Im Zeichen des Raben (eBook)

Roman

(Autor)

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2018 | 1. Auflage
480 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-21632-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Im Zeichen des Raben -  Ed Mcdonald
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Die Dunkelheit kommt, und die letzte Hoffnung der Menschen ist eine Illusion.
Ryhalt Galharrow ist Hauptmann der Schwarzschwingen. Sie übernehmen im Kampf gegen dämonische Wesen die Drecksarbeit: Kopfgeldjagden, Morde, Einschüchterung, Folter. Ryhalt hat sich dieses Leben nicht ausgesucht, vielmehr trieb ihn sein Pech in diese erbärmlichen Lebensumstände. Und er ist gut in dem was er tut, auch wenn er manchmal seiner Ehre nachtrauert, die er dem Pragmatismus geopfert hat. Da trifft er seine Jugendliebe wieder und er weiß: Für sie will er ein besserer Mensch sein. Doch das Schicksal - und die Götter - haben andere Pläne ...

Ed McDonald hat viele Jahre lang zwischen verschiedenen Berufen, Städten und Ländern gewechselt, und das Einzige, was ihnen gemeinsam war, ist, dass sie ihm genug Zeit zum Schreiben gelassen haben. Derzeit lebt er mit seiner Frau in London, einer Stadt, die ihn ständig inspiriert und wo er als Universitätsdozent arbeitet. Wenn er nicht schreibt, kann man ihm beim Fechten antreffen - mit Langschwertern, Rapieren und Langäxten.

1. Kapitel

Jemand hatte sie gewarnt, dass wir kommen würden. Die Sympathisanten hatten nichts zurückgelassen, bis auf eine leere Wohnung und ein paar illegale Gedichtbände. Eine halb aufgegessene Mahlzeit, geplünderte Schubladen. Sie hatten alles Tragbare zusammengeklaubt und waren nach Osten geflohen, ins sogenannte Elend. Damals, als ich noch eine Uniform trug, meinte der Marschall zu mir, nur drei Arten von Menschen würden freiwillig das Elend betreten: die Verzweifelten, die Dummen und die Gierigen. Die Sympathisanten waren offenbar verzweifelt genug. Ich scharte ein Dutzend dummer, gieriger Männer um mich und zog aus, sie zu töten.

Wir verließen Valengrad an einem Nachmittag, der nach Kanal, Bedauern und dem Ende eines weiteren miesen Sommers roch. Die Bezahlung war das Risiko nicht wert, doch Männer zu jagen war mein Beruf, und ich wollte unserer Beute nicht zu viel Vorsprung lassen. Die Hälfte des Lumpenpacks, das ich zusammengetrommelt hatte, war noch nie im Elend gewesen; sie machten sich fast in die Hose, als wir durch das schmale Stadttor nach draußen ritten. Nach einer Meile fragten sie nach Siefern und Krottlern. Nach zwei Meilen fing einer von ihnen an zu weinen. Meine erfahrenen Leute lachten und versicherten ihm, dass wir vor Einbruch der Dunkelheit zurück wären.

Drei Tage später hatten die Arschlöcher noch immer Vorsprung. Niemand lachte mehr.

»Sie sind zur Staubschlucht«, sagte Tnota. Er verstellte die Anzeigenscheiben seines Astrolabiums und hielt es hoch, um die Entfernung zwischen den Monden zu messen. »Hab dir gesagt, dass sie da hinwollen. Hab ich’s nicht gesagt, Hauptmann?«

»Einen Scheiß hast du.« Er hatte es gesagt. Die Fußspuren im feinen Kies gaben ihm recht.

»Und ob ich’s gesagt habe.« Tnota grinste mich an, die senfgelben Zähne schimmerten in seinem bräunlichen Gesicht. »Das weiß ich noch genau. Du bist mit den Papieren in die Taverne gekommen, und ich sagte: ›Ich wette, sie fliehen zur Schlucht.‹ Damit hab ich mir wohl einen Bonus verdient.«

»Selbst wenn unser Auftrag genug Geld für einen Bonus einbrächte, würdest du keinen kriegen. Die Bezahlung ist aber mies«, erwiderte ich.

»Nicht meine Schuld. Ich suche die Aufträge nicht aus«, sagte Tnota.

