Die Tibeterin (eBook)

Roman-Bestseller voller Sinnlichkeit und mitreißender Dramatik
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
560 Seiten
Refinery (Verlag)
978-3-96048-023-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Tibeterin -  Federica de Cesco
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Immer wieder träumt die Ärztin Tara von ihrer Zwillingsschwester Chodonla, die vor etwa 25 Jahren bei der Flucht der Familie aus dem von China besetzten Tibet verlorenging. Heute lebt Tara in der Schweiz, doch sie möchte unbedingt ihre Schwester Wiedersehen. Deshalb gibt sie ihren Job auf und reist nach Nepal, um dort die tibetische Heilkunst zu erlernen und mehr über ihre Schwester herauszufinden. Im Auffanglager für tibetische Flüchtlinge lernt sie Atan kennen, der ihr erzählt, daß er gemeinsam mit Chodonla im Untergrund gegen die Chinesen kämpft. Doch die Zwillingsschwester ist schwer krank und wird bald sterben. Gemeinsam machen sich Tara und Atan auf die beschwerliche Reise über Schleichwege nach Tibet. Unterwegs erfährt Tara die Geschichte ihrer Schwester, aber auch Atan erzählt ihr viel aus seinem Leben. Als sie die Totkranke endlich finden, nimmt das Schicksal eine überraschende Wendung.

Federica de Cesco, Tochter einer Deutschen und eines Italieners, wuchs in verschiedenen Ländern mehrsprachig auf. Mit fünfzehn Jahren schrieb sie ihr erstes Buch, den Jugendbestseller DerroteSeidenschal. In Liège, Belgien, studierte sie Kunstgeschichte und Psychologie. Sie hat über fünfzig Bücher für Kinder und Jugendliche geschrieben, als ihr mit Silbermuschel ein aufsehenerregendes Debüt in der Belletristik gelang. Weitere große und erfolgreiche Romane folgten (u.a. Die Tibeterin, Wüstenmond). Heute lebt sie mit ihrem Mann, dem japanischen Fotografen Kazuyuki Kitamura, in der Schweiz.

Federica de Cesco, Tochter einer Deutschen und eines Italieners, wuchs in verschiedenen Ländern mehrsprachig auf. Mit fünfzehn Jahren schrieb sie ihr erstes Buch, den Jugendbestseller Der rote Seidenschal. In Liège, Belgien, studierte sie Kunstgeschichte und Psychologie. Sie hat über fünfzig Bücher für Kinder und Jugendliche geschrieben, als ihr mit Silbermuschel ein aufsehenerregendes Debüt in der Belletristik gelang. Weitere große und erfolgreiche Romane folgten (u.a. Die Tibeterin, Wüstenmond). Heute lebt sie mit ihrem Mann, dem japanischen Fotografen Kazuyuki Kitamura, in der Schweiz.

2. Kapitel


Licht schimmerte durch die Vorhänge. Regungslos lag ich da und betrachtete den hellen Streifen. Sieben Uhr. Das Gewitter war abgezogen. Es würde ein schöner Tag werden. Eine Weile lauschte ich auf ferne Geräusche, sah zu, wie das Zimmer aus der Dämmerung wuchs. Dann warf ich die Decke zurück. Ich duschte, putzte mir die Zähne. Vor dem Spiegel bürstete ich mein Haar und flocht mit ein paar Handgriffen meinen Zopf. Dann trat ich vor den kleinen Hausaltar. In einer Vitrine stand, kaum handtellergroß, eine vergoldete Buddha-Statue. Gleich darunter hing ein Bild Seiner Heiligkeit, des Dalai-Lama, sowie ein schönes Thanka – ein Rollbild, mit Brokat eingerahmt. Mein Vater hatte es mir zum Abitur geschenkt. Es gehörte zu den wenigen Schätzen unserer Familie und stellte die Schutzgottheit Tibets dar: Chenresig – der Herr der Gnade, der seine ewige Wiedergeburt in der Gestalt Seiner Heiligkeit erfuhr. Ich knipste die kleinen elektrischen Lampen auf dem Tragbett an. Im Haus meiner Eltern, in Rikon, brannten noch echte Butterlampen. Amla stellte sie selbst liebevoll her, wobei sie die rußigen Flämmchen gerne in Kauf nahm. Ich bewegte mich lautlos, während ich die sieben Silberschalen mit frischem Opferwasser füllte. Abends wurde das Wasser wieder ausgeschüttet. Unser Wesen soll so klar wie eine Wasserhaut sein, hatte mir Amla als Kind beigebracht. Und sofort stellten sich bei mir Assoziationen ein: Wie ist Wasser? Weich, klar, geschmeidig, angenehm im Mund? Oder gewaltig, reißend, tosend, gefährlich? Unser Blut, unser Körper, jedes Tier, alle Pflanzen der Erde, bestehen vor allem aus Wasser. Hat Wasser Gedanken, hat Wasser Gefühle? Mein Verstand hatte eine natürliche Neigung, solchen Fragen nachzugehen. Seit ich denken konnte, verspürte ich einen starken Drang nach Wissen in mir. Meine Eltern hatten mich immer unterstützt; sie hatten gewollt, daß ich auf die Höhere Schule kam. Sie konnten mir kein Geld für das Studium geben, aber nach dem Abitur bekam ich ein Stipendium.

