Am falschen Ufer der Rhône (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

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2017 | 1. Auflage
400 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43184-2 (ISBN)

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Am falschen Ufer der Rhône -  Paul Grote
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Unfall - oder Mord? Côtes-du-Rhône und Châteauneuf-du-Pape: zwei Weinbaugebiete, links und rechts der Rhône. Zwei Brüder, Winzer am jeweils anderen Ufer der Rhône. Als einer der beiden stirbt, geht man zunächst von einem Unfall aus. Aber Simone Latroye, Praktikantin auf dem Weingut des toten Winzers, hat Zweifel. Sie bittet ihren Patenonkel Martin Bongers, heute Winzer in Bordeaux, um Hilfe. Der ehemalige Frankfurter Weinhändler kommt sofort. Er weiß, wozu Ehrgeiz, Neid und Habsucht einen Menschen treiben können ...

Paul Grote ist Deutschlands bekanntester Weinkrimi-Autor. Als Reporter in Südamerika entdeckte er sein Interesse für Wein und Weinbau und machte ihn zu seinem Thema. Seitdem hat er die wichtigsten europäischen Weinbaugebiete bereist und 18 Weinkrimis veröffentlicht.

Paul Grote ist Deutschlands bekanntester Weinkrimi-Autor. Als Reporter in Südamerika entdeckte er sein Interesse für Wein und Weinbau und machte ihn zu seinem Thema. Seitdem hat er die wichtigsten europäischen Weinbaugebiete bereist und 19 Weinkrimis veröffentlicht.

Kapitel 1


Mit sicherer Hand griff sie ins Weinlaub, fasste den wilden Trieb direkt am Stock, brach ihn ab und ließ ihn fallen. Die Triebe waren kurz, sie hatten gerade mal das Fünf-Blatt-Stadium erreicht, waren zart und ließen sich leicht brechen, ohne größere Verletzungen im Holz zu hinterlassen, die dem Weinstock schadeten. Beim Winterschnitt hatten sie die Bogrute auf acht oder zehn Augen gekürzt, und aus diesen Augen oder Knospen sprossen jetzt die neuen Triebe in saftigem Grün. Eine zweite Fruchtrute blieb stehen, wurde auf zwei Augen gekürzt, sie würde im nächsten Jahr die Trauben tragen. Guyot-Methode nannte man diese Technik, bei der die Fruchtrute an den untersten Draht des Drahtrahmens gebunden wurde. Simone Latroye hatte den Winterschnitt zum zweiten Mal in Folge mit Martin hinter sich gebracht, sie erinnerte sich gut, wie sie tagelang der Februarkälte getrotzt hatten, die Schere in der Hand, die ihr beinahe aus den klammen, blau gefrorenen Fingern gefallen war. Trotzdem hatte es ihr Spaß gemacht.

Zugesehen hatte Simone bei diesen Arbeiten schon immer; es war, als wäre sie zwischen diesen Weinstöcken, die sie jetzt umgaben, aufgewachsen. Manchmal, wenn sie hier im Weinberg oberhalb des Hauses unterwegs war, glaubte sie, jeden einzelnen dieser Weinstöcke zu kennen, die ihr Vater zusammen mit Martin gepflanzt hatte. Hier war sie als Kind herumgekrabbelt und hatte ihren Vater von der Arbeit abgehalten, was er sich gern hatte gefallen lassen. Hier war sie ihm heute noch immer nah, hier vermisste sie ihn besonders schmerzlich, auch wenn er bereits seit dreizehn Jahren tot war.

Seit dem frühen Morgen hatte sie sich langsam, aber stetig durch die Rebzeilen gearbeitet, bis auf eine kurze Mittagspause. Wieder griff sie zielsicher ins Laub und brach den nächsten Doppeltrieb, manche ließen sich beinahe abstreifen, so zart waren sie, besonders die Kümmertriebe unten am Stamm. Als langweilig empfand sie diese Arbeit keineswegs. Ab Mitte April war sie mindestens einmal täglich durch ihre Weinberge gelaufen, nur darauf wartend, dass die Augen am Stock sich öffneten und die ersten Blätter sich hervorwagten. Jetzt würde es sich auch zeigen, ob sie beim Winterschnitt Fehler gemacht hatte. Eine Rebzeile hatte Martin ihr überlassen, er hatte ihren Schnitt nicht einmal kontrolliert, sie ganz allein war für das Ergebnis verantwortlich.

