Last Mile (eBook)

Thriller
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
544 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-18212-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Last Mile -  David Baldacci
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Der Memory Man ist zurück!
Seit einem Unfall kann Amos Decker, der Memory Man, nichts mehr vergessen. Fast wäre er an den unlöschbaren Bildern seiner traumatischen Vergangenheit zerbrochen. Aber nun hat er ein neues Lebensziel gefunden: Innerhalb einer Spezialeinheit des FBI klärt er ungelöste Schwerverbrechen. In seinem ersten Fall geht es um Melvin Mars, der seit zwanzig Jahren in der Todeszelle sitzt. Er soll seine eigenen Eltern ermordet haben. Doch Stunden vor seiner geplanten Exekution taucht ein Mann auf und behauptet, der Schuldige zu sein. Kann Decker ihm glauben? Ist Melvin Mars unschuldig und muss vor der Todesstrafe bewahrt werden? Oder wird ein hochgefährlicher Mörder auf freien Fuß gesetzt? Als ein Mitglied aus Deckers Team plötzlich spurlos verschwindet, zeigt sich bald, dass der Fall eine noch viel tiefergehende gesellschaftliche Sprengkraft birgt.

David Baldacci, geboren 1960 in Virginia, arbeitete lange Jahre als Strafverteidiger und Wirtschaftsjurist in Washington, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Sämtliche Thriller von ihm landeten auf der New York Times-Bestsellerliste. Mit über 150 Millionen verkauften Büchern in 80 Ländern zählt er zu den beliebtesten Autoren weltweit.

1

Mars, Melvin.

Hier drinnen rief man einen überall und jederzeit, indem man den Nachnamen zuerst nannte, und er antwortete stets prompt, wenn er den seinen hörte.

Selbst auf der Toilette. Als wäre er beim Militär, nur dass er da nie gewesen war. Hierher hatte man ihn auch gegen seinen ausdrücklichen Willen gebracht.

»Mars, Melvin?«

»Jawohl, Sir. Hier, Sir. Bin gerade beim Scheißen, Sir.«

Denn wo sollte ich sonst sein, Sir?

Er wusste nicht, warum sie das so handhabten, und hatte sich nie die Mühe gemacht, danach zu fragen. Die Antwort wäre für ihn von keinerlei Bedeutung gewesen. Und sie hätte dazu führen können, dass der Schlagstock eines Wachmanns gegen seine Schläfe donnerte.

Hier im Staatsgefängnis von Texas in Huntsville musste er sich mit anderen Dingen befassen. Es wurde wegen der roten Backsteine des Gebäudes die Walls Unit genannt. Eröffnet hatte man es 1849, es war damit das älteste Gefängnis im Lone Star State.

Und es beherbergte den Hinrichtungsraum.

Offiziell war Mars der Häftling 7-4-7, wie das Flugzeug. Die Wärter im Todeszellentrakt, aus dem er hergebracht worden war, nannten ihn deshalb »Jumbo«. An die Größe eines Jumbojets kam er zwar nicht heran, aber klein war er bestimmt nicht. Die meisten Leute sahen zu ihm auf, wenn auch nur, weil sie es mussten. Knapp eins neunzig, und morgens vielleicht noch mal zwei Zentimeter obendrauf.

Er kannte seine genaue Größe nur, weil sie sie in der National Football League penibel gemessen hatten. Dort hatten sie alles an ihm präzise gemessen. Als er das über sich ergehen ließ, hatte er im Geiste Vergleiche mit Sklaven auf dem Marktplatz gezogen. Bei denen hatten die potenziellen Besitzer die Ware auch immer methodisch abgetastet. Na ja, im Gegensatz zu seinen Sklavenvorfahren hätte er zumindest jede Menge Schotter gehabt, um sich mit dem Trümmerhaufen seines Körpers zu befassen, nachdem seine Tage als aktiver Spieler vorbei waren.

Er wog immer noch gut hundert Kilo. Kein Fett, nur Muskeln. Das war nicht leicht bei dem Scheißfraß, den sie ihm hier vorsetzten, hergestellt in großen Fabriken, voller Fett und Salz und auch voller Chemikalien, mit denen sie wahrscheinlich einfach alles von Beton bis Teppichen herstellten.

Ihr bringt mich langsam um mit eurem Scheißfraß.

Er war schon fast genauso lange hier drinnen, wie er draußen gelebt hatte.

