Inselnacht (eBook)

Ein Öland-Krimi
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
320 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-1308-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Inselnacht - Sylvia B. Lindström
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Wie tief sind die Abgründe der Seele? Ein unbekannter Mann wird auf Öland Opfer eines brutalen Angriffs. Eine junge Frau stellt sich der Polizei, doch sie schweigt hartnäckig über ihr Motiv. Was also steckt hinter der Attacke? Allmählich kommt die Wahrheit über das Doppelleben eines sexsüchtigen Machtmenschen ans Licht, die selbst den hartgesottenen Strafverteidiger Stellan Qvist schockiert. Einmal mehr werden Qvist und die Opferanwältin Alasca Rosengren in einen komplizierten Fall verwickelt, den sie am Ende nur gemeinsam lösen können. Eine Geschichte über Macht, Sehnsucht und die Abgründe der Seele.



Sylvia B. Lindström, geboren in Hamburg, lebt seit 1992 auf Öland und arbeitet als Equitherapeutin mit Pferden. 'Inselnacht' ist die Fortsetzung ihres ersten Kriminalromans »Inselfeuer«.

Dunkler Fall


Der Inhaber von Miko-Web war jünger als erwartet, von kleinem Wuchs, sehr muskulös und schlecht rasiert. Er trug eine schwarze, abgewetzte Lederjacke und roch stark nach Zigarettenrauch. Der Auftrag konnte ihm nicht viel bedeuten. Mit einer geschlagenen halben Stunde Verspätung war er im Bahnhofscafé aufgetaucht, hatte sich nach einem nachlässigen Gruß zu Bertil an den Tisch gefläzt, einen doppelten Espresso bestellt und dann scheinbar gleichgültig gefragt: »Sie sind also Peter, nehme ich an?«

Bertil nickte. Ihm war spontan kein besserer Name eingefallen. Natürlich dachte er bei Peter an den Fotografen, jenen Unbekannten, den Viktoria ein paar Mal am Rande erwähnt hatte. Er hatte nie danach gefragt, welche Rolle dieser Peter ansonsten noch in ihrem Leben spielte. Er hatte es nicht wissen wollen.

»Also, Peter. Warum sind Sie hier?«

Bertil tat einen tiefen Atemzug und blickte auf seine Fingernägel. Bereits am Telefon hatte er sein Anliegen nicht näher erklären wollen. Sobald es alles auszusprechen galt, wurde ihm das Ganze peinlich. Er wusste nicht recht, wo er anfangen sollte, war verlegen und verklemmt. Zudem kränkte ihn die Teilnahmslosigkeit seines Gegenübers. Fast bereute er es, sich derart vertrauensvoll an Kari Mikonen gewandt zu haben, den er doch persönlich gar nicht kannte. Dieser arrogante junge Mann hier an seinem Tisch war ihm jedenfalls äußerst unsympathisch.

»Ich suche jemanden«, begann er zaghaft. Als Mikonen ihn noch immer mit leeren Augen ansah, hob Bertil die Aktentasche auf seine Knie und öffnete sie umständlich. Vielleicht konnte der Umschlag ihm Respekt verschaffen. Das Geld darin hatte er am Vortag bei der Bank in Svenljunga abgehoben. Die Kassiererin hatte ihn verwundert angesehen. Sie kannte seine Eltern und auch ihn seit langem. In seiner Familie war man in Sachen Geld stets vorsichtig gewesen. Doch die alten Zeiten waren nun vorbei. Alles war für ihn vorbei. Wozu sollte er jetzt noch sparen? Er riss den Umschlag auf, so dass die Scheine darin für sein Gegenüber sichtbar wurden, und Mikonen hob leicht die Brauen.

»Ich bezahle, was es kostet«, sagte Bertil. »Falls Sie etwas anderes dachten.«

Mikonen grinste sparsam und schüttelte sehr langsam seinen Kopf.

»Eine E-Mail-Adresse. Das ist alles, mehr habe ich leider nicht von ihr.«

Mikonen hob die kleine Tasse an den Mund, schlürfte provozierend laut seinen Mocca und setzte sie bedächtig wieder ab. »Ich bin kein Schnüffler, Peter«, sagte er. Sein melodiöses Finnland-Schwedisch passte nicht recht zu seiner rüpelhaften Art.

