Bad Friends - Was habt ihr getan? (eBook)
464 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45182-3 (ISBN)
Gilly Macmillan studierte Kunst und Kunstgeschichte in Bristol und London, arbeitete für The Burlington Magazine und verschiedene Kunstgalerien sowie als Dozentin für Fotografie. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Bristol. 'Toter Himmel', ihr Debüt, hat in nicht weniger als 16 Ländern die Leser begeistert, 'Perfect Girl' und 'Bad Friends' landeten in Großbritannien, USA und Deutschland auf den Bestsellerlisten. 'Sieben Wahrheiten' ist Gilly Macmillans vierter Spannungsroman.
Gilly Macmillan studierte Kunst und Kunstgeschichte in Bristol und London, arbeitete für The Burlington Magazine und verschiedene Kunstgalerien sowie als Dozentin für Fotografie. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Bristol. "Toter Himmel", ihr Debüt, hat in nicht weniger als 16 Ländern die Leser begeistert, "Perfect Girl" und "Bad Friends" landeten in Großbritannien, USA und Deutschland auf den Bestsellerlisten. "Sieben Wahrheiten" ist Gilly Macmillans vierter Spannungsroman.
Früher am Abend
Am Ende meiner letzten Sitzung mit der Polizeipsychologin Dr. Manelli küssen wir uns unbeholfen.
Es ist mein Fehler.
Vermutlich liegt es an meiner Euphorie, weil die unfreiwilligen Sitzungen mit Dr. Manelli endlich vorüber sind. Das hat nichts mit ihr zu tun, ich mag es nur nicht, mit Fremden mein Leben zu erörtern.
Zum Abschied hatte sie mir einen professionellen Händedruck angeboten – ihre langfingrige Eleganz mit einem einzelnen silbernen Armband um das schwarze Bündchen am schmalen Handgelenk. Ich aber hatte mich nicht im Griff und wollte sie auf die Wange küssen, sodass wir uns in einer peinlichen, hölzernen Umklammerung wiederfanden.
»Entschuldigen Sie«, sage ich. »Wie dem auch sei. Danke.«
»Gerne.« Sie wendet sich ab und rückt ein paar Unterlagen auf dem Schreibtisch gerade, während sich auf ihren Wangenknochen zwei farbige Punkte abzeichnen. »Ich bin auch in Zukunft immer für Sie da, wenn Sie mich brauchen sollten«, meint sie. »Meine Tür steht Ihnen immer offen.«
»Und Ihr Bericht?«
»Wird wie besprochen Ihre sofortige Rückkehr ins Kriminalkommissariat empfehlen.«
»Wann, meinen Sie, werden Sie ihn einreichen? Ich will Sie nicht drängen, aber ich habe auch keine Lust auf weitere Verzögerungen.«
»Sobald Sie das Zimmer verlassen haben, Detective Inspector Clemo.«
Sie lächelt, kann sich eine letzte Belehrung allerdings nicht verkneifen. »Vergessen Sie nicht, dass es lange dauern kann, bis man sich von einer depressiven Phase erholt. Erwarten Sie nicht, dass Ihre Empfindungen – die Wut und die Schlaflosigkeit – völlig verschwinden. Sie müssen sich darauf gefasst machen, dass sie wiederkommen. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie davon überwältigt werden, ist das der richtige Zeitpunkt, sich bei mir zu melden, nicht erst, wenn es zu spät ist.«
Damit meint sie, bevor ich im Büro wieder einmal mit der Faust gegen die Wand schlage.
Ich nicke und blicke mich ein letztes Mal im Behandlungszimmer um. Hier drin ist es gedämpft und still, es ist ein Raum für intime Gespräche und quälende Bekenntnisse.
Meine Therapie hatte sechs Monate zuvor begonnen. Es ging darum, mir eine Rettungsleine zuzuwerfen und mich davor zu bewahren, in den Schuldgefühlen und der Reue unterzugehen, die mich nach dem Fall um Ben Finch heimsuchten; ich sollte lernen, das, was geschehen war, anzunehmen und weiterzumachen.
Ben Finch war acht Jahre alt, als er verschwand; der Fall war im Fokus der Öffentlichkeit, und es stand viel auf dem Spiel; wochenlang überschlugen sich die Medien mit sämtlichen Details. Ich quälte mich wegen des Jungen und fühlte mich persönlich für sein Schicksal verantwortlich, doch das hätte nicht sein dürfen. Man muss ein gewisses Maß an professioneller Distanz wahren, andernfalls hat keiner was davon.
