Völkische Landnahme (eBook)

Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
208 Seiten
Ch. Links Verlag
978-3-86284-415-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Völkische Landnahme - Andrea Röpke, Andreas Speit
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Seit Jahren siedeln sich junge Rechtsextreme bewusst in ländlichen Regionen an, um dort generationsübergreifend »nationale Graswurzelarbeit« zu betreiben. Dieser unauffällige Aktionismus ist gegen die moderne und liberale Gesellschaft der Großstädte gerichtet, es herrschen alte Geschlechterbilder und autoritäre Erziehungsmuster vor. Die Aussteiger von rechts betreiben ökologische Landwirtschaft, pflegen altes Handwerk und nationales Brauchtum, organisieren Landkaufgruppen und eigene Wirtschaftsnetzwerke, die bundesweit agieren. Sie bringen sich in örtlichen Vereinen ein und gehen in die lokale Politik, um Umweltschutz mit »Volksschutz« zu verbinden und eine angebliche »Überfremdung « zu verhindern.
Die beiden ausgewiesenen Rechtsextremismus-Experten Andrea Röpke und Andreas Speit verfolgen seit Jahren diese kaum beachtete Entwicklung. Sie zeigen die historischen Wurzeln und aktuellen Vernetzungen auf, die bis in die Parlamente reichen. Dabei wird deutlich: Hier handelt es sich um eine unterschätzte Gefahr.



Jahrgang 1965, Politologin und freie Journalistin, Spezialgebiet Rechtsextremismus, Veröffentlichung ihrer aufwendigen Inside-Recherchen u. a. für den WDR, in der taz und bei Süddeutsche Online sowie in Fachportalen wie Blick nach rechts und zahlreichen Büchern, mehrere Auszeichnungen, darunter »Das unerschrockene Wort« (2009) und »Journalistin des Jahres« (Kategorie Politik, 2011), Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage (2015), Otto-Brenner-Preis (2017).

Andrea Röpke: Jahrgang 1965, Politologin und freie Journalistin, Spezialgebiet Rechtsextremismus, Veröffentlichung ihrer aufwendigen Inside-Recherchen u. a. für den WDR, in der taz und bei Süddeutsche Online sowie in Fachportalen wie Blick nach rechts und zahlreichen Büchern, mehrere Auszeichnungen, darunter "Das unerschrockene Wort" (2009) und "Journalistin des Jahres" (Kategorie Politik, 2011), Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage (2015), Otto-Brenner-Preis (2017). Andreas Speit: Jahrgang 1966, Diplom-Sozialökonom, freier Journalist und Publizist, Kolumnist der taz Nord, regelmäßige Beiträge für Freitag, Blick nach rechts und jungle world, mehrere Auszeichnungen, u. a. durch das Medium-Magazin und den Deutschen Journalisten-Verband. Autor und Herausgeber diverser Bücher zum Thema Rechtsextremismus

Landgewinnung


Einleitung


Sie kaufen Gutshöfe, siedeln sich mit Familien und Gleichgesinnten in entlegenen Regionen an. Sie bewirtschaften Bauernhöfe, pflegen Land und Vieh, ökologisch und artgerecht, bringen sich in Vereinsleben, Eltern- und Umweltinitiativen ein, bemühen sich um Gemeinwohl, Kultur, Naturschutz. Sie pachten Jagdgründe, hegen den Wildbestand und pflegen den Wald. Der Aktionsrahmen extrem rechter Akteure mit unterschiedlichstem politischem Hintergrund ist vielfältig, doch die Handlungsmuster ähneln sich. In ländlichen Regionen suchen die Neuen eine persönliche Akzeptanz, die zu einer politischen Zustimmung führen soll. Sie ziehen in Gebiete, wo viele Menschen abwandern. Dort hoffen sie, sich ohne starken Widerstand festsetzen zu können und die politische Atmosphäre zu ändern.

