Das dunkle Archiv (eBook)

Roman
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2018 | 1. Auflage
432 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7325-5020-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das dunkle Archiv -  Genevieve Cogman
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Irene Winters hat die unsichtbare Bibliothek gerettet. Dummerweise hat sie dabei auch eine Reihe unersetzlicher Bücher verbrannt, weswegen ihre Bibliothekarskollegen und ihre Vorgesetzten sie nun mit Misstrauen beäugen. Daher zögert Irene nicht lange, als sie von einem Drachen gebeten wird, ein äußerst seltenes Buch zu suchen. Mit einem solchen Fund könnte sie ihren Ruf wiederherstellen. Nur leider nützt ihr das nichts, wenn sie tot ist. Und das verborgene Buch birgt ein tödliches Geheimnis ...

Für Büchernarren, Bücherwürmer, Büchermenschen - Der vierte Band der SPIEGEL-Bestseller-Serie




Genevieve Cogman hat sich schon in früher Jugend für Tolkien und Sherlock Holmes begeistert. Sie hat einen Master of Science und arbeitete bereits in diversen Berufen, die primär mit Datenverarbeitung zu tun hatten. Mit ihrem Debüt Die unsichtbare Bibliothek sorgte sie in der englischen Buchbranche für großes Aufsehen. Der Independant wählte den Roman zu einem der zehn besten fantastischen Bücher des Jahres 2015.

Genevieve Cogman hat sich schon in früher Jugend für Tolkien und Sherlock Holmes begeistert. Sie hat einen Master of Science und arbeitete bereits in diversen Berufen, die primär mit Datenverarbeitung zu tun hatten. Mit ihrem Debüt Die unsichtbare Bibliothek sorgte sie in der englischen Buchbranche für großes Aufsehen. Der Independant wählte den Roman zu einem der zehn besten fantastischen Bücher des Jahres 2015.

ERSTES KAPITEL


»Aber mein liebes Mädchen«, ereiferte sich die Frau neben Irene, «wenn Sie Ihre Adern noch nie selbst geöffnet haben, lassen Sie es Mr Harper tun. Er ist sehr erfahren im Umgang mit solch zappeligen jungen Dingern, wie Sie es sind.«

Irene blickte auf das Skalpell, das auf dem Untersetzer neben ihrer Teetasse lag. Sie versuchte, sich darüber klar zu werden, wie sie aus dieser Situation wieder herauskommen könnte – und zwar, ohne Hals über Kopf aus dem Anwesen zu flüchten und die Tür hinter sich zuzuschlagen. Sie hatte schon oft alternative Welten aufgesucht, um Bücher zu ergattern, und war geübt im Umgang mit den verschiedensten Bräuchen, kannte alle möglichen Gepflogenheiten und Höflichkeitsformen. Aber sich selbst als Tagesgericht zu servieren, verstieß eindeutig gegen ihr Selbstbild.

»Um ehrlich zu sein, mir hat niemand etwas davon gesagt, dass Vampire anwesend sein werden«, erklärte sie. »Es kommt ein bisschen unerwartet.«

»Bah!«, schnaubte eine der anderen Frauen.

Irene war die jüngste Person in dem überfüllten Raum und in einem Wirrwarr aus Stühlen und kleinen Tischchen gefangen; Möbel, die mit Ornamenten geradezu überkrustet waren. Dicke, sorgfältig geschlossene Vorhänge sperrten die Nacht aus. Der Tee war kalt, der Kuchen matschig und die Luft schal und abgestanden. Ohne den Geruch des Kaminfeuers hätte es sicherlich regelrecht gestunken, vermutete Irene.

»Ich möchte nicht zu streng erscheinen«, fuhr die erste Frau fort, »aber zu meiner Zeit kannte eine junge Dame ihre Pflichten! Wenn diese Miss … Miss …« Sie brach zögernd den Versuch ab, sich an Irenes Namen zu erinnern.

»Miss Winters«, sprang Mr Harper ein, dessen ergrautes Haar sich eindeutig auf dem Rückzug befand. Die kohlschwarzen Augen lagen hinter halb geschlossenen Lidern versunken. Er beugte sich in seinem Stuhl nach vorn wie ein Aasgeier, der auf Beute lauert. Jedes Wort wurde von einem Zähneblecken begleitet.

