Lebensbilder (eBook)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
503 Seiten
e-artnow (Verlag)
978-80-268-7076-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Lebensbilder -  Honoré de Balzac
Systemvoraussetzungen
0,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Dieses eBook: 'Lebensbilder' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: 'Der erste, der in Paris ein Maler-Atelier für Damen eröffnete, war ein gewisser Herr Servin, ein Künstler von Ruf, der streng auf Sitte hielt, ganz seiner Kunst lebte und aus Zuneigung die Tochter eines Generals ohne Vermögen geheiratet hatte. - Es lag in seinem Plane, nur Schülerinnen aus den reichsten und geachtetesten Häusern anzunehmen, um jeder möglichen Nachrede auszuweichen.' Honoré de Balzac (1799-1850) war ein französischer Schriftsteller. In den Literaturgeschichten wird er, obwohl er eigentlich zur Generation der Romantiker zählt, mit dem 17 Jahre älteren Stendhal und dem 22 Jahre jüngeren Flaubert als Dreigestirn der großen Realisten gesehen.

Hermann Schiff



Zu Eckermann äußerte sich Goethe einmal: »Der persönliche Charakter des Schriftstellers bringt seine Bedeutung beim Publikum hervor, nicht die Künste seines Talentes. Napoleon sagte von Corneille: ›S'il vivait, je le ferais Prince‹ – und er las ihn nicht. Den Racine las er; aber von diesem sagte er es nicht. Deshalb steht auch der Lafontaine bei den Franzosen in so hoher Achtung, nicht seines poetischen Verdienstes wegen, sondern wegen der Großheit seines Charakters, der aus seinen Schriften hervorgeht.« – Damit hat Goethe allen Literaten, deren Charaktere anfechtbare Züge aufweisen, das Todesurteil gesprochen. In dieser Allgemeinheit trifft indes die Behauptung nicht zu, und Goethe selbst hat ja dem unglücklichen Johann Christian Günther, dem sein Leben wie sein Dichten zerrann, nachdem er schon als Leipziger Student Günthers dichterischen Spuren gefolgt war, ein Erinnerungszeichen gewidmet, das den Unglücklichen, in seinem Leben sicher nicht ganz Einwandfreien keineswegs in Grund und Boden verdammt. Aber mit kleinen Einschränkungen trifft Goethes Anschauung zweifellos das Richtige; der persönliche Charakter der Schriftsteller entscheidet sehr oft die Bewertung nicht nur bei der Kritik, sondern auch bei der Menge. Heine und Grabbe leiden unter dieser moralisierenden Einschätzung beträchtlich, und ihr völliges Durchdringen ist in Deutschland noch immer durch die Tatsache erschwert, daß ihr Lebenswandel nicht allgemein gültigen Sittlichkeitsbegriffen entspricht. Die Einbeziehung des moralischen Wertes eines Schriftstellers bei seiner ästhetischen Beurteilung ist unschwer verständlich; da die große Menge ein Buch nicht nur als Bildungs-, sondern auch als Erziehungsmittel betrachtet, erwählt sie zur Lektüre immer lieber das eines gefesteten, einwandfreien als das eines anrüchigen oder auch nur verdächtigen Charakters. Daß dabei nur allzuoft blasphemisches Spießbürgertum das maßgebendste Urteil spricht, mag bedauerlich sein; verkennen und übersehen läßt sich diese Wahrheit nicht.

Sie ist die stichhaltigste Erklärung für die völlige Ignorierung des Balzacumdichters Hermann Schiff, der vielleicht von den tragischesten Verhängnissen heimgesuchten dichterischen Persönlichkeit Deutschlands. Soviel Elend hat das Schicksal selten über einen deutschen Dichter gebracht, von denen ja auch sonst viele nicht gerade Schoßkinder des Glückes waren und sind. Aber im Erdulden des fast kettenartig geschlossen über ihn hereinbrechenden Ungemachs übertrifft Schiff sie alle, wie bös den andern auch Mühsal und Jammer mitgespielt haben mögen. Im Leben wie nach dem Tode blieb ihm nichts erspart von all dem Leid, das Menschen treffen kann. Gewiß schloß sich auch für andere Dichter die Pandorabüchse nicht früher, als bis sie alles über sie geschüttet hatte, was jenen an Not und Qual zugedacht war. Jedoch die meisten führten wenigstens ein glücklicheres Leben nach dem Tode, indem ihnen eine gerechtere Nachwelt das zu vergelten suchte, was die Mitwelt schmählich versäumt hatte. Schiff ist bisher auch diese Ehrenrettung versagt geblieben; er wird nur selten genannt; und wo es geschah, waren Böswilligkeit, Verkennung, Urteilslosigkeit und Fahrlässigkeit zur Stelle, um auch noch des Toten Namen zu verunglimpfen.

