Der Schatten (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
640 Seiten
Diana Verlag
978-3-641-23589-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Schatten -  Petra Hammesfahr
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Die ehrgeizige Filmproduzentin Stella Helling hat den Halt verloren. Sie trinkt zu viel, verzweifelt an der Behinderung ihres Kindes und an der allgegenwärtigen Schwiegermutter. Stellas einziger Halt ist ihr Mann Heiner, ein Polizeikommissar. Als sie sich ihren größten Erfolg »Der Schatten mit den Mörderaugen« noch einmal anschaut, ist Heiner im Dienst. In der Nacht erwacht sie von einem fürchterlichen Schrei. Am nächsten Morgen ist ihre Schwiegermutter tot und das Baby verschwunden. Und nicht einmal Heiner glaubt seiner Frau, dass in der Nacht ein Filmmonster »der Schatten« leibhaftig im Haus war ...

Petra Hammesfahr wurde mit ihrem Longseller »Der stille Herr Genardy« einem großen Lesepublikum bekannt. Seitdem erobern ihre Spannungsromane die Bestsellerlisten, sie wurden mit Preisen ausgezeichnet und verfilmt. So ist die erfolgreiche Netflix-Serie »The Sinner« mit Bill Pullman in der Hauptrolle auf der Grundlage von »Die Sünderin« entstanden.

DER VERBINDUNGSMANN

Donnerstag, 22. April 2004 – und die Tage vorher

Es gab Grenzen, die ein Polizist nicht überschreiten durfte, das wusste Arno Klinkhammer, als er sich morgens um halb neun auf den Weg nach Niederembt machte, wo Therese Helling geboren und aufgewachsen war, wo sie sechsundfünfzig Jahre lang gelebt hatte, wo jeder sie und sie jeden kannte. Persönliche Betroffenheit war so eine Grenze.

Man war nicht Polizist, nur Mensch, nicht rational und bestimmt nicht neutral, wenn man ein Mordopfer gekannt hatte. Und wenn die Mutter eines Kollegen mit eingeschlagenem Schädel in ihrem Badezimmer liegen sollte, machte das persönlich sehr betroffen. Vor allem, wenn man sich vor zwei Tagen noch mit der Frau unterhalten hatte.

Am Dienstagmorgen hatte seine Frau ihm wieder mal demonstrativ eine Haarspange neben den Frühstücksteller gelegt. Das hieß, er musste zum Friseur. Klinkhammer hasste das, hatte schon als Kind immer das Gefühl gehabt, ihm würde etwas abgeschnitten, was er lieber behalten hätte. Seine Abneigung gegen die Schere mochte mit der Geschichte von Samson und Delilah zusammenhängen. Als Kind hatte er sich nach jedem Friseurbesuch erheblich geschwächt gefühlt. Inzwischen lachte er darüber. In seinem Alter hatten kindliche Ängste nur noch Unterhaltungswert. Trotzdem sagte er beim Anblick der Spange: »Damit wollte ich eigentlich noch warten. Sonst muss ich noch mal gehen, bevor wir fliegen.«

Im August wollten sie für drei Wochen an die Niagarafälle. Sie machten jedes Jahr rund um ihren Hochzeitstag eine Reise. Für nächstes Jahr waren sogar sechs Wochen Australien geplant, darauf freute er sich jetzt schon sehr.

»Arno«, sagte Ines Klinkhammer, »ehe wir fliegen, vergehen noch vier Monate. Ich gehe alle zwei oder drei Wochen zum Nachschneiden.«

Bei einer Frau war das auch etwas anderes, fand er. Bei ihm wuchs es oben auf dem Kopf nicht mehr so dicht wie bei Ines. Man sah die Kopfhaut durchschimmern, wenn es frisch geschnitten war. Aber er hatte an dem Dienstag ohnehin in Bedburg zu tun und kannte dort einen Salon, in dem man sich nicht anmelden, aber auch nicht lange warten musste. Etliche Überstunden hatte er auch mal wieder gut, da konnte er ein Viertelstündchen für den Friseur erübrigen.

Arno Klinkhammer war Kriminalhauptkommissar und seit drei Jahren »Leiter Ermittlungsdienst« der Dienststelle Nord in Bergheim, wo nur weniger gravierende Straftaten bearbeitet wurden. Aber er war auch für gravierende häufig unterwegs. Die für Schwerkriminalität zuständigen Kollegen vom KK 11 in Hürth holten gerne seine Meinung ein, das tat auch die Soko Einbruch in der Dienststelle Frechen, die sich seit Jahresbeginn mit den Russen herumplagte.

