Vagabond (eBook)

Thriller

(Autor)

Thomas Wörtche (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
460 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-74849-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Vagabond -  Gerald Seymour
Systemvoraussetzungen
12,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen

?Vagabond? ist der Deckname eines britischen Geheimagenten, der in Nordirland brutale Operationen gegen die IRA durchgeführt hat. Ausgebrannt zieht er sich für lange Jahre in die Normandie zurück und verdient seinen Lebensunterhalt als Touristenführer an den Invasionsstränden. Aber seine ehemaligen Vorgesetzten wollen ihn nicht ganz vom Haken lassen und zwingen ihn in eine MI-5-Aktion zurück: Er soll den Aufpasser für einen vom Geheimdienst erpressten Waffenhändler spielen, damit Waffenlieferungen aus Russland an die letzten, vom Friedensschluss frustrierten IRASplittergruppen unterbunden werden.
Das erzählt man Vagabond zumindest, der gute Miene zum fiesen Spiel machen muss. Zudem droht seine Vergangenheit ihn einzuholen. Aber nicht nur sein Schicksal steht auf der Kippe in einer Welt, in der das Gestern keine Ruhe gibt und die Gegenwart extrem gefährlich ist. Realpolitik nimmt wenig Rücksicht auf Menschen, das ist klar wie Salzsäure.



<p>Gerald Seymour, geboren 1941, gelernter Historiker, Journalist, seit 1975 Verfasser zahlreicher hochgelobter und weltweit geschätzter Politthriller über die Krisenherde dieser Welt. Viele TV-Adaptionen seiner Romane.</p>

Gerald Seymour, geboren 1941, gelernter Historiker, Journalist, seit 1975 Verfasser zahlreicher hochgelobter und weltweit geschätzter Politthriller über die Krisenherde dieser Welt. Viele TV-Adaptionen seiner Romane. Zoë Beck, geboren 1975. Schule und Studium in Deutschland und England. Schriftstellerin, Übersetzerin (u. a. Amanda Lee Koe und James Grady), Verlegerin, Synchronregisseurin für Film und Fernsehen. Lebt und arbeitet in Berlin. Zoë Beck zählt zu den wichtigsten deutschen Krimiautoren und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.

PROLOG


Hinter ihnen hellte der graue Himmel über dem Berg und den Baumwipfeln ein wenig auf, aber vor ihnen weigerte sich der Regen gewohnt hartnäckig, weiterzuziehen. Eine Stunde nach Einbruch der Dämmerung hatten sie sich am Vorabend in das provisorische Versteck begeben, abwechselnd geschlafen und den Bauernhof beobachtet. Vor ihnen, weit außerhalb von Camaghy und Shanmaghry und in derselben Richtung wie das jungsteinzeitliche Großsteingrab, befand sich das Gebäude mit dem erleuchteten Hof. Jetzt waren beide wach und aufmerksam. Sie beobachteten und warteten.

Es war so etwas wie eine Belohnung für ihre Geduld. Der Lichtblitz hinter der Pomeroy Road blendete trotz der tiefhängenden Wolken.

»Das ist unser Schätzchen«, murmelte Dusty.

Der Explosionslärm erreichte sie nur langsam, als würde er von den Wolken und dem Regen aufgehalten. Desperate – wie man ihn durchaus liebevoll innerhalb der einzigen Familie, die er hatte, nannte – fand, dass der gedämpfte Knall aus der Ferne wie eine platzende Papiertüte klang, die ein Kind aufgeblasen hatte. »Hat gezündet wie ein guter Witz«, flüsterte er Dusty ins Ohr.

Was Dusty »unser Schätzchen« nannte und von dem Desperate fand, dass es »wie ein guter Witz« gezündet hatte, war die Explosion einer Achteltonne chemischen Düngers, den ein handelsüblicher Zünder hochgejagt hatte, der unter dem formbaren Kitt aus anderthalb Pfund Semtex begraben war. Der Lichtblitz war schnell verschwunden, der Lärm hatte sich in den oberen Berghängen verloren. Der Rauch schaffte es nicht, sich durch den Regen hinaufzukämpfen.

Sie brauchten den Ausblick von ihrem Platz in der Hecke, von wo aus sie auch gut hören konnten. Ein paar Rinder waren zu ihnen gekommen, als sie gerade ihr Versteck bezogen, das sie zwei Nächte zuvor gegraben hatten. Rinder waren immer am schlimmsten. Schafe ließen sich wegscheuchen, die meisten Hunde konnte man mit Futter und Tätscheln beruhigen. Rinder blieben am längsten, aber die hier waren vor Mitternacht weitergezogen und hatten sich eine Zuflucht näher an den Hofgebäuden gesucht. Stille umgab sie, und sie konnten in der Ferne Gewehrfeuer ausmachen.

