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Marlenes Geheimnis (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
432 Seiten
Diana Verlag
978-3-641-22008-2 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
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Drei Frauen, drei Generationen und ein Geflecht aus Lügen

Marlene hat die Vertreibung aus der Heimat nach dem Krieg längst hinter sich gelassen. Vor mehr als siebzig Jahren begann sie mit ihrer Mutter Eva am Bodensee ein neues Leben. Eine florierende Schnapsbrennerei, die die Früchte der Region verarbeitet, ist ihr ganzer Stolz. Erst als ihre Nichte Nane kurz nach Evas Beerdigung die Aufzeichnungen der Großmutter liest, bricht die Vergangenheit ohne Vorwarnung herein. Und ein lang gehütetes Geheimnis kommt zutage ...

Bestsellerautorin Brigitte Riebe ist zurück - mit einem bewegenden Roman über ein deutsches Familienschicksal



Brigitte Riebe ist promovierte Historikerin und arbeitete zunächst als Verlagslektorin. Sie hat mit großem Erfolg zahlreiche historische Romane veröffentlicht, in denen sie die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte wieder lebendig werden lässt. Mit 'Marlenes Geheimnis' widmet sie sich nun der Kriegs-und Nachkriegszeit um 1945. Auch Riebes Familie mütterlicherseits stammt aus Nordböhmen, wo sie wie viele Sudetendeutsche nach dem Ende des Dritten Reichs das Schicksal von Vertreibung und Flucht erlitt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in München.

1

Endlich war sie wieder am See. Nane war mitten in der Nacht aufgestanden, hatte in ihrer kleinen Frankfurter Wohnung ein paar Sachen zusammengepackt und war danach in Richtung Südwesten aufgebrochen. Sie fröstelte wegen des Schlafmangels, und nach den vielen vergossenen Tränen der letzten Tage fühlte sie sich innerlich ganz wund und leer. Und doch nahm sie dankbar wahr, dass die frische Herbstluft ihr Gesicht streichelte. Zu dieser frühen Stunde war das große Wasser eine glatte Fläche, von der sich langsam muschelgraue Nebelfetzen lösten. Ein Stück entfernt zogen ein paar Enten gemächlich ihre Runden. Bis auf ein einzelnes Licht in der dunklen Restaurantzeile hinter ihr schlief die sonst so belebte Uferpromenade noch.

Es war nun schon einige Jahre her, dass sie zuletzt am Lindauer Hafen gewesen war, mit seinen unverkennbaren Insignien, dem Leuchtturm am Ende der rechten Mole und dem steinernen Löwen am Ende der linken, und jetzt bedauerte sie ihr Versäumnis zutiefst. Wie hatte sie ihre Großmutter so lange Zeit mit halbherzigen Telefonaten und ein paar Weihnachtskarten abspeisen können? Ihr alter Groll gegen sie kam Nane auf einmal nur noch lächerlich vor. Jetzt war die Oma tot, und alle Tränen der Welt konnten nichts mehr wiedergutmachen.

Christiane Auberlin, Nane genannt, mit braunen Locken, dunklen Augen und einem aparten Leberfleck oberhalb des linken Mundwinkels, war vor Kurzem vierunddreißig geworden. Von Kindheit an die Fleißige, die Tüchtige, die Kompetente, die sich allen Anforderungen stets mutig gestellt hatte. Auf einmal jedoch schien sie nicht mehr zu funktionieren, so große Mühe sie sich auch gab. Sie schlief seit Wochen schlecht, litt unter Herzrasen und unerklärlichen Schweißausbrüchen, wenn sie in den Apotheken die phänomenale Wirkung der Schlankheitspräparate anpries, die sie seit einigen Jahren im Außendienst für eine internationale Pharmafirma vertrieb. Inzwischen hatte sie sich an ihren Job gewöhnt, und manchmal mochte sie ihn sogar. Wieso rang sie dann jetzt immer öfter vor den Kunden um die passenden Worte, sie, der bislang in Verkaufsgesprächen die Sätze doch stets glatt über die Lippen gegangen waren?

Allein daran zu denken machte Nane schwindlig. Alles um sie herum schien sich zurückzuziehen, und die Konturen der Umgebung wirkten wattig wie in einem defekten Weichzeichner. Langsam ging sie auf einen der angeketteten Caféstühle zu und setzte sich vorsichtig hin.