Nun ist Schiff zweifellos kein Charakter gewesen, der subtilerer moralischen Begutachtung standhielte. Und in vollem Maße trifft auf ihn der Ausspruch Goethes zu, daß der persönliche Charakter des Schriftstellers seine Bedeutung beim Publikum hervorbringe. Wenn Schiff deshalb heute vergessen ist und nicht mehr gelesen wird, wie er eigentlich auch zu seiner Zeit nicht allzuviel gelesen wurde, so ist das von Goethes Standpunkte aus und vieler anderen Umstände wegen begreiflich. Aber viel zu hart ist es, wenn die repräsentativste Persönlichkeit der deutschen Literaturwissenschaft, Karl Goedeke, – schroff wie sonst niemals – über ihn den Stab bricht, ihn beweislos einen Zuchthäusler nennt und zu den verkommenen Genies rechnet. Denn das war Schiff nicht. Die gewissenhaftesten Nachforschungen und die amtlichen Bekundungen all der Behörden, mit denen Schiff zu tun hatte, beweisen, daß er niemals in Korrektionshäusern saß. Er hat dreimal kleine Anstände mit der Leipziger Polizeibehörde gehabt (welcher politische Schriftsteller hatte solche im Vormärz nicht?) und wurde in Hannover wegen Ehrenbeleidigung eines literarischen Gegners zu einer dreiwöchigen Arreststrafe verurteilt. Das ist alles, was ihm nachgewiesen werden kann. Schiff war gewiß ein zügelloser Mensch, ein Phantast, ein schwacher Charakter voll der bizarrsten Schrullen und Launen; aber er saß keine Sekunde im Kerker, wenn auch die Hamburger Polizei, der er wegen seiner Eigenheiten sehr unbequem war, es versuchte, ihn festzusetzen. Damit war Schiff großes Unrecht widerfahren, und er mußte nach kurzer Haft wieder freigelassen werden, hat also nicht, wie Goedeke meint, »meistens in Polizeihaft gelebt«, wie er auch nicht im Armenhause gestorben ist.

Goedeke teilt leider nicht mit, woher er seine für Schiff diffamierenden Nachrichten bezog. Das ist um so beklagenswerter, als seine Angaben in allen Kompendien, die Schiffs Namen erwähnen, Aufnahme gefunden haben. Niemand, der Goedekes Ausführungen nachdruckte, nahm sich die Mühe, die Berechtigung der erhobenen Anklagen zu erforschen. Kritik- und bedenkenlos wurden sie abgeschrieben; nur Adolf Bartels machte in seinem »Handbuch der deutschen Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts« einen knappen Zusatz, worin er Goedeke naiv nennt, weil dieser meinte, die Juden hätten mit Schiffs unmoralischem Lebenswandel nichts zu tun. Es wäre verdienstlicher gewesen, wenn Bartels Goedekes Bericht erst nachgeprüft hätte, ehe er sich zu der doppelten Verurteilung Schiffs und Goedekes entschloß.

Jedenfalls erhellt schon aus der Berichtigung dieser weittragenden falschen Mitteilung Goedekes, daß seine Schiffbiographie (wie alle andern bisher erschienenen, die sämtlich mehr oder weniger wörtliche Paraphrasen der Goedekeschen sind) nicht stichhält. Deshalb soll hier eine neue gegeben werden, die sich bemüht, alle Schiffs Namen anhaftenden falschen Behauptungen aus der Welt zu schaffen und ein richtiges Porträt dieser durchaus originellen und beachtenswerten Persönlichkeit zu entwerfen. Es wird sich zeigen, daß damit nicht nur einem mit Unrecht vergessenen Schriftsteller die verdiente posthume Ehrenrettung zuteil wird (die sich freilich von jeder Überschätzung sorgfältig fernhalten wird), sondern daß auch ein bedeutungsvoller Zeitraum deutscher literarischen Entwicklung nach verschiedenen Seiten hin neue Belichtung erfährt. Für die Geschichte der deutschen Romantik – dies sei vorweg hervorgehoben – ist die Darstellung der schriftstellerischen Laufbahn Schiffs von besonderer Bedeutung.

