Über dem Meer die Freiheit (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
448 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-97849-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Über dem Meer die Freiheit -  Katrin Tempel
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Charlotte zögert nicht lange, als Freiheitskämpfer aus allen deutschen Ländern zu einem Fest für Einigkeit und Demokratie aufrufen: Sie steckt sich die schwarz-rot-goldene Kokarde an und folgt ihrer Familie und ihrem Verlobten Friedrich zum Hambacher Schloss. Sie will singen, tanzen und frei sein. Doch den in der Pfalz herrschenden Bayern ist das ein Dorn im Auge. Charlottes Vater wird verhaftet, ihr Bruder taucht unter. Dann stirbt Friedrich bei einem schrecklichen Unfall, und Charlotte ist ganz allein. Als die Bayern drohen, auch sie festzunehmen, sieht sie nur einen Ausweg: Amerika. Voller Hoffnung, doch noch ein Leben in Freiheit zu führen, macht sie sich auf eine wagemutige und abenteuerliche Reise.

Katrin Tempel, geboren 1967 in Düsseldorf, studierte Geschichte und Politikwissenschaften. Sie arbeitete als Journalistin und Chefredakteurin für mehrere Zeitschriften. Mit ihren Romanen gelangen ihr große Publikumserfolge. Sie lebt mit ihrer Familie in Bad Dürkheim an der Weinstraße.

Katrin Tempel wurde in Düsseldorf geboren und wuchs in München auf. Nach ihrem Geschichtsstudium arbeitete sie als Journalistin, heute ist sie Chefredakteurin der Zeitschrift "LandIdee". Außerdem schreibt sie Drehbücher (unter anderem den historischen ZDF-Zweiteiler "Dr. Hope"). Mit ihren Romanen, unter anderem "Holunderliebe" und "Mandeljahre", gelangen ihr große Publikumserfolge. Unter dem Namen Emma Temple veröffentlicht sie bei Piper weitere Romane, zuletzt "Die Nebel von Connemara". Sie lebt mit ihrem Mann und der gemeinsamen Tochter in Bad Dürkheim an der Weinstraße.

1

Neustadt, Rheinbayern, im Oktober 1831

»Es ist noch nicht trocken!«

»Ich passe schon auf, keine Sorge!«, rief Charlotte, nahm das frisch gedruckte Flugblatt von der Leine, strahlte ihren Vater noch einmal an und verschwand aus dem Schuppen in den sonnigen Herbsttag.

Seufzend sah Christian Trautmann ihr hinterher. Wahrscheinlich würde sie mit der feuchten Druckerschwärze ihr Kleid ruinieren – und er hatte keine Ahnung, von welchem Geld er seiner Tochter ein neues kaufen sollte. Ganz bestimmt nicht von den wenigen Kreuzern, die er für dieses Flugblatt bekam. Er legte ein weiteres leeres Blatt in seine Druckerpresse und achtete sorgfältig darauf, dass sich die schwarze Farbe gleichmäßig verteilte.

Währenddessen stürmte Charlotte durch die engen Gassen von Neustadt, vorbei am Stadttor und hinaus in die Weinberge. Sie wusste genau, wo Friedrich heute bei der Lese war – und tatsächlich: Zusammen mit seinen Brüdern füllte er die Körbe mit weißen Trauben.

Atemlos blieb sie vor ihm stehen und reichte ihm das Papier. »Siehst du? Jetzt muss sich doch etwas ändern! Es kann doch nicht bis in alle Ewigkeit so bleiben! Sei vorsichtig, die Druckerschwärze ist noch ein bisschen feucht. Aber ich konnte nicht mehr warten. Ich musste dir das Flugblatt einfach zeigen!«

Friedrich lächelte sie an und strich ihr eine verschwitzte Strähne aus dem Gesicht. »Bis du dich wie eine echte Dame benimmst, werde ich alt und grau. Charlotte, seit wann rennen die Damen von Neustadt denn durch die Gassen wie kleine Knaben hinter ihren Reifen?«

Seine Stimme klang tadelnd. Schuldbewusst rückte Charlotte ihren Hut wieder gerade und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Besondere Nachrichten erfordern eben besondere Maßnahmen!«, erwiderte sie, während sie mit fliegenden Händen versuchte, sich wieder in eine ehrbare junge Frau zu verwandeln.

Stirnrunzelnd sah Friedrich auf das Flugblatt, das sie ihm in die Hand gedrückt hatte. Die Schrift war ein wenig verwischt, aber die Titelzeile deutlich zu lesen.

