Fiona: Als ich tot war (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
544 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-40045-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Fiona: Als ich tot war -  Harry Bingham
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Fiona Griffiths ist eine Frau voller Probleme. Eine gute Polizistin ist sie auch. Als Neuling auf dem Revier muss sie natürlich oft langweilige Routinefälle übernehmen. Jetzt zum Beispiel gerade einen Abrechnungsbetrug bei einem Möbelhaus, dabei arbeitet sie doch eigentlich im Dezernat für Schwerverbrechen. Fiona folgt den verdächtigen Kontobewegungen und stößt auf eine Leiche. Die alte Frau ist in ihrer Wohnung verhungert. Die zweite Leiche sieht noch schlimmer aus. Denn es geht offenbar um viel Geld. Um unvorstellbar viel Geld. Nun hat Fiona gerade erst mit Bravour eine Zusatzausbildung zur Undercover-Agentin absolviert. Als Putzfrau namens «Fiona Grey» wird sie bei einem weiteren betroffenen Unternehmen in Cardiff eingeschleust. Auch die Betrüger erkennen schnell die besondere Begabung der seltsamen jungen Frau. Fiona wird Teil ihres Plans. Ein gefährliches Spiel. Denn die Grenzen zwischen ihren beiden Persönlichkeiten verschwimmen zunehmend. Nur Fiona Griffiths kann das ultimative Verbrechen verhindern. Doch was will Fiona Grey?

 Harry Bingham ist gebürtiger Londoner. Er studierte in Oxford Politik und Wirtschaft, beschäftigte sich danach mit dem ökonomischen Wiederaufbau Osteuropas und brach schließlich eine Karriere bei der Bank J.P. Morgan ab, um Bücher zu schreiben. Seine Thriller um die einzigartige Fiona Griffiths aus Cardiff erregten international Begeisterung und wurden in Großbritannien Vorlage einer Fernsehserie.

 Harry Bingham ist gebürtiger Londoner. Er studierte in Oxford Politik und Wirtschaft, beschäftigte sich danach mit dem ökonomischen Wiederaufbau Osteuropas und brach schließlich eine Karriere bei der Bank J.P. Morgan ab, um Bücher zu schreiben. Seine Thriller um die einzigartige Fiona Griffiths aus Cardiff erregten international Begeisterung und wurden in Großbritannien Vorlage einer Fernsehserie. Andrea O'Brien übersetzt zeitgenössische Literatur aus dem Englischen. Sie wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Arbeitsstipendium des Freistaats Bayern (2016) und mit dem Literaturstipendium der Stadt München (2019). O'Brien lebt und arbeitet in München.

Kapitel 2


Bowen und ich streiten. Ich verliere.

Keiner von uns wollte diesen Fall. Bowen nicht, weil er vor jeder Rechenaufgabe in Panik gerät. Ich nicht, weil sie mir dauernd die Fälle mit viel Papierkram unterjubeln.

Eigentlich hatte ich gehofft, diese Angelegenheit für mich zu entscheiden, denn Bowen ist – zumindest was Cardiff betrifft – ein Neuzugang. Was wieder mal beweist, dass mir der Durchblick fehlt. Bowen ist älter als ich, männlich, er trinkt Bier und hat früher Rugby gespielt, und das zählt offenbar erheblich mehr als alles, was ich vorzuweisen habe. Bowen wird einem einfachen kleinen Mordfall mit null Ermittlungsaufwand zugeteilt – der mutmaßliche Täter ist bereits hinter Gittern, aber immerhin: ein echtes Verbrechen mit einer echten Leiche –, während ich mich mit Kevin aus Swindon rumschlagen muss.

Auf meine Beschwerde erwiderte DI Owen Dunwoody, der mir die Sache eingebrockt hat, so ein Fall sei gut für die Karriere. «Nicht besonders spannend, aber sehr leicht zu lösen. Wasser auf die Beförderungsmühlen.»

Auf meine zweite Beschwerde erwiderte Dunwoody: «Das Leben ist kein Ponyhof, Fiona.»

Auf meiner dritte Beschwerde erwiderte Dunwoody: «Machen Sie Ihren verdammten Job, Fiona!»

Also fahre ich die Fairoak Road entlang und mache meinen verdammten Job.

Mein Ziel, ein Wohnblock gegenüber vom Friedhof. Eigentlich die beste Aussicht, die Cardiff zu bieten hat, aber die Häuser hier kehren den Toten den Rücken zu und zeigen ihnen lieber ihre Garagen und Gärten.

Ich stelle den Wagen auf einem Anwohnerparkplatz ab. Eine Rotte grauer Mülltonnen blickt mich missbilligend an.

Wohnung 2E. Mrs. Adele Gibson.

Kevins Behauptung, Adele Gibson gebe es nicht, entspricht nicht ganz der Wahrheit. Sie existiert. Möglicherweise hat sie im Möbelmarkt in der Newport Road keine Kunstledergarnituren zum Schnäppchenpreis verkauft, aber sie existiert tatsächlich. Sie zahlt Steuern, ist bei der Wahlbehörde gemeldet und hat einen Telefonanschluss.

