeln und frisches Gemüse. Fleisch war ein Zeichen dafür, dass es einem gutging. In den meisten Familien gab es höchstens einmal in der Woche Fleisch, wenn überhaupt.

Sophia bereitete stets mit ihrer Schwägerin Magdalena das Essen zu. Magdalena wohnte selbstverständlich im Haus von Benedikt. Obwohl sie viel älter war als er, ordnete sie sich klaglos dem Bruder unter. Am Anfang waren Magdalena und Sophia ein Herz und eine Seele. Erst als Magdalena in einem Anflug von Unbeherrschtheit und Nervosität Sophia an den Kopf geworfen hatte, dass Benedikt sie nur auf Wunsch seines Vaters geheiratet hatte, waren die Fronten verhärtet. Inzwischen hatten sie beschlossen, freundlich und harmonisch miteinander umzugehen. Sie stritten nie, aber sie sprachen nur das Notwendigste miteinander. Es herrschte eine kühle Distanz zwischen ihnen, die glücklicherweise nicht auf die anderen Familienmitglieder abstrahlte.

Seit einiger Zeit schon hatte Johannes das Tischgebet übernommen. Er betete inzwischen so lange, dass Benedikt sich nicht mehr darauf konzentrierte, sondern an die Arbeit dachte. Er wollte seinem Bruder aber auch nicht sagen, dass er seine Gebete kürzer fassen sollte. Es hätte ihn beleidigt.

Danach füllten Sophia und Magdalena das Essen auf.

»Mir auch«, bettelte Franziska. Niemand nahm ihr übel, dass sie sich vorlaut meldete. Franziska war zwei Jahre alt und der ganze Stolz Benedikts. Er strich zärtlich über den Kopf seiner Tochter.

»Gleich mein Schatz. Zuerst kommen die Erwachsenen.«

Franziska zog einen Schmollmund, fügte sich aber. Sie rutschte nur unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Sie wusste genau, wie sie sich zu benehmen hatte, aber es fiel ihr schwer, sich den Tischsitten anzupassen.

Nach dem Mittagessen gingen Walter und Anna Bertram wieder.

»Wir müssen uns etwas hinlegen«, meinte Anna mit einem verlegenen Lächeln. »Das können wir nur zu Hause, nirgends sonst.«

»Warum versucht ihr nicht, euch in der Stube auszuruhen?«, fragte Sophia. »Dann seid ihr zum Kuchen wieder fit.«

Anna winkte nur ab. »Danke. Kuchen bekommt deinem Vater nicht mehr so gut.«

Als die beiden das Haus verlassen hatten, trafen Onkel Ludwig und seine Frau Lydia ein. Tante Lydia hatte Kuchen mitgebracht. Sie liebte Franzi wie ihr eigenes Enkelkind, und obwohl der lieben Großtante bald Schweißperlen auf der Stirn standen, ließ sie nicht nach, mit Franzi zu spielen.

Da schönes Wetter war, setzten sich Benedikt und Ludwig nach draußen. Jeder zündete sich eine Pfeife an, und bald qualmten sie genussvoll vor sich hin. Sie sahen über den Bach Sonneborn. Die späten Herbstgewitter hatten den kleinen Fluss gewaltig ansteigen lassen. Abgestorbene Äste und Grasbüschel trieben auf der Wasseroberfläche.

Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen und Franziska erschien.

»Papa, Papa«, rief sie. Beinahe wäre sie in ihrem langen Kleid gestolpert, so schnell lief sie auf ihn zu. Sie kletterte auf seinen Schoß. Ohne auf die Pfeife zu achten, fiel sie ihm um den Hals und drückte ihm einen feuchten Kuss auf die Wange.

Benedikt schmunzelte. »Na, meine Süße. Bist du satt? Willst du nicht ein bisschen schlafen?«

»Nee, ich bin gar nicht müde.«

Um es zu beweisen, rutschte sie wieder von Benedikts Schoß und lief zum Wasser.

»Nicht so nah, Franzi.«

Ob sie ihn gehört hatte, konnte er nicht sehen. Auf jeden Fall blieb sie brav am Ufer, weit genug vom Wasser entfernt hocken.

»Du hast eine wunderbare Tochter«, sagte Ludwig Halbach.

»Ja«, nickte Benedikt. »Ich liebe sie sehr.«

»Und deine Frau?«

Benedikt drehte den Kopf zu ihm hin. »Was meinst du?«

»Sei mir nicht böse, Benedikt, aber du liebst Sophia nicht. Jedenfalls nicht so, wie es sein sollte. Ich meine …« Da er sich verhaspelte, suchte er einen Moment lang nach Worten. »Du respektierst sie, und das weiß sie. Es ist keine himmelhochjauchzende Liebe, die euch verbindet. Es ist mehr eine Vernunftehe.«

Benedikt schmunzelte amüsiert. »Willst du dich jetzt als Seelenklempner aufspielen?«

»Nein, nein. Ganz und gar nicht. An deinem fünfundzwanzigsten Geburtstag habe ich lange mit Sophia gesprochen. Sie ist mit ihrem Leben mehr als zufrieden, sie ist geachtet im ganzen Dorf, und das genügt ihr.«

Benedikt schwieg. Es stimmte, was sein Onkel sagte, aber so direkt hatte er noch nie darüber nachgedacht. Er sah zum Haus. Durch das Küchenfenster konnte er Sophia nur ahnen. Aber ein Leben ohne sie wollte er sich nicht mehr vorstellen.

Er räusperte sich. »Ich hätte zu meinem Geburtstag gerne Karl mit dabei gehabt«, wechselte er abrupt das Thema.

Ludwig nickte. »Das glaube ich. Er fehlt uns allen.«

So lange Benedikt denken konnte, war Karl Knecht auf ihrem Hof...

Erscheint lt. Verlag 20.6.2018
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-7407-0094-7 / 3740700947
ISBN-13 978-3-7407-0094-2 / 9783740700942
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