Der Mongole - Das Grab in der Steppe (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

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2019 | 1. Auflage
640 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-20279-8 (ISBN)

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Der Mongole - Das Grab in der Steppe -  Ian Manook
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Ein Mädchen, lebendig begraben in der mongolischen Steppe. Grausame Morde in der Hauptstadt. Und ein Ermittler, der von seiner düsteren Vergangenheit eingeholt wird ...
Kommissar Yeruldelgger hat selten gute Tage, aber heute ist ein besonders schlechter: Erst wird in der mongolischen Steppe die Leiche eines kleinen Mädchens gefunden, tief in der Erde vergraben auf seinem Dreirad. Kurz danach entdeckt man in der Hauptstadt die entstellten Leichen chinesischer Geschäftsleute. Zwei Fälle, die Kommissar Yeruldelgger vor ein Rätsel stellen. Er ahnt noch nicht, dass die Verbrechen zusammenhängen. Und dass sie Teil eines perfiden Plans sind, der Jahre zuvor sein Leben fast zerstört hat - und ihm jetzt das wenige zu nehmen droht, das ihm noch geblieben ist ...

Die unabhängig voneinander lesbaren Romane der Yeruldelgger-Reihe bei Blanvalet:

1. Der Mongole. Das Grab in der Steppe

2. Der Mongole. Kälter als der Tod

3. Der Mongole. Tod eines Nomaden

Ian Manook arbeitete als Journalist und leitete eine Kommunikationsagentur, bevor er sich dem Schreiben zuwandte. Sein Debütroman »Der Mongole. Das Grab in der Steppe« ist mehrfach preisgekrönt, unter anderem wurde er mit dem renommierten Krimipreis Quais du Polar ausgezeichnet und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Ian Manook lebt in Paris.

1

So etwas wie Glück …

Yeruldelgger starrte völlig verdattert auf den Gegenstand. Kurz zuvor hatte er den Blick noch ungläubig über die ausgedehnte Grassteppe von Delgerchaan schweifen lassen. Die weitläufige Landschaft rundherum wirkte wie ein vom Wind aufgepeitschtes grünes Meer aus Gras und Kraut mit Wellenbergen und Wellentälern. Eine Weile verharrte er schweigend, um sich zu vergewissern, dass er hier wirklich am richtigen Ort und ganz bei Sinnen war. Gerade hier, im Süden der Provinz Chentii-Aimag, wo es im Umkreis von Hunderten von Kilometern außer der unendlich weiten Landschaft so gut wie nichts gab, hätte man einen derartigen Gegenstand am wenigsten erwartet.

Der zuständige örtliche Polizeibeamte hinter ihm hielt respektvoll etwa einen Meter Abstand. Die Nomadenfamilie, die den Polizisten alarmiert hatte, stand ihnen einige Meter entfernt gegenüber. Alle Augen waren gespannt auf ihn gerichtet, und alle warteten ab, welchen Reim er sich auf dieses Ding machen würde, das da schief aus der Erde aufragte. Yeruldelgger seufzte tief, rieb sich die schlaffen Wangen mit seinen Pranken und kauerte sich vor den Gegenstand, um ihn genauer in Augenschein zu nehmen.

Er fühlte sich leer, ausgebrannt, wie ausgewrungen von seinem Kriminalbeamtendasein, bei dem er nichts mehr richtig im Griff hatte. Bereits um sechs Uhr heute früh hatten sie ihn rausgeklingelt, weil drei mit Messern malträtierte, verstümmelte Leichen in einem Büroraum der Direktion einer chinesischen Fabrik in einem Vorort der Hauptstadt Ulaanbaatar entdeckt worden waren. Und jetzt, fünf Stunden später, fand er sich mitten in der Steppe wieder, ohne recht zu verstehen, was er hier eigentlich verloren hatte. Er wäre viel lieber in der Stadt geblieben, um mit seinen Leuten in diesem Chinesen-Massaker zu ermitteln. Aus Erfahrung wusste er, dass sich die entscheidenden Hinweise zur Aufklärung von Verbrechen meist aus den Beobachtungen ergaben, die in den allerersten Stunden am Tatort gemacht wurden. Ihm war gar nicht wohl bei dem Gedanken, dass er jetzt nicht dort sein konnte, auch wenn er volles Vertrauen in Inspektorin Oyun hatte, die nun die Ermittlungen vor Ort leitete. Sie wusste, was zu tun war, und würde ihn auf dem Laufenden halten.

