David (eBook)

Roman
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2017 | 1. Auflage
240 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-43526-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

David -  Judith W. Taschler
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Nach dem viel rezensierten erfolgreichen Spiegel-Bestseller 'bleiben' legt die renommierte und preisgekrönte Innsbrucker Autorin Judith W. Taschler mit einem Roman nach, der literarisches Niveau mit einer klaren, unverwechselbaren Sprache verbindet, die von Literaturkritikerin Christine Westermann hochgelobt wird. »Ich freue mich jedes Mal, wenn ein neues Buch der Autorin erscheint, weil ich ihre Art zu schreiben sehr schätze.« Christine Westermann, WDR2. Anspruchsvoll, raffiniert und psychologisch dicht schreibt die Bestseller-Autorin in ihrem Roman 'David' über Familienbeziehungen, Identität, Adoption und die großen Wendepunkte im Leben Jan genießt sein Leben in vollen Zügen, hat aber Angst vor der Liebe. Mit achtzehn verliert er seine Mutter bei einem tragischen Auto-Unfall, ein halbes Jahr später erhält er einen verstörenden Brief, durch den sein bisheriges Leben - seine Herkunft und Identität - auf den Kopf gestellt wird. In seinem ersten Lebensjahr soll sein Name David gewesen sein. Er wurde nach einem Mann benannt, der vor vielen Jahren aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrte und seiner Frau einen Baum, einen Davidsahorn, als Geschenk mitbrachte, bevor er starb. Dieser Baum war es, gegen den das Auto seiner Mutter schlitterte. In ihm sind die Initialen 'R', 'E' und 'V' eingeritzt. Was Jan schlussendlich über seine Herkunft und Familiengeschichte erfährt, erzählt Judith W. Taschler gewohnt mehrstimmig, sprachlich virtuos und mit der ihr eigenen unaufgeregten Empathie.

Autorenvita: Judith W. Taschler, 1970 in Linz geboren, ist im Mühlviertel aufgewachsen. Nach einem Auslandsaufenthalt und verschiedenen Jobs studierte sie Germanistik und Geschichte. Die in Innsbruck lebende Autorin schreibt Romane für ein breites Publikum. Auf der Basis berührender, eindringlicher Geschichten mit Identifikationspotential fesselt sie literarisch und belletristisch orientierte Leser gleichermaßen. Das brachte ihr für den Roman 'Die Deutschlehrerin' im Jahr 2014 den Friedrich-Glauser-Preis ein sowie den Einstieg in die Spiegel-Bestsellerliste. Auch mit den nachfolgenden Romanen 'Roman ohne U', 'bleiben', 'David' und 'Das Geburtstagsfest' begeisterte sie Publikum wie Kritiker.Weitere Informationen unter: www.jwtaschler.at

Autorenvita: Judith W. Taschler, 1970 in Linz geboren, ist im Mühlviertel aufgewachsen. Nach einem Auslandsaufenthalt und verschiedenen Jobs studierte sie Germanistik und Geschichte. Die in Innsbruck lebende Autorin schreibt Romane für ein breites Publikum. Auf der Basis berührender, eindringlicher Geschichten mit Identifikationspotential fesselt sie literarisch und belletristisch orientierte Leser gleichermaßen. Das brachte ihr für den Roman "Die Deutschlehrerin" im Jahr 2014 den Friedrich-Glauser-Preis ein sowie den Einstieg in die Spiegel-Bestsellerliste. Auch mit den nachfolgenden Romanen "Roman ohne U", "bleiben", "David" und "Das Geburtstagsfest" begeisterte sie Publikum wie Kritiker. Weitere Informationen unter: www.jwtaschler.at

Zwei


In den ersten Nächten konnte Magdalena kaum schlafen, weil sie die Kinder nicht aus dem Kopf bekam. Vor allem, wenn sie an Valerie dachte, schmerzte ihr ganzer Körper, und sie wälzte sich herum. Die Grübeleien wollten kein Ende nehmen und raubten ihr fast den Verstand.

