Die Brücke über den Main (eBook)

(Autor)

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2017 | 1. Auflage
544 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-57531-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Brücke über den Main -  Roman Rausch
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Eine Brücke für alle Zeiten Die Alte Mainbrücke in Würzburg blickt auf eine fast tausendjährige Geschichte zurück. Das wechselvolle Schicksal dieses Bauwerks erzählt Roman Rausch in einem großen, Jahrhunderte überwölbenden Roman. Von ihrem sagenhaften Bau über Zeiten von Bruderzwist, Not und Wohlstand, Hexenwahn und Bauernkrieg, bis zur Sprengung durch die Nazis vor den anrückenden Amerikanern wird hier die Geschichte einer Stadt und einer Landschaft zum Leben erweckt. Ein historischer Roman wie ein Gemälde der Zeit

Roman Rausch, 1961 in Mainfranken geboren und aufgewachsen, arbeitete nach dem Studium der Betriebswirtschaft im Medienbereich und als Journalist. Für seine Würzburger Kommissar-Kilian-Krimis wurde er 2002 auf der Leipziger Buchmesse und 2011 mit dem Weintourismuspreis ausgezeichnet. 2015 folgte der Bronzene HOMER für «Die letzte Jüdin von Würzburg». Er lebt als Autor und Schreibcoach in Würzburg und Berlin.

Roman Rausch, 1961 in Mainfranken geboren und aufgewachsen, arbeitete nach dem Studium der Betriebswirtschaft im Medienbereich und als Journalist. Für seine Würzburger Kommissar-Kilian-Krimis wurde er 2002 auf der Leipziger Buchmesse und 2011 mit dem Weintourismuspreis ausgezeichnet. 2015 folgte der Bronzene HOMER für «Die letzte Jüdin von Würzburg». Er lebt als Autor und Schreibcoach in Würzburg und Berlin.

Untiefen


Von Süden zogen Nebelschwaden den Fluss herauf. Bäume und Büsche verblassten darin wie von Geisterhand verwischt. Das Wasser breitete sich weit über die flachen Ufer aus und überflutete die Sümpfe am rechten Ufer in einem großen, stetig anwachsenden See. Schilfhaine erwehrten sich der Landnahme, ebenso wie Sträucher, die auf morastigem Untergrund ein Auskommen fanden. In einem Bogenschuss Entfernung war das neue, oft wechselnde Ufer zu erkennen. Dort erhob sich sachte ein Steinplateau zu zwei bewaldeten Bergen hin, sodass das fruchtbare Tal gegen Winde aus dem Osten geschützt war.

Im Tal war Ruhe eingekehrt, seit die Vögel gen Süden aufgebrochen waren. Ihre Schwärme hatten wehende Fahnen an den Herbsthimmel gezeichnet, ständig in Bewegung, alarmiert, denn es war höchste Zeit geworden, ein früher Frost war in den vorigen Nächten über sie hereingebrochen.

Die Kröten atmeten befreit auf, Mäuse und Lurche schlugen sich unbehelligt durch die Gräser, Fische tummelten sich im seichten Sumpfwasser. Nur die Wölfe beäugten den Landverlust misstrauisch. Wo sie gestern noch mit nassen Pfoten durch eine Furt gewatet waren, trafen sie nun auf eine unüberwindbare Wasserfläche. Aufgeregt schlichen sie an der Böschung des höher liegenden linken Ufers entlang, unfähig, zu ihren angestammten Jagdgründen zurückzukehren. Ihr Heulen klang elend. Sie riefen das Rudel um Hilfe, das in den Wäldern jenseits des Ufers zurückgeblieben war. Doch eine Antwort blieb aus, ihre Klage konnte die weite Strecke nicht überwinden. So versuchten sie es ein Stück weiter flussabwärts.

Um die an der Böschung festgemachten Boote und Kähne machten sie einen Bogen, mussten aufpassen, ob nicht jemand hinter den Palisaden auf sie lauerte. Hier roch es nach Mensch und obendrein nach Feuer. Erst zögernd, hasteten sie dann geduckt über den Vorplatz und fanden Schutz in den Büschen. Gerade rechtzeitig, denn das Palisadentor öffnete sich unter einem langgedehnten Knarzen. Heraus trat Oda mit ihrer Tochter Juna.

