Fiona: Den Toten verpflichtet (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
496 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-40177-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Fiona: Den Toten verpflichtet -  Harry Bingham
Systemvoraussetzungen
3,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
So eine Heldin hat der Spannungsroman noch nicht erlebt: verletzlich, eigensinnig, genial. Eine Drogenhure - ermordet in einer schmutzigen Wohnung. Neben ihr die geschundene Leiche ihrer kleinen Tochter. Wer begeht so ein Verbrechen? Bei der Toten wird eine Kreditkarte gefunden. Der Besitzer kam vor Monaten beim Absturz einer Privatmaschine um. Das Ganze: ein Rätsel. Die junge Polizistin DC Fiona Griffiths hat eigentlich nichts mit dem Fall zu tun, doch getrieben von einer seltsamen Unruhe, beginnt sie, auf eigene Faust zu ermitteln. Ihren Chef macht sie damit rasend, dabei weiß er noch nicht einmal, wie sehr sie am Rande der Legalität wandelt. Denn Fiona ist nicht wie andere Polizisten, sie ist anders als die meisten Menschen. Eine geniale Ermittlerin - und immer kurz vor dem finalen Absturz ...

 Harry Bingham ist gebürtiger Londoner. Er studierte in Oxford Politik und Wirtschaft, beschäftigte sich danach mit dem ökonomischen Wiederaufbau Osteuropas und brach schließlich eine Karriere bei der Bank J.P. Morgan ab, um Bücher zu schreiben. Seine Thriller um die einzigartige Fiona Griffiths aus Cardiff erregten international Begeisterung und wurden in Großbritannien Vorlage einer Fernsehserie.

 Harry Bingham ist gebürtiger Londoner. Er studierte in Oxford Politik und Wirtschaft, beschäftigte sich danach mit dem ökonomischen Wiederaufbau Osteuropas und brach schließlich eine Karriere bei der Bank J.P. Morgan ab, um Bücher zu schreiben. Seine Thriller um die einzigartige Fiona Griffiths aus Cardiff erregten international Begeisterung und wurden in Großbritannien Vorlage einer Fernsehserie. Kristof Kurz lebt und arbeitet als freiberuflicher Übersetzer und Redakteur in München und hat unter anderem Werke von Robert Galbraith, Harry Bingham und Simon Scarrow ins Deutsche übertragen.

2


Mai 2010

 

Es stimmt: Ich mag Routinearbeit, aber irgendwann kann es des Guten auch zu viel sein.

Ein Londoner Polizist namens Brian Penry musste – nach zweiundzwanzig Dienstjahren ohne den geringsten Tadel – den Job an den Nagel hängen, nachdem er sich in Ausübung seiner Pflicht verletzt hatte. Er wurde Schatzmeister einer katholischen Knabenschule in Monmouthshire. Dort unterschlug er kleinere Geldbeträge. Wurde nicht erwischt. Unterschlug mehr. Wurde wieder nicht erwischt. Dann wurde er gierig: kaufte sich ein Klavier, wurde Mitglied in einem Golfclub, machte zwei ausgedehnte Urlaubsreisen, baute sich einen Wintergarten und beteiligte sich an einem Rennpferd.

Die Schulleitung war zwar etwas schwerfällig, aber nicht völlig blind. Sie zeigte den Mann bei uns an und lieferte sogar Beweise. Wir ermittelten und fanden weitere Beweise, verhafteten den Verdächtigen und verhörten ihn. Penry stritt alles ab, dann schwieg er, starrte an die Wand und sah aus wie ein Häuflein Elend. Auf den Bändern ist nur sein leicht asthmatischer Atem zu hören, ein dünnes, nasales Pfeifen zwischen unseren Fragen, das sich fast wie eine Beschwerde anhört. Wir überführten ihn des Diebstahls in elf Fällen, obwohl es in Wahrheit wohl eher fünfzig waren.

Er streitet immer noch alles ab, was bedeutet, dass wir den Prozess vorbereiten müssen. Fünf Minuten vor der Gerichtsverhandlung wird sich Penry schuldig bekennen, da er keine Chance hat und das auch weiß, und für das Strafmaß wird es keinen Unterschied machen, ob er jetzt oder später auf schuldig plädiert. Was bedeutet, dass ich in der Zwischenzeit jeden einzelnen Posten auf seinen Kontoauszügen der letzten sechs Jahre durchgehen muss, jede einzelne Kreditkartentransaktion, jede einzelne Überweisung vom Konto der Schule und ausnahmslos alle betrügerischen Vorgänge so haarklein dokumentieren muss, dass der Strafverteidiger den Fall nicht aufgrund irgendwelcher läppischer Formfehler vor Gericht auseinandernehmen kann. Wozu es, wie gesagt, sowieso nicht kommen wird, weil Penry keine Chance hat und das auch weiß.

