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Im Inneren des Klaviers -  Mario Wurmitzer

Im Inneren des Klaviers (eBook)

eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
176 Seiten
Luftschacht Verlag
978-3-903081-59-8 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
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Eine junge Frau ist auf der Flucht. Die Lebensumstände im Königreich sind für sie nicht mehr länger erträglich, es gibt Zensur, Willkür, Repression. Der junge Mann, den sie in den Wäldern trifft, hat sein Heimatdorf schon vor längerem verlassen und hält sich seitdem versteckt. Allen Gefahren zum Trotz ziehen sie gemeinsam los, um die Grenze zu erreichen. Vorsichtig versucht der junge Mann, seiner Begleiterin dabei näherzukommen, sie bleibt verschlossen, wild und ungestüm. Die Flucht jedoch gelingt, sie überqueren die Grenze und gelangen in die Stadt Port Robinson. Doch der Einfluss des Königs reicht auch bis dorthin und als die junge Frau als Königstochter erkannt wird, wird sie verhaftet und gefoltert. Aber es gibt auch revolutionäre Kräfte in der Stadt, der Aufstand gegen den König ist nicht mehr aufzuhalten ... In einer ungewöhnlichen Mischung aus märchenhaften und surrealen Elementen und einer immer wieder von Alltagseinsprengseln durchsetzten Sprache erschafft Mario Wurmitzer in seinem Debütroman 'Im Inneren des Klaviers' eine aktuelle und formal mutige Parabel über politische Wirren und Macht, aber auch über Widerstand, Privatheit und Intimität.

MARIO WURMITZER, *1992 in Mistelbach, lebt in Wien, wo er Germanistik und Geschichte studierte. Er schreibt Prosa- und Theatertexte. 2010 erschien sein Jugendbuch 'Sechzehn'. Danach wandte er sich noch stärker dem literarischen Schreiben zu und veröffentliche Beiträge in Sammelbänden und Literaturzeitschriften. Er erhielt mehrere Auszeichnungen und Stipendien, u.a. das Hans-Weigel-Stipendium 2012/13, den Brüder Grimm Preis des Landes Berlin 2015 und den Osnabrücker Dramatikerpreis 2017.

MARIO WURMITZER, *1992 in Mistelbach, lebt in Wien, wo er Germanistik und Geschichte studierte. Er schreibt Prosa- und Theatertexte. 2010 erschien sein Jugendbuch "Sechzehn". Danach wandte er sich noch stärker dem literarischen Schreiben zu und veröffentliche Beiträge in Sammelbänden und Literaturzeitschriften. Er erhielt mehrere Auszeichnungen und Stipendien, u.a. das Hans-Weigel-Stipendium 2012/13, den Brüder Grimm Preis des Landes Berlin 2015 und den Osnabrücker Dramatikerpreis 2017.

8


Du legst dich hin, weil die Nacht es will, und träumst, weil man das so macht, wenn man sich hinlegt, dabei lächelst du, weil deine Träume schön sein könnten und du dich mir siegessicher zeigen willst. Was könnte ich von dir denken, wenn du dich ängstigst in Nächten, in welchen der Mond so hell scheint?

Plötzlich trifft dich ein Speer.

Er hat deinen Oberarm gestreift, du bist kaum verletzt, doch du rufst nach mir, der ich schon schlief und die Angst in deinen Augen nicht erkenne, weil du sie so zusammenkneifst. Du springst auf und schreist, zeig dich, wer immer du bist, doch niemand zeigt sich, der Wald ist uns kein Freund, das sagte ich dir immer, er versteckt nicht nur uns, sondern auch unsere Feinde. Du nimmst den Speer, der neben dir am Boden liegt, und umklammerst ihn. Da fliegt ein Pfeil an uns vorbei und ich schreie, renn!

Doch du läufst nicht fort, du stehst, du mit deinem Kampfeswillen, den ich nicht zu brechen vermag, der uns um Verstand und Leben bringen wird. Ich schiebe dich weiter und schirme mit meinem Körper deinen ab, wie ich es gesehen habe in vielen Propagandafilmen, in denen die Stärke und Heldenhaftigkeit der Soldaten des Königs gepriesen wird.

Du rufst, ich mache jeden fertig, wer auch immer sich da im Wald versteckt, worauf ich erwidere, lass das lieber.