Hätte sie nicht doch bleiben sollen? Oder sich zumindest in ihrer Nähe eine Wohnung nehmen? Um weiterhin ein bisschen nach dem Rechten zu sehen? War es die richtige Entscheidung gewesen, ausgerechnet hierherzukommen?

Sie hätte sich auch woanders niederlassen können. Irgendwo. In Chiang Mai zum Beispiel. Sie hätte vielleicht Claudias Angebot annehmen sollen.

»Komm zu mir!«, hatte diese am Telefon gesagt. »Ich brauch dich wirklich. Steig als Partnerin bei mir ein.«

Claudia hatte vor kurzem ein Boutique-Hotel gekauft und war dabei, es auf Vordermann zu bringen, es sollte in einigen Wochen eröffnet werden. Sie hatte lange nicht lockergelassen und immer wieder angerufen.

»Das wäre wirklich was für dich, Magdalena, na, komm schon. Wir zwei wie in guten alten Zeiten. Es tut dir doch nicht gut, jetzt alleine zu sein!«

Sie entschied sich dagegen. Aus dem Bauch heraus. Etwas völlig Neues musste beginnen, Thailand wäre eine aufgewärmte Suppe.

Im Ort schaute man sie an, als wäre sie eine Außerirdische. Out of space, würde Oliver dazu sagen. Sie erinnerte sich an nichts und niemanden, kein einziges Gesicht kam ihr bekannt vor. Falsch, sie hatte Marta sofort wiedererkannt, als sie die Setzlinge für den Garten bei ihr kaufte.

Marta. Das fröhliche Mädchen mit den dicken, roten Haaren und den Sommersprossen, dem sie alles erzählt hatte, was sie bewegte, und von dem sie alles gewusst hatte. Sie hatten nicht nur fünf Jahre lang in der Schule nebeneinandergesessen, sondern waren auch in der Freizeit ständig zusammengesteckt. Erst nach einem Jahr war Marta damals zu Besuch gekommen, ins Heim. Magdalena war so verletzt gewesen, dass sie kein Wort mit ihr geredet hatte, daraufhin war Marta mit hängendem Kopf aus dem Zimmer gegangen, ohne etwas zu sagen. Da war Magdalena dreizehn gewesen. Seither hatten sie einander nicht mehr gesehen.

Marta erkannte sie ebenso wieder und freute sich offensichtlich, sie zu sehen, oder tat zumindest so. Sie musste Magdalena natürlich sofort die Bilderbuchversion ihres Lebens auf die Nase binden: Sie hatte die Gärtnerei ihrer Mutter übernommen, war glücklich verheiratet seit fünfzehn Jahren, ihr Mann besaß ein kleines Möbelgeschäft, sie hatten vier Kinder, sogar die Namen hatte sie ihr genannt, Fabian, Tobias, Marie, Amelie. Seltsam, dass sie sich die Namen merken konnte. War sie etwa neidisch? Nein. Vor ein paar Jahren wäre sie es vielleicht gewesen, mittlerweile hatte sie auch damit abgeschlossen. Mit dem Neid auf andere Leute.

Sie fühlte sich fremd, Heimatverbundenheit kam keine auf, gut, es war achtundzwanzig Jahre her, redete sie sich ein. Und sie war damals ein Kind gewesen. Fremd wäre sie überall, da konnte sie es auch hier sein. Hier, wo ein Grundstück ihr gehörte, ein großes Grundstück in einer wunderschönen Lage, abgelegen, weit weg vom Ort, das ganze Jahr über sonnig. Wie oft hatte sie sich in den letzten Jahren in Prag in der engen Wohnung nach so etwas gesehnt!

Sie sah an den Gesichtern der Leute, dass sie herumrätselten, wer sie war. Ob sie diejenige war, für die sie sie hielten. Fast war das schon amüsant. Sie hatte kein Interesse daran, sie aufzuklären, es würde sich ohnehin herumsprechen, jetzt, nachdem Marta wusste, dass sie nach Kirchberg zurückgekehrt war. Als sie auf dem Gemeindeamt war, um sich anzumelden, füllte das junge Mädchen alles ohne mit der Wimper zu zucken aus, aber ihr älterer Kollege horchte auf und sah von seinem Computer hoch, zu ihr her, als sie ihren Namen nannte.

