Kaltenbruch (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
368 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45101-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kaltenbruch -  Michaela Küpper
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Ein spannender und atmosphärischer Roman über die Spuren, die Chaos und Leid bei den vom Krieg Traumatisierten hinterlassen haben, von der Autorin Michaela Küpper. Ein Roman, der auf beklemmende Weise die Nachkriegsjahre heraufbeschwört, Für die Leser von Brigitte Glaser und Mechtild Borrmann. Frühsommer 1954: Eine vorlaute Bemerkung über die braune Vergangenheit seines Chefs bereitet Kommissar Peter Hoffmanns Traum von einer Karriere bei der Düsseldorfer Kripo ein Ende. Er wird in die rheinische Provinz versetzt, die er so schnell wie möglich wieder verlassen will. Da geschieht in dem Provinznest Kaltenbruch ein Mord, der die Gemüter der Menschen bewegt. Gemeinsam mit seiner Mitarbeiterin Lisbeth Pfau macht sich Hoffmann auf die Suche nach dem Täter - und stellt fest, dass die Wunden, die der Krieg geschlagen hat, noch lange nicht verheilt sind, sondern auch in der jüngeren Generation nachwirken. Hoffmann und Pfau stoßen bei ihren Ermittlungen auf erschütternde Entdeckungen ...

Michaela Küpper wurde im niederrheinischen Alpen geboren und ist in Bonn aufgewachsen. In Marburg studierte sie Soziologie, Psychologie, Politik und Pädagogik. Dann zog es sie zurück ins Rheinland, wo sie nach einem Volontariat viele Jahre lang als Projektmanagerin in einem Verlag tätig war.Heute arbeitet sie als freie Autorin, Redakteurin und Illustratorin. Besuchen Sie die Autorin auf ihrer Website: www.michaelakuepper.de

Michaela Küpper wurde im niederrheinischen Alpen geboren und ist in Bonn aufgewachsen. In Marburg studierte sie Soziologie, Psychologie, Politik und Pädagogik. Dann zog es sie zurück ins Rheinland, wo sie nach einem Volontariat viele Jahre lang als Projektmanagerin in einem Verlag tätig war. Heute arbeitet sie als freie Autorin, Redakteurin und Illustratorin. Besuchen Sie die Autorin auf ihrer Website: www.michaelakuepper.de

Marlene


1.


Erdbeerzeit. Marlene und Dana saßen unter der Kastanie vor dem Haus, an dem alten Küchentisch aus Vorkriegszeiten, den sie aus der Scheune geschleppt hatten. Ein plötzlich aufkommender Wind rauschte durch das dichte Blätterdach über ihnen, und zu ihren Füßen wirbelte Staub auf. Stundenlang hatten sie auf dem Feld hinter dem Silo Erdbeeren gepflückt, Reihe um Reihe, die stechende Sonne im Nacken, jetzt brannte die Haut auf ihren Schultern und Armen – die kühle Brise tat gut.

Sie putzten die überreifen Früchte, die sie nicht würden verkaufen können, entfernten das Grün und die schadhaften Stellen, zerteilten die Beeren grob und warfen sie in den großen Topf in der Mitte des Tisches. Alles war rot und klebte, der Tisch, die Finger, die Gesichter der Zwillinge Konrad und Ilse, die um sie herumsprangen, von einem Ohr zum anderen mit Erdbeersaft beschmiert.

Eben war Renate zum Helfen herübergekommen, und auch die Metzgerstochter Brigitte putzte mit, weil sie sich nie die Gelegenheit für einen kleinen Schwatz entgehen ließ.

Eine neuerliche Böe fegte über den Hof. Marlene wandte den Kopf und schaute zu der Wäsche hinüber, die auf der Kälberweide zwischen den Apfelbäumen im Wind flatterte; das Weiß der Laken und Handtücher bildete einen scharfen Kontrast zu der blauschwarzen Wolkenfront, die unweigerlich heranzog. Von ferne grollte der Donner. Es würde Regen geben. Nun doch.

»Ich gehe mal, ehe alles nass wird.« Dana war bereits aufgestanden und wischte sich mit einem nassen Tuch die Hände sauber. Brigitte plapperte unverdrossen weiter, während sie das Grün häufchenweise zusammenkehrte und in den Zinkeimer unter dem Tisch warf.

»Dat Kleid kannsse doch nicht auffe Hochzeit von deine einzige Schwester anziehen, hab ich gesacht. Da musse dir schon wat Besseres zulegen.«

Marlene begutachtete die Erdbeerflecken auf ihrem Rock, die sie wohl nicht mehr herausbekommen würde, stufte den Schaden aber als nicht weiter tragisch ein: Der alte Fetzen taugte ohnehin nur noch für die Arbeit. Heini, der eben von der Feldarbeit heimgekommen war, gesellte sich zu ihnen und zog sich Danas Stuhl heran.

