Kaiserin von Gottes Gnaden (eBook)

Theophanu. Der Roman ihres Lebens

(Autor)

eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
480 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490976-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kaiserin von Gottes Gnaden -  Petra Welzel
Systemvoraussetzungen
8,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Sie ist die mächtigste Frau des Abendlandes: Kaiserin Adelheid. An der Seite Ottos des Großen lenkt sie die Geschicke des Reiches. Doch dann heiratet ihr Sohn Otto II. die schöne Theophanu. Die byzantinische Prinzessin bringt aus Konstantinopel Luxus, Exotik und verfeinerte Sitten an den deutschen Hof. Als auch Theophanu nach der Macht greift, beginnt ein erbitterter Konflikt...

Petra Welzel wurde 1962 in Düsseldorf geboren. Nach ihrem Studium war sie als Sozialarbeiterin tätig, bis sie zum Drehbuchschreiben kam und zahlreiche Serien und TV-Movies schuf.

Petra Welzel wurde 1962 in Düsseldorf geboren. Nach ihrem Studium war sie als Sozialarbeiterin tätig, bis sie zum Drehbuchschreiben kam und zahlreiche Serien und TV-Movies schuf.

Kapitel 2


Adelheid las von dem Pergament, das vor ihr im Gras lag, ab. »Consors …«

Die junge Frau hob fragend den Blick zum Pater, der im Gegensatz zu ihr den Schatten unter einer Zypresse gesucht hatte. Adelheid lebte nun bereits zehn Jahre im Süden und immer noch genoss sie den Frühling, der hier in Pavia viel eher einsetzte als in ihrer Heimat Burgund. Zum Glück war ihr Lehrer nachgiebig, sodass es ein Leichtes war, ihn dazu zu überreden, die kalten Mauern des Palastes mit dem Garten zu tauschen. Bei der Übersetzung gedachte er ihr allerdings nicht zu helfen, sondern sah sie nur abwartend an. Adelheid tat so, als ob sie nachdächte, doch die nach dem Winter plötzlich wiederkehrende Farbenpracht der Blumen und die bereits in Blüte stehenden Bäume zogen ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich. Der Palast wirkte plötzlich gar nicht mehr so groß und behäbig, sondern schien in dem hellen Licht ganz leicht. Theoderich, der große Gotenkönig, hatte ihn auf den Ruinen eines noch älteren Palastes erbaut. Hugo maulte oft genug, dass die Räume nicht hell, nicht geräumig genug waren. In Wahrheit wurmte es ihn wohl nur, dass das große Bodenmosaik im Thronsaal Theoderich anstatt Hugo zeigte.

Pater Martin räusperte sich. »Was ist, Adelheid, soll ich helfen? Wenn Ihr ein Wort nicht kennt, versucht immer, es abzuleiten. ›Consors‹ beginnt mit ›con‹, also ›mit‹.«

Martin sah sie erwartungsvoll an. Adelheid lenkte ihre Gedanken wieder auf den Text. ›Con‹ bedeutete ›mit‹, das wusste sie auch. Aber der Rest? Sie verstand selber nicht, warum sie sich so schwer tat. Wenn sie in Pavias Gassen unterwegs war, flogen ihr die Wörter der Kaufleute und Pilger in den unterschiedlichsten Sprachen geradewegs zu. So ungern Adelheid damals aus dem Norden weggegangen war, so sehr schätzte sie mittlerweile Pavia, die Stadt, mit der selbst das große Rom kaum an Glanz und Betriebsamkeit mithalten konnte. Wie gern hätte sie sich jetzt in den Trubel gestürzt, doch dafür hatte der Pater bestimmt kein Verständnis.

»Pater Martin! Adelheid!«

Adelheid drehte sich, froh über die Ablenkung, zu ihrer Cousine Willa um. Die blonde Frau war nicht besonders hübsch, auch wenn ihr spitzes Gesicht durch die bereits weit fortgeschrittene Schwangerschaft etwas Fülle bekommen hatte. Adelheid lief der sich schwerfällig bewegenden Frau entgegen und begrüßte sie mit einem Kuss. Sie mochte die zehn Jahre Ältere sehr gern, fühlte sich fast schwesterlich mit ihr verbunden.

»Es tut mir Leid, dass wir zu spät kommen. Aber Adalbert hatte ein kleines Missgeschick beim Reiten. Der Hengst hat ihn abgeworfen.«

Sie deutete auf ihren Sohn, der, eine Hand an seinem schmerzenden Hinterteil, angehumpelt kam.