Im Tierheim suchte sie sich einen Hund aus.

Damit die Selbstgespräche nicht noch mehr überhandnehmen würden. Sie hatte immer schon ab und zu Selbstgespräche geführt, das wusste sie von den Kindern, die sich darüber lustig gemacht hatten: »Was brabbelst du da die ganze Zeit?« Aber momentan musste es besonders schlimm sein, der eine Bauarbeiter, er hieß Milos, schaute einmal ziemlich verstört zu ihr herüber, da wurde es ihr bewusst. Dass sie mit sich selbst redete und es ihr nicht mal auffiel. Sie musste sich zusammenreißen. Eine Bauherrin, die Selbstgespräche führte, würde man kaum ernst nehmen.

Als sie den Namen des Hundes hörte, er hieß Bär, konnte sie sich gar nicht anders entscheiden. Die Frau im Tierheim riet ihr zu einem sehr jungen Terrier, aber sie wollte unbedingt Bär haben. Es war Liebe auf den ersten Blick. Er wandte seinen Blick ab, und das war es, was ihr so gut an ihm gefiel. Er schaute sie nicht erwartungsvoll und bellend an wie die anderen Hunde, sondern drehte sich traurig weg und legte sich in die hinterste Ecke seines Käfigs. Als hätte er keine Hoffnung mehr, jemanden zu beeindrucken. Magdalena bestand darauf, mit ihm den Probespaziergang zu machen. Der zweijährige Schäferhund war von seinem Besitzer schwer misshandelt worden.

»Er kann aggressiv sein, wenn er jemanden nicht leiden kann«, sagte die Frau zu ihr, »aber gut, wir versuchen es.«

Übrigens biss er sie und nicht Magdalena, als sie ihn herausholten. Sie ging mit ihm spazieren, und zum Schluss leckte er ihr die Hände ab. Sie wusste, Julia und Valerie hätten sich auch für Bär entschieden, die beiden Mädchen hatten sich immer einen Hund gewünscht, es war aber nie möglich gewesen. Die Wohnung in Prag war zu klein, der Vermieter dagegen, Thomas strikt dagegen, er konnte Hunde nicht leiden.

Und erst der Name! Der hätte Valerie am meisten gefallen. Sie hatte früher ihre Stofftiere immer nach anderen Tieren benannt. Ente hieß die Eule. Und wie hieß gleich noch mal das Pferd? Ach ja, Kater.

Schon lange her.

Sie sollte endlich aufhören, die Dinge, die sie wahrnahm oder tat, mit den Augen der zurückgelassenen Familie zu betrachten! Sie fühlte sich wie amputiert. Keine Dreizehnjährige würde mehr auf der Couch neben ihr liegen und mit ihr kuscheln, während man sich gemeinsam eine Komödie im Fernsehen anschaute. Keine lärmenden Teenager am Tisch ihr gegenübersitzen und ihren Frust über die Schule auslassen. Niemand mehr am Frühstückstisch, der ihr euphorisch Passagen aus einer Zeitung oder einem Buch vorlas, niemand, der sie sanft auf die Stirn küsste, bevor er die Wohnung verließ.

Seitdem sie Bär neben sich wusste, schlief sie wie ein Stein.

Mit ihm hatte sie keine Angst mehr, dass irgendjemand in den Wohnwagen eindringen könnte. Und es lag auch an der Erschöpfung, sie hatte angefangen, den Garten auf Vordermann zu bringen und Gemüsebeete anzulegen, sie wollte ihre eigenen Kartoffeln haben, ihren eigenen Salat, Paprika, Gurken, Zucchini. So wie früher, als sie in Thailand gelebt hatte. Und wie noch früher ihre Großmutter. Sie konnte froh sein, dass das Wetter gut war und noch eine Weile so bleiben sollte. Das prophezeite ihr Marta, und Magdalena hoffte, dass sie recht behielt. Marta war plötzlich bei ihr im Garten aufgetaucht, mit einem Karton voller Tomatensetzlinge in der Hand.