»Heute wieder Krauskopfwetter?« Wie üblich zog er seine Schwester Renate wegen ihrer Locken auf, worauf diese über den Tisch langte und ihm mit gespieltem Zorn durchs Haar raufte.

»Pah, glatt wie Schnittlauch, pfui Deibel!«

Konrad und Ilse kamen angerannt, um ihrem älteren Bruder einen mumifizierten Frosch zu zeigen, den sie gefunden hatten, stoben jedoch sofort wieder davon und stellten den jungen Katzen nach, die mit hohem Buckel und in gestelzten Hüpfern den umherwirbelnden Blättern hinterherjagten, die der Wind den Bäumen entrissen hatte. Konrad bekam die Graugescheckte zu fassen, hob sie hoch und presste sie an seine Brust. Es folgte ein gellender Schmerzensschrei: Sie hatte ihre Krallen in seinen Hals geschlagen. Marlene war bereits dabei, aufzustehen, um ihm zu helfen, aber das Tier hatte schon wieder von ihm abgelassen. Ihre Augen noch halb auf das Kind gerichtet, setzte sie sich wieder, und als sie vor sich auf die Tischplatte blickte, lag dort eine einzelne tiefrote Beere, die in Form eines perfekten Herzens geschnitten war. Irritiert sah sie auf. Renate schaute gerade nach ihrer Tochter Gudrun, die neben dem Tisch auf dem Boden herumkrabbelte. Mit einem hohen Kreischlaut warf sie ihr Knippchen hin, als sie erkannte, dass Gudrun auf dem getrockneten Frosch herumkaute. Brigitte schüttelte sich schaudernd und brach in Gelächter aus. Nur Heini erwiderte Marlenes Blick. Er kniff die Augen zusammen und sog die Wangen ein, während er gelassen sein Taschenmesser wegsteckte. Einen Atemzug lang musterte sie ihn ausdruckslos, dann lächelte sie: ein kleines, komplizenhaftes Lächeln, das anhielt, bis sie nach dem Erdbeerherz griff und es mit einem Happs verspeiste.

»Schluss für heute«, befand Renate und nahm ihre lauthals protestierende Tochter auf den Arm. »Besser, ich bin mit Gudrun daheim, bevor es losgeht.«

»Ich komme mit euch.« Brigitte wischte sich die Finger an einem Küchentuch ab, stand auf und strich ihren Rock glatt. Auch Marlene war aufgestanden. Heini schob seinen Stuhl zurück und nahm den schweren Einkochtopf, um ihn für sie in die Küche zu tragen. Als er an ihr vorbeiging, strich sie sanft über seinen Unterarm und schüttelte kaum merklich den Kopf. Fragend hob er die Augenbrauen, doch sie reagierte nicht mehr.

Das Licht unter der Kastanie veränderte sich, ein seltsames Leuchten umspielte die Szenerie. Auch die Geräusche veränderten sich. Als hätte ihnen jemand eine große grüne Glasglocke übergestülpt, dachte Marlene, und ihr Blick schweifte wehmütig über die Kälberweide, hin zu den kniehoch wogenden Weizenfeldern, die sich gen Kaltenbruch zogen.

»So fasziniert von der Aussicht?« Plötzlich stand Dana neben ihr, den Wäschekorb auf der Hüfte abgestützt, und starrte sie an.

»Jesus! Ich hab dich gar nicht kommen hören.«

»Soll ich demnächst hupen?« Dana verzog den Mund. »Hättest mir ruhig helfen können mit der Wäsche. Erdbeeren in einen Topf werfen kann sogar Ilse.«

»Nun sei nicht beleidigt und gib her.« Marlene nahm ihr den Wäschekorb ab, worauf Dana achselzuckend die Messer einsammelte. Schweigend gingen sie nebeneinander ins Haus zurück.

 

Zwei Stunden später waren die Zwillinge abgefüttert und zu Bett gebracht, die Hühner weggesperrt. Marlene stand am Küchenfenster, die Rhabarberstangen in Händen, die sie noch verarbeiten musste, und beäugte kritisch das Stückchen Himmel, das sie von ihrem Blickwinkel aus sehen konnte: Zwischen braunrotem Kuhstalldach und braunrotem Scheunendach trieben eilig schiefergraue Wolkenfetzen dahin. Noch immer war kein Tropfen gefallen, aber lange konnte es nicht mehr dauern. Die Felder brauchten den Regen, dachte sie und seufzte tief, um fast im selben Moment erschrocken herumzuwirbeln: Heini hatte sich lautlos herangeschlichen und sie in die Seite gekniffen.

»Was fällt dir ein!« Sie schlug mit einer Rhabarberstange nach ihm, doch statt sich wegzuducken, schnappte er danach wie ein Hund nach einem Wurstzipfel und biss blitzschnell zu.