Ich legte die Handflächen aneinander und sprach das erste und einfachste Gebet. »Expressverfahren« nannte es Tenzin, mit Nachsicht und Ironie. Bei meinen Eltern war das allmorgendliche Herbeirufen von Segnungen lang und ausführlich. Aber ich sah das Beten nicht als Routine an; wenn ich aus irgendeinem Grund nicht dazu kam, fühlte ich mich – so trivial es klingt – wie jemand, der ohne die Zähne zu putzen aus dem Haus rennt. Das Morgengebet war ein Ritus des Wohlbefindens, weder ungewöhnlich noch exzentrisch, sondern in der Mitte des Herzens geboren. Ich liebte die friedvolle Stille, oder auch die vorherbestimmte, mit der jeder Tag begann. Vor dem Altar war diese Stille zugegen. Etwas war da, das mich in einer Umarmung hielt und froh machte; etwas, das es nicht nötig hatte zu atmen.

Ich schaltete die Kaffeemaschine ein, schob Weißbrot in den Toaster, als Roman erwachte.

»Warum bist du schon auf?«

»Gewohnheitssache.«

Täglich um zwanzig vor sieben mußte ich im Labor sein. Und vorher von Zürich nach Aarau fahren, dreißig Kilometer auf der Autobahn. Und abends das gleiche in umgekehrter Richtung. Ich maulte nie deswegen.

Roman ging ins Badezimmer. Ich hörte die WC-Spülung rauschen, die Dusche prasseln. Ich stellte gerade Butter und Marmelade auf den Tisch, als er fertig angezogen und rasiert in die Küche kam. »Riecht gut nach Kaffee!«

Er küßte mich auf den Mundwinkel, schob die Hand in mein T-Shirt. Ich lächelte ihn an. Die Kaffeemaschine blubberte. Ich goß Roman Kaffee ein. Er trank ihn schwarz und ohne Zucker.

»Hast du Lust, rauszufahren?« fragte er. »Nach Engelberg?«

»Wie du willst.«

Er betrachtete mich, die Brauen leicht gerunzelt.

»Du siehst müde aus.«

»Ich habe schlecht geschlafen. Und von Chodonla geträumt.«

»Von Chodonla?«

»Ich mache mir Sorgen um sie.«

»Hast du irgendwelche schlechten Nachrichten von ihr?«

»Nein. Aber wir sind Zwillinge, Roman.«

Er schlug einen sachlichen Ton an.

»Und deswegen glaubst du, daß du über besondere psychische Kräfte verfügst? Über Hellsichtigkeit, zum Beispiel?«

Eine Gänsehaut überlief mich. Telepathie war vielleicht nicht das richtige Wort. Womöglich gab es dafür kein richtiges Wort. »Ich weiß es nicht«, sagte ich.

»Du hast zuviel Phantasie.«

Fast hätte ich gelacht. Phantasie, ausgerechnet das, was mir am meisten fehlte! Ich stand zu dicht an den realen Dingen.

»Vielleicht. Es kann aber auch an einer Eigenart meines Charakters liegen.«

»Du machst es kompliziert«, erwiderte er.

Ich schlürfte den Kaffee; er war stark, und mir wurde heiß davon. Romans Uneinsichtigkeit rief in mir ein melancholisches Empfinden hervor. Roman war dreißig, zwei Jahre jünger als ich. Er hatte ein ebenmäßiges Gesicht, grüngesprenkelte Augen und ein jungenhaft verschmitztes Lächeln, das wie mechanisch seine Lippen hob. Er war auf seine ganz besondere Art anziehend, plauderte gut und gerne. Seine Stimme war sanft, sein französischer Tonfall charmant. Er wurde selten zornig, schmollte statt dessen, konnte trotz seiner guten Manieren plötzlich grob und trotz seiner Freundlichkeit plötzlich unausstehlich sein.

Laura hatte mal gesagt, um einen Mann richtig kennenzulernen, müßte ich mit ihm schlafen. So einfach sah ich das nicht. Man kann sich stöhnend umarmen und sich dabei weder lieben noch richtig verstehen. Ich hatte Roman aus seiner Art zu sprechen ganz gut kennengelernt.

»Du übertreibst mit deiner Familie«, brach er jetzt das Schweigen.

»Sie ist nun mal da.«

»Du hast sie ja dauernd im Kopf. Ich könnte das nicht.«

»Das verlangt ja auch keiner von dir.«

Roman stammt aus der Westschweiz, aus einer ursprünglichen französischen Hugenottenfamilie. Die Eltern waren geschieden, der Vater hatte eine Anwaltspraxis in Genf, die Mutter arbeitete in einem Schmuckgeschäft. Aus Liebhaberei, wie Roman betonte. »Elle a toujours eu une passion pour les gemmes.« Die Großeltern bewohnten ein »Seniorenheim«. Jeder lebte in seiner Kiste. Ich war in einer Großfamilie aufgewachsen, hatte dort viel Liebe und Wärme erfahren, aber auch eine starke gegenseitige Abhängigkeit erlebt. Eine Anzahl Tibeterinnen, die ich kannte, hatten seit Jahren ihren Beruf und wohnten noch immer bei Amla und Pala.