»Das ist heute das erste Mal, dass du recht hast. Jetzt sei still und berechne unsere Route.«

Tnota richtete das Glasaugeninstrument auf den Himmel, dessen Farbe einer Prellung glich, die eine Woche alt war: ein Gemisch aus schmierigem Gelb, Anflügen von Grün, blassem Violett und hässlichem Blutbraun, eine Staffelei ausgetretener Flüssigkeiten und geplatzter Kapillargefäße. Er verfolgte eine unsichtbare Linie zwischen den beiden Monden und zählte mit den Fingern mit. Die Risse im Himmel standen still, kaum ein Wispern drang durch die rastlosen Wolkenbänke.

Alles im Elend ist kaputt. Alles ist falsch. Je eher wir die Bastarde erschießen und nach Westen zurückkehren würden, desto besser.

Wir ritten durch Kies- und Sandbänke, das Felsgestein ringsum war schwarz und rot und trockener als Salz. Im Elend ist man etwas Sonderbarem ausgesetzt. Man spürt es die ganze Zeit wie die Luft ringsum, aber es ist eher dein Feind als dein Freund. Es dringt bis zum Gaumen vor, und dann schmeckt man das Gift. Ich hoffte, dass unsere Jagd bald vorbei sein würde.

Nach drei Tagesreisen durchs Elend, Richtung Südosten über schwarzen Sand, fanden wir die Überreste des Pferdes, das sie gestohlen hatten. Was immer ihm die Beine abgerissen hatte – die Sympathisanten, die wir jagten, hatten eine kluge Entscheidung getroffen. Sie hatten das Pferd seinem Schicksal überlassen und waren losgerannt. Das würde ihnen nicht viel Aufschub gewähren, denn jetzt gab es für sie kein Entkommen mehr. An der Art, wie meine Männer im Sattel saßen, sah ich ihnen die Erleichterung an. Bis zum Sonnenuntergang würden zwei Köpfe im Beutel am Pferd hängen, und wir wären wieder unterwegs zum Grenzgebiet, das als Zivilisation durchging.

Ich nahm meine Feldflasche aus dem Mantel und schüttelte sie – mal wieder. Sie war noch genauso leer wie bei den letzten drei Malen. Da mir der Branntwein ausgegangen war, musste ich mich mit armseligem Bier zufriedengeben, und selbst davon hatten wir nicht viel. Das Elend ist gefährlich für schwer bewaffnete Krieger. Dass zwei Zivilisten ohne Ausbildung, Vorbereitung und Waffen hier drei Tage vor uns hatten davonlaufen können, ging mir auf die Nerven. Ein Grund mehr, die Sache schnellstmöglich abzuschließen.

Im Sand war eine deutliche Spur zu sehen. Vor uns lag die Staubschlucht, eine schmale Kluft in der Erde. Die Spalte zog sich durch die Landschaft aus Wanderdünen, beißendem Sand und bröckeligem Gestein. Die vom Blitz verursachte Schlucht spiegelte einen Riss am Himmel wider, sie war das Abbild des Schadens im Firmament. Einer der Himmelsrisse begann sein hohes, sonores Heulen, und mein Trupp aus Nichtsoldaten griff nach ihren Geiststeinen und Amuletten. Leute wie sie mochten Mumm haben, doch sie waren auch abergläubischer als ein Priester am Feiertag. Sie wollten ebenso schnell aus dem Elend hinaus wie ich. Die Gegend machte sie nervös, und nervöse Soldaten vermasseln selbst die einfachsten Aufträge. Ein großzügiger Mann hätte meinen Trupp aus Halsabschneidern Soldaten genannt. Großzügige Männer sind grundsätzlich Idioten.

»Nenn, komm hier rauf!«, rief ich, als wir uns einem Hang näherten, der in die Dunkelheit hinabführte. Sie kaute Schwarzholz, ihre Kiefer arbeiteten, ihre Zähne waren schwarz wie Teer. Es gibt kein verstörenderes Geräusch in diesem Teil der Totenwelten. »Musst du das Zeug kauen?«

»Alle feinen Damen machen das.« Sie zuckte mit den Schultern.

»Nur weil irgendeine Gräfin den Mund voller fauler Zähne hat, musst du das ihr und ihren kriecherischen Freundinnen nicht nachmachen.«

»Du kannst mir keine Modeerscheinung vorwerfen, Hauptmann. Ich muss den Schein wahren.«

Warum Nenn glaubte, jemand würde sich ihre Zähne ansehen, obwohl ihr die Nase fehlte, war so rätselhaft wie die Modeerscheinung selbst. Kauen, kauen, kauen. Es wäre ebenso zwecklos, es Nenn zu verbieten, wie Tnota zu sagen, er solle sein Gemächt in der Hose lassen, das wusste ich aus Erfahrung.

