Das Ende meiner Welt (eBook)
543 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7325-5008-1 (ISBN)
Beim Backpacken in Neuseeland steigt die Studentin Cassy in ein Auto voller lächelnder Fremder - und landet im Paradies: in Gethsemane, einer Selbstversorger-Gemeinschaft am idyllischen Lake Tarawera. Hier führen die Leute ein nachhaltiges Leben, und alle sind zutiefst glücklich. Cassy lässt sich immer mehr auf die Gemeinschaft ein und entfernt sich dabei Stück für Stück von ihrem alten Leben. Als ihre Familie bemerkt, dass sie Cassy an eine zerstörerische Sekte zu verlieren droht, ist es bereits zu spät ...
Charity Norman wurde in Uganda geboren und ist in England aufgewachsen. Nach mehrjährigen Reisen wurde sie Anwältin mit den Spezialgebieten Straf- und Familienrecht. 2002 zog sie sich aus dem Berufsleben zurück, um mehr Zeit für ihre drei Kinder zu haben. Seitdem lebt sie mit ihrer Familie in Neuseeland.
Charity Norman wurde in Uganda geboren und ist in England aufgewachsen. Nach mehrjährigen Reisen wurde sie Anwältin mit den Spezialgebieten Straf- und Familienrecht. 2002 zog sie sich aus dem Berufsleben zurück, um mehr Zeit für ihre drei Kinder zu haben. Seitdem lebt sie mit ihrer Familie in Neuseeland.
EINS
Diana
Juli 2010
Die letzten Minuten in Cassys Zimmer waren eine so kostbare Erinnerung. Nicht mehr lange, dann würden sie sie zum Flughafen fahren. Aber es herrschte keine gedrückte Stimmung, schließlich fuhr sie nur in die Ferien. Sie würde zurück sein, ehe sie es sich versahen.
Diana hörte Gelächter und steckte den Kopf durch die Tür. Da waren sie, ihre beiden Töchter, die eine einundzwanzig, die andere fünfzehn, beide größer als ihre Mutter. Cassy hatte alles, was sie mitnehmen wollte, auf den Fußboden geworfen und versuchte jetzt, das ganze Zeug in ihren Rucksack zu stopfen. Tara lag auf dem Bett, die dunklen Haare wie ein Fächer auf dem Kissen ausgebreitet, und hörte Musik aus ihrem Smartphone. Für Diana hörte es sich blechern und sinnfrei an, aber über Geschmack ließ sich bekanntlich nicht streiten.
»Mum«, rief Tara, »sag ihr um Himmels willen, dass sie viel zu viele Socken mitnimmt!«
Diana setzte sich auf die Bettkante und warf einen flüchtigen Blick auf ihr Spiegelbild, das ihr ein gerötetes Gesicht und einen grauen Haaransatz zeigte. Ungepflegt, dachte sie ohne Bedauern. Man kann es nicht anders nennen. Egal. Wenn es sein musste, konnte sie sich immer noch aufbrezeln.
Tara setzte sich auf und tat so, als hielte sie mit beiden Händen einen Kochlöffel und rühre in einem Kessel um. »Wann werden wir drei uns wiedersehen?«, krächzte sie mit Hexenstimme. »Bei Donner, Blitz …«
»Am 3. September«, fiel Cassy ihr ins Wort. Sie bückte sich und zog drei Paar Socken aus ihrem Rucksack. »Der Flieger landet vierundzwanzig Stunden vor Imogens Trauung.«
»Ich finde, das ist ganz schön knapp«, bemerkte Diana.
»Ja, das sagt Imogen auch. Sie ist ganz besessen von dieser Hochzeit. Von dem armen Jack redet sie überhaupt nicht. Als ob er bloß eine Randfigur wäre.«
»So schlimm ist es bestimmt nicht.«
Cassy zog eine Schnute. »Sie sagt, ich darf auf keinen Fall schön braun werden.«
»Das ist nicht dein Ernst!« Tara schnappte nach Luft. »Dieses Brautmonster!«
»Du sagst es. Sie will keine sonnengebräunte Göttin als Brautjungfer neben sich haben, weil sie sonst so käsig aussieht.«
»Sag ihr, sie soll so tun, als ob. Sich irgendwas ins Gesicht schmieren. Sie wird ihr ganzes Eheleben lang so tun als ob.« Tara zog vielsagend die Brauen hoch.
Diana gab sich schockiert, aber ihre Töchter machten sich über sie lustig. »Wir haben 2010, Mum, nicht 1810!« Wenn die beiden sich verbündeten, waren sie ein fantastisches Team.