»Wider die hohen Zölle!«

»Das wäre ja mal eine gute Nachricht, wenn die Schreiber der Stadt erkennen würden, wo die wahren Probleme liegen«, murmelte er und überflog das Schreiben. Dabei erschien eine Zornesfalte auf seiner Stirn.

»Und? Wie findest du es?« Charlotte sah ihn mit leuchtenden Augen an. »Ich habe dir doch gesagt, dass du mit deinen Sorgen nicht alleine dastehst!«

»Hast du das überhaupt gelesen?«

»Nein. Aber ich habe gestern den Entwurf gesehen. Und da stehen doch so viele kluge und wahre Dinge darin. Dass ihr Winzer ohne die Aufhebung der Zölle nicht überleben könnt. Dass ihr für eure ehrliche Arbeit auch entlohnt werden müsst. Dass die Rebe von jeher der Ursprung des Reichtums in unserem Land war – und man nicht zulassen darf, dass genau dieser Reichtum jetzt verdorrt!«

Er schüttelte den Kopf. »Mag sein, dass das ursprünglich alles in diesem Blatt stehen sollte. Aber sieh dir an, was dein Vater letztlich drucken durfte!«

Langsam drehte er das Blatt so, dass sie es sehen konnte. Zwischen einigen kurzen Texten waren weiße Flächen zu sehen.

»Aber …« Charlotte schüttelte den Kopf. »Das kann doch nicht sein?«

»Doch, natürlich. Dein Vater musste dieses Flugblatt der Zensur vorlegen. Und die hat ihm verboten, die Wahrheit schwarz auf weiß zu drucken. Nichts ist gefährlicher als das Wort, vor allem, wenn jeder es nachlesen kann. Das wissen auch unsere bayerischen Herren – und sie sorgen dafür, dass nicht zu viel auf dem Papier steht.« Er zeigte auf die weißen Flächen. »Und dein Vater hat sich entschieden, anstelle der verbotenen Texte leere Stellen zu drucken, um jedem zu zeigen, wozu die bayerische Zensur fähig ist. Auch wenn er einen flammenden Aufruf seines Pressvereins gegen die überhöhten Zölle drucken wollte. Aber was dabei herausgekommen ist, ist ein Lückentext. Den kann keiner lesen – wir erfahren nur etwas über den Geist unserer Besatzer. Und die würden es nicht erlauben, dass sich jemand gegen sie wehrt. Sie lassen uns bluten, bis kein Tropfen mehr in unseren Adern fließt.«

Er machte eine Handbewegung, die den ganzen Weinberg einschloss. »Hier hängen gesunde Trauben, eine gute Ernte – und ich habe keine Ahnung, was ich damit machen soll. Ich werde schon den Wein des letzten Jahres nicht los, was soll ich dann mit dem neuen Wein machen?« Er lachte bitter auf. »Wir werden noch viel trinken müssen, mein Schatz. Und das ist womöglich der einzige Weg, um zu ertragen, was diese unsäglichen Bayern uns an jedem einzelnen Tag antun.«

Er schmiss das Flugblatt verächtlich auf den Boden. Beschwichtigend legte Charlotte ihm die Hand auf den Arm.

»Wochenlang hast du geschimpft, dass die Freiheitskämpfer und Demokraten in ihren Flugblättern nur hochfliegende Ideen verkünden. Und jetzt geht es endlich einmal um die Dinge, die dich beschäftigen, und dir ist es immer noch nicht gut genug – bloß weil die Zensur zugeschlagen hat?« Kopfschüttelnd hob sie das Blatt auf und strich es energisch glatt. »Du kannst einen guten Gedanken nicht einmal erkennen, wenn er in deiner Hand liegt und dir die Finger schwarz färbt!«

»Immerhin kann ich erkennen, dass mir dieser Anfang von einer schönen Frau gebracht wurde!«, entgegnete Friedrich lächelnd. Er nahm ihre Hand und zog sie zwei Schritte weiter zwischen zwei Reben, wo er ihr einen Kuss auf die Lippen drückte. Charlotte ließ ihn gewähren und schmeckte das Salz seines Schweißes und die Süße der Trauben, die er in seinem Korb gesammelt und immer wieder gekostet hatte.

»Nicht!«, protestierte sie halbherzig. »Man könnte uns sehen!«

»Und selbst wenn uns jemand sehen könnte, was würde es denn ändern? Ein jeder weiß, dass wir nur darauf warten, dass die Zeiten besser werden. Und dann heiraten wir, ganz bestimmt. Es kann ja nicht ewig so trübe um unsere Zukunft bestellt sein!«

Wieder drückte er ihr einen Kuss auf die Lippen.

