Kein Vorteil für Commissario Luciani (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
368 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-1400-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kein Vorteil für Commissario Luciani - Claudio Paglieri
Systemvoraussetzungen
7,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen

Spiel, Satz und Mord. Marco Luciani hat der Verbrecherjagd abgeschworen und will in Barcelona ein neues Leben beginnen. Doch dann bittet ihn ein verzweifelter italienischer Unternehmer um Hilfe: Seine Tochter ist spurlos aus einer privaten Barceloner Tennisakademie verschwunden. Zähneknirschend bucht Luciani einen Kurs in dem noblen Institut und entdeckt bald mehr, als ihm lieb ist, über die nicht so glanzvollen Hintergründe des Profi-Tennis und die Fallstricke der Schönheit. 'Paglieri dringt ein in die Schwächen der Figuren, authentisch, glaubwürdig, beinahe sündhaft.' La Repubblica.



Claudio Paglieri, geboren 1965 in Genua, leitet das Ressort Sport und Kultur der Genueser Tageszeitung Il Secolo XIX, außerdem ist er Vollblut-Ligurer, Barcelona-Fan, Marathonläufer, Vater und Hobby-Tennisprofi. Nach seinem Debutroman 'Sommer Ende Zwanzig', eröffnete er 2007 mit 'Kein Espresso für Commissario Luciani', einem geradezu visionären Krimi um Manipulationen beim Profi-Fußball, seine Krimiserie um den asketischen, misanthropischen und nahezu unbestechlichen Ermittler Marco Luciani. Im Aufbau Taschenbuch Verlag sind erschienen:Kein Espresso für Commissario LucianiKein Schlaf für Commissario LucianiKeine Pizza für Commissario LucianiKein Grappa für Commissario LucianiDas letzte Abendmahl für Commissario LucianiKein Vorteil für Commissario Luciani

Marco Luciani


Er fühlte sich wohl in Gracia, knapp außerhalb des Zentrums, wo man kaum Touristen traf, außer freitags und samstags an den Brennpunkten des Nachtlebens. Einst ein eigenständiges Dorf, war es von der Expansion Barcelonas verschlungen worden, hatte aber seine Identität als volkstümliches Viertel voller Arbeiter, Studenten und Künstler bewahrt, auch wenn es in den letzten Jahren zur Schickeria tendierte. Zu den Supermärkten und Läden der Pakistani gesellten sich immer mehr vegane und glutenfreie Delikatessenshops, die Weinschänken wurden von elitäreren Cocktailbars verdrängt, die Friseure von Beauty-Studios, die Apotheken von Zentren für Meditation und Reiki-Massage. Trotzdem waren die Mieten viel niedriger als in El Born, und Marco Luciani hoffte, dass sie noch einige Jahre für ihn erschwinglich bleiben würden, bevor er in einen Randbezirk ziehen musste.

Er ging den Carrer del Torrent de l’Olla hoch, bog in den Carrer de la Perla ein und von da auf die Plaça de la Virreina, seinen Lieblingsplatz, mit der Kirche Sant Joan und der Statue der Donna di Gracia, die die Leute mit frischen Blumen schmückten. Er setzte sich an einen Tisch im Freien, und nach nicht einmal einer Minute trat ein Mann mit einem angestrengten Lächeln auf ihn zu. »Ich bin Mauro Rossi, der Vater von Martina.«

Marco Luciani erhob sich nicht, gab ihm auch nicht die Hand, sondern zeigte nur auf den Stuhl vor sich. Er hatte für die Verabredung in der Cafeteria den Vormittag gewählt, damit er nicht mehr als einen Orangensaft bestellen musste.

Der Mann schien von dem unterkühlten Empfang irritiert, ließ sich aber nicht entmutigen. Er setzte sich, winkte dem Kellner und bestellte einen Cappuccino. »Hat Alice es Ihnen schon erzählt?«

»Nur das Nötigste. Sie hat mir gesagt, dass Ihre Tochter verschwunden ist, oder besser gesagt die Tennisakademie, in der sie seit zwei Jahren lebt, verlassen hat …«

»Eineinhalb Jahre, knapp.«

»… und dass Sie sich Sorgen machen. Sie fürchten, ihr könnte etwas zugestoßen sein.«

»Sorgen machen ist gar kein Ausdruck, Signor Commissario«, sagte Rossi.