Das meiste aus vollautomatischen Waffen. Ein paar wenige einzelne Schüsse. Männer, die nicht an der primitiven Form der Kriegsführung beteiligt waren, wären vielleicht angesichts des Kugelhagels zusammengezuckt, der sich am Ort der Explosion entlud. Mindestens zweihundert Schüsse. Da draußen hatte das Überfallteam sicherlich schon neue Magazine eingesteckt und ließ die Gurte durch die Maschinengewehre laufen. Das Geräusch hatte nicht den klaren Ton eines Trommelschlags oder eines ploppenden Champagnerkorkens, sondern war vielmehr ein undeutliches Durcheinander. Es war die Belohnung für das Warten.

Beide Männer – Desperate noch mehr als Dusty – besaßen genug Fantasie. Es fiel ihnen leicht, sich die Szene nahe dem Abflusskanal vorzustellen, der das Regenwasser von den Feldern über dem Weg aufnahm. Der Abflusskanal bestand aus Beton und war solide gebaut, es wuchs aber ausreichend Brombeer- und Dornengestrüpp um seine Öffnung, so dass er der ideale Ort zum Verbergen eines Sprengkörpers war. Er bot auch durch das Schilfrohr, das auf dem Feld wuchs, den notwendigen Schutz, damit ein Zündkabel gelegt werden konnte. Es war bis zu einem Schuppen geführt worden, wo die Bombe lag. Wie sie wussten, war das eigentliche Ziel eine schnelle Eingreiftruppe, die aus der zehn Kilometer entfernten Kaserne kommen sollte, wo eine Infanterieeinheit stationiert war. Die Truppe sollte auf einen anonymen falschen Notruf aus einer öffentlichen Telefonzelle reagieren, in dem von einem Gewehr die Rede war, das auf einem Grünstreifen in der Nähe des Abflusskanals lag. Beide Männer, kalt und durchnässt, wussten, was stattdessen geschehen war. In der Dunkelheit würden sich die »bösen Jungs« abgemüht haben, den Dünger in Säcken aus dem Transit zu bekommen und zu dem Graben und dem Abflusskanal zu hieven. Ihre letzten Augenblicke würden gekommen sein, als sie auf die Betonöffnung zuschlitterten. Die Nachtvisiere auf den Gewehren und MGs würden auf sie gerichtet sein. Ein elektronischer Schalter würde umgelegt worden sein, um die Bombe zu zünden, man würde das Feuer eröffnet haben. Vielleicht waren zwei bei der Explosion gestorben und die anderen zwei vom Kugelhagel niedergemäht worden. Es würde sie alle zerfetzt und in Einzelteile zerlegt haben … Weder Dusty noch Desperate schreckten vor dem, was sie sich vorstellten, zurück.

Der Regen wurde heftiger, und die Schießerei hatte aufgehört. Sie waren vermutlich zu weit von dem Abflusskanal entfernt, um zu hören, wie der Hubschrauber kam. Man würde ihn nach der Schießerei angefordert haben, und er würde von der Kaserne aus niedrig fliegen, tief über dem Boden, und für einen Moment auf dem durchweichten Boden landen, um die Special-Forces-Männer aufzunehmen, den »Hereford Gun Club«, der das Überfallteam gebildet hatte. Schwarz bemalt und mit ihrer Ausrüstung schwer beladen würden sie sich am Maschinengewehrschützen vorbei in den Hubschrauber hieven und auf den Metallboden plumpsen. Dann würde er abheben, eindrehen und verschwinden. Er würde ein Blutbad hinter sich lassen. Dusty und Desperate waren still. Keiner der beiden war direkt ein Mörder: Sie übernahmen mehr Verantwortung als die Männer, die die Magazine eingesteckt und die Patronengurte hatten durchlaufen lassen.

Sie konnten sich die Szene an der Stelle, an der der Abflusskanal unter dem Weg verschwand, so gut vorstellen, weil man Desperate gesagt hatte, dass dort die Bombe gelegt werden sollte, wann man sie dorthin bringen würde, zu welchem Zeitpunkt der falsche Notruf eingehen sollte und welche Männer sich in Feuerstellung begeben würden, um auf die militärische Antwort zu warten. Er kannte die Eigenschaften dieser Männer, er kannte ihre Geschichte in dem Krieg, der in den flachen Hängen des Bergs ausgefochten wurde, und er wusste, wo sie in den Townlands zwischen dem Chambered Grave und dem Gipfel, dem Seat of Shane Bearnagh, wohnten. In seinen Unterlagen befanden sich ihre Lebensläufe, und er konnte die familiären Verbindungen nachvollziehen, die sie zusammenhielten: Er kannte die Namen der Ehefrauen, Freundinnen und Kinder. Desperate hatte die Informationen geliefert, die die Spezialkräfte von Ballykinler hergebracht hatten. Er hätte jeden Moment des Tötungsvorgangs vorhersagen können. Er hatte ihn choreographiert.