Charlotte hörte das Gelächter seiner Helfer, viel zu nah – und schob ihn entschieden von sich.

»Lass gut sein, Friedrich! Mein Vater würde mich einsperren, wenn er erführe, dass wir uns hier im Wingert küssen!«

»Als ob man eine Charlotte Trautmann einsperren könnte!« Friedrich lachte – und für einen Moment konnte sie gar nicht fassen, was für ein Glück sie hatte. Friedrich war groß, seine Haut von der Arbeit in den Weinbergen gebräunt, und die Haare ringelten sich dunkel um seinen Kopf. Er war ein gut aussehender Mann, nach jedem Maßstab, der ihr bekannt war. Und das Beste: Er wollte sie eines Tages heiraten. Wenn seine Zukunft auf sicheren Beinen stand, wollten sie gemeinsam den Winzerhof seines Vaters in eine sonnige Zukunft führen.

Sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Unterschätze meinen Vater nicht – er würde mich nicht mehr aus seiner Druckerei lassen, wenn er von unserem unschicklichen Tun hier im Wingert hört!«

Mit einem breiten Grinsen ließ er sie los. »Dann warte ich mit meinen Küssen eben, bis wir beide alleine sind!« Er sah in Richtung der Sonne, die sich schon dem Horizont entgegenneigte. »Es dauert nicht mehr lange, dann wird es Abend. Kommst du mit zu meinem Vater und meinen Brüdern? Sie würden sich freuen, dich zu sehen!«

»So gerne ich kommen würde, es geht leider nicht.« Charlotte schüttelte den Kopf. »Ich muss für meinen Vater kochen, das weißt du doch. Und unser Geselle möchte nach seinem Tagwerk sicher auch nicht hungrig ins Bett gehen.«

Friedrich hatte das bereits geahnt und runzelte die Stirn. »Du kannst deinem Vater doch nicht ewig den Haushalt führen. Eines Tages wird er lernen müssen, ohne dich auszukommen.«

»Das mag sein. Aber heute noch nicht. Wenn ich ihm und unserem Gesellen nichts auf den Tisch stelle, dann verhungern die beiden. Zumindest sagt er das immer. Und die Geschäfte laufen nicht gut genug, als dass wir uns eine Haushälterin leisten könnten.« Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange und lächelte ihn bedauernd an. »Heute Abend werdet ihr ohne mich auskommen müssen. Und ich sollte mich allmählich beeilen, sonst wird es zu spät.«

Mit einem letzten Winken machte sie sich auf den Weg zurück in die Stadt. Friedrich sah ihr hinterher und warf dann noch einen Blick auf das Flugblatt, das sie ihm dagelassen hatte. Charlotte glaubte immer noch an die Kraft des bedruckten Papiers. Dabei bewirkten diese Blätter, die ihr Vater in seinem Pressverein druckte, überhaupt nichts. Von bedrucktem Papier verkaufte sich nicht ein einziges der vollen Fässer in seinem Keller. Er zerknüllte das Papier in seiner Hand und warf es auf den Boden.

Als er sich umdrehte, sah er, dass seine Gehilfen ihn nur grinsend ansahen. »Werdet ihr wohl noch ein paar Körbe füllen?«, trieb er sie an. »Ich bezahle euch nicht fürs Maulaffen Feilhalten.«

Charlotte ging mit schnellen Schritten durch die Weinberge in die Stadt zurück. Dabei spürte sie seine Enttäuschung über die leeren Seiten fast körperlich. Sie war sich so sicher gewesen, dass Friedrich durch dieses Flugblatt neue Hoffnung schöpfen würde. Aber er hatte wieder einmal deutlich gemacht: Solange die Zollpolitik der Bayern sich nicht änderte, sah er keine Zukunft für sein Weingut. Die Franzosen würden keinen deutschen Wein trinken – und über den Rhein konnte man den Wein nur zu einem so hohen Preis verkaufen, dass niemand mehr daran interessiert war.

Langsam ging sie durch das Stadttor.

»Charlotte! Wohin des Wegs?«

Sie fuhr herum und stand vor einem kräftigen blonden Mann mit hellblauen Augen, roten Wangen und mehr Bauch, als ihm in seinem Alter guttat....

Erscheint lt. Verlag 1.9.2017
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Amerika • Auswanderer • Auswandererschicksal • Deutschland • Flucht • Freiheit • Hambacher Fest • Liebe • Nationale Einheit • Vormärz
ISBN-10 3-492-97849-5 / 3492978495
ISBN-13 978-3-492-97849-1 / 9783492978491
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