»Köstlich!«, log er kauend und zog eine Grimasse. Marlene hob drohend den Rest ihrer Rhabarberstange. Seine Hand schnellte vor, um sie ihr zu entreißen, aber sie hielt eisern daran fest, und es begann ein Tauziehen, das bald zur wilden Rangelei geriet. Als Dana die Küche betrat, hatte Heini Marlene in den Schwitzkasten genommen.

»Sie will den schönen Rhabarber für sich allein haben«, schnaufte er. »Komm, wir sperren sie in den Keller.«

»Ilse hat Durst«, war alles, was Dana erwiderte.

»Ich geh schon«, keuchte Marlene.

»Amüsiert euch nur weiter.« Den Blick stur nach vorn gerichtet, schob Dana sich an ihnen vorbei, holte ein Wasserglas und füllte es über der Spüle.

»Spaßbremse«, murmelte Heini, als sie gegangen war. Er griff erneut nach Marlene, die sich losgekämpft hatte.

»Es reicht, Heini!« Sie schlug nach seinen Fingern, aber ihr Widerstand befeuerte ihn umso mehr. Dann war auf einmal Martin da.

Mit eingezogenem Kopf trat er durch die Tür, die von der Küche auf den Hinterhof hinausführte, wie immer der Letzte, der Feierabend machte.

»Hier geht’s ja lustig zu«, brummte er, während er sich die Schuhe an der Matte abstreifte. Eilig wand Marlene sich los und drehte den Brüdern den Rücken zu. Ihr Herz pochte, ihre Wangen glühten.

»Wir kämpfen um die letzten Rhabarberstangen. Die sind ja so köstlich, was Besseres gibt’s gar nicht auf der Welt«, spottete Heini und warf seine Beute lässig in den Spülstein. Martin sagte nichts.

»Möchtest du Bratkartoffeln?« Marlene schaute ihn nun doch an. »Wir haben Stullen gegessen, aber ich hab noch Kartoffeln übrig.«

»Bratkartoffeln«, wiederholte er und kratzte sich am Kopf. »Ja, das wäre nett.« Er schenkte sich ein Glas Milch aus dem Krug ein, der auf dem Tisch stand, und setzte sich. Heini hockte sich neben ihn auf die Eckbank, langte nach einer Scheibe Brot und tunkte sie in die Schale mit dem Rest heißer Erdbeermarmelade.

»Auch eins?« Er deutete auf seine Stulle, doch Martin meinte, er würde auf die Kartoffeln warten.

Wieder einmal bemerkte Marlene, wie ähnlich die beiden Brüder einander sahen: dieselbe Statur, dasselbe hellbraune Haar, die graublauen Augen.

»Ihm machst du Bratkartoffeln, und ich krieg nur Marmeladenstullen«, beschwerte sich Heini, als sein älterer Bruder gegangen war, um sich die Hände zu waschen.

»Martin hat ja auch gearbeitet«, entgegnete Marlene provokant, die Betonung lag auf dem Satzende. »Außerdem hast du vorhin den Rest vom Braten gegessen, ohne ihm etwas übrig zu lassen.«

»Du magst ihn lieber als mich, oder?«

Auf diese Frage war sie nicht gefasst. »Wie kommst du darauf?«

»Komm ich halt.«

»Blödsinn, Heini. Es war nur Spaß.«

»Aber –«

Sie legte den Finger an die Lippen. »Still, er hört dich!«

Martin kehrte zurück und setzte sich auf seinen Stuhl, während sie sich wieder an die Arbeit machte. Sie pellte die Kartoffeln und schnitt sie in Scheiben, häutete eine Zwiebel, würfelte ein großes Stück Speck, gab Schmalz in die Pfanne, ließ den Speck aus und briet die Kartoffeln und Zwiebeln darin an. Die jungen Männer redeten währenddessen über eine Kuh, die weniger Milch gab als sonst, und eine, die bald kalben würde.

»Heiner, Martin!« Der alte Leitner rief nicht nach seinen Söhnen, er brüllte. Wie üblich. »Könnte sich wohl einer von euch herbequemen, oder soll ich das Trumm allein die Treppe raufschleppen?«

»Was will der denn?«,...

Erscheint lt. Verlag 26.2.2018
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 50er Jahre • Eifersucht • Ermittler-Duo • Flucht und Vertreibung • Generationenkonflikt • historischer Krimi • Historischer Kriminalroman • Kommissar • Kriminalfall • Kriminalroman • Lisbeth Pfau • Mädchenfreundschaft • Nachkrieg • Nachkriegsjahre • Nachkriegs-Krimi • Nachkriegszeit • Nachkriegszeit Deutschland Roman • Nazizeit • Neuerscheinungen 2018 • Neuerscheinungen 2019 • Neuerscheinungen Kriminalromane 2018 • Neuerscheinungen Kriminalromane 2019 • Peter Hofmann • rheinische Provinz • Rheinland • Schuld • Traumatisierung • unglückliche Liebe • Verdrängung
ISBN-10 3-426-45101-8 / 3426451018
ISBN-13 978-3-426-45101-4 / 9783426451014
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