Diese Strategie, durch Landnahme im vorpolitischen Raum eine kulturelle Hegemonie zu gewinnen, hat eine weitere politische Intention: Sie wollen mit ihren Familien auch ihre völkischnationalistische Weltanschauung praktisch leben, ihre Kinder in der Natur und in ihrem Geiste erziehen, Brauch- und Volkstum wiedererwecken und oft Naturreligiosität ausleben. Sie machen nicht auf Ökologisch, weil »öko« gerade im Trend ist, sie wenden sich nicht der ländlichen Region zu, weil Landleben wieder attraktiv erscheint, sie bauen nicht ökologisch an, weil der Markt boomt, sie streben auch nicht nach einer alternativen Lebensform, weil zurückhaltender Konsum als chic gilt. Sie werden nicht »grün«, weil »grün die neue Normalität« sei, wie Robert Habeck von Bündnis 90/Die Grünen meint. Für die Völkischen, die Verfechter einer elitären deutschen Gesinnungsgemeinschaft, spiegelt die angestrebte Lebensweise auf dem Lande die eigene Weltanschauung wider. Das Private ist politisch, und das Politische ist privat. Sie sind nicht einfach radikale Nationalisten, sondern beharren auf jahrhundertealter, vermeintlich deutscher heldenhafter Geschichte, die wieder Gegenwart werden soll. Begangene Verbrechen werden ausgeblendet. Die Dimension ihres Vorgehens wird bislang unterschätzt. Vor Ort erscheinen den Nachbarn die völkisch Denkenden und Handelnden oft nur als »Alternative« mit vermeintlich humanistischen Motiven.

»Wir dachten, das sind Ökos, also Linke«, berichten Anwohner über neue Nachbarn. »Die sehen doch auch so aus, in ihren selbstgemachten Klamotten«, wird nachgesetzt. In der Natur zelebrierte Brauchtumsfeiern älterer Siedlergemeinschaften werden als schöne Abwechslung wahrgenommen und gern besucht. Hauptsache, die Zugezogenen zeigen sich heimatverbunden und bodenständig, nicht abgehoben und städtisch. Ehrenamtliches Engagement wird ohnehin – ganz unpolitisch – begrüßt. »Die machen hier wenigstens noch was«, sagen Dörfler ähnlich gleichlautend in Niedersachen und Schleswig-Holstein. Gemeinderäte und -verwaltungen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt zeigten sich anfänglich erfreut, als »junge Familien« alte Höfe, verfallene Gemäuer oder ein geschichtsträchtiges Rittergut erwarben. Bereits die Tatsache, dass junge Menschen mit Familie überhaupt in überalterte Gemeinden ziehen, bringt ihnen Sympathie entgegen. Erst viel später offenbaren sich den Kommunen die Folgen. Die Erleichterung über den Verkauf schwer absetzbarer Immobilien weicht vielerorts der Erkenntnis, dass aus Höfen und Gemäuern »nationale Ansiedlungen« oder neu-rechte Bildungseinrichtungen wurden.

Vor rund 20 Jahren zogen zahlreiche Mitglieder und Anhänger der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) nach Mecklenburg-Vorpommern, bauten Strukturen und Akzeptanz für die »nationale Bewegung« auf. Wenige Jahre später waren sie für zwei Wahlperioden im Landtag vertreten. Heute ist die Alternative für Deutschland (AfD) im Schweriner Schloss präsent, mit 20,8 Prozent gelang 2016 der Einzug als zweitstärkste Partei ins Parlament. Diese Stimmen kommen nicht nur aus dem rechten Milieu. Die Wahlkreisanalysen zur nachfolgenden Bundestagswahl 2017 offenbarten, dass die AfD in West und Ost von einer lokalen politischen Kultur profitiert, in der sich Rechtsextremismus und Demokratieverdrossenheit normalisiert haben. Die Studie »Persistence and Activation of Right-Wing Political Ideology« von Davide Cantoni, Felix Hagemeister und Mark Westcott belegte 2019 sogar noch einen viel weiter zurückreichenden Zusammenhang. Die Wissenschaftler verglichen das Wahlergebnis der AfD bei der Bundestagswahl 2017 in den rund 11 000 Gemeinden in Deutschland mit den Wahlerfolgen der NSDAP in den 1930er Jahren. Das Ergebnis kurz und knapp von Historiker Davide Cantoni von der Ludwig-Maximilians-Universität skizziert: »Man sieht, dass es eine starke Korrelation gibt zwischen den Orten, in denen in den Dreißigerjahren vermehrt NSDAP gewählt wurde, und Orten, in denen heutzutage stärker die AfD gewählt wurde.« Dort, wo die NSDAP vor 80 Jahren erfolgreich war, ist es heute die AfD. Die Studie erklärt nicht alle Ursachen für den Wahlerfolg der AfD, möchte das auch nicht, sie bestätigt aber die Weitergabe (Persistenz) einer »kulturellen Tradition von rechtsgerichtetem, rechtspopulistischem Denken« über viele Generationen. Seit Jahren sei wissenschaftlich dargelegt, so Cantoni, dass eine Beziehung zwischen den Einstellungen von Eltern und Kindern besteht. Ein Bruch wäre eher untypisch. Der 68er-Konflikt zwischen Eltern und Kindern war eine Ausnahme einer Nachkriegsgesellschaft, die verdrängte. Diese Kontinuitäten würde sich »häufiger und stärker in kleineren Ortschaften im ländlichen Raum« finden.