In einem reichen jüdischen Kaufmannshause zu Hamburg wurde David Bär Schiff am 23. April 1801 geboren . Väterlicher- und mütterlicherseits stammte die Familie aus dem damals noch dänischen Altona. Ein Onkel des Dichters war Günstling des Dänenkönigs, dem zu Ehren er Synagogenfeste veranstaltete, wofür er der königlichen Tafel beigezogen wurde. Der Großvater war zweimal verheiratet, in zweiter Ehe mit seiner Schwägerin Mathe (Mathilde), die aus erster Ehe mit Löb Heine sechs Kinder hatte, darunter Samson Heine, den Vater des Dichters. David Bär Schiff war also nicht, wie man immer wieder liest, ein Vetter Heinrich Heines, sondern nur ein solcher zweiten Grades, außerdem aber, wenn man in Betracht zieht, daß der beiden Väter Stiefbrüder waren, ein Stiefvetter. Soviel zweifellos Richtiges ergibt sich aus einer sonst sehr mit Vorsicht zu benutzenden Schrift Schiffs »Heinrich Heine und der Neuisraelitismus« (Hamburg 1866), die schon Adolf Strodtmann in seiner Heinebiographie (I, 355, Anmerkung 1 und I, 368, Anmerkung 111) an entscheidenden Punkten berichtigen mußte.

Ein vertrauterer Umgang zwischen Heine und Schiff in ihrer Knabenzeit war nicht nur infolge der Verschiedenheit der Aufenthaltsorte ausgeschlossen. Schiffs Vater war damals sehr wohlhabend, während der Heines bekanntlich nicht gerade reich war. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die verschiedenartige soziale Lage die beiden Stiefbrüder, die auch Vettern waren, von vertrauterem Umgange abhielt. Denn nirgends findet sich ein Hinweis, daß irgendeine nähere Beziehung zwischen Samson Heine und Hertz Bendix Schiff (dem Vater von David Bär) stattgefunden hätte.

Das Glück blieb indes Schiffs Vaterhause nicht treu; der Vater scheint zugrunde gegangen zu sein (worüber Schiff selbst gelegentlich Andeutungen macht.) Aus sehr gewissenhaften Nachforschungen J. Heckschers (in den »Mitteilungen zur jüdischen Volkskunde«, Heft XVI, Seite 124) geht hervor, daß Schiffs Vater seit 1828 sein Manufakturwarengeschäft nicht mehr betrieb, von Jahr zu Jahr seine Wohnung wechselte (vielleicht weil er die Miete nicht bezahlen konnte) und 1840 in Wandsbek starb. Fünf Jahre vor ihm war seine Frau heimgegangen, ein von dem Dichter, der gleich Heine auf das zärtlichste an seiner Mutter hing, tiefbeklagter Verlust!

Die Hamburger Jugendjahre sind für Schiff von der größten Bedeutung gewesen. Er besuchte das Johanneum (von den Lehrern rühmt er namentlich Gurlitt), von 1821 – 1822 das akademische Gymnasium. Ostern 1822 ging er an die Universität Berlin ab, um dort Jura zu studieren. Er hat also verhältnismäßig lange zur Absolvierung des Gymnasiums gebraucht. Vielleicht war schon damals seine exzentrische Natur schuld, daß er erst spät zum Abiturium kam, vielleicht war er durch burschenschaftliche...

Erscheint lt. Verlag 21.11.2017
Verlagsort Prague
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Das Hexenzeichen • Das weiße Blut der Erde • Der Zauberberg • Die Australierin • Hermann Hesse • Im Lautlosen • Jeder stirbt für sich allein • Johann Wolfgang von Goethe • Was wir suchen • Wir werden erwartet
ISBN-10 80-268-7076-X / 802687076X
ISBN-13 978-80-268-7076-0 / 9788026870760
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die Geschichte eines Weltzentrums der Medizin von 1710 bis zur …

von Gerhard Jaeckel; Günter Grau

eBook Download (2021)
Lehmanns (Verlag)
14,99
Historischer Roman

von Ken Follett

eBook Download (2023)
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
24,99