Ich bin einfach total überarbeitet, daran wird es liegen, dachte sie und wusste im selben Moment, dass es nicht die ganze Wahrheit war. Ausweichen und verstecken war ihr im Lauf der Zeit zur Gewohnheit geworden, doch ihr Körper zeigte nun unerbittlich, was das auf Dauer mit ihm anstellte. Plötzlich schwoll das brummende Rauschen im Gehörgang an – ihr mittlerweile leider schon so vertraut, dass sie es bis eben kaum wahrgenommen hatte.

Dann jedoch erwachte ihr alter Kampfgeist.

Sie war zu spät gekommen, um mit ihrer Großmutter endlich Frieden zu schließen. Aber immerhin konnten sie sie anständig beerdigen – und das würden sie tun, sobald der Zug eintraf, mit dem ihre Mutter anreiste.

Wieder wandte Nane sich dem See zu.

Er reicht immer weiter, als man schauen kann. Und er spiegelt den Himmel, die Veränderung des Lichts, der Farbe, der Stimmung. Alles spürt man auf einmal um vieles deutlicher …

Von wem stammten diese Sätze? Sie wusste es nicht mehr, und doch war es immer schon so gewesen.

Inzwischen war das Wasser bewegter. Kleine Wellen kräuselten sich und klatschten an die schlickigen Pfeiler des großen Stegs, wo schon bald im Stundentakt die Ausflugsschiffe anlegen würden. Es war der letzte Monat, bevor ein Großteil der Bodenseeschifffahrt bis zum nächsten Frühling eingestellt wurde, und trotz aller inneren Leere und Traurigkeit fühlte es sich für Nane beruhigend an, dass sie sich noch immer daran erinnerte.

»Se sind abr früh dahane glanded!« Eine muntere Stimme im schönsten Schwäbisch holte sie aus ihren Grübeleien. Die Frau war rundlich und nicht mehr ganz jung. Unter ihrer dunkelblauen Strickjacke spitzte eine helle Schürze hervor.

Wortlos sah Nane sie an. Diesen Dialekt hatte sie einst geliebt, später dann gehasst, weil er ihr so gar nicht über die Lippen gehen wollte, jetzt aber war es für sie tröstlich, ihn wieder zu hören.

Die Frau lächelte. »Sie sind wohl nicht von hier?«, fragte sie dann, ins Hochdeutsche wechselnd.

»Doch«, sagte Nane. »Irgendwie schon. Aber eigentlich kommen wir aus …« Sie verstummte. Die verschlungene Familiengeschichte der Menzels und Auberlins in ein paar verständlichen Sätzen für eine Fremde zusammenzufassen war ihr jetzt zu kompliziert. »Jedenfalls war ich viel zu lange nicht mehr da«, fuhr sie schließlich fort.

»Denn verschdehet Sie mi?« Das Lächeln wurde breiter.

Nane nickte. »Jedes Wort«, versicherte sie.

»Mir machet zwar erschd in zwoi Schdunda uf, abr wenn des so isch, noh hol i Ihna einen frischa Apfelkucha ond einen heißa Kaffee. Sie seha ja ganz erfrora aus.«

Die Frau ging zurück ins Lokal und kam binnen Kurzem mit einem Tablett wieder heraus. Vor Nane standen nun ein Teller mit einem großen Stück Apfelkuchen, gekrönt von einem Klecks Schlagsahne, sowie eine Tasse dampfender Kaffee.

»Lasset Sie’s sich schmegga! Der Kucha isch no oi bissle warm.«

Genüsslich begann Nane zu essen. Als ihr die Augen nach den ersten Bissen feucht wurden, hätte sie nicht sagen können, ob es am Apfelgeschmack lag oder an der Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies, die sie sich so lange verboten hatte.

Äpfel und Großmutter, das hatte seit jeher für sie zusammengehört. Evas weiche Haut, die dunklen Haare, die erst spät silbern geworden waren, sogar die Kleider – alles an ihr hatte sommers wie winters nach der Frucht gerochen, die in Rickenbach das Leben aller bestimmt hatte. Schon als kleines Mädchen hatte Nane davon geträumt, eines Tages genauso zu werden wie ihre Großmutter: souverän, gescheit, humorvoll und bodenständig, eine Frau, der auch im reiferen Alter die Männer noch gern hinterherschauten. Eva hatte ihre Heimat verloren, eine waghalsige Odyssee durch halb Europa überstanden, um in der Fremde neu sesshaft zu werden. Ganz unten hatte sie noch einmal anfangen müssen, ohne dabei jemals bitter zu werden.