»Isst du immer noch so gerne Tomaten?«, fragte sie, stellte den Karton auf dem Boden ab und half ihr eine Stunde lang beim Umstechen der Erde, einfach so, ohne dass Magdalena sie darum bat. Magdalena war perplex, musste sich jedoch eingestehen, dass sie sich darüber freute.

Zum Schluss tranken sie gemeinsam ein Bier. Als Magdalena fragte, wo man günstig eine gebrauchte Motorsäge kaufen könne, sie müsse mehrere Stauden und Bäume umschneiden, riet ihr Marta, das nicht selbst zu machen, sondern Vinzenz Nedden anzurufen, er sei der Richtige dafür.

»Erinnerst du dich nicht an ihn?«, fragte Marta. »Er hat in der Volksschule immer in der letzten Reihe gesessen und Papierkugeln auf uns geschossen.«

»Vinnie?«, fragte Magdalena, und Marta nickte.

Ein Bild stieg in ihrer Erinnerung hoch: ein schlaksiger Neunjähriger, der sie auf dem Nachhauseweg abpasste und ihr schüchtern eine Geburtstagseinladung in die Hand drückte, die sie vor seinen Augen zerriss, weil ihre beste Freundin Marta nicht eingeladen war. Wie sich sein Blick verfinsterte und er auf seinem Fahrrad davonstürzte. Ein zweites Bild: wie sie dann doch auf seiner Party auftauchte, weil ihre Oma darauf bestanden hatte. »So geht man nicht mit seinen Mitmenschen um«, hatte sie freundlich, aber bestimmt gesagt. Wie Vinnie sich übermäßig freute – er strahlte über beide Ohren – und sich ausschließlich um sie kümmerte, wohingegen sie sich langweilte, weil Marta nicht dabei war.

Oh, diese kleinen Probleme, die ihr damals so groß und tragisch erschienen waren! Sie hatte eine verdammt schöne und glückliche Kindheit gehabt, nur das allzu abrupte Ende hatte im Nachhinein einen Schatten darauf geworfen.

Beim Abschied machte Marta eine Bewegung auf sie zu, als wollte sie sie umarmen, sie hielt dann aber inne und streckte ihr die Hand hin. Magdalena hingegen wollte sich für die Hilfe bedanken, tat es dann doch nicht und murmelte nur: »Vielleicht sieht man sich wieder mal.«

Das alte Dach wurde abgetragen. Am Abend saß sie auf dem Dachboden und konnte in den Himmel sehen. Bär lag friedlich neben ihr. Plötzlich fing sie zu weinen an, sie konnte es nicht mehr zurückhalten. Ihr Schluchzen machte ihn ganz nervös, er umkreiste sie und winselte erbärmlich. Sie musste sich zwingen aufzuhören. Sie hatte schon lange nicht mehr geweint. Als Kind war sie eine richtige Heulsuse gewesen, auch als ihre Oma noch gelebt hatte. Wegen jeder Kleinigkeit waren ihr die Tränen heruntergeronnen, oft war es ihr peinlich gewesen.

Sie beschloss, ein...

Erscheint lt. Verlag 27.9.2017
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Adoption • Autounfall • Belletristik Neuerscheinungen • Belletristik Neuerscheinungen 2017 • Betrug • Beziehungsdrama • Davidsahorn • Familiendrama • Familiengeheimnisse • familiengeheimnisse romane • Familiengeschichte • Familiengeschichten Romane • Geburt • Glauserpreis • Jugendamt • Liebesroman • Liebesromane 2017 • Neuerscheinungen 2017 • Romane • Romane Bestseller • Selbstmord • Unfall • Verlust • Zwangsadoption
ISBN-10 3-426-43526-8 / 3426435268
ISBN-13 978-3-426-43526-7 / 9783426435267
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