Der bislang einzige Lichtblick des Abends bestand darin, dass er nicht direkt neben Irene saß. Offenbar nahm er in seinem Geschlecht eine eher untergeordnete Rolle ein. Die mächtigeren Verwandten hatten sich noch nicht aus ihren Särgen erhoben. Immerhin ein Vorteil, wenn auch nur ein geringer. »Wie erfreulich, etwas junges Blut bei unserer kleinen Soiree begrüßen zu dürfen.«

Hätte Irene vorher gewusst, dass es sich um eine Soiree handelte, noch dazu um eine, bei der Vampire anwesend waren, hätte sie sich längst rar gemacht. Weshalb man es ihr wohl auch verschwiegen hatte.

Die Verhandlungen waren reibungslos verlaufen. Sie hatte sich darauf gefreut, der Bibliothek ein neues Buch hinzuzufügen – zur Abwechslung einmal ohne das übliche vorhergehende Geschrei, die Verfolgungsjagden und das Adrenalin. Anscheinend hatte sie sich zu früh gefreut …

»Als ich anrief, hatte ich ja keine Ahnung, dass ich mich unter solch illustren Gäste wiederfinden würde.« Sie begleitete ihre Worte mit einer Unschuldsmiene. »Es ging mir lediglich um den vereinbarten Büchertausch.«

»Ach ja, die Bücher. Unsere Abmachung.« Es war das erste Mal, dass sich die Frau auf der anderen Seite des Raums zu Wort meldete. Beim Klang ihrer Stimme verstummte das Gemurmel im Hintergrund. Sie berührte ein in rotes Leder gebundenes Buch auf ihrem Schoß; im Feuerschein des Kamins sahen ihre Finger dünn und runzlig aus. »Ich denke, diese Angelegenheit sollte unter vier Augen besprochen werden. Wenn Sie uns alle für einen Moment entschuldigen würden.« Sie wartete keinen Widerspruch ab. »Miss Winters, lassen Sie uns einen kleinen Spaziergang unternehmen.«

Irene stellte ihr Teegeschirr ab und blickte ein letztes Mal auf das Skalpell auf der Untertasse. Dann nahm sie eilig ihre Dokumententasche an sich und stand mit knisternden Röcken auf. Sie war der Einladung in angemessener Kleidung gefolgt: taubengraues Jackett, dazu ein Rock mit dunkelgrünem Saum. Ebenso adäquat wie vernünftig. Unter den gegebenen Umständen wäre sie jetzt allerdings froh gewesen, noch ein paar Accessoires mitzuführen – Knoblauch, Silber, ein paar gute Laufschuhe vielleicht. »Mit dem größten Vergnügen«, murmelte sie und folgte der Frau hinaus.

Flur und Treppenaufgang wurden von altmodischen Gaslaternen erhellt. Moderne Ätherlampen suchte man hier vergebens. Aus goldenen Zierrahmen blickten düstere Gemälde auf sie herunter. Es waren Porträts, auf denen die familientypische Nase und die charakteristischen Augenbrauen deutlich zu erkennen waren. Irene meinte eine gewisse Ähnlichkeit mit der Frau herauszulesen, die vor ihr einherschritt.

Sie wünschte, nie hergekommen zu sein. Sie wollte nur zu gern endlich mal ein Buch lediglich tauschen, anstatt es zu stehlen. Diese tugendhafte Einstellung wurde einfach nicht belohnt. Im Gegenteil.

Mrs Walker – von den übrigen Familienmitgliedern als Lady Walker bezeichnet, auch wenn Irene bei ihren Nachforschungen über dieses Geschlecht nirgendwo einen Hinweis auf einen rechtmäßig verliehenen Adelstitel hatte entdecken können – blieb vor einem besonders dramatisch wirkenden Gemälde stehen. Sie wandte sich um und blickte Irene an. Das rechte Auge lag unter einer Augenklappe verborgen, aber ihr linkes musterte Irene forschend und wach. Da sie lieber unterschätzt oder ganz ignoriert wurde, hielt sie das für kein gutes Signal.

»Sie sind also die berüchtigte Miss Winters«, sagte Mrs Walker. »Wie angenehm, dass Sie zu mir kamen. Das erspart mir, Sie aufsuchen zu müssen.«

»Ah ja?« Irene beschloss, sich das Theater zu schenken. Offenbar eilte ihr ein gewisser Ruf voraus, da konnte sie die Heuchelei auch gleich zum Fenster hinauswerfen – durch das sie selbst gerade gern flüchten würde. »Darf ich fragen, wie Sie von mir erfahren haben?«

»Familienbande.« Mrs Walker zuckte die Achseln. Die Ornamente aus Gagat, die ihr Kleid verzierten, schimmerten im Licht der Gaslaternen. »Nur weil ich meine Zeit hier oben verbringe, statt sie in liederlichen Londoner Amüsierlokalen zu vergeuden, heißt das noch lange nicht, dass ich ahnungslos bin. Aber ich schweife ab. Ich versichere Ihnen, Miss Winters, dass ich mehr über Sie weiß, als Sie vermuten.«

»Tatsächlich?« Sie hatte schon so oft Gelegenheit gehabt, den von ihr jetzt angeschlagenen versöhnlichen Ton zu üben, dass er ihr leicht über die Lippen ging. Erzählen Sie mehr, schien sie damit zu sagen. Oh bitte, wie raffiniert Sie doch sind.