Der Hubschrauber würde fort sein, und die Jungs in der Kabine würden sich bald den Korditgestank abduschen und danach zum Frühstücken ins Kasino gehen. Desperate und Dusty nicht.

Die Kühe hatten sich in Bewegung gesetzt. Sie liefen über das offene Feld mitten in den Sturm und den Regen. Durch seine Brille, die einen Bildverstärker in den Linsen eingebaut hatte, konnte Desperate ihr gleichförmiges Vorankommen beobachten, und er hörte das Platschen ihrer Hufe. Eine ganze Minute lang verdeckten sie den Bauernhof und die Gebäude, in denen der Mann die Viehtransporter unterstellte und die Waffen und Bomben lagerte. Im Haus brannten keine Lichter. Explosion, Schießerei und Hinterhalt waren noch nicht lange genug her. Desperate empfand keine besondere Genugtuung über seinen Part in der Angelegenheit, und er glaubte auch nicht, dass Dusty ein Schulterklopfen erwartete. Beide Männer hätten jetzt gern eine Zigarette geraucht – verboten. Die Abwesenheit einer Marlboro Light machte Desperate und Dusty vielleicht mehr zu schaffen als die Rolle, die sie beim Tod von vier Männern gespielt hatten.

Es waren schöne Kühe aus einer reinrassigen Herde – sie wurden allerdings nicht von dem Mann gemolken, dem der Bauernhof, die Wirtschaftsgebäude und die neunundsiebzig Morgen kümmerlichen, aber brauchbaren Lands gehörten – gehört hatten. Jeden Morgen und jeden Abend wurden sie zum Melkstand eines Nachbarn gebracht und dort gemolken. Als sie am vergangenen Abend zurückgekommen waren, war der Mann von seiner Hintertür zu den Wirtschaftsgebäuden gehuscht und mit einem strapazierfähigen Blaumann zurückgekommen. Er hatte offenbar die Sturmhaube vergessen, er musste nämlich wieder zurück zu dem großen Stall. Sie hatten ihn beobachtet.

Dusty hatte die Kuhle ausgehoben, die die Basis ihres Verstecks war. Er hatte viele Talente, und Verstecke bauen war eines davon. Sie saßen tief in dem Loch – Farnkraut und Ginster wuchsen um seine Ränder. Man trat fast auf sie drauf, bevor man merkte, dass sie dort waren. Dusty und Desperate fürchteten die Kühe. Die Tiere hatten die Angewohnheit, sich im Halbkreis um das Versteck zu stellen und dadurch die Sicht zu beschränken. Beide Männer saßen nun in einer Wasserpfütze, die sich in der Kuhle gebildet hatte. Die Feuchtigkeit zog in ihre Hosen und Unterwäsche, und die Thermowäsche hielt die Kälte längst nicht mehr ab. Das war es nun mal, was sie taten. Nichts Ungewöhnliches. Es war auch nichts Ungewöhnliches für Desperate, die Tötung von vier Männern zu leiten. Das war es, was er tat.

Rettung kam. Eine Füchsin stolzierte aus der Hecke zu ihrer Rechten, fädelte sich durch die Nesselbüsche und zog die Aufmerksamkeit der Rinder auf sich. Sie schwenkten ab und jagten ihr nach. Der Blick zum Bauernhof war wieder frei.

Vier Männer waren also tot. Es konnte keine Überlebenden gegeben haben. Es würde zu einem weiteren Mord an dem flachen Hang des Bergs von Altmore innerhalb einer Woche oder höchstens eines Monats kommen. Desperate war für den letzten Tod in dieser Reihe so verantwortlich wie für die anderen. Die Kälte packte ihn, die Feuchtigkeit ließ seine Haut...

Erscheint lt. Verlag 12.12.2017
Übersetzer Zoë Beck
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Original-Titel Vagabond
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Geheimagent • Geheimdienst • IRA • Irland • MI5 • Nordirland • Normandie • Politthriller • ST 4742 • ST4742 • suhrkamp taschenbuch 4742 • Terrorismus • Waffenhandel
ISBN-10 3-518-74849-1 / 3518748491
ISBN-13 978-3-518-74849-7 / 9783518748497
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 4,4 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Psychothriller

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2022)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99
Krimi

von Jens Waschke

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
9,99
Psychothriller | SPIEGEL Bestseller | Der musikalische Psychothriller …

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2021)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99