›Kein Wunder!‹, dachte Adelheid, während sie ihrem dicklichen Neffen einen nicht allzu freundlichen Blick zuwarf. Das von hängenden Wangen gezeichnete Gesicht verriet eine Lethargie, die für einen Zwölfjährigen doch eher ungewöhnlich war.

»Macht Euch keine Sorgen, Markgräfin.«

Pater Martin warf Adelheid einen strengen Blick zu. »Wir sind noch nicht allzu weit mit dem Unterricht gekommen.«

Adelheid senkte beschämt den Kopf. Sie war wirklich unaufmerksam gewesen.

»Setz dich«, befahl Willa ihrem Sohn. »Ich hole dich nachher wieder ab.«

Dann ging sie auf den Pater zu und lächelte ihn an. »Ich bin froh, dass Ihr so viel Verständnis habt.«

Der Pater machte schüchtern einen Schritt zurück. »Nicht der Rede wert.«

»Stellt Euer Licht nicht unter den Scheffel.« Willa stand jetzt direkt vor ihm. »Ihr braucht Euch in keiner Hinsicht zu verstecken.«

Sie musterte den zwar nicht allzu groß gewachsenen, aber mit einem gut gebauten Körper gesegneten Pater lächelnd. Damit ging Willa, Adelheid zuzwinkernd, schnell auf den Palast zu. Adelheid musste ein Lachen unterdrücken. Zusammen mit Willa hatte sie sich schon oft über die Schüchternheit des Paters lustig gemacht. Aber sie hätte es nie gewagt, ihn so herauszufordern.

»Wir waren bei dem Wort ›consors‹ stehengeblieben«, unterbrach Pater Martin ihre Gedanken.

»Vielleicht kann Adalbert uns bei der Übersetzung helfen«, schlug Adelheid vor.

Martin blickte auf Adalbert, der sich unter dem großen Wunderbaum niedergelassen hatte. Er lehnte sich an dessen Stamm, der von Efeu bewachsen war, und zupfte von den Ranken ein paar der schwarzen, kugeligen Früchte ab, die den Winter überdauert hatten. Bevor der Pater sich versah, hatte Adalbert sie sich in den Mund gesteckt und begann genüsslich zu kauen.

»Adalbert!«

Mit zwei großen Schritten war Martin bei seinem Schüler. »Adalbert! Spuck sofort die Früchte aus! Sie sind giftig!«

Adalbert hielt erschrocken im Kauen inne. Der Pater sank vor ihm auf die Knie. »Schnell, raus damit! Oh Herr im Himmel, hilf dieser unwissenden Seele!«

Adelheid sah, dass Martins Gebete nichts nützen würden. Adalbert war vor Furcht wie gelähmt. Geistesgegenwärtig stürzte die junge Frau auf ihn zu und bohrte ihm ihre Finger fest in die Wangen. Sie hatte gesehen, wie einer der Knechte Hugos bestem Jagdhund mit diesem Griff einen spitzen Knochen entwand, und bemühte sich jetzt, es ganz genauso zu machen. Und sie hatte Erfolg. Adalbert öffnete endlich den Mund und spuckte die halb zerkauten Beeren aus. Adelheid wandte sich angewidert ab, während Willas Sohn seine schmerzenden Wangen hielt, auf denen noch deutlich die Abdrücke ihrer Finger zu sehen waren. Pater Martin ermahnte ihn: »Du darfst nicht einfach alles in den Mund stecken.«

»Aber die Beeren sahen so gut aus und ich hatte Hunger.«

»Du hast immer Hunger«, konnte Adelheid sich nicht verkneifen anzufügen.

Adalbert warf ihr einen bösen Blick zu, doch bevor er etwas erwidern konnte, griff der Pater ein. »Genug jetzt. Adelheid hat dich vor schlimmem Unheil bewahrt. Bedanke dich bei ihr.«

»Nicht, wenn sie sich über mich lustig macht.«

»Das würde ich doch nie tun«, erwiderte Adelheid.

»Da seht Ihr’s! Sie ist wie alle Frauen: falsch und verschlagen.«

Adelheid wollte auf Adalbert losgehen, aber Martin stellte sich zwischen die beiden Streitenden. »Ich werde euch jetzt etwas über Frauen erzählen.«

Adelheid lächelte in sich hinein, denn sie konnte sich vorstellen, was Willa in diesem Augenblick gesagt hätte. Sie selbst dachte nur, dass ein Priester wohl der Letzte sei, der Ahnung von Frauen hatte.