»Ach, wie fein«, schützte Mrs Walker Liebenswürdigkeit vor. »Genau die Art von Reaktion, die ich an Ihrer Stelle gewählt hätte.«

Verdammt. »Vielleicht sollten wir uns dieses ganze Vorgeplänkel schenken und zur Sache kommen«, sagte Irene.

Mrs Walker nickte. »Sehr gern. Ich weiß, dass eine der anderen Familien Sie als ein Instrument in diesem Machtkampf einsetzt. Und ich will wissen, was dahintersteckt, will wissen, wem Sie dienen. Und wenn Sie dieses Haus lebend verlassen wollen, sollten Sie meine Fragen lieber beantworten.«

Irene blinzelte. Sie hatte sich auf verschiedene Szenarien gefasst gemacht: Ich weiß, dass Sie für eine im geheimen agierende Bibliothek zwischen den Dimensionen unterwegs sind. Oder: Ich habe Beweise für die Straftaten, die Sie begangen haben, und werde Sie erpressen. Aber das kam nun unerwartet. »Sie sind sehr direkt«, entfuhr es ihr.

»Die Geschichte, die Sie sich da ausgedacht haben, ist sehr eindrucksvoll«, räumte Mrs Walker ein. »Übersetzerin und Büchersammlerin, die einen simplen Tausch vorschlägt. Marlowes verlorenes Massaker zu Paris gegen John Websters verlorene Tragödie Guise. Wir beide hätten von dem Tausch profitiert. Die Idee hört sich so glaubwürdig an, dass man sie glatt für echt halten könnte. Und doch ist das Angebot zu verführerisch. Am Ende ist es ein Märchen, nicht wahr, Miss Winters? Und wir alle wissen, dass Märchen niemals wahr werden.«

»Sie werden öfter wahr, als man denkt«, entgegnete Irene. Alternative Welten wie diese, die weit auf der chaotischen Seite des Gleichgewichts angesiedelt waren, hatten geradezu die Angewohnheit, Erzählmuster aus Legenden und Geschichten wahr werden zu lassen – und zwar auf recht unangenehme Weise. Leider ging das Muster Heldin-in-einem-Herrenhaus-voller-Vampire selten gut aus. Jedenfalls nicht für die Heldin … »Ich habe keine Ahnung, wie Sie darauf kommen, dass ich eine … Wofür halten Sie mich noch gleich?«

»Eine Spionin«, sagte Mrs Walker.

»Eine Spionin«, wiederholte Irene mit einem Anflug von Grauen in der Stimme. Was wusste Mrs Walker? Irene war eine Agentin der Bibliothek. Ihre Aufgabe bestand darin, Bücher in den Parallelwelten ausfindig zu machen und von dort in den interdimensionalen Bereich der Bibliothek zu schaffen. Die Bibliothek schuf auf diese Weise mit jedem Buch eine Verbindung zu der entsprechenden Welt und half dadurch, das Gleichgewicht zwischen Ordnung und Chaos aufrechtzuerhalten. Und dieses Gleichgewicht betraf alle Welten. Es war eine ehrenvolle Aufgabe, die ein lebenslanges Engagement erforderte. Irene durfte dafür die besondere Sprache der Bibliothek anwenden, mit welcher man die Realität direkt beeinflussen konnte, verstrickte sich aber auch laufend in komplizierte Operationen und halsbrecherische Fluchten. Theoretisch war ›Spionin‹ also gar nicht so verkehrt. Glücklicherweise schien das wahre Geheimnis...

Erscheint lt. Verlag 29.3.2018
Reihe/Serie Die Bibliothekare
Übersetzer André Taggeselle
Sprache deutsch
Original-Titel The Lost Plot
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte 20. - 21. Jahrhundert • Bibliophil • Bibliothek • Büchernarren • Die Seiten der Welt • Dimensionen • Drachen • Elfen • Fantastischer Roman • Fantasy • Fantasy Bücher • Jasper Fforde • Kai Meyer • London • Neil Gaiman • Portalfantasy • USA • Vielleser
ISBN-10 3-7325-5020-6 / 3732550206
ISBN-13 978-3-7325-5020-3 / 9783732550203
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