Der örtliche Polizist wagte es nicht, sich neben ihn zu kauern. Er stand halb nach vorn gebeugt da, mit angewinkelten Knien und gekrümmtem Rücken. Im Gegensatz zu Yeruldelgger versuchte er aber nicht im Geringsten zu verstehen, was er da sah. Das überließ er ganz dem Kommissar aus der Hauptstadt. Die Nomaden hingegen waren quasi gleichzeitig mit Yeruldelgger in die Hocke gegangen. Der Vater wirkte schon ziemlich alt mit seinem von der Sonne zerknitterten Gesicht unter der typischen kegelförmigen Trachtenkappe der Mongolen. Er trug einen alten Deel, den hochgeschlossenen, robenartigen mongolischen Sommermantel, aus grünem Satin mit gelben Stickereien und dazu weiche lederne Reiterstiefel. Die Frau war in eine ähnliche, hellblaue, seidenweiche Mantelrobe mit einer breiten rosa Seidenschärpe als Gürtel gekleidet. Sie sah sehr viel jünger aus als der Mann. Ihre drei Kinder hatten sich wie die Orgelpfeifen der Größe nach aufgestellt: zwei Jungen und ein kleines Mädchen, die rote, gelbe und grüne Gewänder trugen. Yeruldelgger schätzte, dass der Altersunterschied zwischen ihnen in etwa je ein Jahr betrug. Die ganze Familie machte einen recht vergnügten Eindruck – breit lächelnde Gesichter mit der typischen von Steppenwind, Wüstensand und Eiseskälte geröteten Haut. Genau wie sie war Yeruldelgger ein Kind dieser Steppen, auch wenn das schon lange zurücklag.

»Und, Kommissar?«, wagte sich der Polizist vor.

»Na ja, das ist eben ein Pedal. Ein ziemlich kleines natürlich. Ich nehme an, du hast schon mal ein Pedal gesehen?«

»Jawohl, Kommissar. Mein kleiner Sohn besitzt ein Fahrrad.«

»Na, welch ein Glück«, seufzte Yeruldelgger, »dann erkennst du ein Pedal, wenn du eins siehst?«

»Jawohl, Kommissar.«

Lächelnd folgte die Nomadenfamilie ihnen gegenüber dieser Unterhaltung. In einiger Entfernung hinter ihnen stand ihre weiße Jurte, ansonsten gab es weit und breit nichts als die vom Wind geformte, wellige Graslandschaft, bis in der bläulichen Ferne am Horizont die ersten Hügel anstiegen. Man konnte nicht einmal die schmale Straße erkennen, auf der sie mit dem kleinen russischen Geländewagen bis zu ihrer Jurte gefahren waren.

Wie ein Sumoringer presste Yeruldelgger seine riesigen Hände auf die Oberschenkel und zog den Kopf zwischen die Schultern, um seine aufsteigende Wut zurückzuhalten. »Und wegen so was lässt du mich hierherkommen?«

»Jawohl, Kommissar …«

»Soll das etwa heißen, dass ich drei Stunden lang auf dieser elenden Piste von Ulaanbaatar bis hierher fahren musste, um mir ein Fahrradpedal anzusehen, das schief aus dem Boden herausragt?«

»Nein, Kommissar, es ist wegen der Hand.«

»Wegen der Hand? Was für eine Hand?«

»Die Hand unter dem Pedal, Kommissar.«

»Wie? Unter dem Pedal ist eine Hand?«

»Genau, Kommissar. Unter dem Pedal da befindet sich eine Hand.«

Ohne sich zu erheben, drehte Yeruldelgger den Kopf, musterte diesen Ortspolizisten schräg von unten. Wollte der ihn etwa auf den Arm nehmen?

Der Mann verzog jedoch keine Miene. Kein Anzeichen von Belustigung. Keine Spur von Intelligenz. Dieses Gesicht drückte nicht mehr als den gewohnheitsmäßigen, unterwürfigen Respekt gegenüber Höherrangigen und eine gewisse Zufriedenheit über die eigene Inkompetenz aus. Um nicht vor Wut aus der Haut zu fahren, konzentrierte sich Yeruldelgger wieder ganz auf den ominösen Gegenstand, mit dem es nun vielleicht doch eine beunruhigendere Bewandtnis hatte. Ein kleines Fahrradpedal, das leicht schräg aus der Erde herausragte und unter dem sich womöglich eine Hand verbarg. »Und woher willst du wissen, dass darunter eine Hand steckt?«

»Weil die Nomaden sie ausgegraben haben, Kommissar«, erwiderte der Polizist.

»Ausgegraben?! Was soll das heißen: ausgegraben?«, wetterte Yeruldelgger.