Ich klingle an der Tür.

Stille.

Klingle erneut. Halte den Knopf zwanzig Sekunden lang gedrückt. Nichts. Nada.

Als ich gerade bei den Nachbarn klingeln will, fährt ein Auto auf den Parkplatz. Ein blauer Citroën Berlingo mit fehlender Zierleiste an der Beifahrerseite. Ein Mann steigt aus, öffnet den Kofferraum und klappt eine Rampe aus. Dann brummt ein elektrischer Rollstuhl rückwärts aus dem Wagen.

Gelähmt, vermute ich beim Anblick der Rollstuhlfahrerin. Um die vierzig. Gepflegtes Haar.

Nachdem der Mann den Wagen abgeschlossen hat, kommen die beiden aufs Haus zu.

«Adele Gibson?», frage ich die Frau. «Ich suche Mrs. Gibson.»

«Bin ich nicht», sagt sie.

Der Mann sperrt die Haustür auf, will mich aber nicht reinlassen. «Aus Sicherheitsgründen», sagt er.

Ich zeige ihm meine Marke. «Aus Ermittlungsgründen», sage ich.

Die Frau, die nicht Adele Gibson ist, grinst.

Das Haus hat breite Flure und nur drei Etagen, trotzdem gibt es einen Aufzug. Und laminierte Feuerschutztafeln mit großen, bunten Buchstaben.

«Ist das hier betreutes Wohnen? Sind Betreuer anwesend?»

Der Mann antwortet. Ja und nein. Es handele sich um eine städtische Einrichtung mit behindertengerechter Ausstattung, allerdings nur für Bewohner, die nicht auf Vollzeitpflege angewiesen sind.

Die Frau brummt über den Flur, der Mann folgt ihr. Es riecht nach indischem Essen.

Eine Etage höher, Apartment 2E. Ich klopfe. Nichts.

Ich rufe Jon Breakell an, den armen Teufel, der diesen Fall mit mir zusammen bearbeiten muss. Ich bitte ihn, Kontakt mit dem Sozialdienst aufzunehmen und sich dort nach Adele Gibson zu erkundigen. Okay, sagt er und will wissen, ob ich bis zum Mittagessen wieder im Büro bin.

Bin ich nicht. Das zweite Phantom vom Möbelmarkt wohnt in Blaengwynfi, oberhalb von Aberkenfig. Jon will mich anrufen, wenn es was Neues gibt.

Mies gelaunt mache ich mich auf den Weg, aber die lange Fahrt und die Berge besänftigen mich etwas. Diese Bergbaustädte, die engen Täler und geschändeten Hügel haben etwas Unverfälschtes, etwas, das man in Cardiff vergebens sucht.

Auf den Hügeln wächst Farnkraut. Das Wasser in den Bächen blitzt weiß und silbern.

Bussarde.

Das Cottage in Blaengwynfi thront auf einem Hügel über der eigentlichen Ortschaft. Eine Schotterstraße führt bis zu einer Reihe neuer Backsteinhäuser. Nach einem Viehgitter schließt sich ein kurzer Feldweg zum Cottage auf dem Hügel an. Die Fahrrillen sind mit Felsschutt gefüllt, dazwischen sprießen Grasbüschel. Schafe wandern über den Weg.

Ich fahre bis hoch zum Cottage.

Ein kleines Häuschen, vermutlich nur zwei Zimmer. Die Eingangstür ist grün gestrichen, der Garten halbherzig gepflegt. Eine niedrige Steinmauer hält die Schafe fern. Alles ist dunkel.

Ein roter Toyota Corolla steht vor einem Holzverschlag neben dem Haus. Eine Regentonne. Holzstapel.

Ich kann keine Klingel entdecken, also klopfe ich. Warte, bis es mir von Rechts wegen gestattet ist, ins Haus zu spähen. Vor einem Fenster – vermutlich das zur Küche – hängen Gardinen. Es riecht nach Misthaufen, nur nicht so süßlich, weniger nach Gras.

Zurück zu den vier Neubauten weiter unten. Ich klopfe an ein paar Türen, bis endlich eine Nachbarin öffnet, und erkundige mich nach Hayley Morgan. Die Frau schaut mich verständnislos an. Erst als ich auf das Cottage zeige, sagt sie das, was die Leute eben sagen, wenn sie ihre Nachbarn nicht kennen: «Ach, Mrs. Morgan, von der sieht und hört man nichts.»

Ihre Neugier zerrt an mir wie ein Drachen an der Schnur.

Aber bei mir beißt sie auf Granit. Ich klopfe noch an zwei weiteren Türen. Eine Mutter mit Fluppe im Mund fertigt mich mit einem Achselzucken und Kopfschütteln ab, während hinter ihr der Fernseher in voller Lautstärke läuft.