Eine Frau mit Pfeil und Bogen springt aus dem Waldstück, von dem wir uns entfernen, sie legt an, zielt und verfehlt. Ich will weglaufen, doch du bleibst stehen, schüttelst meine Hand ab, sagst, lass mich, bist plötzlich stärker, als ich möchte, dass du bist, denn sollte ich nicht dein Beschützer sein, ja, ich sollte dein Beschützer sein, das weiß ich, weil ich früher viele Abenteuerfilme gesehen habe, das verwundete Opfer sollte sich nicht selbst helfen, das zerstört meine Heldenhaftigkeit, ach, schade drum.

Du gehst schnurstracks auf den Speer zu, der an der Stelle am Boden liegt, von der ich dich wegziehen wollte, von der wir uns allerdings noch nicht weit entfernt haben, und hebst ihn auf. Die heranstürmende Frau wird dich in wenigen Sekunden erreicht haben. Du wirfst den Speer knapp an ihr vorbei.

Die Frau stößt einen Schrei aus, der so klingt, als hätte sie sich erschreckt, weil jemand eine Tür zugeworfen hat, sie steht reglos und starrt auf den Speer, so als würde ihr in diesem Moment bewusst, dass sie getroffen hätte werden können. Die Frau flüchtet. Während sie rennt, fällt eine mit Federn geschmückte Weste zu Boden. Du läufst der Frau hinterher, aber sie ist schneller als du, also bleibt dir nichts, als ihre Weste zu untersuchen. Eine gewöhnliche Dorfbewohnerin, rufst du mir zu, keine Soldatin!

In den Taschen der Weste findest du:

einen Keks,

zwei Silbermünzen,

eine Packung Streichhölzer,

einen Zettel, auf dem der Name Sepp Müller geschrieben steht,

eine angebissene Scheibe Brot,

eine Nadel,

aber keinen Faden,

ein Halstuch.

Du bindest dir das schwarz-weiße Halstuch um und ziehst es über den Mund, möchtest wohl wie eine Wild-West-Heldin wirken, doch das gestatte ich nicht, ich reiße dir das Halstuch runter und schreie, was hättest du getan, wenn der Speer die Frau getroffen hätte?

Du zitterst oder es wirkt so, ich weiß es nicht, denn du wischst mit einer Handbewegung schnell alles weg und sagst, ich war mir sicher, dass ich haarscharf an ihr vorbeischieße.

Du hebst den Speer, mit dem du geschossen hast, im Vorbeigehen auf und ich fände es schön, wenn du ein bisschen weniger abgebrüht wärst.

Wie weit sind wir noch von der Grenze entfernt, fragst du.

Ich habe keine Ahnung.

Ich dachte, du weißt Bescheid.

Wir sind nicht mehr in dem Gebiet, das mir bekannt ist.

Dann rasten wir.

Na gut.

Ist das also die Fremde?

Ja, anscheinend.

Hätte ich mir anders vorgestellt.

Wie?

Fremder. Es sieht hier doch aus wie in den Wäldern, die das Dorf, aus dem ich floh, umgeben. Ich habe dieselben Bäume vor Augen. Nadelwald. Ich möchte Birken sehen.

Man verfolgt uns.

Trotzdem möchte ich Birken sehen!

Du setzt dich neben mich, den Speer hältst du fest umklammert. Ich lege mich hin, bald wird die Finsternis der Nacht uns völlig umschließen. Wir sehen uns an und ich denke an die Bäume, auf die ich als Kind kletterte. Es waren Kirschbäume. Niemals wäre ich auf andere Bäume geklettert.

Ich erinnere mich gerne an die Zeit, die Zeit an sich, die im Königreich verboten wurde, nachdem sich die vom König eingeführte Zeitrechnung nicht durchgesetzt hatte, weil niemand sie verstand, denn er sagte nur lapidar, wann was ist, bestimme ich. Doch dieses Zeitsystem hat nicht gegriffen, die Zeit windet sich weiterhin, bleibt bis in Ewigkeit, angeblich, es heißt, je weiter man sich von der Hauptstadt des Königreichs entferne, desto neuer würden die Zeiten werden, bisher merke ich nichts davon.