»Ich bin kein Kommissar. Nicht mehr.«

Sein Gegenüber zuckte die Achseln. »Ich sterbe … vor Sorge. Schlafe seit einer Woche nicht. Ich habe Angst, panische Angst. Martina … es stimmt, sie ist neunzehn, aber in vielem ist sie noch ein Kind. Sie kommt nicht alleine zurecht. Ich bin auch sicher, dass sie nicht alleine ist, ich fürchte, dass jemand sie entführt, wer weiß wohin verschleppt hat.«

»Entführt?«

»Nicht … vielleicht nicht im strengen Sinn. Ich sollte wohl eher sagen: hörig gemacht.«

»Haben Sie jemand Speziellen im Verdacht?«

Der Mann zögerte und knetete seine Hände. »Ich weiß nicht … Vielleicht der Trainer, der sie direkt betreute. Er heißt Carlos. Ich habe ihn nur ein paar Mal gesehen, weil Martina mich nicht hierhaben wollte, und die Schule will uns Eltern auch nicht …«

»Optimale Strategie«, sagte Marco Luciani.

Sein Gegenüber ignorierte das und wiederholte: »… ich habe ihn nur zwei, drei Mal gesehen, aber mir gefiel nicht, wie er sie anschaute.«

»In welchem Sinn?«

»Genau in dem Sinn. Meine Tochter ist ein hübsches Mädchen, Signor Commissario«, sagte er, indem er ein Album mit Plastikeinband aus der Tasche zog.

»Hier sind ein paar Fotos, die ich gemacht hatte, die könnten Ihnen bei der Identifizierung helfen. Sie hat sich kaum verändert.«

Er gab Luciani das Fotobuch, in dem Martina als Filmstar posierte, im Bikini, im Abendkleid, im Tennisdress, mit einer komischen Frisur.

Luciani hob eine Augenbraue. Das Mädchen war wirklich eine Schönheit. Eine echte Schönheit. Und nicht nur dank der Fototechnik. Groß, perfekte Figur, lange braune Harre, wassergrüne Augen, blütenweiße Zähne. Er betrachtete den Vater, dann wieder das Album und suchte nach Ähnlichkeiten, die fürs Erste nicht zu finden waren.

»Martina kommt körperlich zum Glück eher nach der Mutter«, sagte der Mann, als hätte er seine Gedanken erraten, »und ein Glück ist auch, dass sie das Hirn von mir hat.«

»Wo ist die Mutter?«

»Keine Ahnung. Es ist, als hätte es sie nie gegeben. Sie war ein russisches Model, das ich auf Sardinien kennengelernt hatte. Wir haben uns eine Zeitlang, glaube ich, geliebt. Bis sie eines Tages verschwunden ist und mir eine Tochter und gähnende Leere im Geldbeutel hinterlassen hat.«

»Zahlen Sie ihr Alimente?«

»Nein, sie hat alles genommen, was zu holen war, und haute ab, als Martina fünf war. Wir haben nie wieder etwas von ihr gesehen oder gehört. Nicht einmal zum Geburtstag. Für uns ist sie gestorben. Anfangs sagte ich Martina, sie wäre verreist, als dann klarwurde, dass sie nicht zurückkommen würde, behauptete ich, sie wäre bei einem Verkehrsunfall gestorben.«

Marco Luciani schluckte und schlug das Album zu. »Und wieso diese Fotos?«

»Sie wollte das. Mädchen in ihrem Alter wollen sich ihres Aussehens versichern. Martina hielt sich nie für hübsch, ich weiß, das klingt unglaublich, aber erst nachdem sie dieses Album gesehen hatte, fing sie an, sich zu gefallen. Sie ist auch voller Anmut. Viele Tennisspielerinnen bewegen sich gut auf dem Platz, außerhalb sind sie aber Trampel, mit klobigen Muskeln und einem leichten Buckel. Marti nicht, die ersten Jahre habe ich sie neben dem Tennis auch Ballettstunden nehmen lassen, eben um der Balance, der Eleganz willen. Sie müssten sehen, wie sie sich bewegt, gerader Rücken, federnder Schritt. Jetzt macht sie kein Ballett mehr, aber viel Gymnastik, Kampfsport. In letzter Zeit Capoeira.«

»Waren diese Fotos im Umlauf? Haben andere Leute sie gesehen?«

»Na sicher. Ein Album macht man doch gerade deshalb. In der Welt des Tennis, im Sport allgemein, ist die körperliche Erscheinung wichtig. Die Menschen, das Publikum lieben die Spitzensportler, und die attraktiven ganz besonders. Diese Mappe hat Martina auch zu Fotoshootings als Model für eine Kleidermarke verholfen, womit wir einen Teil der Ausgaben gedeckt haben. Ich weiß nicht, ob Sie sich da auskennen, aber Tennis zu spielen ist eine sehr kostspielige Investition. Solange man in der Weltrangliste nicht weit vorne steht, gibt man mehr Geld aus, als man einnimmt.«