Sie hielten viel von Klinkhammers Einschätzung, seit er im Frühjahr 2000 entscheidend dazu beigetragen hatte, dass ein aufsehenerregender Fall geklärt und ein Serienmörder verurteilt werden konnte, der bundesweit getötet und sein Domizil in Klinkhammers Revier aufgeschlagen hatte.

Ein Sonderermittler und Fallanalytiker des Bundeskriminalamts hatte sich jahrelang vergeblich bemüht zu beweisen, dass es diesen Serienmörder überhaupt gab. Dann bekam er einen Hinweis auf den Rhein-Erft-Kreis und spannte ausgerechnet Klinkhammer als Laufburschen und Chauffeur für sich ein. Und wenn Klinkhammer mit einer Sorte Mensch gravierende Probleme hatte, waren das übergeordnete Ränge, die ihn kommandierten und sich einbildeten, alles besser zu wissen.

Im Grunde war er ein umgänglicher Mensch und durchaus fähig zur Zusammenarbeit, sonst hätte er seinen Beruf ja auch völlig verfehlt. Er konnte sich sogar unterordnen – wenn er das für sinnvoll hielt. Aber er war auch nicht auf den Kopf gefallen, hatte Menschenkenntnis und ein ausgeprägtes Durchsetzungsvermögen. Und wenn ihm etwas zu dumm wurde, ging er seine eigenen Wege. Auf einem solchen hatte er in dem großen Fall den Durchbruch erzielt. Wobei der Fairness halber erwähnt werden muss: Er hatte aus dem Verhalten und den konfusen Angaben einer traumatisierten jungen Frau völlig falsche Schlüsse gezogen, damit am Ende aber richtiggelegen.

Dass es im Vorfeld zu diversen Reibereien mit dem Sonderermittler gekommen war, hatte danach keine Rolle mehr gespielt. Im Gegenteil, Klinkhammer hatte seitdem in Wiesbaden einen Freund, der ihm in den letzten Jahren zu einigen Fortbildungsmaßnahmen und Seminaren über Täterverhalten, Opferverhalten und Spurendeutung verholfen hatte.

Deshalb hatte der Leiter des KK 11 Klinkhammer am Montagmorgen zu dem Bungalow am Stadtrand von Bedburg beordert, in dem in der Nacht das Ehepaar Sieger überfallen, die Frau getötet und der Mann lebensgefährlich verletzt worden war – mit einer Eisenstange.

Da eine solche auch Anfang April von der Einbrecherbande aus dem osteuropäischen Raum eingesetzt worden war, um einem Mann die Kniescheibe zu zertrümmern, gingen die Kölner Kollegen von denselben Tätern aus. Sie hatten die Ermittlungen übernommen, noch während Klinkhammer dabei gewesen war, sich einen Überblick zu verschaffen. Seine Argumente waren in den Wind geschlagen worden.

Die Russen waren Profis. Und Profis, selbst wenn sie zu menschenverachtender Brutalität neigten, gingen anders vor. Wenn die Bedrohung mit einer Schusswaffe nicht ausreichte, wenn man auch gar nicht abdrücken wollte, um nicht die gesamte Nachbarschaft rebellisch zu machen, schnappte man sich die Frau und setzte ihr die Waffe ins Genick. Wenn das nicht fruchtete, weil es vielleicht nicht mehr so gut um die Ehe bestellt war und der Mann dachte, das wäre jetzt eine günstige Gelegenheit, die bessere Hälfte loszuwerden, schlug man ihm die Kniescheibe kaputt. Aber man schlug nicht die Frau tot und dem Mann den Schädel ein, solange der Tresor nicht offen war.

Klinkhammer fiel auch die Vorstellung schwer, dass drei oder vier kräftige junge Männer, von denen mindestens zwei Schusswaffen bei sich trugen, mit zwei älteren Leuten nicht fertiggeworden wären. Dass Dora Sieger es überhaupt noch bis zur Verbindungstür ins Bad geschafft hatte, konnte seines Erachtens nur bedeuten: Man hatte es in Bedburg mit einem Einzeltäter zu tun, der wahrscheinlich in einer Zeitung von der Eisenstange gelesen hatte. Der Mann mit der zertrümmerten Kniescheibe hatte ein ausführliches Interview gegeben. Ein Nachahmungstäter, der sich erst mal auf Horst Sieger konzentriert hatte und ziemlich in Wut geraten sein musste, weil es nicht lief wie erwartet.

