Putins Russland (eBook)

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2019 | 1. Auflage
560 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-04741-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Putins Russland -  Angela Stent
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Wladimir Putin lässt Kritiker ermorden, er erobert erst die Krim und facht mitten in Europa einen Krieg an. Russland ist unter diesem Präsidenten zu einer Gefahr für den Rest der Welt geworden und zu einem Schurkenstaat. Mit seinem Angriff auf die Ukraine fordert Putin den Westen heraus - und gleichzeitig gibt es im Land weit und breit niemanden, der ihm politisch gefährlich werden könnte. Die amerikanische Politologin Angela Stent fragt, warum sich die Erwartung des Westens nicht erfüllt und Russland sich seit dem Untergang der Sowjetunion nicht zu einer liberalen marktwirtschaftlichen Demokratie entwickelt hat. Und wie stattdessen ein KGB-Agent mittleren Rangs so mächtig werden konnte, so einflussreich und populär, dass sein autokratisches System inzwischen als bedrohliches Gegenmodell zur westlichen Demokratie wahrgenommen wird. Die Autorin beschäftigt sich als Wissenschaftlerin und Politikberaterin seit Jahrzehnten mit Russland und seinen Außenbeziehungen. Sie beschreibt in diesem Buch, wie Putin sein Land geprägt und verändert hat und wie sich unter ihm Russlands Beziehungen zum Westen, zu den USA, aber auch besonders zu Deutschland dramatisch verschlechtert haben. Auf dem Höhepunkt der von Putin ausgelösten Krisen wagt Stent gleichzeitig den Blick in die Zukunft: auf ein Russland ohne Wladimir Putin.

Angela Stent, geboren 1947, ist die Direktorin des Center for Eurasian, Russian and East European Studies und Professor of Government and Foreign Service an der Georgetown University. Im Herbst 2008 war sie Fulbright Scholar am Moscow State Institute of International Relations und Berlin Prize Fellow an der American Academy in Berlin. Von 2004 bis 2006 diente sie als National Intelligence Officer for Russia and Eurasia beim National Intelligence Council. 2000 erschien ihr Buch «Rivalen des Jahrhunderts. Deutschland und Russland im neuen Europa».

Angela Stent, geboren 1947, ist die Direktorin des Center for Eurasian, Russian and East European Studies und Professor of Government and Foreign Service an der Georgetown University. Im Herbst 2008 war sie Fulbright Scholar am Moscow State Institute of International Relations und Berlin Prize Fellow an der American Academy in Berlin. Von 2004 bis 2006 diente sie als National Intelligence Officer for Russia and Eurasia beim National Intelligence Council. 2000 erschien ihr Buch «Rivalen des Jahrhunderts. Deutschland und Russland im neuen Europa».

Einleitung


Im Juli 2018 zeigte Russland der Welt als Gastgeber der Fußball-Weltmeisterschaft sein freundlichstes Gesicht. Bei der lebhaften Eröffnungsfeier waren Bären, Drachen und malerische Zwiebeltürme zu bewundern. Im ersten Spiel gewann das russische Team, das man für eines der schwächsten gehalten hatte, gegen Saudi-Arabien und blieb immerhin bis zum Viertelfinale im Turnier, bevor es sich gegen Kroatien geschlagen geben musste. Aber selbst diese Niederlage konnte die überall vorherrschende – und unerwartet – gute Stimmung nicht beeinträchtigen. Einen Monat lang war Russland ein begeisterter und sportlicher Gastgeber für Fußballfans aus aller Welt. In den Städten feierten die Russen und ihre Gäste ausgelassen bis in die frühen Morgenstunden, von Kaliningrad im Westen bis hinüber nach Jekaterinburg im zweieinhalbtausend Kilometer entfernten Sibirien. Selbst die sonst eher grimmig dreinschauenden russischen Polizisten setzten für die Feiernden ein freundliches Lächeln auf. Der russische Präsident Wladimir Putin drückte es so aus: «Die Menschen haben gesehen, dass Russland ein gastfreundliches Land ist, das alle, die herkommen, willkommen heißt.» Und weiter: «Ich bin sicher, dass fast alle Menschen, die als Gäste zu uns gekommen sind, gut gelaunt und voller schöner Erinnerungen an unser Land heimkehren und noch oft wiederkommen werden.»