Völkische Landnehmer bewegt – heute wie einst – ein bestimmtes Volks-Verständnis. Der »wesentliche Bestandteil des völkischen Nationalismus« ist »ein Verständnis von Nation auf der Basis ethnischer Homogenität«, erklärt Helmut Kellershohn vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS). Diese homogene »Volksgemeinschaft« erhalte eine Vormachtstellung gegenüber Individuen, so der Rechtsextremismusexperte, »hinzu kommt ein autoritäres Staatsverständnis mitsamt Elite- und Führerkult, die Heroisierung opferbereiter Volksgenossen, Freund-Feind-Denken und ein biopolitisches Verständnis des ›Volkskörpers‹.« Völkischer Nationalismus – ob von AfD oder NPD vertreten – sei im Kern populistisch, wenn, statt komplexe Sachverhalte zu erklären, vermeintlich klare Feindbilder geliefert werden – von »die da oben« bis zu »den Fremden«, »den Altparteien«, »den Medien« oder »den Gutmenschen«. Von »Rassen« bemühen sie sich im öffentlichen Diskurs nicht mehr zu reden. Sie sprechen jetzt von Ethnien. Diesen sogenannten Ethnopluralismus, den vor Jahren die Neue Rechte entwarf, hat längst das gesamte Milieu rechts von der Union verinnerlicht. Die Grundidee besteht darin, dass jede Ethnie ihren angestammten Lebensraum hätte, mit einer besonderen Ausprägung von Identität und Kultur, Tradition und Werten, die zu bewahren und zu beschützen seien. »Heimat tut gut« titelte im Juni 2018 die weit rechte Zeitschrift »Compact – Magazin für Souveränität«. In dem 66-seitigen Monatsmagazin definiert Rüdiger Lenhoff die Heimat über »drei Dimensionen«: Sie sei ein »Ort, an dem man sich in vertrauter Umgebung mit traumwandlerischer Sicherheit« bewegen könnte, sie sei »ein Gefühl, das Wärme, Halt und Kraft« gebe, und sie stünde »für eine menschliche Gemeinschaft, in der man unter seinesgleichen ist und sich nicht erklären« müsste. Diese Deutung von »Ort, Gefühl und Gemeinschaft« könnte auch »auf die drei Begriffe von Natur, Geschichte und Volk« gebracht werden, schreibt Lenhoff, Historiker und »Alter Herr« einer Burschenschaft. Im Artikel des Magazins, welches Jürgen Elsässer verantwortet, bleibt der Begriff von »seinesgleichen« bewusst vage formuliert.

Der neu-rechte Publizist und Verleger Götz Kubitschek wurde da schon deutlicher. Kubitschek, ein enger politischer Mitstreiter von Elsässer, legte bereits im November 2015 in »Compact« dar, dass die »politisch-mediale Klasse« einen »Volksaustausch« bejahen würde, indem sie nach dem Muster handeln würde: »Unser Volk wird alt, unser Volk hat keine Kinder mehr: Wir müssen dringend frisches Blut zuführen.« Kubitschek wirft dieser »Klasse« vor, ihr wäre es »vollkommen egal«, »welches Blut« dabei ins Land käme. Diese Vorhaltung fällt auf ihn zurück, denn sie offenbart die unheilvolle biologistische Weltsicht – ein Rückfall in die uralte völkisch-nationalistische Rhetorik.

Völkische Siedler und das dazugehörige Milieu der antimodernen Aussteiger planen nicht von Wahlperiode zu Wahlperiode, sondern denken in viel größeren Zeiträumen. Es geht ihnen um eine nachhaltige politische Wende, um das »Ende der Party«, wie es...

Erscheint lt. Verlag 26.6.2019
Reihe/Serie Politik & Zeitgeschichte
Zusatzinfo 20 s/w-Abbildungen
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte bio • Biozentrismus • Bruker • Deutschland • Esoterik • grüne Braune • Ökofaschismus • Rechtsextremismus • Völkische Siedler
ISBN-10 3-86284-415-3 / 3862844153
ISBN-13 978-3-86284-415-9 / 9783862844159
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