Die Zeit war nicht schnell verstrichen. Es fühlte sich nicht wie zwanzig Jahre an. Eher wie zweihundert.

Aber das spielte keine Rolle mehr. Es würde bald vorbei sein. Das war der Tag.

Seine letzte, allerletzte Berufung.

Abgelehnt.

Er war tot.

Er war von den Todeszellen in der Haftanstalt Polunsky in Livingstone, sechzig Meilen weiter östlich, zum Gefängnis von Huntsville gebracht worden, in der Erwartung, dass der Staat ihn jetzt nach zwanzigjähriger Wartezeit kriegen würde. Das bleiche Gesicht seiner Anwältin war freudlos gewesen, als sie ihm die Nachricht überbracht hatte. Aber sie würde am nächsten Tag aufwachen.

Ich nicht.

Bald würde er auf das Geräusch der Schritte lauschen, die in seine Richtung kamen.

Dann auf das Keuchen der stämmigen Wärter, die die glänzenden Fußfesseln hielten.

Die ernsten Wärter, die einen Tag später seinen Namen vergessen haben würden.

Der fromme Mann Gottes, der seine Bibel festhielt und laut seine Verse las, weil man sich auf dem Weg hier heraus an etwas Geistliches klammern sollte. Nicht heraus aus dem Gefängnis, sondern aus dem Leben.

Texas richtete mehr Häftlinge als jeder andere Bundesstaat hin, über fünfhundert nur in den letzten dreißig Jahren. Fast hundert Jahre lang, seit 1819, hatte man die Delinquenten gehängt. Dann hatten sie den elektrischen Stuhl namens »Old Sparky« benutzt, und im Verlauf von vier Jahrzehnten waren 361 Häftlinge durch einen Stromschlag zu Tode gebracht worden. Nun benutzte Texas die Todesspritze, um einen ins Jenseits zu befördern.

So oder so, tot war tot.

Das Gesetz sah vor, dass Hinrichtungen nicht vor achtzehn Uhr beginnen konnten. Man hatte Mars gesagt, dass man ihn um Mitternacht holen würde. War doch toll, wenn man es hinauszögerte. Das passende Ende eines wirklich langen und wirklich beschissenen Tages.

Den lebenden Toten, so hatte man ihn genannt.

»Auf Nimmerwiedersehen!«, hatte er öfter von den Wärtern gehört, als er zählen konnte.

Er wollte nicht zurückschauen. Nicht zum Epizentrum der ganzen Sache.

Aber wie hätte er das vermeiden können?

Als die letzte Stunde also näher rückte, dachte er an sie.

An die Morde an Roy und Lucinda Mars, an seinen weißen Vater und seine schwarze Mutter.

Damals war diese Kombination seltsam gewesen, anders, sogar exotisch, ganz bestimmt im westlichen Texas. Jetzt war sie normal. Jeder Junge, der hier rein kam, sah aus wie Mischmasch aus fünfzig unterschiedlichen Menschentypen.

Ein gerade erst inhaftierter Pisser war das Produkt von gemischtrassigen Eltern, die wiederum ebenfalls Kinder nicht traditioneller Verbindungen gewesen waren. Also war der neue Junge – ein Idiot, der einen Ladenbesitzer wegen einer Tüte Twizzlers weggepustet hatte, die er hatte mitgehen lassen – eine Mischung aus Schwarz, Braun und Weiß, mit einem Sprenkel Asiat drin. Außerdem war er Muslim, obwohl Mars nie gesehen hatte, dass der Mann auf die Knie ging und fünfmal am Tag betete, wie einige hier es taten. Sein Name war Anwar. Er kam ursprünglich aus Colorado.

Und er hatte allen erzählt, dass er unbedingt Alexis werden wollte.

Mars setzte sich in der Schlafkoje in seiner Zelle auf und sah auf die Uhr. Es war an der Zeit für sein Programm. Zum allerletzten Mal.

Sein Overall war weiß, und auf dem Rücken standen die schwarzen Buchstaben D und R. Das bedeutete Death Row – Todestrakt. Mars setzte es mit dem Klappern einer Schlange gleich, das die anderen Insassen warnte, sich verdammt noch mal von ihm fernzuhalten.