Marco Luciani betrachtete ihn: »Und Ihre Tochter ist gut genug, um eine solche Investition zu rechtfertigen?«

»Sicher. Ich habe sie von klein auf trainiert, alleine, ohne die Unterstützung durch den Verband, und ich habe sie unter die besten Fünfzehn in Italien gebracht. Dann habe ich eingesehen, dass für den Quantensprung eine andere Handschrift nötig war. Als sie volljährig wurde, haben wir gemeinsam beschlossen, hierher nach Barcelona zu kommen, und zumindest am Anfang ist das auch gut gelaufen: Sie ist noch besser geworden, hat regelmäßig Turniere gespielt und ist sofort unter die besten Zweihundert der Welt aufgerückt. Ich behaupte nicht, dass sie die zukünftige Nummer eins wird, aber dieses Jahr, spätestens nächstes, war ich sicher, dass sie unter die ersten Hundert kommen würde. Und unter den ersten Hundert zu sein bedeutet, dass man alle Slam-Turniere spielt, 130000 Dollar im Jahr nach Hause bringt. Stattdessen …«

»Was ist stattdessen passiert?«

Sein Gegenüber schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. In den letzten Monaten war ich weit weg, wir hatten ausgemacht, dass sie ihren Weg allein gehen und auf ihre neuen Lehrer hören sollte. Außerdem muss ich mich um meine Firma kümmern, die Situation ist schwierig und kräftezehrend, Einzelheiten erspare ich Ihnen, jedenfalls telefonierten Marti und ich miteinander, ich fragte, ob es ihr gutgehe, und sie sagte immer Ja, doch ich merkte, dass irgendetwas nicht stimmte. Die Ergebnisse … nun, in den letzten Monaten verlor sie oft. Auch gegen Spielerinnen, die in der Rangliste hinter ihr waren. Ich habe eine Weile abgewartet, dann habe ich gesagt, dass es so nicht weitergehe, dass ich kommen und sie abholen würde, dass wir ein anderes Trainingszentrum suchen würden. Sie fing an zu weinen …«

Er konnte nicht weiterreden und wandte den Blick ab. Marco Luciani wartete einen Moment, ehe er fragte: »Nach diesem Telefonat ist sie verschwunden?«

Der Mann nickte. »Jemand wollte nicht, dass ich sie treffe. Dass ich sie zum Weggehen überrede. Man hat sie weggeschafft oder gedrängt wegzugehen, wer weiß, mit welchen Versprechungen. Sie ist noch ein Kind, naiv, schenkt anderen ihr Vertrauen, lässt sich beeinflussen.«

In Haltung und Gestik des Mannes lag etwas, was Marco Luciani missfiel. Hinter der Vaterliebe schlummerte eine unterdrückte Wut. Vielleicht war sie es, die dich nicht treffen wollte, dachte er. Die nicht nach Hause zurück wollte.

»Eins würde ich gerne verstehen, Signor Rossi. Wer ist in diesem Fall, falls ich ihn annehmen sollte, mein Mandant? Sie oder Ihre Tochter?«

Der Mann lehnte sich über den Tisch, als hätte er nicht verstanden. »Entschuldigung, wie meinen Sie das?«

»Ich will deutlicher werden: Wenn sich Ihre Tochter, die volljährig ist, aus freien Stücken entfernt hat und nicht nach Hause zurückkehren will, welches Recht habe ich dann, sie zurückzubringen?«

Rossi wurde blass. »Aber Martina … Sie weiß doch selbst nicht, was sie will. Haben Sie Kinder, Signor Commissario? Kinder lehnen sich manchmal auf, das ist das Alter, es ist auch richtig so, sie müssen wachsen und ihre eigene Meinung...

Erscheint lt. Verlag 18.8.2017
Reihe/Serie Commissario Luciani ermittelt
Übersetzer Christian Försch
Sprache deutsch
Original-Titel Delitto e rovescio
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Barcelona • Commissario Luciani • Hinter den Kulissen • Italien • Italienischer Kommissar • Katalonien • Kommissar • Krimi • Luciani ermittelt • Mord • Profisport • Spanien • Spanien Krimi • Sport • Sportclub • Suche nach Vermisster • Tennis • Tennisclub • Tennisplatz • Tod • Urlaub • Urlaubslektüre • Verbrecherjagd • Vermisste
ISBN-10 3-8412-1400-2 / 3841214002
ISBN-13 978-3-8412-1400-3 / 9783841214003
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 4,7 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Psychothriller

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2022)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99
Krimi

von Jens Waschke

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
9,99
Psychothriller | SPIEGEL Bestseller | Der musikalische Psychothriller …

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2021)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99