»Wie, du wohnst bei deinen Eltern?« wurde ich als Studentin oft gefragt. Man fand es kleinkariert. Ich sagte: »Bei den Eltern setze ich mich an den gedeckten Tisch. Meine Mutter kümmert sich um die Wäsche. Sie macht sogar mein Bett, wenn ich anderes im Kopf habe.«

»Und was sagt sie, wenn du abends ausgehst?«

»Nichts. Ich habe einen Hausschlüssel.«

In der ersten Zeit, als ich mein Studio gemietet hatte, hatte ich täglich mit der Familie telefoniert und nachts nicht schlafen können, weil mich das Alleinsein bedrückte. Roman meinte, daß ich am Rockzipfel meiner Mutter hing. Leute, die sich bei uns auskennen, würden das niemals sagen. Ich erklärte ihm, daß es bei uns anders lief. Daß die Familie eine mächtige Zelle war, in der wir frei waren. Die Eltern wollten, daß wir es im Leben zu etwas brachten; aber auch, daß wir die natürliche Sorglosigkeit, den Zauber der Kindheit lange bewahrten. Umgekehrt lag uns das Wohlergehen der Betagten am Herzen, obwohl uns ihr Anachronismus in akuten Fällen zur Weißglut brachte. Vorwürfe, Ermahnungen und Zähneknirschen gehörten zum Familienalltag. Das alles zählte nicht. Was wirklich zählte, war das Vertrauen, das gemeinsame Vorwärtskommen. Ich versuchte es Roman zu erklären, aber in seinem Gedächtnis blieb nur das Wort »Anachronismus« haften. Er entstammte einer Kultur der Selbstverwirklichung, handelte beflissen eigennützig und erwartete von seinen Mitmenschen das gleiche. Roman arbeitete im Redaktionsteam einer Monatszeitschrift, die von einer Bank finanziert wurde. Er hatte drei Jahre in New York verbracht, berichtete über Wirtschaft und Kultur und betreute eine wöchentliche Sendung im Fernsehen. Das Thema »tibetische Flüchtlinge« interessierte die Medien; ich wurde als Beispiel für »geglückte Integration« zu einem Interview eingeladen. Das Gespräch vor der surrenden Kamera verlief leicht und flüssig. Romans lockere Routine gefiel mir. Ich erzählte, warum wir Tibet verlassen hatten. Meine Eltern hatten zuerst geglaubt, sich mit den chinesischen Machthabern abfinden zu können. Als die Lage unerträglich wurde, entschlossen sie sich zur Flucht. Eine Zeitlang lebten sie in einem Auffanglager in Nepal. Der ältere Bruder meiner Mutter, Geshe Asur Tseten, war Abt im Kloster Sera. Von den Chinesen grausam gefoltert, war er 1960 mit einem Transport des Roten Kreuzes in die Schweiz gekommen. Acht Jahre später wurde im Dorf Rikon, im Tösstal, das »Tibet Institut« gegründet. Geshe Asur Tseten wurde als Berater zugezogen. Seiner Fürsprache verdankten wir die Einreisebewilligung. Ich wuchs in Rikon auf und ging dort zur Schule. Nach dem Abitur hatte ich Medizin studiert. Nach zwei Jahren war ich Internistin im Kantonsspital Aarau und bildete mich in Mikrochirurgie weiter.

Nach der Sendung gingen wir in die Studiokantine. Wir sprachen jetzt französisch. Ich erzählte Roman, daß ich mein Praktikum in einer Klinik in Lausanne absolviert hatte.

»Aber mit Ihrer Familie sprechen Sie tibetisch?«

»Meine Mutter spricht nur deutsch, wenn keiner da ist, der für sie übersetzt. Wir dachten, sie lernt es nie. In Wirklichkeit findet sie es bequemer, einfach dazusitzen und buddhahaft zu lächeln. Sie kommt perfekt im Leben...

Erscheint lt. Verlag 12.2.2016
Reihe/Serie Die Tibet-Romane
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abenteuer • Buch 2016 • China • Der rote Seidenschal • Die Tochter der Tibeterin • Familiengeschichte • Frauen • Generationensaga • Heimat • Konflikt • Kulturgeschichte • Liebesgeschichte • Liebesroman • Love • Neu 2016 • Neuerscheinung 2016 • Neuerscheinungen 2016 • Romantik • romantisch • Romanze • Schicksal • Schicksalsroman • Schwestern • Tibetischer Buddhismus • Widerstand • Zwillinge
ISBN-10 3-96048-023-7 / 3960480237
ISBN-13 978-3-96048-023-5 / 9783960480235
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