Die Lieferantin (eBook)

Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
326 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-75119-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Lieferantin -  Zoë Beck
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London, in einer nicht wirklich fernen Zukunft: Ein Drogenhändler treibt tot in der Themse, ein Schutzgelderpresser verschwindet spurlos. Ellie Johnson weiß, dass auch sie in Gefahr ist - sie leitet das heißeste Start-up Londons und zugleich das illegalste: Über ihre App bestellt man Drogen in höchster Qualität, und sie werden von Drohnen geliefert. Anonym, sicher, perfekt organisiert.
Die Sache hat nur einen Haken - die gesamte Londoner Unterwelt fühlt sich von ihrem Geschäftsmodell bedroht und will die Lieferantin tot sehen. Ein Kopfgeld wird auf sie ausgesetzt. Ellie beschließt zu kämpfen - ihre Gegner sind mächtig, und sie lauern an jeder Straßenecke.



<p>Zo&euml; Beck, geboren 1975, ist Schriftstellerin, &Uuml;bersetzerin (u. a. Amanda Lee Koe und James Grady), Verlegerin (CulturBooks) und Synchronregisseurin f&uuml;r Film und Fernsehen. Sie lebt und arbeitet in Berlin. Zo&euml; Beck z&auml;hlt zu den wichtigsten deutschen Krimiautor*innen und wurde mit zahlreichen Preisen, unter anderem mit dem Friedrich-Glauser-Preis, dem Radio-Bremen-Krimipreis und dem Deutschen Krimipreis, ausgezeichnet. <em>Edvard</em> ist ihr erstes Jugendbuch.</p>

Zoë Beck, geboren 1975. Schule und Studium in Deutschland und England. Schriftstellerin, Übersetzerin (u. a. Amanda Lee Koe und James Grady), Verlegerin, Synchronregisseurin für Film und Fernsehen. Lebt und arbeitet in Berlin. Zoë Beck zählt zu den wichtigsten deutschen Krimiautoren und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.

2


Leigh hatte schon fünf Tage lang nichts mehr von dem Mann unter seinem Fußboden gehört. Langsam glaubte er, sich entspannen zu können. Er hatte sich schon sehr lange nicht mehr entspannen können, was an diesem Mann lag. Besonders in den letzten Monaten war sein Leben durch ihn höchst unangenehm gewesen, und nun war Leigh ehrlich gesagt froh, dass sich dieser Zustand offenbar zum Besseren verändern würde. Auch wenn es die erste Zeit, nachdem der Mann unter seinen Fußboden geraten war, nicht danach ausgesehen hatte. Aber seit fünf Tagen war Ruhe. Endlich.

Morgens war Leigh der Erste in seinem Restaurant und nachts der Letzte. Unter seinen Eltern war es ein traditionelles englisches Pub gewesen. Damals war Clapham noch eine Gegend für ärmere Leute gewesen, aber das hatte sich geändert, das Publikum war ein anderes geworden, es hatte mehr Geld und wollte es ausgeben. Das Pub lief schon immer gut, und mit den neuen Anwohnern noch besser, vor allem, wenn Sport übertragen wurde. Als aber das Rauchverbot in Kraft trat und die Gäste nur noch spärlich kamen, gab er (gerade mal den Schulabschluss in der Tasche) seinen Eltern den Rat, es von Grund auf zu renovieren. Einen Monat später eröffneten sie ein Steakhouse. Es lief gut. Und je mehr vegane und vegetarische Restaurants aufmachten, desto mehr Umsatz hatten auch sie. Eine zweite, kleinere Renovierung vor ein paar Jahren machte aus dem Steakhouse ein Feinschmecker-Restaurant mit Schwerpunkt auf Steaks und Burgern, und ja, sie hatten auch vegetarische Burger im Angebot. Der Laden lief bestens. Der gute Ruf sprach sich schnell herum. Dann bekam sein Vater einen Schlaganfall und starb. Bei seiner Mutter wurde kurz darauf Krebs diagnostiziert. Sie würde ihrem Mann zwei Jahre später folgen. Jetzt war Leigh der Chef.

Sein Restaurant fand Erwähnung in Gourmet- und Reisemagazinen. Deshalb hatte Leigh überlegt, einen zweiten Laden zu eröffnen, aber diesen Gedanken hatte er gleich wieder aufgeben müssen, und das hatte mit dem Mann unter dem Fußboden zu tun gehabt.