Ich habe den richtigen Zeitpunkt zum Ausbrechen gewählt, sagte sich Simone, richtete sich auf und bog den Rücken durch. Begann man zu früh, erwischte man nicht alle Beiaugen, dann wuchsen neue Triebe nach, und man musste die Arbeit wiederholen. Ging man zu spät durch, waren die Triebe länger als zehn Zentimeter, dann verletzte man den verholzten Stock, und später Frost drang durch die Wunde ein. Aber damit rechnete niemand mehr in diesem Jahr. Vorsichtshalber hatte sie Martin gestern angerufen. Sie hatte ihm den Zustand der Weinstöcke beschrieben, ihm mitgeteilt, dass sie heute mit dem Ausbrechen beginnen würde, und sich seine Zustimmung dafür geholt. Schließlich war er der Chef, mochte er auch ihr Patenonkel sein.

Eines Tages würde sie das Weingut erben. Außer ihr kam niemand infrage, auf gar keinen Fall ihr Bruder Daniel. Martin und Charlotte hatten keine eigenen Kinder. Doch sie würden es sicher nicht Greenpeace vermachen.

Heute noch wollte Martin aus Deutschland zurückkommen, ab morgen würden sie hier gemeinsam arbeiten. Sie freute sich darauf, sie freute sich auch auf ihre Gespräche, die sie bei diesen Arbeiten führten, obwohl ihr Martin zurzeit auf die Nerven ging. Er ließ nicht locker, ritt ständig auf demselben Thema herum: Sie solle auch anderswo arbeiten, Erfahrungen sammeln, wenn schon nicht im Ausland – in Italien oder Spanien, es müsse ja nicht Deutschland sein –, dann doch bitte wenigstens in einem der vielen anderen französischen Weinbaugebiete.

Simone sah hinüber zum Haus von Charlottes Eltern. Madame Lisette und Monsieur Jérôme waren schon damals so etwas wie Großeltern für sie geworden, denn die leiblichen Großeltern hatte sie so gut wie nie gesehen, und nach dem Tod ihres Vaters, als sie mit ihrer Mutter wieder nach Saint-Chinian gezogen war, hatte es mit ihrer leiblichen Großmutter dauernd Streit gegeben. Ständig hatte sie an ihr herumgemeckert, aber Simones Bruder, der war der König gewesen, der wurde für jeden Blödsinn gelobt, sogar für die Abiturprüfung, die er nur mit Ach und Krach geschafft hatte. Dass sie das Abitur mit Auszeichnung bestanden hatte, war als Selbstverständlichkeit hingenommen worden. Sie ärgerte sich noch immer darüber. Als Ausgleich hatten ihr Madame Lisette und Monsieur Jérôme ein wundervolles Geschenk gemacht: Sie hatten ihr den Führerschein bezahlt. Heute Abend würde sie jedoch nicht hinübergehen, heute wollte sie hören, wie es Martin auf der Reise ergangen war.

Seit einem Jahr verkauften sie nicht nur den Merlot, einen Garagenwein, den ihr Vater damals kreiert hatte, sondern produzierten auch eine Cuvée. Martin hatte zu experimentieren begonnen und drei Hektar mit Cabernet Franc bestockt, hinzu kamen die drei Hektar Cabernet Sauvignon, die Charlottes Eltern gehörten. Sie konnte die Rebanlagen von hier aus sehen und mittlerweile sogar die drei Rebsorten am Blatt unterscheiden. Merlot reifte zuerst, dann war Cabernet Franc an der Reihe, zuletzt der Cabernet Sauvignon. Sie bearbeiteten insgesamt neun Hektar, somit hielt sich der Stress in Grenzen, es waren neun Tage Arbeit zu je zehn Stunden. Man hätte auch Helfer mit dem Ausbrechen beauftragen können, aber Martin legte Wert auf den Augenschein, nur so wusste er, wie sich ihr Weinberg entwickelte.

Simone bückte sich, sie hatte einen Trieb am Stamm übersehen. Das alles interessierte ihre Mutter Caroline sehr wenig, nein, ganz und gar nicht. Nach dem Tod ihres Mannes war sie mit den Kindern nach Saint-Chinian zurückgegangen und wieder bei ihrer Mutter eingezogen. Und dann hatte sie diesen Mann kennengelernt, Jean-Antoine! Geschieden, in leitender Position bei einer Großkellerei, der es auf Absatz und nicht auf Qualität ankam, eigenes Haus mit Garten und Gärtner in Narbonne, zwei Söhne, prétentieux, eingebildete Schnösel – was auch ihr Onkel Jean-Claude fand, der in Narbonne als Professor lehrte. Für die beiden Schnösel war Simone mit ihrem Hang zur Landwirtschaft das »Bauernmädchen«, la paysanne, wie sie sie hämisch nannten.