Im Schein einer Kerze ein Reh zu erblicken und sich sogleich abzuwenden und ins Dunkle zu starren, ist alles, was man machen kann, wenn man nicht versteht, in welcher Zeit wir leben. Das sagte einst Lucy, sie hatte damals ein philosophisches Buch, darauf war sie sehr stolz. Simon nickte und fragte, in welcher Zeit wir leben, und ich versuchte, ihm ein Jahrhundert zu nennen, doch er schüttelte nur den Kopf.

Lange war ich aufgeregt wegen der Zeitfrage. Simon merkte mir das an. Ich bekam dann etwas Suppe, die er extra für mich gekocht hatte, und Simon und Lucy küssten sich vor mir. Ich fand das beruhigend. Lucy und Simon küssten sich immer sehr beruhigend. Ich vergaß dabei allerlei Sorgen, wenngleich nicht alle. Die Suppe schmeckte gut.

Ich schaue hoch zum Nachthimmel und du erzählst mir von deiner Schwester. Aus einer Hosentasche ziehst du einen Brief.

Liebe tote Schwester,

ich versuche den Computer, mit dem du eine Verbindung zur Welt außerhalb des Königreichs herstelltest, zusammenzubauen, scheitere jedoch. Vater meinte, dieser Computer sei die Ursache deines Selbstmordes gewesen, er habe deine »Sehnsüchte genährt wie Speck die Enten«, er drückte sich undeutlich aus, denn was sollte das schon heißen. Jedenfalls ist es unmöglich, jemanden zu finden, der mir bei der Rekonstruktion Hilfe leisten kann. Sämtliche Konstruktionsanleitungen wurden aus dem Königreich verbannt. Ich habe lediglich einige Binärcodes zur Verfügung, 10011011101, 10111011001, doch damit kann ich nichts anfangen.

Ich erinnere mich noch, wie aufgewühlt du immer warst, wenn du Kontakt mit Menschen aus dem Ausland hergestellt hattest. Deine Wangen waren so rot, wie meine meistens sind.

Da gab es diesen Mann, der schon seit Jahren einen See filmte. Du hast ihn verehrt. Er wartete auf ein Wunder und nannte seine Aufzeichnungen »Stream of Loch Ness«. Davon überzeugt, bald ein Ereignis miterleben zu können, das die Welt grundlegend verändert, machte er sich jeden Tag zum Seeufer auf. Es trat aber kein Wunder ein. Der See war einfach nur ein See. Du hast diesen Mann kontaktiert und dich gleichzeitig immer mehr in dein Zimmer zurückgezogen.

Wir sprechen über Technik und stellen fest, dass wir beide nicht viel davon verstehen. Außerhalb des Königreichs gebe es überall Computer, sagte dir deine Schwester.

Irgendwann werde ich mir auch einen Computer kaufen, sage ich.

Warum denn?

Um mit der Zeit zu gehen. Möchtest du denn keinen haben?

Ach, ich weiß nicht, sagst du.

Mir fallen die Augen zu. Ehe ich einschlafe, höre ich dich mehrmals seufzen.

Ich wache auf und sehe, wie du in deinen Briefen liest, was mich beruhigt, denn wer erinnert, hat ein Herz, sagte jedenfalls ein Pfarrer, den ich kannte und der schon lange nicht mehr predigen darf.

Du solltest schlafen, sage ich.

Gleich, ich will noch ein bisschen an früher denken. Schau bitte in der Zwischenzeit weg.

Während du an früher denkst?

Genau.

Als ich mich dir wieder zuwende, bist du bereits eingeschlafen. Mir ist, als flüstere der Wald meinen Namen. Ich sehe Schatten huschen. Ich habe Angst, was mich verwundert, denn habe ich nicht genügend Nächte im Wald verbracht, um seinen Gefahren gegenüber abgestumpft zu sein? Die Angst im Wald ist mir aus Kindestagen bekannt, als ich ausriss, die Ferne zu suchen, wie ich mir selbst erklärte, mich jedoch zumeist in einem Hochstand am Waldrand versteckte und beobachtete, wie die Jäger auf den angrenzenden Feldern Treibjagden veranstalteten. Ich saß meistens am Hochstand des Jägers Braun, den der Schweinebraten so sehr genährt...

Erscheint lt. Verlag 2.5.2018
Verlagsort Wien
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Diktatur • Flucht • Freiheit • König • Prinzessin • Revolution • Verfolgung
ISBN-10 3-903081-59-0 / 3903081590
ISBN-13 978-3-903081-59-8 / 9783903081598
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
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