Die WM stellte für Präsident Putin einen großen Erfolg dar. Bevor die Spiele begannen, waren kritische Fragen laut geworden – so zum Beispiel, ob Russland die Sportanlagen rechtzeitig fertigstellen könne, ob es bei den Ausschreibungen für die Bauarbeiten zu Korruption gekommen sei und wie Russland seine internationalen Besucher empfangen werde. Außerdem fand die Weltmeisterschaft in einer politisch aufgeladenen Atmosphäre statt; die russischen Beziehungen zum Westen waren noch nie so schlecht gewesen, seit sich 1992 das postkommunistische Russland gebildet hatte. Die ohnehin schon belasteten Beziehungen zwischen Putins Russland und dem Westen hatten sich durch Russlands Besetzung der Krim, den Krieg im Südosten der Ukraine, Russlands Cyber-Einmischungen in Wahlkämpfe in den USA und Europa, seine Unterstützung für Baschar al-Assad in dem grausamen Bürgerkrieg in Syrien sowie das scharfe Vorgehen gegen Regimegegner im eigenen Land – und die entsprechenden Reaktionen aus den USA und der EU – noch weiter verschlechtert.

Nach der Weltmeisterschaft reisten die ausländischen Fans mit positiven Eindrücken von ihren Gastgebern wieder nach Hause. Viele waren mit Vorurteilen über unfreundliche, in einem rückständigen Land lebende Russen angereist, berichteten dann aber, erstaunt festgestellt zu haben, wie «normal» Russland und seine Menschen ihnen erschienen waren. Das größte Fan-Kontingent war aus den Vereinigten Staaten angereist, obwohl dessen Team sich nicht für die Teilnahme qualifiziert hatte. Westliche Journalisten betonten, dass man zwischen der russischen Regierung (die sie kritisierten) und dem russischen Volk (das gastfreundlich sei) unterscheiden müsse. Die Russen waren daran gewöhnt, dass ihre staatlich kontrollierten Medien die Menschen aus dem Westen ständig diffamierten, doch eine nach der Weltmeisterschaft durchgeführte Umfrage zeigte, dass sich die Ansichten der russischen Bevölkerung über US-Amerikaner und Westeuropäer deutlich aufgehellt hatten. Die Spiele hinterließen schöne Erinnerungen und positive Gefühle, obwohl den Russen durchaus klar war, dass sie die Nächte nicht mehr würden durchfeiern können, wenn die Ausländer erst einmal wieder abgereist waren. Die russische Mannschaft mochte zwar verloren haben, aber für Wladimir Putin war die WM eindeutig ein Sieg.

 

Die Fußball-Weltmeisterschaft stellte einen Höhepunkt des Projekts dar, an dem Putin seit fast zwei Jahrzehnten gearbeitet hatte: die Rückkehr Russlands auf die globale Bühne als eine Großmacht, die respektiert, gefürchtet und auch – wie die Weltmeisterschaften gezeigt hatten – gemocht und sogar bewundert wird. Russlands wiedergefundene Rolle als ein wichtiger Akteur, der weit über seine unmittelbare Nachbarschaft hinaus Macht geltend machen kann, war unerwartet und durchaus bemerkenswert, wenn man seine begrenzten wirtschaftlichen Ressourcen bedenkt: ein kleineres Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Italien, Bevölkerungsrückgang, eine verfallende Infrastruktur und die negativen Auswirkungen mehrerer Wellen westlicher Sanktionen als Reaktion auf Russlands Vorgehen. Einige Jahre zuvor hatte Präsident Obama Russland als «Regionalmacht» bezeichnet. Aber Putin bewies das Gegenteil – Russlands Einflusssphäre ist heute eindeutig global.

Dies ist die neue russische Realität, wie sie sich entwickelt hat, seit Putin im Jahr 2000 in den Kreml einzog. Damals kam Russland nach einem Jahrzehnt des politischen Chaos und wirtschaftlichen Niedergangs allmählich wieder auf die Beine. Damals waren manche Beobachter sogar so weit gegangen, zu sagen: «Russland ist erledigt.» Als der kranke Boris Jelzin die Zügel der Macht an einen weitgehend unbekannten ehemaligen KGB-Führungsoffizier übergab, war noch nicht abzusehen, wie das junge postkommunistische Russland sich entwickeln würde. Rückblickend wird jedoch klar, dass Putin von Anfang an entschlossen war, nicht nur eine resolute Kontrolle des Staates über die russische Gesellschaft wiederherzustellen, sondern auch Russland erneut als Großmacht zu etablieren. Bemerkenswerterweise ist es ihm gelungen, beide Ziele zu erreichen, Russlands wirtschaftlichen und militärischen Einschränkungen zum Trotz.