»Sie haben sie ausgegraben, Kommissar. Sie haben hier ein bisschen gegraben … also, eben ein bisschen Erde weggeschaufelt. Nachdem die Kinder beim Spielen das Pedal entdeckt hatten, wollten sie es ausgraben, und dabei ist eine Hand zum Vorschein gekommen.«

»Eine Hand? Und da sind sie sich sicher? Eine menschliche Hand?«

»Eine Kinderhand, jawohl, Kommissar.«

»Eine Kinderhand?«

»Genau, Kommissar. Eine kleine Hand. Wie die eines Kindes.«

»Und wo ist sie jetzt, diese Kinderhand?«

»Unten drunter, Kommissar.«

»Unten drunter? Unter was?«

»Unter dem Pedal, Kommissar.«

»Willst du damit sagen, sie haben sie wieder eingegraben? Sie haben die Hand also wieder eingegraben?«

»So ist es, Kommissar. Genau wie das Pedal, Kommissar.«

Yeruldelgger richtete den Blick auf die Nomadenfamilie in den farbenfrohen Deels, die ihm vor dem tiefblauen Himmel immer noch mustergültig aufgereiht gegenüberhockte. Alle sahen ihn an und nickten eifrig, als wollten sie dem Bericht ihres Ortspolizisten Nachdruck verleihen. Wieder drehte Yeruldelgger den Kopf so, dass er den örtlichen Kollegen von unten betrachten konnte. »Sie haben also alles wieder eingegraben? Ich hoffe, du hast sie wenigstens gefragt, warum sie das gemacht haben.«

»Selbstverständlich, Kommissar: um den Tatort nicht zu kontaminieren.«

»Wie bitte?«

»Um den Tatort nicht zu kontaminieren«, wiederholte der Polizist, und ein Hauch Stolz schwang in seiner Stimme mit.

»›Um den Tatort nicht zu kontaminieren.‹ Wo um alles in der Welt haben sie das denn her?«

»Aus CSI: Miami. Sie haben mir erzählt, dass sie keine Folge von CSI: Miami verpassen und dass Horatio, der Chefermittler, immer darauf hinweist, wie wichtig es ist, den Tatort nicht zu kontaminieren.«

»CSI: Miami!«, rief Yeruldelgger. Langsam und mit einem Ausdruck äußerster Müdigkeit und Niedergeschlagenheit richtete er sich wieder auf. Sein Blick war auf die Jurte der Nomadenfamilie gerichtet, die sich gleichzeitig mit ihm erhob. Yeruldelgger befürchtete, jetzt zu sehen, was ihm schon bei seiner Ankunft hätte auffallen sollen. Er neigte den Kopf ein wenig zur Seite und entdeckte hinter dem alten Familienvater die große, auf den weiten, unschuldigen Himmel gerichtete Satellitenschüssel. Und irgendwo im Inneren der Jurte befand sich auch jener Flimmerkasten, der all diesen Blödsinn selbst im entlegensten Winkel von Chentii-Aimag auf die Mattscheibe zauberte. »Hauptsache, sie haben Satellitenfernsehen – dem Himmel sei Dank«, seufzte Yeruldelgger resigniert. »Und was haben sie dir sonst noch erzählt?«

»Sonst nichts, Kommissar. Seitdem haben sie auf Sie gewartet. Wenn Sie noch mehr darüber wissen wollen, müssen Sie das mit Horatio besprechen.«

»Mit Horatio?«

»Horatio Caine. So heißt der Chefermittler bei CSI: Miami.« Der Polizist lachte und deutete mit dem Kinn auf den alten Nomaden.

Yeruldelgger drehte sich daraufhin zu ihm um und fixierte ihn mit einem wutentbrannten Blick, der das idiotische Grinsen des Mannes in Sekundenbruchteilen auslöschte.

»Wenn du es ihm gegenüber noch einmal am gebührenden Respekt fehlen lässt, binde ich dich am Schwanz an sein galoppierendes Pferd. Hast du mich verstanden?«

»Jawohl, Kommissar«, entschuldigte sich der Polizist kleinlaut.

»Ich...

Erscheint lt. Verlag 14.1.2019
Reihe/Serie Kommissar Yeruldelgger ermittelt
Übersetzer Wolfgang Seidel
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Yeruldelgger
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Asien • Der Mongole. Kälter als der Tod • Der Mongole. Tod eines Nomaden • eBooks • Ermittler • Fred Vargas • grausame Mordserie • Haruki Murakami • intelligente Spannung • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Kurt Wallander • Mongolei • Mordermittlung • Prix Quais du Polar • Steppe • Taschenbuch Neuerscheinung 2021 • Thriller • Ulan Bator
ISBN-10 3-641-20279-5 / 3641202795
ISBN-13 978-3-641-20279-8 / 9783641202798
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