Ich glaube, mittlerweile habe ich akzeptiert, was passiert ist, zumindest einigermaßen. Jedenfalls habe ich Dr. Manelli davon überzeugt, dass es so ist.
Während ich die Treppe in Manellis Haus hinunterlaufe, rufe ich meine Chefin im Kommissariat an, den Blick fest auf die Glasscheibe über dem Eingang geheftet. Das Tageslicht dahinter bedeutet meine Freiheit.
Fraser geht nicht ans Telefon, also hinterlasse ich eine Nachricht, in der ich ihr mitteile, dass ich bereit bin, an meinen Arbeitsplatz zurückzukehren, und frage, ob ich morgen anfangen kann. »Ich übernehme jeden Fall, egal was«, sage ich. Und das meine ich so. Alles ist mir recht, solange ich wieder im Rennen bin.
Während ich die baumbestandene Straße, in der Manellis Praxis liegt, auf dem Fahrrad entlangfahre, denke ich darüber nach, wie viel harte Arbeit es mich kosten wird, mir nach allem, was passiert ist, wieder einen Namen zu machen. Es gibt eine Menge Leute, die ich beeindrucken muss.
Doch ich bin in Aufbruchsstimmung, und es scheint nicht unmöglich.
Ich bin voller Zuversicht, sodass ich sogar die ersten Blüten bemerke, und mich überschwemmt eine Welle der Zuneigung für die schöne, quicklebendige Stadt, in der ich lebe.
Aus der Galerie fällt Licht auf die Straße und erhellt den schmutzigen Gehsteig.
Große weiße Buchstaben wurden mit Schablonen auf das Fenster gemalt und kündigen unübersehbar die Ausstellung an:
EDWARD SADLER:
MIT FLÜCHTLINGEN UNTERWEGS
Darunter folgt in Kursivschrift eine nähere Beschreibung des ausgestellten Werks.
Vertriebene Leben und zerstörte Orte:
Bilder vom Rande des Seins
Das riesige Foto, das im Schaufenster hängt, wird von einem Scheinwerfer angestrahlt.
Darauf ist ein Junge zu sehen. Vor dem Hintergrund eines tiefblauen Himmels, eines azurnen, mit Schaumkronen gesprenkelten Ozeans und einem Panorama zerbombter Gebäude geht der Junge auf die Kamera zu. Er mag dreizehn oder vierzehn Jahre alt sein. Er trägt lange Shorts, Flipflops und ein Fußballtrikot mit abgeschnittenen Ärmeln. Seine Kleider sind schmutzig. Sein Blick richtet sich auf einen Punkt hinter der Kamera, Gesicht und Haltung zeugen von Anstrengung, denn auf seinen Schultern trägt er einen Hammerhai. Dessen blutiges Maul ragt in Richtung der Kamera. Das Maul und eine blutrote Schnittwunde am muskulösen weißen Rumpf wirken erschreckend plastisch gegen die zerstörte Architektur im Hintergrund: Zeichen von Leben, Tod und Gewalt.
Auf dem Weg zum Fischmarkt, Mogadischu 2012, lautet der Untertitel.
Es ist nicht das Bild, das Ed Sadlers Ruf begründete und ihm seine fünf und ein paar Minuten Ruhm einbrachte, nichtsdestotrotz wurde es an einige renommierte Medien verkauft.
Die Galerie ist gesteckt voll. Alle halten Gläser in den Händen und scharen sich um einen Mann. Er steht an der Rückwand des Raums auf einem Stuhl. Er trägt eine kakifarbene Hose, abgestoßene braune Schnürschuhe, einen ausgebleichten Ledergürtel und ein hellblaues Hemd, dessen Falten verraten, dass er es eben erst gekauft hat. Sein sandfarbenes Haar ist am Ansatz etwas dunkler als an den Spitzen, und es ist dichter, als man bei einem Mann in den frühen Vierzigern erwarten würde. Er sieht gut aus – hat breite Schultern und ein kantiges Kinn –, auch wenn seine Frau der Meinung ist, dass seine Ohren ein bisschen zu weit abstehen, um ganz perfekt zu sein.
Er wischt sich über die sonnengebräunte Stirn. Er ist leicht beschwipst, vom guten Bier, dem erstaunlich großen Interesse und der Tatsache, dass diese Nacht den Höhepunkt seiner beruflichen Karriere darstellt, gleichzeitig aber auch ein verheerendes privates Tief.
Es ist gerade mal vier Tage her, dass Ed Sadler und seine Frau Fiona sich mit ihrem Sohn Noah und dessen Onkologin zusammengesetzt und die denkbar schlimmste Prognose bekommen haben. Sie stehen ganz unter dem Eindruck dieses Schocks und haben es bislang für sich behalten.