»Sie haben es aber sehr schön hier«, hatte der Mann gesagt, damals, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Er trug einen dunklen Anzug, nicht besonders teuer, aber auch kein billiges Ding, dazu eine Aktentasche, unauffälliges Schwarz, ebenfalls nicht besonders teuer, aber auch nicht zu billig. Die Schuhe, das war Leigh sofort aufgefallen, waren allerdings von sehr guter Qualität, und die Armbanduhr hatte er sich ebenfalls etwas kosten lassen. Er trug keine Rolex oder etwas in der Preisklasse, aber das dezente silberne Stück lag schon durchaus im vierstelligen Bereich. Leigh achtete auf solche Details, sein Vater hatte es ihm beigebracht. »An den Schuhen erkennst du, mit wem du es zu tun hast«, hatte er immer gesagt. Und: »Mit der Uhr zeigen sie dir, wie viel sie verdienen. Oder wie viel sie gern verdienen würden.« Leigh hatte von seinem Vater viel über Menschen gelernt, und von seiner Mutter wusste er alles, was es übers Geschäftemachen zu wissen gab.

Beides half ihm an diesem Abend wenig, so kurz vor Schluss, als der Mann sich ihm gegenüber an die Theke setzte und sein Wohlgefallen über die Einrichtung ausdrückte. Leigh bedankte sich höflich und erklärte mit großem Bedauern, die Küche sei für heute geschlossen, ob er ihm etwas zu trinken anbieten könne, ein Glas Wein oder einen Whisky? Der Mann nahm dankend an und bestellte den teuersten Brunello, den Leigh im Angebot hatte, machte es sich auf dem Barhocker bequem und sah interessiert den letzten Gästen dabei zu, wie sie sich deutlich angetrunken zum Aufbruch bereitmachten und George, dem Kellner, ein unmäßiges Trinkgeld hinlegten. Anschließend ließ er sich die Speisekarte geben (»Nur mal schauen!«) und studierte sie so intensiv, als wollte er sie auswendig lernen.

Der Mann saß immer noch auf dem Barhocker, als George aufgeräumt hatte und im Hinterzimmer verschwunden war, um sich umzuziehen. Leigh war nun allein mit seinem seltsamen Gast und fragte, ob er noch ein Glas wünsche oder möglicherweise doch schon die Rechnung, eine Formulierung, die ihn fast schmerzte, weil er noch nie so unhöflich zu einem Gast hatte sein müssen. Aber dieser Mann war irgendwie anders, er blieb am Barhocker kleben wie ein alter Kaugummi und bestellte sich ein weiteres Glas Wein. Erst als sich George und die Jungs aus der Küche verabschiedet hatten, dehnte er mit einem Seufzer den Rücken, lächelte ein wenig müde, nickte Leigh zu und sagte: »Also dann.«

»Die Rechnung?«

»Die Bücher.«

»Ich fürchte, ich verstehe nicht?« Leigh erlaubte sich, eine Spur genervt zu klingen.

»Zeigen Sie mir Ihre Bücher.«

»Bitte?«

»Sie haben mich schon verstanden.«

Einige Sekunden lang dachte Leigh, der Mann sei vom Finanzamt. Eine unangekündigte Buchprüfung. Oder jemand vom Gesundheitsamt, der glaubte, er könne sich hier aufspielen. Er verstand im ersten Moment wirklich nicht, was der Mann wollte. Irritiert sah er ihm dabei zu, wie er den Aktenkoffer auf die Theke legte, ihn öffnete und ein iPad herausholte.

»Kein Problem«, sagte er freundlich. »Wenn Sie mir Ihre Bücher nicht zeigen wollen, machen wir es anders. Wie viel Quadratmeter sind das?« Er drehte den Kopf hin und her, spähte in Richtung Küche, stand aber nicht auf. »Mit allem Drum und Dran zweihundert? Hundertachtzig? Sagen wir hundertachtzig, weil der Wein so gut ist. Miete oder Eigentum?«

Leigh starrte ihn finster an, antwortete nicht, polierte stattdessen Gläser.

»Eigentum, nicht wahr? Ihre Eltern waren schon jahrzehntelang vor Ihnen drin.« Er fing an, auf seinem iPad herumzutippen, murmelte leise irgendwelche Zahlen vor sich hin, zählte zwischendurch die Tische, spitzte immer mal wieder die Lippen, wenn er nachzudenken schien, blätterte einmal sogar in der Speisekarte etwas nach, sagte schließlich: »Was meinen Sie, fangen wir mit zweitausendfünfhundert Pfund im Monat an?« Der Mann zwinkerte ihm freundschaftlich zu.