Auf dem Weg ins Tal piepst mein Handy. Ich hatte da oben wohl keinen Empfang. Jon Breakell. Komische Sache. Ruf mich an.

Was ich umgehend tue.

«Ah, hi, Fiona! Gerade habe ich mit den Leuten vom Sozialdienst gesprochen. Es gibt Auffälligkeiten auf Adele Gibsons Konto. Da kommt zwar regelmäßig Geld vom Möbelmarkt, wird aber gleich wieder abgebucht. Das geht wohl schon ’ne Weile so, die Bank hat da was verbockt, aber vor kurzem, also vor ungefähr acht Wochen, wurde das Konto komplett leer geräumt. Sogar die Sozialhilfe, das Behindertengeld und so weiter. Alle Einzahlungen auf das Konto sind gleich wieder rausgegangen.»

«An wen?»

«Keine Ahnung. Der Empfänger ist ein gewisser T.M. Baron. Ich versuche gerade, ihn ausfindig zu machen.»

Bevor Jon mir haarklein von seinen Nachforschungen beim Sozialdienst erzählen kann und davon, wie er T.M. Baron ausfindig machen will, unterbreche ich ihn. «Später», sage ich.

Wieder den Hügel hoch. So schnell, dass die Federung bei jedem Schlagloch aufstöhnt.

Obwohl ich ein Stadtmensch bin, habe ich genug Zeit auf der Farm meiner Tante Gwyn verbracht, um den Geruch eines Misthaufens zu kennen, und das vorhin war kein Mist. Vor dem Cottage klopfe ich zwar noch pro forma, sehe mich aber schon nach einem Stein um. Versuche, ein geeignetes Exemplar aus der Gartenmauer zu zerren. Vergebens. Dann fällt mein Blick auf einen Brocken, der wie ein überdimensionierter Backenzahn aus dem schlammigen Boden ragt.

Ich ziehe ihn raus und werfe ihn mit aller Kraft ins Wohnzimmerfenster. Schiebe meine Finger vorsichtig durch die zerbrochene Scheibe und drehe den Hebel. Nachdem ich die gefährlichsten Scherben vom Sims geschoben habe, krieche ich vorsichtig durch die Öffnung ins Haus und streife ein Paar Latexhandschuhe über, die ich aus dem Auto geholt habe.

Im Cottage ist der Geruch intensiver. Eindeutiger. Wie rohes Geflügel, das zu lange im Kühlschrank gelegen hat. Eine Mischung aus feuchtem Pilzgeruch, dem strengen Duft von abgehangenem Wild und dem erstickenden Gestank von Ammoniak. Das alles, nur viel stärker. Kompakter.

Im Wohnzimmer stehen zwei alte, blaue Samtsessel, vor dem Fenster hängen dünne Baumwollvorhänge. Ein paar Bücher. Ein Kamin. Ein Fernseher.

Das Gerät ist aus, nicht mal das Standby-Lämpchen leuchtet. Ich drücke auf den Lichtschalter. Nichts. Auch die Leitung des altmodischen Telefons ist tot.

Ich gehe über den Steinfußboden des winzigen Flurs an einer Holztreppe vorbei in die Küche. Vor der Haustür liegt Post, zu viel Post.

Es ist kalt im Haus.

Hayley Morgan liegt in ihrer Küche.

Winzig sieht sie aus, zerbrechlich. Hingeworfen, nicht gefallen.

Sie ist bekleidet – grauer Rock, blaues Oberteil, Strickjacke, Fellstiefel – und trägt etwas Make-up. Mitte fünfzig, schätzungsweise.

Tot ist sie schon länger: Ihr Körper ist schlaff, keine Leichenstarre mehr. Doch der Gestank ist der eindeutigste Hinweis. In der Küche hat es sicher nicht mehr als zehn oder zwölf Grad, und das zur Mittagszeit. Bei diesen Temperaturen geht der Verwesungsprozess langsam vonstatten, aber hier ist er schon einigermaßen weit fortgeschritten. Der Gestank hat bereits eine eigene Persönlichkeit. Seine ganz besondere Note kriecht einem förmlich in die Nase und nistet sich in den Nebenhöhlen ein. Er nimmt mir den Atem wie ein feuchter Wattebausch.

Ich reiße das Fenster auf, obwohl das gegen die Vorschriften verstößt. Eigentlich darf ich am Tatort nichts anfassen.

Morgan ist fürchterlich mager. Die Knochen, die sich scharf unter der Haut abzeichnen, sind ein schrecklicher Anblick. Die walisische...

Erscheint lt. Verlag 22.9.2017
Reihe/Serie Fiona Griffiths
Übersetzer Andrea O'Brien
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Cardiff • Cotard-Syndrom • Ermittlerin • Kriminalpolizei • Mord • Psychatrie • Wales
ISBN-10 3-644-40045-8 / 3644400458
ISBN-13 978-3-644-40045-0 / 9783644400450
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