»Die Vergangenheit verlierst du nie«, so lautete einer von Evas Lieblingssätzen. »Aber wenn du heute nicht lebst, dann wirst du auch die Zukunft verlieren.«

Selten nur war etwas von der verborgenen Traurigkeit zu spüren, die sie noch am ehesten im Beisein der Enkelin zuließ. Dann saß sie ganz still da, die Hände im Schoß verschränkt, tief in sich versunken. Schon die kleine Nane hatte gelernt, dass man sie in solchen Momenten nicht ansprechen durfte. Denn jetzt war sie wieder in jener anderen Welt, zu der niemand Zutritt hatte. Das Mädchen wagte kaum zu atmen, bis die Großmutter sich ihr mit einem Lächeln zuwandte und ihre warme Hand auf den Kopf des Kindes legte.

Nane löste sich aus ihren Erinnerungen, zog einen Schein aus dem Geldbeutel und ließ ihn auf dem Tisch zurück. Dann stand sie auf, blickte ein letztes Mal auf den See, der inzwischen schon im ersten Sonnenlicht lag, und ging über die Straße hinüber zum Bahnhof.

In der Halle war seit ihrem letzten Besuch das berühmte Jugendstildekor einer sorgfältigen Renovierung unterzogen worden. Durch die Glastür konnte Nane auf die Gleise sehen. Hier war Eva mit der kleinen Marlene vor siebzig Jahren angekommen, zusammen mit anderen Flüchtlingen in uralte Güterwaggons gepfercht, heimatlos, hungrig und verlaust. Welche Ängste sie ausgestanden haben mussten, als man sie auf Lastwagen verlud und anschließend weiter nach Konstanz transportierte, wo die Frauen in einer öffentlichen Auktion als günstige Arbeitskräfte in der Region vermittelt worden waren! Damals hatten die beiden vergeblich von einem Butterbrot geträumt, heute dagegen musste Nane nur an den nächstbesten Bäckereistand gehen, um sich dort als Proviant für die Weiterfahrt zwei Schinkensandwiches und eine Flasche Wasser zu kaufen.

Eigentlich sollte in den nächsten Minuten ihre Mutter eintreffen, aber als Nane die Anzeigetafeln studierte, fand sie nirgendwo einen Hinweis auf den Frühzug aus Genf, den diese im letzten Telefonat erwähnt hatte. Irritiert wandte sie sich an den kleinen DB-Verkaufsschalter, doch auch der Mitarbeiter dort wusste nichts von solch einer Verbindung. Wieder einmal typisch für Vicky, die sich noch nie an Absprachen gehalten hatte!

Nane versuchte, ihre Mutter anzurufen. Es sprang aber nur die Mailbox an, auf der sie eine gereizte Nachricht hinterließ.

Sollte sie jetzt allein zu Tante Marlene fahren? Aber wie würde ihre Mutter dann nach Rickenbach kommen, wohin nur dreimal am Tag eine Buslinie verkehrte?

Die Ohrgeräusche wurden lauter, und Nanes Anspannung wuchs. Mit dem berühmten »Freiheitssinn« ihrer Mutter, wie diese ihre Nachlässigkeiten gern blumig verklärte, war sie schon als kleines Mädchen schlecht zurechtgekommen. Wie sehr hatte sie damals andere Kinder beneidet, bei denen es Tag für Tag nach der Schule ein warmes Mittagessen gegeben hatte, während in ihrem Ranzen meistens nur ein paar Münzen klimperten, damit sie den Hunger in einer Bäckerei oder am Kiosk stillen konnte. Aber dass Vicky sich nicht einmal bei der Beerdigung ihrer eigenen Mutter zuverlässig zeigen konnte, erboste sie.

Nane verließ die Bahnhofshalle, suchte sich draußen einen Sonnenplatz zum Warten und trank ein paar Schlucke...

Erscheint lt. Verlag 11.9.2017
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bodensee • eBooks • Familiengeheimnis • Familiensaga • Flucht und Vertreibung • Frauenromane • Generationenroman • Historische Liebesromane • Liebesromane • Romane für Frauen • Schnaps brennen • Sudetendeutsche
ISBN-10 3-641-22008-4 / 3641220084
ISBN-13 978-3-641-22008-2 / 9783641220082
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