»Hab ich dir die Kleider der Brautjungfern schon gezeigt?«, fragte Cassy. »Grauenvoll! Warte mal.« Sie griff zu ihrem Handy und wischte durch die Fotos, bis sie das richtige gefunden hatte: Das Kleid war ein grelllila Albtraum mit Puffärmeln.
»Nicht gut«, stöhnte Tara und schirmte ihre Augen ab. »Gar nicht gut! Oje, oje, oje!«
Cassy starrte bestürzt auf das Foto. »Becca ist blass und klapperdürr, für sie sind das Kleid und die Farbe ideal. Ich werde darin aussehen wie Barney, der Dinosaurier.«
»Zahl es ihr doch heim«, schlug Diana vor. »Heirate Hamish, und lass Imogen einen orangeroten Overall tragen.«
»Eine geniale Idee! Aber ans Heiraten möchte ich noch nicht denken, Mum. Wir sind viel zu jung dafür.«
»Stimmt«, pflichtete Tara ihr bei. »Andererseits, ein Spatz in der Hand … Hamish sieht nicht übel aus, er hat Geld wie Heu, und – ganz großes Plus – Dad mag ihn.«
Diana lauschte aufmerksam. Sie traute sich nur selten, Cassy auf ihr Privatleben anzusprechen, aber Tara konnte sich das anscheinend erlauben.
Cassy ging in die Hocke und stopfte einen Waschbeutel mit beiden Händen in den Rucksack. »Ich glaube, manchmal geh ich ihm auf die Nerven. Unsere Interessen sind einfach zu unterschiedlich.«
»Du meinst, er ist kein Ökofreak wie du und Grandma Joyce«, spottete Tara. »Ich meine – Gott bewahre! –, am Ende trinkt er noch Kaffee, der nicht von einer Kooperative einbeiniger Frauen in Kolumbien angebaut wurde! Was für ein elender Mistkerl!« Sie gähnte und streckte ihre knochigen Arme. »Wir können nicht alle so gefühlsduselig sein wie du, Cass. Oh mein Gott, das ist richtig unheimlich! Deine Tür geht von ganz allein auf!«
Cassy und ihre Mutter drehten sich Richtung Tür, die sich gerade so weit öffnete, dass der Kater hindurchpasste.
»Pesky!« Cassy hob ihn hoch und gab ihm einen Kuss auf den Kopf. »Schleich dich doch nicht so an!«
»Er wird allmählich ganz schön pummelig«, sagte Diana.
Cassy hielt dem Kater die Ohren zu. »Mecker nicht dauernd an seinem Körper rum! Willst du, dass er eine Essstörung entwickelt?«
Als sie mit ihrer Freundin Becca in einer stürmischen Nacht von einer Party nach Hause gegangen war, hatte sie ein klägliches Miauen gehört, das aus einem Altkleidercontainer kam. Als sie den Deckel zurückschob, entdeckte sie ein schwarz-weißes Fellbündel, das jemand zwischen die Säcke mit gebrauchten Sachen geworfen hatte. Sie stemmte sich am Rand des Containers hoch. Becca hielt sie an den Beinen fest, während sie sich kopfüber hinuntergelassen hatte. Dann hatte sie das halb verhungerte Kätzchen in ihren Pullover gewickelt und mitgenommen. Drei Jahre später wäre niemand auf die Idee gekommen, dass der gepflegte König des Hauses nur mit knapper Not dem Hungertod entronnen war.
»Dad hält gar nichts von dieser Reise«, sagte sie, als Pesky sich aus ihrem Griff gewunden hatte. »Heute Morgen hat er wieder davon angefangen. Ich solle lieber ein Praktikum machen, anstatt in der Weltgeschichte herumzugondeln.«
Tara schnaubte. »So ein Spießer!«
Diana pflichtete ihr insgeheim bei, wenngleich sie das nie zugeben würde. Mikes im Vorjahr verstorbener Vater hatte alle seine Enkel in seinem Testament mit einer hübschen Summe bedacht. Cassy sparte das meiste, aber für diese Reise hatte sie keine Kosten gescheut – schließlich, so hatte sie traurig festgestellt, sei es ihr letztes Abenteuer, bevor sie in der gefürchteten Tretmühle der Arbeit landen würde. Sie und Hamish würden vierzehn Tage als Freiwillige in einer Wildtierstation in Thailand arbeiten, sich danach ein paar Tage am Strand entspannen und dann zu einer Tour durch Neuseeland aufbrechen.
»Ich bin startklar.« Cassy richtete sich auf und hüpfte ein paarmal auf und ab, um das Gewicht des geschulterten Rucksacks zu testen.
»Reisepass?«, fragte Diana.