»Ich weiß«, versicherte Bertil. »Aber als Computerexperte könnten Sie es bestimmt für mich herausfinden. Ich habe Sie im Branchentelefonbuch gefunden. Ich wollte jemanden aus Stockholm. Auf dem Land kennt jeder jeden.«

Mikonen betrachtete Bertil nun beinahe mitleidsvoll. »Droht Ihnen jemand, ist es das? Dann sollten Sie lieber zur Polizei gehen.«

»Nein. Ich habe keine Angst.« Bertil errötete. »Ich bin nur … am Ende.«

»Aha.« Mikonen sah auf die Uhr. Bertil fühlte sich gekränkt und fasste endlich Mut. Mit verzweifelter Beherztheit entschloss er sich, die Karten endlich auf den Tisch zu legen. Hatte er sich nicht bereits genügend erniedrigt und lächerlich gemacht? Es spielte also keine Rolle mehr. »Es geht um eine Frau. Ich kenne nur ihren Vornamen. Ich will Sie mit der Geschichte nicht langweilen, doch sie hat mein Leben zerstört, und ich will wissen, wo sie sich befindet.«

»Frauen!«, sagte Mikonen nun in beinahe kameradschaftlichem Ton. »Hören Sie, Peter. Das wird nicht so leicht sein. Eine E-Mail-Adresse kann auf wen auch immer registriert sein. Um Namen und Wohnort zu ermitteln, müsste man schon so was wie eine gerichtliche Anordnung haben. Aber ich bin Webdesigner. Das da ist nicht mein Gebiet.«

Bertil starrte vor sich hin. Er merkte, wie ihm fast die Tränen kamen. »Ich hatte mich total auf Sie verlassen«, murmelte er. »Bitte, lassen Sie mich jetzt nicht im Stich. Ich habe sonst niemanden. Und ich bezahle ja.« Er streckte dem anderen den Zettel hin, auf dem er alles aufgeschrieben hatte, und nachdem der Finne einen Blick darauf geworfen hatte, veränderte sich etwas in seinem übernächtigten Gesicht. Sein Grinsen wurde süffisant, und er pfiff leise durch die Zähne. »Warum haben Sie nicht gleich gesagt, dass die E-Mail-Adresse an eine Domain gekoppelt ist? Das macht natürlich alles sehr viel leichter.«

»Domain?«

»Das hier.« Er schwenkte triumphierend Bertils Zettel. »Die Wortadresse für eine Website. Eine Weiterleitung zu einem Server. Ich nehme fünfhundert die Stunde. Fahrzeit rechnet natürlich mit. Drei Stunden im Vorschuss, oder sagen wir lieber vier …«

Bertil verzog keine Miene und blätterte die Scheine auf den Tisch.

»Bei Erfolg dann dasselbe noch mal. Gern bar auf die Hand.«

»Natürlich«, sagte Bertil. »Wann treffen wir uns wieder? Ich habe ein Hotel gebucht. Mein Zug zurück geht morgen früh halb neun.«

Der Finne beugte er sich vor und bedeckte andächtig mit seiner rechten Hand die beiden braunen Geldscheine. »Sagen wir – einundzwanzig Uhr im Löwenbräu am Fridhelmsplan.« Und als die Tausendkronenscheine in der Tasche seiner Lederjacke verschwunden waren, fügte er in vertraulichem Ton hinzu: »Am besten, du nimmst dir ein Taxi, Peter.«

Hotel Oden. Das Bettzeug war klamm, und aus dem Duschbad stank es nach Kloake. Bertil legte seinen Handkoffer auf die Gepäckablage und entfloh der trostlosen Zelle. Die Aktentasche nahm er mit. Neunhundertzwanzig Kronen für eine Nacht in Schwedens Hauptstadt, in der er mit Sicherheit kein Auge zumachen würde. Es war Wucher und dennoch eine vergleichsweise bescheidene Summe, wenn er daran dachte, was er Mikonen insgesamt bezahlen musste und was diese ganze Geschichte ihn bereits gekostet hatte. Und dabei ging es natürlich nicht um Geld.