Mein Schreibtisch ist über und über mit Unterlagen bedeckt. Ich hasse alle Banken und Kreditkartenorganisationen. Ich hasse alle Ziffern zwischen null und neun. Ich verachte alle nachlässig geführten katholischen Knabenschulen in South Wales. Wenn Brian Penry jetzt vor mir stünde, würde ich ihn meinen Taschenrechner fressen lassen. Und der ist ungefähr so groß und verdaulich wie ein Telefonapparat mit Wählscheibe.

»Macht’s Spaß?«

Ich sehe auf. Es ist David Brydon, ein zweiunddreißigjähriger Detective Sergeant mit sandfarbenem Haar, mittelschwerem Sommersprossenbefall und einem so offenen und freundlichen Charakter, dass ich ihm gegenüber gelegentlich eine gehässige Bemerkung fallen lassen muss, weil mich zu viel Nettigkeit verwirrt.

»Verzieh dich.«

Das war keine dieser Bemerkungen. Das ist so meine Art, freundlich zu sein.

»Geht’s immer noch um diesen Penry?«

Nun sehe ich ihn richtig an. »Seine korrekte Anrede lautet Mr Diebisches-Arschloch-das-in-der-Hölle-schmoren-soll Penry.«

Brydon nickt wissend, als hätte ich gerade etwas sehr Vernünftiges gesagt. »Ich habe nie daran gezweifelt, dass du in Bezug auf moralische Fragen eine sehr differenzierte und kultivierte Einstellung hast.« Er hält zwei Tassen in die Höhe. Schwarzer Tee für ihn, Pfefferminz für mich. Zucker für ihn, für mich ohne.

Ich stehe auf. »Hab ich auch. Außer, ich muss so was hier machen.« Ich deute auf den Schreibtisch, und schon hasse ich das Ganze weniger als vorher. Wir gehen zum Fenster hinüber, wo zwei Stühle und ein Sofa stehen, wie man sie nur in Büros oder auf Flughäfen und nirgendwo sonst findet. Mit abwaschbarem grauem Polster bezogene Chromrohre. Aber zumindest sitzen wir im Tageslicht mit Aussicht auf den Park. Außerdem mag ich Brydon. Meine schlechte Laune ist nur Show.

»Er wird sich schuldig bekennen.«

»Das glaube ich auch.«

»Trotzdem muss das irgendjemand machen.«

»Ach ja, ich vergaß. Heute ist der Tag der Binsenweisheiten. Tut mir leid, das hatte ich ganz vergessen.«

»Vielleicht interessiert dich das hier.«

Er reicht mir eine durchsichtige Beweismitteltüte, in der eine Platinum-Visakarte steckt, ausgestellt von der Lloyds Bank auf einen Mr Brendan T. Rattigan. Die Karte ist weder nagelneu noch weist sie übermäßige Gebrauchsspuren auf, und sie ist sicher nicht mehr gültig.

Ich schüttle den Kopf. »Nein. Vergiss es. Nicht interessiert.«

»Rattigan. Brendan Rattigan.«

Der Name sagt mir gar nichts. Das verraten ihm entweder mein Gesichtsausdruck oder der Tonfall meiner Stimme. Ich nippe am Tee – er ist noch zu heiß –, reibe mir die Augen und lächle, um mich bei Brydon für meine Zickigkeit zu entschuldigen.

Er runzelt die Stirn. »Brendan Rattigan aus Newport. Ein Schrotthändler, der sich irgendwann auf die Stahlproduktion verlegt hat. Minihütten oder wie die Dinger heißen. Dann hat er ins Transportgeschäft investiert und unglaublich viel Geld verdient. 100 Millionen Pfund oder so.«

Ich nicke. Jetzt erinnere ich mich, aber das liegt nicht am Geld. Rattigans Geld interessiert mich nicht. Brydon redet weiter. Irgendetwas ist da in seiner Stimme, das ich noch nicht richtig zuordnen kann.

»Er ist vor neun Monaten gestorben. Mit einem Kleinflugzeug in die Mündung gestürzt.« Er deutet mit dem Daumen ungefähr in Richtung Road Dock, für den Fall, dass ich vergessen habe, wo die Mündung des Severn liegt. »Unfallursache ungeklärt. Die Leiche des Copiloten wurde geborgen. Rattigans Leiche nicht.«

»Aber hier ist seine Karte.« Ich streiche die Plastiktüte um die Kreditkarte herum glatt, als ob eine bessere Sicht darauf ihre Geheimnisse preisgeben würde.