Jemand klimpert mit einem Löffel an sein Glas, und die Anwesenden verstummen.
Ed Sadlers Kopf und Schulter erheben sich über die Menge, und er zieht ein Blatt aus der Tasche und setzt sich die Lesebrille auf, nimmt sie jedoch gleich wieder ab.
»Ich glaube, das brauche ich nicht«, sagt er und zerknüllt das Papier. »Ich weiß auch so, was ich sagen will.«
Er sieht sich im Raum um und sucht den Blickkontakt mit Freunden und Kollegen.
»Abende wie diese sind etwas ganz Besonderes, denn es passiert nicht oft, dass ich so viele Menschen, die mir wichtig sind, um mich versammeln kann. Es macht mich sehr stolz, dass ich euch mein Werk hier zeigen kann. Es ist die Arbeit eines ganzen Lebens, und es gibt eine Reihe von Menschen, die ich nennen muss, weil es dieses Werk ohne sie nicht gäbe. Zunächst ist da mein guter Freund Dan Winstanley, genau genommen sollte ich jetzt sagen, Professor Winstanley. Wo bist du, Dan?«
Ein Mann im blauen Hemd hebt mit einem verlegenen Lächeln die Hand; sein Haar könnte einen Friseurbesuch vertragen.
»Zuallererst möchte ich dir dafür danken, dass du mich in der Schule jede Woche die Mathehausaufgaben hast abschreiben lassen. Ich denke, es ist lange genug her, damit ich es gefahrlos sagen kann!« Damit erntet er ein Lachen.
»Viel wichtiger aber ist, dass du mir Zugang zu so vielen verschiedenen Orten in Somalia verschafft hast, insbesondere zu Hartisheik, dem Flüchtlingslager, in dem die Fotos entstanden sind, die meine Karriere begründet haben. Dieser Mann hier, Dan, hat mich das erste Mal dorthin mitgenommen, als er SomaliaLink aufgebaut hat. Für diejenigen, die SomaliaLink nicht kennen: Das sollten Sie ändern. Allein durch Dans Sturheit und Geschick ist es zu einer preisgekrönten Organisation geworden, die Unglaubliches für Bildungs- und Aufbauprojekte in ganz Somalia leistet. Sie wurde vor knapp zwanzig Jahren mit dem bescheideneren Ziel gegründet, die Beziehungen zwischen unserer Stadt und der somalischen Flüchtlingsgemeinde zu fördern, aus der viele über Hartisheik und benachbarte Camps nach Bristol kamen. Ich bin sehr stolz darauf dazuzugehören. Dan, solange ich zurückdenken kann, hast du die Dinge für mich gerichtet, doch du warst immer auch meine Inspiration. Was meine geistigen Fähigkeiten angeht, konnte ich nie allzu viel beitragen, aber ich hoffe, dass diese Bilder dabei helfen, deine Arbeit bekannt zu machen. Oft ist es gefährlich, solche Fotos aufzunehmen, und manchmal macht es Angst, aber von der Notwendigkeit bin ich zutiefst überzeugt.«
Spontan wird geklatscht, und einer von Eds Rugbyfreunden ruft etwas dazwischen und bringt ihn zum Lächeln.
»Es gibt noch einen weiteren Grund, warum ich das hier mache, und das ist es, was ich heute Abend vor allem sagen...
Erscheint lt. Verlag | 27.6.2018 |
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Übersetzer | Maria Hochsieder |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Abdi Mahal • beste Freunde • Bestseller-Autorin • Bristol • britischer Kriminalroman • Detective Clemo • dunkle Geheimnisse • Emma Zhang • England • Familiendrama • Flüchtling • Flüchtlinge • Flüchtlingslager • Fotograf • Fremdenfeindlichkeit • Freunde • Freundschaft • Gesellschaftliche Spannungen • Gillian Flynn • Gilly Macmillan • Jim Clemo • Journalistin • Jungen • Kanal • Koma • kranker Junge • Kriegsfotograf • Kriminalfall • Leukämie • mysteriöser Unfall • New York Times Bestseller-Autorin • Noah Sadler • Perfect Girl • Psychokrimi • Psychothriller • Psychothriller England • Psychothriller Familie • ruth ware • schweigender Zeuge • Somalia • Spannender Psychothriller • Spannung • Tana French • Thriller • Thriller Kinder • Thriller und Psychothriller |
ISBN-10 | 3-426-45182-4 / 3426451824 |
ISBN-13 | 978-3-426-45182-3 / 9783426451823 |
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Größe: 2,1 MB
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