Auch wenn die finanziellen Sorgen mit der neuen Ehe ihrer Mutter ein Ende hatten und Jean-Antoine es auf seine Art vielleicht gut meinte, konnte Simone ihn weder leiden noch riechen. Er roch schlecht, unangenehm, sie hielt es in seiner Nähe nicht aus, besonders schlimm war es, wenn er sie ansprach. Wie nur konnte ihre Mutter seine Küsse ertragen?

Simone reckte sich, steckte dabei ihr bis auf den Rücken reichendes blondes Haar im Nacken wieder zusammen und schätzte die Strecke ab, die sie in der letzten halben Stunde geschafft hatte. Sie war zufrieden. Sie kam sehr schnell voran heute, darauf war sie stolz. Einen Hektar wollte sie geschafft haben, und Martin würde sie dafür loben. Er schimpfte nie, jedenfalls nicht mit ihr, erklärte alles mit einer Engelsgeduld, die er bei Charlotte manchmal vermissen ließ, obwohl ihn sonst selten etwas aus der Ruhe brachte.

Sie sah einen Weinstock, der sich nicht gut entwickelte, er war zurückgeblieben. Ein Jahr würde er noch durchalten, sie sollten ihn möglichst rasch ersetzen, doch dafür war es jetzt zu spät. Das war das Schöne bei dieser Arbeit. Simone lächelte vor sich hin. Man konnte seinen Gedanken nachhängen, irgendwann waren zwar die Arme und Hände müde, das Kreuz schmerzte, der Nacken wurde hart, aber der Kopf blieb frei, und niemand nervte sie hier.

Da meldete sich ihr Smartphone, das in der Seitentasche ihrer grünen Arbeitshose steckte. Sie griff danach, schaute aufs Display und musste zugeben, dass ihr letzter Gedanke falsch gewesen war. Mit so einem Gerät in der Tasche konnte man überall genervt werden. Noch dazu war es die Telefonnummer ihrer Mutter. Simone zögerte. Sollte sie das Gespräch annehmen? Schicksalsergeben drückte sie die Taste.

»Ja?«

»Hallo, mein Liebling.«

Es war tatsächlich ihre Mutter. Liebling? Das war doch ihr Bruder … Was mochte sie von ihr wollen?

»Wie geht es dir?«

»Gut, danke.«

»Wo bist du?«

»Im Weinberg.«

»Was machst du gerade?«

»Ausbrechen, Wasserschosse, Doppeltriebe …«

Was sollte diese Frage? Es interessierte sie doch überhaupt nicht. Die schwierigen Aufbaujahre hatte Caroline in schlechtester Erinnerung. Heute wollte sie allerdings nicht mehr wahrhaben, wie sehr der Tod ihres Mannes sie aus der Bahn geworfen hatte.

»Geht es gut voran?«

»Ja.« Simone musste sich zwingen, einigermaßen verbindlich zu klingen. »Es geht gut voran, und es macht Spaß.«

»Das freut mich zu hören. Und mit Martin und Charlotte läuft alles gut?«

»Bestens. Nun sag schon, weshalb rufst du an?«

»Ich wollte dir sagen, dass wir für drei Wochen in die Ferien fahren, mit Jean-Antoine …«

»Klar. Und – nehmt ihr Daniel mit?«

»Das geht leider nicht, dein Bruder hat eine neue Position im Unternehmen, er wird Assistent der Geschäftsleitung.« Der Stolz in der Stimme war deutlich zu hören. »Er muss sich auf die neue Position vorbereiten.«

Karrieregeil – das war Daniel. Er hatte sich schon immer zu wichtig genommen. Protektion, das war alles, worauf er zählen konnte, Protektion durch den Stiefvater. Sonst stellte er nicht viel auf die Beine.

»Wir hatten überlegt, dich...

Erscheint lt. Verlag 4.8.2017
Reihe/Serie Europäische-Weinkrimi-Reihe
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Chateauneuf-du-Pape • Concours de la Saint-Marc • Cosy Crime • Cotes du Rhone • Deutschsprachige Krimis • Frankreich • Kriminalroman • Kulinarischer Krimi • Spannung • Urlaubslektüre • Wein • Weinanbau • Weingut • Weinkrimi • Winzer
ISBN-10 3-423-43184-9 / 3423431849
ISBN-13 978-3-423-43184-2 / 9783423431842
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