Er ließ sich auf dem kühlen Betonboden nieder und machte zweihundert Liegestütze, zuerst auf den Fäusten, dann auf den Fingerspitzen und schließlich aus der Herabschauender-Hund-Stellung, wobei der Scheitel seines kahl geschorenen Kopfes bei jedem Durchlauf den Boden berührte. Danach machte er dreihundert Kniebeugen, immer in Einheiten von sechs Stück, wobei er versuchte, jede Wiederholung etwas energischer durchzuführen. Dann folgte Yoga und Pilates für die Kraft, das Gleichgewicht, den Bewegungsradius und, am wichtigsten, die Gelenkigkeit. Er konnte bei durchgestreckten Beinen die Stirn mit den Zehen berühren, keine geringe Leistung bei einem groß gewachsenen Mann mit sehnigen Muskeln.

Dann kamen die tausend Wiederholungen des Bauchmuskeltrainings, die seine Muskulatur wie mit Säure versengten. Sie waren der Grund, wieso er einen steinharten Waschbrettbauch und Sixpacks hatte. Sein Bauchnabel war so straff, dass er eher wie ein Leberfleck aussah als wie die Stelle, an der einst seine Nabelschnur befestigt gewesen war. Danach kam das Sprungtraining, bei dem er sich in einer Reihe von Übungen, von denen er viele selbst entworfen hatte, von allen vier Wänden und dem Fußboden abstieß.

Er war wie Spider-Man oder wie Fred Astaire, der an der Decke tanzte. Im Gefängnis hatte er viel Zeit, solche Einheiten zu planen. Sein Leben war sehr strukturiert, bot aber auch jede Menge Freizeit. Die meisten Häftlinge saßen einfach herum und taten nichts. Es gab keinen Unterricht, nicht die geringste Rehabilitation.

Das inoffizielle Gefängnismotto war eindeutig: Rehab ist was für Weicheier.

Schließlich lief Mars mit hochgezogenen Knien so lange auf der Stelle, dass er jedes Zeitgefühl verlor. Es war verrückt, dass er dieses Programm auch an diesem Tag absolvierte. Aber er hatte es so ziemlich jeden Tag durchgezogen, seit er im Knast war, und glaubte fest, dass es sein letzter Akt des Trotzes war. Das würden sie ihm nicht nehmen. Zumindest würde er nicht die traditionelle Henkersmahlzeit verweigern müssen, denn Texas bot schon lange keine mehr an. Er wollte am Ende nicht ihren Scheißfraß in sich haben. Er zog es vor, mit leerem Magen zu sterben.

Niemand hatte ihn besucht, denn es gab keinen, der ihn besuchen wollte. Er war allein, wie schon in den letzten zwanzig Jahren. Er fragte sich, was die Zeitungen am nächsten Tag schreiben würden. Wahrscheinlich würde es nur eine kleine Meldung geben. Es war keine große Nachricht, dass ein weiterer Schwarzer die Todesspritze erhielt. Verdammt, es war kaum ein Foto wert. Aber sie würden die Verbrechen aufzählen, wegen denen er verurteilt worden war. Das würden sie ganz bestimmt. Und das würde für viele das Einzige sein, weshalb sie sich an ihn erinnern würden.

Melvin Mars, der Mörder.

Er kühlte ab. Der Schweiß strömte aus seinen Poren und hinterließ Flecken auf dem Beton, der schon von viel Schlimmerem als Schweiß gezeichnet war. Man wusste von zum Tode Verurteilten, dass sie den Darm auf den Boden entleerten, bevor sie zu ihrer Hinrichtung geführt wurden.

Während seine Atmung sich normalisierte, setzte er sich auf die Pritsche und lehnte den Kopf gegen die Wand. In seiner alten Zelle hatte er die Wände Reed, Sue, Johnny und Ben genannt, nach dem Superhelden-Team Fantastic Four. So etwas tat man manchmal an einem Ort, an dem man nichts zu tun hatte. Jeden Tag füllte man mit dem aus, was einem gerade einfiel.

Mars hatte oft Fantasien über die sexy Sue Storm, doch er sah sich eher mit Ben Grimm verwandt, dem Ding, dem...

Erscheint lt. Verlag 30.10.2017
Reihe/Serie Die Memory-Man-Serie
Übersetzer Uwe Anton, Norbert Jakober
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Last Mile
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Agententhriller • Alabama • Amos Decker • eBooks • Familiendrama • FBI • Memory Man • New York Times Besteller • New York Times Bestseller • Perfektes Gedächtnis • Politthriller • Rassismus • Thriller
ISBN-10 3-641-18212-3 / 3641182123
ISBN-13 978-3-641-18212-0 / 9783641182120
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