Eigentlich hätte am Dienstagvormittag ein Beamter der Soko Russen nach Bedburg fahren und eine Nachbarin befragen sollen, die man am Montag nicht angetroffen hatte. Aber Klinkhammer war näher dran, deshalb hatte man ihn gebeten, auch das noch zu übernehmen.

Die Nachbarin war wieder nicht zu Hause. Am Tatort nebenan liefen drei Kölner Kollegen herum. Wo er einmal da war, probierte Klinkhammer sein Glück noch einmal bei denen. Er erkundigte sich nach bisherigen Erkenntnissen, baute auf seine Überzeugungskraft und machte sich mit wenigen Sätzen unbeliebt. Vielleicht hätte er vorher zum Friseur fahren sollen.

Erst auf dem Rückweg hielt er bei dem Salon. Und da saß sie: Therese Helling. Zuerst erkannte er sie nicht, weil sie mit dem Kopf in einem Waschbecken lag. Als die Friseuse seinen Kopf ins zweite Becken drückte, obwohl er dagegen protestierte – er hatte sich die Haare zu Hause frisch gewaschen, das tat er jeden Morgen –, durfte Therese sich aufsetzen, schaute zur Seite und strahlte ihn an über ihr ganzes, rundliches Gesicht.

»Nun lassen Sie das Mädchen doch machen, Herr Klinkhammer. Ich könnt’ stundenlang stillhalten, wenn mir einer am Kopf rumfummelt. Wie geht’s denn?«

Gut. Privat ging es ihm immer gut, eigentlich sogar ausgezeichnet. Nach all den Ehejahren hatten Ines und er den ersten richtigen Streit immer noch vor sich. Bisher hatten sie nicht mal eine nennenswerte Auseinandersetzung gehabt. Sie waren vielleicht nicht mehr ganz so verliebt wie zu Anfang. Aber wenn Ines geschäftlich unterwegs war – sie arbeitete als Cheflektorin für einen Kölner Verlag und war oft unterwegs, an dem Dienstag musste sie nach London fliegen – und wenn sie ihn abends nicht anrief, um zu sagen, dass sie einen ruhigen Flug gehabt hätte und gut untergebracht sei, konnte er nicht schlafen.

Was berufliche Belange anging, war Therese als Mutter des Polizisten, der am Montagfrüh als Erster im Bungalow der Siegers gewesen war, bestens informiert. Sie verlor ein paar Worte über die brutal erschlagene Dora Sieger, die in ihrem Alter gewesen war. Schrecklich, so was. Da legte man sich abends arglos ins Bett und erlebte den Morgen nicht mehr. Wie ging es dem schwer verletzten Mann? Hatte er eine Chance? Therese hätte von ihm wohl gerne erfahren, wie die Dinge standen. Aber das wusste er nicht, die Kölner hatten sich bedeckt gehalten. Nach Horst Sieger hatte er sich auch gar nicht erkundigt.

Auf die Gegenfrage nach ihrem Befinden bekam er ein »Kann nicht klagen« zur Antwort. Das konnte alles Mögliche bedeuten. Eitel Sonnenschein herrschte im Hause Helling garantiert schon länger nicht mehr. In der Dienststelle kursierte seit geraumer Zeit das Gerücht, aus Thereses Sicht habe ihr Sohn die falsche Frau geheiratet.

Heiner Helling war lange ledig geblieben wie Ludwig Kehler, sein Freund und Kollege im Wach- und Wechseldienst, der immer noch ungebunden war und das wohl auch bleiben würde. Rein äußerlich machte Ludwig Kehler nicht viel her. Und innerlich: Kehler war fast ein Klischeebild vom Freund und Helfer in Uniform, durch und durch gutmütig, aber bei jedem Intelligenztest stellte er das Schlusslicht dar. Häufig wurde hinter seinem Rücken gelästert, er sei nur durch die...

Erscheint lt. Verlag 14.1.2019
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte eBooks • Frau in Gefahr • Gewaltfantasien • Kindesentführung • Netflix-Autorin • Psychothriller • Schwiegermutter • Seelische Abgründe • Thriller
ISBN-10 3-641-23589-8 / 3641235898
ISBN-13 978-3-641-23589-5 / 9783641235895
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