Leigh polierte immer noch Gläser. »Der Wein geht aufs Haus«, sagte er. »Und jetzt verschwinden Sie. Wir haben geschlossen.«

Der Mann lachte. »Natürlich geht der Wein aufs Haus! Ab sofort geht auch das Essen aufs Haus! Dachten Sie, wir verrechnen das mit den zweifünf?«

»Sie gehen jetzt auf der Stelle!«

»Wenn ich daran denke, wie lange Ihre Familie diesen Laden nun schon hat. Wann sind Ihre Großeltern aus ihrem Kaff in Yorkshire weggegangen und nach London gekommen? Gleich nach dem Krieg, oder? Ihre Mutter ist hier geboren. Sie sind hier geboren. Sie sind hinter dieser Theke groß geworden.«

»Ich kann auch die Polizei rufen.« Leigh griff nach dem Telefon.

Der Mann sprach weiter. »Kennen Sie den Chinesen, Old Town Ecke Grafton Square? Von dem haben Sie bestimmt gehört. Ebenfalls seit Jahrzehnten in Familienbesitz. Dem ist doch tatsächlich die Küche abgebrannt. Fast hätte es noch das Pub nebenan erwischt.« Der Mann schüttelte bedauernd den Kopf. »Die haben auch die Polizei gerufen, aber irgendwie kommt die einfach immer zu spät.« Er zwinkerte ihm zu, machte eine ausladende Geste. »Sagen wir drei?«

Leigh wusste im Grunde, dass er Glück hatte. Er hätte genauso gut schon vor Jahren an der Reihe sein können. Warum dieser Mann erst heute zu ihm kam, blieb ihm ein Rätsel, aber sicher war, dass er seinen Plan von einem zweiten Laden begraben musste. Dieser Mann würde das Geld bekommen, mit dem er den neuen Laden finanziert hätte. Er überlegte kurz, dann stellte er das Glas weg, an dem er bestimmt schon seit fünf Minuten herumpolierte, und sagte: »Dreitausend sind zu viel. Ich zeige Ihnen die Bücher.«

Der Mann legte sein iPad auf die Theke und hob das Weinglas, in dem noch ein letzter Rest Brunello schwappte, um ihm zuzuprosten.

Jahrelang war es gut gegangen. Der Mann, der Gonzo genannt werden wollte, aber definitiv ein Engländer ohne erkennbaren Migrationshintergrund war, richtete sich in seinen Forderungen nach Leighs Büchern. Der Laden sollte weiterlaufen, nicht ausbluten, und Leigh betrachtete diese Abgaben als eine Art steuerlich nicht absetzbare monatliche Versicherungssumme.

Vor einem Jahr hatte sich dann ohne erkennbaren Anlass etwas verändert: Gonzo unterstellte Leigh, ihm gefälschte Bücher vorzulegen, und forderte mehr. Nun hatte Leigh nicht die Möglichkeit zu sagen: »Ich will mit Ihrem Boss sprechen!«, obwohl er das wirklich gern getan hätte. Er wusste, dass Gonzo für Leute arbeitete, die ihr Geld mit Drogen, Waffen und Prostitution verdienten. Das Schutzgeld war nur ein kleiner Teil ihres Einkommens. Er vermutete, dass ein Clan aus Croydon dahintersteckte, den manche liebevoll »die Croydon-Boyce« nannten. Boyce war der Familienname. Aber sicher wusste Leigh es nicht, und er hatte es nie gewagt, Gonzo danach zu fragen.

Er handelte den Mann etwas runter, zahlte aber doch mehr, als ihm guttat, und jeden Monat führten sie aufs Neue die Diskussion darüber, ob Leighs Bücher wirklich stimmten. Irgendwann machte er sogar eine Kopie seiner Steuererklärung, ließ sie amtlich beglaubigen und zeigte sie dem Mann, aber der winkte ab, nannte das Schreiben eine billige Fälschung, die das Papier nicht wert sei, auf dem sie gedruckt war. Schlecht gelaunt ging er mit seinen Forderungen sogar noch ein Stück hinauf.

Leigh ging langsam das Geld aus, und mit dem Geld auch die Geduld. Der Mann mochte denken, dass die Geschäfte großartig liefen, aber Leigh spürte die Folgen des Brexit. Großzügige Touristen vom Kontinent blieben hier im Londoner Süden zunehmend aus,...

Erscheint lt. Verlag 10.7.2017
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Attentat • Bestseller bücher • buch bestseller • darknet • Drogen • Drohnen • England • Killer • Krimi-Bestenliste • Krimi-Bestseller • London • ST 4964 • ST4964 • Start-up • suhrkamp taschenbuch 4964 • Thriller • Verschwörung • Verschwörung
ISBN-10 3-518-75119-0 / 3518751190
ISBN-13 978-3-518-75119-0 / 9783518751190
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