Es ist wichtig zu verstehen, wie und warum Russland auf das internationale Parkett zurückkehren konnte. Inzwischen ist es wieder in Bereichen aktiv, aus denen es sich zurückgezogen hatte, nachdem die UdSSR zerfallen war, und sein neuerliches Erscheinen auf der globalen Bühne hat sich auf die Möglichkeiten der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten ausgewirkt, ihre eigene Außenpolitik wirkungsvoll umzusetzen. Diese neue Realität macht es notwendig, den zukünftigen Umgang mit Russland zu überdenken.

 

In Putins Welt sind die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und vielen Ländern Europas konfrontativ. Und in dieser Welt baut Russland seine Partnerschaft zu China aus, spielt eine immer einflussreichere Rolle im Nahen Osten und ist in Regionen der Welt zurückgekehrt, aus denen es sich nach dem Niedergang der Sowjetunion hatte zurückziehen müssen. Darüber hinaus haben Sitz und Vetorecht im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Moskau in die Lage versetzt, einen weltpolitischen Einfluss geltend zu machen, der weit über das hinausreicht, was seine aktuellen Möglichkeiten würden vermuten lassen. Russlands Fähigkeit, die Interessen des Westens zu durchkreuzen, haben es auch in die Lage versetzt, seine eigenen Interessen international voranzutreiben. Die Versuche des Westens, Russland nach der Annexion der Krim zu isolieren, sind fehlgeschlagen. Außerdem haben die zunehmende Unordnung im transatlantischen Bündnis seit dem Amtsantritt von Donald Trump, der Brexit sowie die neuen Herausforderungen, die sich der EU stellen, Putin unerwartete Gelegenheiten geboten, die Interessen Russlands voranzutreiben – und diese Möglichkeiten hat er geschickt genutzt.

Dieses Buch zeigt, wie es Russland unter Putin gelungen ist, als Global Player zurückzukehren, und was diese neue Rolle bedeutet. Es wird untersucht, warum Moskaus Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und vielen – wenn auch nicht allen – europäischen Ländern sich verschlechtert haben, warum so viele andere Länder ein positives Bild von Russland haben und warum sie auf verschiedenen Ebenen produktiv mit Moskau zusammenarbeiten. Und es werden die Ursprünge und die Entwicklung des russischen Nationalbewusstseins nachgezeichnet, das sich in den knapp zwei Jahrzehnten seit Putins Machtübernahme konsolidiert hat und heute die russische Politik antreibt. Es wird gezeigt, wie wichtig es ist zu verstehen, wie und warum Russland wiederauferstanden ist und welche Strategie gegenüber Moskau in dieser neuen und turbulenten globalen Realität am ehesten Erfolg verspricht.

 

Häufig werden die Russen für talentierte Schachspieler mit einer übergeordneten Strategie gehalten, aber Putins Sport ist Judo – und das hat ihm eine besondere Perspektive vermittelt, um sich gegen Konkurrenten und Gegner behaupten zu können. Als er in der Nachkriegszeit in ärmlichen Verhältnissen in Leningrad aufwuchs, veränderte der Kampfsport sein Leben und bot ihm die Möglichkeit, sich gegen größere und brutalere Jungen zu behaupten. «Es war ein Mittel, um mich in der Gruppe durchzusetzen.» Im Mai 1976 stellte das Leningrader Abendblatt den 24-jährigen Meister-«Judoka» der Stadt als jemanden vor, der «bis jetzt unter Spezialisten oder Fans noch nicht sonderlich bekannt ist», was sich aber «bald ändern wird». Beim Judo kann ein vermeintlich schwächerer Kämpfer auf seine innere Stärke und Willenskraft bauen, um einen größeren und aggressiveren Gegner zu besiegen. Eine grundlegende Technik ist dabei, den Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen und sich dann seine momentane Unsicherheit zunutze zu machen, um einen entscheidenden Griff anzusetzen. Putin hat sich als sehr geschickt darin erwiesen, Chancen zu nutzen, die sich ihm durch die Unordnung im Westen und die Unentschlossenheit mancher westlicher Politiker präsentieren.

Putins...

Erscheint lt. Verlag 23.4.2019
Übersetzer Ursula Pesch, Andreas Thomsen, Karsten Petersen, Thomas Pfeiffer
Zusatzinfo Zahlr. 4-farb. Abb.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Alexei Nawalny • Außenpolitik • Boris Jelzin • DDR • Deutschland • Donald Trump • Edward Snowden • Geopolitik • Geschichte Russlands • Hacker • Kalter Krieg • KGB • Kommunismus • Moskau • putin biographie • Putins Netz • Russland • Sowjetunion • Ukraine • Ukraine-Konflikt • USA • Vladimir Putin • Wladimir Putin
ISBN-10 3-644-04741-3 / 3644047413
ISBN-13 978-3-644-04741-9 / 9783644047419
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