»›Consors‹, um da weiterzumachen, wo wir vorhin stehengeblieben sind, ist die Gefährtin. Gemeint ist hier eine Mitregierende.«

»Nur ein schwacher König lässt sich von einer Frau ins Handwerk pfuschen«, tönte Adalbert.

Adelheid schnappte noch nach Luft, als Martin schon antwortete: »Ganz im Gegenteil. Nehmen wir einmal Otto, König der Franken und Sachsen.«

Adelheid horchte auf. »Otto? Wie kommt Ihr auf Otto?«

Vor ihrem inneren Auge stieg das Bild eines großen, breitschultrigen Mannes auf. Sie spürte noch die starken Hände, die sie hochhoben, als wäre es gestern gewesen. Und allein die Vorstellung seiner braunen Augen reichte aus, um eine große Sehnsucht in ihr zu wecken. Sie hatte ihn nie vergessen.

Der Pater fuhr ruhig fort. »Otto, der es geschafft hat, nach seines Vaters Tod gestärkt aus den rivalisierenden Kämpfen hervorzugehen und sein Reich zu festigen, tut das nicht zuletzt mit Hilfe seiner Gattin Editha.«

Die Worte des Geistlichen trafen Adelheid bis ins Mark. »Seiner Gattin?«

»Editha ist eine fromme Frau, die an Stelle ihres Mannes, der in die weltlichen Ränkespiele um die Macht verstrickt ist, sühnt und gute Werke verrichtet.«

Editha, der Name hallte in Adelheids Kopf wider. Wie hatte sie so dumm sein können, anzunehmen, dass solch ein Mann, König obendrein, noch nicht verheiratet war? Und doch spürte sie fast schon Hass auf diese Frau, die anscheinend auch noch ein Ausbund an Tugend war.

»Liebt er sie?«, rutschte es Adelheid heraus.

Pater Martin sah sie irritiert an. »Wenn wir uns noch einmal den Terminus ›Consors regni‹ anschauen, dann wird zumindest klar, dass Otto seine Frau achtet.«

»Solange sie ihm nützt.«

Hugos dröhnende Stimme ließ Adelheid herumfahren. Der König hatte sich unbemerkt genähert. »Durch sie hat er beste Verbindungen zum angelsächsischen Herrscherhaus. Aber auch damit wird es ihm nicht gelingen, Kaiser zu werden. Er ist im Grunde seines Herzens ein Barbar.«

»Was wisst Ihr über Ottos Herz?«, rief Adelheid.

Der Pater legte ihr die Hand auf den Arm, um sie zur Mäßigung aufzufordern.

Doch Adelheid schüttelte sie ab. »Lasst mich! Ich habe ihm in die Augen gesehen und ich weiß genau, dass Otto der edelste und vollkommenste Mensch ist, der auf Erden wandelt.«

Hugo lachte schallend. »Was für eine abenteuerliche Idee!«

Dann wandte er sich mit finster werdender Miene an Martin. »Setzt Ihr ihr etwa solche Flausen in den Kopf?«

Er ging drohend einen Schritt auf den Lehrer zu. »Otto ist nicht der Größte.«

Der Pater wurde ganz rot vor Aufregung, versuchte aber ruhig zu bleiben. »Es liegt mir fern, Otto über Gebühr zu preisen. Ich habe lediglich die guten Werke seiner Frau angesprochen, die vielen Stiftungen für die Kirche.«

»Wollt Ihr Euch etwa beklagen, dass Ihr zu wenig bekommt? Ihr elender Pfaffe!«

Hugos Stimme donnerte über die Köpfe der Anwesenden. Adalbert lief bereits verschreckt davon.

»Schmeiße ich Euch seit Jahren Geld in den Rachen, damit Ihr verbreitet, Otto sei mir überlegen? Das hat jetzt ein Ende.«

Der Pater sah Hugo erschrocken an. »Ich bedaure, wenn ich Euch verärgert habe. Aber lasst mich die Prinzessin weiterhin unterrichten. Sie ist klug und hat die...

Erscheint lt. Verlag 6.7.2018
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Adelheid • Historischer Roman • Konstantinopel • Otto der Große • Otto II. • Ottonen • Roman • Theophanu
ISBN-10 3-10-490976-8 / 3104909768
ISBN-13 978-3-10-490976-9 / 9783104909769
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,3 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die Geschichte eines Weltzentrums der Medizin von 1710 bis zur …

von Gerhard Jaeckel; Günter Grau

eBook Download (2021)
Lehmanns (Verlag)
14,99
Historischer Roman

von Ken Follett

eBook Download (2023)
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
24,99