»Ja, hier ist seine Karte.«

»Die auf keinen Fall neun Monate im Salzwasser gelegen hat.«

»Nein.«

»Und wo genau hast du sie gefunden?«

Brydon zögert einen Moment. Er kann sich nicht entscheiden, wie er sich gerade fühlen soll. Ein Teil von ihm würde sich wohl gerne darüber freuen, dass ich angebissen habe. Der andere kämpft offenbar mit einem sehr ernsten Thema, und jetzt sieht es so aus, als würde ein fünfzigjähriger Kopf auf jüngeren Schultern sitzen und in dunkle Abgründe starren.

Der dunkle Teil gewinnt.

»Ich hab sie nicht gefunden, Gott sei Dank. Ein anonymer Anruf auf dem Polizeirevier in Neath. Eine Frauenstimme, weder alt noch jung. Sie nennt eine Adresse hier in Cardiff. In Butetown. Sie sagt, wir sollen da mal nachsehen. Also macht sich ein Streifenwagen auf den Weg. Die Türen sind verschlossen, die Vorhänge zugezogen. Die Nachbarn sind entweder nicht da oder nicht gerade kooperativ. Die Beamten gehen zur Hintertür. Der Garten ist …« Brydon dreht die Handflächen nach oben, und ich weiß sofort, was er meint. »… ein Trümmerfeld. Müllsäcke, an denen schon die Hunde waren. Überall Abfall. Unkraut. Und Scheiße. Menschliche Scheiße … Die Abflussrohre im Haus sind verstopft, na ja, du kannst es dir ja vorstellen. Die Beamten wollten erst nicht reingehen, aber als sie das sehen, wollen sie doch. Sie brechen die Tür auf. Im Haus sieht’s noch schlimmer aus.«

Wieder eine Pause. Keine theatralische Miene diesmal, nur das schlimme Gefühl, das normale Menschen befällt, wenn sie mit etwas Grässlichem konfrontiert werden. Ich nicke, um ihm zu signalisieren, dass ich weiß, was er empfindet. Das weiß ich natürlich nicht, aber das macht man eben so.

»Zwei Leichen. Eine Frau, möglicherweise in ihren Zwanzigern. Rothaarig. Hinweise auf Drogenkonsum, aber keine Todesursache festzustellen. Jedenfalls auf den ersten Blick nicht. Und ein kleines Mädchen. Ein süßes Mädchen, vielleicht fünf oder sechs. So dünn wie ein Streichholz. Und … Himmel, Fi, jemand hat ein Spülbecken auf den Kopf der Kleinen fallen lassen. So ein riesiges Keramikteil. Das Spülbecken ist nicht zerbrochen, aber es hat sie zerquetscht. Und sie haben sich nicht mal die Mühe gemacht, es wieder von ihr runterzunehmen …«

In Brydons Augen liegt Anteilnahme, und seine Stimme klingt gequetscht, als würde sie ebenfalls unter einem schweren Keramikspülbecken in einem Haus liegen, in dem es so sehr nach Verwesung stinkt, dass es selbst hier noch zu riechen ist.

Ich kann nicht besonders gut mit Gefühlen umgehen. Noch nicht. Nicht mit den richtig menschlichen Gefühlen, den instinktiven, die so natürlich und unkontrollierbar wie ein Gebirgsbach aus den Leuten heraussprudeln. Dieses Haus des Todes allerdings kann ich mir gut vorstellen, weil ich in den letzten Jahren an ein paar wirklich üblen Orten gewesen bin und weiß, wie so etwas aussieht. Trotzdem kann ich Brydons emotionale Reaktion auf die Morde nicht teilen. Ich beneide ihn dafür, aber ich teile sie nicht. Doch Brydon ist mein Freund und sitzt mir direkt gegenüber, also erwartet er etwas von mir. Ich lege meine Hand auf seinen Unterarm. Er trägt kein Jackett, und die Wärme zwischen seiner Haut und meiner ist sofort spürbar. Er atmet durch den Mund aus. Geräuschlos. Als würde er sich von etwas befreien. Ich lasse es zu, auch wenn ich nicht weiß, von was genau er sich da befreit.

Einen Moment lang wirft er mir einen dankbaren Blick zu, zieht den Arm zurück und leert seine Teetasse. Er sieht immer noch finster drein, aber da er emotional eher der elastische Typ ist, wird er das schon wegstecken. Das wäre vielleicht anders, wenn er derjenige gewesen wäre, der die Leichen gefunden hat.

Brydon deutet auf die...

Erscheint lt. Verlag 26.6.2018
Reihe/Serie Fiona Griffiths
Übersetzer Kristof Kurz
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Betrug • Cotard-Syndrom • Psychische Erkrankung • Thriller • undercover • Wales • weiblicher Ermittler
ISBN-10 3-644-40177-2 / 3644401772
ISBN-13 978-3-644-40177-8 / 9783644401778
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,1 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Psychothriller

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2022)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99
Krimi

von Jens Waschke

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
9,99
Psychothriller | SPIEGEL Bestseller | Der musikalische Psychothriller …

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2021)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99