Trotzdem funkelte ich sie an.

»Gibt’s Arbeit für mich, Hauptmann?«, fragte Nenn. Sie hielt inne und spie einen Klumpen Schwarzholz in den Sand.

»Wir gehen da runter. Nur du und ich.«

»Nur wir beide?« Die Holznase, die sie sich vors Gesicht geschnallt hatte, blieb reglos, aber die Haut zwischen ihren Augen warf Falten.

»Die sind nur zu zweit und nicht mal bewaffnet. Glaubst du nicht, wir werden mit ihnen fertig?«

»Ich fürchte mich nicht vor ihnen«, entgegnete Nenn. Sie spie das restliche Schwarzholz in die andere Richtung aus. »Da unten könnte alles Mögliche lauern. Vielleicht Sandräuber. Oder Krottler.«

»Vielleicht auch ein großer Topf mit Gold. Außerdem sind wir für Krottler viel zu weit südlich.«

»Und für Sandräuber?«

»Pack einfach deinen Scheiß zusammen. Wir gehen da runter. Ihre Köpfe müssen unbeschädigt sein, sonst werden wir nicht bezahlt, und du kennst unsere Leute ja. Man muss davon ausgehen, dass sie die Beherrschung verlieren. Der Hof rückt kein Geld raus, wenn er sich irgendwie davor drücken kann. Weißt du noch, was in Snosk passiert ist?«

Nenn blickte mich finster an. »Ja, ich erinnere mich.«

Snosk war uns allen in schlechter Erinnerung geblieben. Einen Auftrag zu erledigen und dann wegen einer Formalität nicht bezahlt zu werden passt keinem in den Kram. Bis zu dem Vorfall in Snosk war ich der Ansicht gewesen, man könnte jedes Gesicht irgendwie erkennen, solange man die Einzelteile richtig anordnet.

»Gut. Also mach dich bereit und sei wachsam.«

Ich stieg vom Pferd. Meine Beine waren wundgeritten, und vor zehn Jahren hätte ich nicht solche Schmerzen im Kreuz verspürt. Ich verbrachte nicht mehr genug Zeit im Sattel. Allmählich verweichlichte ich. Du bist nur außer Form, nicht alt, redete ich mir ein. Tnota stieg ab, um mir bei der Vorbereitung zu helfen. Er war noch älter als ich, und obwohl ich wusste, dass er niemandem ein Schwert ins Gesicht rammen würde, war er im Kampf etwa so nützlich wie ein Wachshelm. Er würde eher sich selbst verletzen als jemand anders. Unten in der Schlucht brauchte ich die skrupellose Nenn. Tnota prüfte die Riemen meiner Halbrüstung, bereitete mein Luntenschlossgewehr vor, und ich wählte die Waffen aus dem Arsenal am Sattel und schnallte sie mir um: einen Entersäbel mit kurzer Klinge und einen langen Dolch. Die Schlucht bot nicht genug Platz für Waffen, die länger waren als ein Arm. Ich war vor einigen Jahren schon einmal dort unten gewesen. Nicht sonderlich breit. Eher Gasse als Straße.

Nenn sah in dem geschwärzten Stahl recht gefährlich aus. Tnota zündete die Lunten an, und unsere Schusswaffen waren bereit, Blei zu spucken. Ich hatte nicht vor, sie einzusetzen. Die Kugel einer Luntenschlossbüchse richtet beim Ziel furchtbaren Schaden an, doch wie Nenn gesagt hatte, könnten wir auf Sandräuber stoßen. In den düsteren Eingeweiden der gesäuerten Erde lauerte alles Mögliche.

Je eher wir den Sympathisanten die Köpfe abschnitten und zur Stadt zurückreisten, desto besser.

»Es gibt nur drei Stellen, an denen man aus der Schlucht klettern kann«, sagte ich. »Weißt du noch, wo die anderen beiden sind?«

Tnota nickte. Er zeigte auf die betreffenden Stellen, eine etwa eine Meile entfernt, die andere...

Erscheint lt. Verlag 10.12.2018
Reihe/Serie Schwarzschwinge
Übersetzer Ruggero Leò
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Blackwing (Raven's Mark 1)
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte düster • Dystopie • eBooks • Fantasy • grim & gritty • Heroische Fantasy • Hexer • High Fantasy • Joe Abercrombie • Licht • Mark Lawrence • Sapkowski • Witcher
ISBN-10 3-641-21632-X / 364121632X
ISBN-13 978-3-641-21632-0 / 9783641216320
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