Auf dem Bürgersteig trieb ihm eine Gruppe Halbstarker entgegen. Er drückte sich an eine Hauswand, um sie vorbeizulassen, lauschte ihren Stimmen und den sich entfernenden Schritten nach und begann, die Stadt aufrichtig zu hassen. Er passte nicht in eine Großstadt. Die ganze Geschichte passte nicht zu ihm. Er überlegte, aufzugeben und die Sache auf sich beruhen zu lassen. Doch dazu war es zu spät. Er konnte sein altes Leben nicht wieder aufnehmen und so tun, als ob nichts geschehen war. Er dachte an das leere Haus. Der Auszug seiner Mutter war ein Alptraum gewesen. Als sie Wind davon bekommen hatte, dass es eine Frau in seinem Leben gab, hatte sie ihn vor die Alternative gestellt: entweder sie oder ich. Und Bertil war zum ersten Mal in dieser Frage nicht zu Kreuze gekrochen. Er hatte noch am selben Tag bei der Vorsteherin des Altersheimes in Hamra vorgesprochen, um Vivianne Kullman auf die dortige Warteliste setzen zu lassen. Das Glück, wenn man es so nennen wollte, war jedoch ausnahmsweise einmal auf seiner Seite gewesen: Durch einen Todesfall war gerade eine der an das Heim angeschlossenen Seniorenwohnungen freigeworden, und er hatte sie für seine Mutter reservieren lassen.

»Die Wohnung wurde erst kürzlich renoviert. Wenn sie es will, kann Ihre Mutter umgehend einziehen«, hatte die Vorsteherin ihn wissen lassen.

»Das will sie sehr gern.« Er hatte gewusst, dass diese Antwort eine Lüge war.

Vivianne hatte die Nachricht von der Wohnung beim Altersheim in Hamra schweigend und mit eisigem Blick entgegengenommen. Sie war auch in den folgenden Tagen ungerührt auf ihrem angestammten Platz vor dem Küchenherd sitzen geblieben, und er hatte selber alles für sie packen müssen: Kleider, Hausrat und persönliche Gegenstände. Die Möbel, auf die sie vermutlich Wert legte, hatte er ganz ohne Hilfe aus dem Haus geschleppt und dabei ungeahnte Kräfte entwickelt. Er hatte sie auf den Pferdehänger gezerrt, mit dem er sonst Kälber und Sauen transportierte. In Hamra hatte der Hausmeister des Altersheimes ihm beim Ausladen geholfen, und er hatte beklommen all die Umzugskisten ausgepackt, während seine Mutter zu Hause in der Küche vor dem Herd noch immer auf der Brennholzkiste saß, nichts aß, nichts trank und nicht mehr mit ihm redete. Er hatte sich davor gefürchtet, sie bei seiner Rückkehr auf ihrem Stammplatz tot vorzufinden. Aus reiner Bosheit noch vor ihrem Umzug zu sterben – so etwas war ihr zuzutrauen. Doch sie lebte, und als es so weit war, ließ sie sich willenlos von ihm die Stiefel anziehen, den Mantel über die Schultern legen und dann wie ein Tier, das man zur Schlachtbank führt, aus dem Haus geleiten. Sie würde ihm nie verzeihen. Ab sofort hatte Vivianne Kullman keinen Sohn, und Bertil hatte keine Mutter mehr. Er nahm das schuldbewusst, doch ohne Reue zur Kenntnis.

Was gefiel den Leuten nur an Stockholm? Er blickte in die erleuchteten Fenster der Lokale und der Bars, ging planlos weiter, fühlte sich vom Leben ausgeschlossen und verlor mit jedem Schritt ein wenig mehr den Mut. Er hatte noch allzu viel Zeit und musste dringend etwas trinken. Nach einem Bier und ein, zwei Wodkas würde es ihm besser gehen.

Aus der halb geöffneten Tür eines Bistros strömte nahrhafter Geruch nach Knoblauch und geschmolzenem Fett. »Zum Kranich«. Der Name war verheißungsvoll. Er betrat zögernd das Lokal, setzte sich an einen Tisch in der Nähe der Bar und bestellte bei dem Mann hinterm Tresen ein großes Bier und einen Wodka. »Ich nehme an, Sie meinen mit Wodka Explorer?« Der kahlgeschorene Barkeeper bewegte beim Reden kaum den Mund und schenkte ihm ein. »Das ist nämlich...

Erscheint lt. Verlag 14.6.2017
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Anwalt • Insel • Krimi • Männerphantasien • Mord • Öland • Sadomaso • Schweden • Spannung
ISBN-10 3-8412-1308-1 / 3841213081
ISBN-13 978-3-8412-1308-2 / 9783841213082
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