»Hab ich.« Cassy stieß ihr Handgepäck mit dem Fuß an.
»Kreditkarte? Insektenschutzmittel? Handy?«
»Hab ich, hab ich, hab ich.«
»Kondome?«, fragte Tara.
Diana unterdrückte ein Schmunzeln. Cassy lief knallrot an und seufzte, ihre Schwester sei wirklich oberpeinlich.
Ungefähr zu diesem Zeitpunkt verspürte Diana ein leises Unbehagen – ein flüchtiges, undefinierbares, sofort unterdrücktes Gefühl. Es gab keinen Grund zur Sorge. Nicht den geringsten. Schließlich zog es Tausende Studenten, ihren Lonely-Planet-Reiseführer im Rucksack, jedes Jahr als Backpacker in die Ferne.
»Na dann.« Sie stand auf. »Noch eine schnelle Tasse Tee, bevor wir starten?«
Die ganze Familie einschließlich Dianas Mutter Joyce, die in einem nahe gelegenen Seniorenheim wohnte und immer für einen Ausflug zu haben war, brachte Cassy zum Flughafen London Heathrow. Alle waren gut gelaunt, als Mike auf die Autobahn einbog. Die Mädchen sangen die Songs im Radio mit. Joyce war eingenickt.
Cassy, die auf der Rückbank saß, flocht sich ihre kastanienbraunen Haare zu einem Zopf. Ein paar Strähnen ließen sich allerdings nicht bändigen. Sie trug Jeans und ein graues T-Shirt und hatte sich einen Pulli um die Taille gebunden.
Dann machte Tara, die zwischen ihrer Schwester und ihrer schlafenden Großmutter saß, den Mund auf, und der Ärger fing an. Sie hatte es nicht absichtlich getan. Es war reine Gedankenlosigkeit.
»Hey, Cass«, sagte sie, »ich hab gehört, du willst dein Jurastudium an den Nagel hängen.«
»Blödsinn!«, entgegnete Cassy schnell und scharf, aber Tara verstand den Wink nicht.
»Komisch, Tillys Bruder hat nämlich erzählt, du hättest schon mit deinen Studienleitern gesprochen und so.«
Mike schaltete das Radio aus. Schluss mit der Musik und dem Gesinge. Diana wappnete sich innerlich.
»Was sagst du da?«, fragte er.
»Hör nicht auf sie«, erwiderte Cassy. »Das ist dummes Zeug. Ehrlich. Tillys Bruder ist ein Idiot.«
»So? Hört sich aber nicht so an.«
»Sch«, murmelte Diana und drückte seinen Arm. »Komm schon, Mike. Nicht jetzt. Nicht heute.«
Aber er ließ nicht locker. »Cassy?« Seine Stimme war zu laut.
Diana drehte leicht den Kopf nach hinten. Cassy kaute an ihrem Daumennagel wie eine Sechsjährige. Tara verzog gequält das Gesicht und formte mit den Lippen lautlos sorry!
»Ich habe nur über Alternativen nachgedacht«, sagte Cassy.
»Und warum, zum Teufel?« Mike hob beide Hände und ließ sie aufs Lenkrad heruntersausen, dass es knallte. »Ich glaub das einfach nicht! Du hast nur noch ein Jahr, bis du fertig bist. Erzähl mir jetzt bloß nicht, dass du alles hinschmeißen willst!«
»Ich hab nur gedacht, dass es vielleicht ein Fehler war, Jura zu studieren. Dass ich mir vielleicht etwas anderes hätte aussuchen sollen. Ich bin mir nicht sicher, dass ich wirklich Anwältin werden will.«
»Das ist doch nicht zu fassen!« Mike schnaubte und schüttelte den Kopf....
Erscheint lt. Verlag | 23.2.2018 |
---|---|
Übersetzer | Sylvia Strasser |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | See You in September |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | 20. - 21. Jahrhundert • Backpacken • Drama • England / Großbritannien • Erlösung • Familie • Familiendrama • Fanatismus • Frauen Bücher • Frauen Bücher Bestseller • Frauenroman • Frauenroman Bestseller • Frauenromane • Freikirche • Gefühl • Gefühle • Glaube • Glauben • Gott • Guru • Lake Tarawera • Liebe • Liebesleben • Liebesroman • Liebesromane für Frauen • Neuanfang • neue Identität • Neuseeland • Religion • Romantik • Rotorua • Schicksale und Wendepunkte • Schicksalsroman • Sekte • Sektenführer • Tragik • Unterhaltung |
ISBN-10 | 3-7325-5008-7 / 3732550087 |
ISBN-13 | 978-3-7325-5008-1 / 9783732550081 |
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