«Wie fängt man eine Ente?», fragte Oda. In der Hand trug sie einen Speer, vorsichtshalber, denn in letzter Zeit waren Fremde am anderen Ufer gesichtet worden. Vielleicht waren es nur Herumtreiber, vielleicht aber auch Kundschafter eines feindlichen Stammes. Es war besser, ihnen nicht schutzlos zu begegnen.

«Mit viel Geduld», antwortete Juna.

«Sehr gut. Und was noch?»

«Wenn sie aus dem Schilf kommen, mit einem Wurfnetz.»

«Und wenn sie im Schilf bleiben?»

Juna überlegte. «Mit den Händen?»

«Wenn du der Ente wirklich so nahe kommst, ist das eine Möglichkeit. Besser aber, du nimmst einen Kescher.»

Sie gingen über den Vorplatz, der vom Regen der letzten Tage aufgeweicht war, die Böschung hinunter zu den Booten. Oda wählte für ihren Jagdausflug ein flaches Boot mit wenig Tiefgang, damit sie im sumpfigen Gelände nicht aufsetzten und beweglich blieben. Ein Wurfnetz und einen Kescher holte sie aus einem anderen dazu, den Speer postierte sie griffbereit.

«Nimm ein Ruder», befahl Oda und deutete zum Bug. Dann löste sie die Leine vom Pflock und nahm im Heck Platz. Das Messer an ihrem Gürtel drückte, sie schob es nach hinten und stieß das Boot ab. Die Strömung nahm sie mit sich, sodass sie schnell dagegen arbeiten mussten, um nicht abgetrieben zu werden.

«Zugleich», rief Oda ihrer Tochter zu. «Zieh, zieh …», und bei jedem Kommando stachen sie die Ruder ins Wasser und zogen sie lange nach hinten durch.

Juna, obwohl gerade mal zehn Jahre alt, machte ihre Sache erstaunlich gut. Gegen einen Fluss zu arbeiten erforderte Kraft, Ausdauer und Harmonie, das hatte sie frühzeitig von ihrem Vater Virdis gelernt, der sie schon als Kleinkind auf die Jagd nach Fisch und Federvieh in die Sümpfe mitgenommen hatte. Vor vielen Nächten war er mit den Männern losgezogen, um einen Stamm jenseits der Berge anzugreifen. Es hieß, sie plünderten, mordeten und schändeten; verbrannte Erde sei alles, was sie zurückließen. Es war daher besser, sie weit von ihrer Siedlung entfernt zu stellen, als einen Kampf auf eigenem Gebiet zu riskieren.

«Wann kommt endlich Vater zurück?», fragte Juna und beobachtete dabei das Treibgut, das ihren Weg kreuzte. Darunter waren an diesem Morgen nicht wie gewöhnlich nur Äste, Wurzelwerk und geschlagenes Holz. Oda erkannte einen abgebrochenen Speer auf der Wasseroberfläche, einen zertrümmerten Schild, Pfeile … Sie lehnte sich hinaus, griff nach dem Schild und zog ihn ins Boot.

«Wem gehört er?», fragte Juna.

«Ruder weiter», erwiderte Oda. Es war nicht mehr weit hinüber ins Sumpfland, Juna würde es ohne ihre Hilfe schaffen.

In dem roten Schild steckte eine Pfeilspitze. Es war eine gute Arbeit auf den ersten Blick, der Waffenschmied musste versiert sein. Der Schild war an einer Seite mit einem Schwert abgeschlagen, ein wuchtiger Hieb war es gewesen, gemessen an der Dicke des Holzes. Doch weitaus rätselhafter waren die Zeichen, die den Schild schmückten. Mit gelber Farbe war eine Streitaxt aufgetragen, die Fratze eines Dämons, die Faust eines Kriegers. Derlei Zeichen hatte Oda noch nicht gesehen. Die anderen Stämme entlang des Flusses orientierten sich an den Tieren und …

«Mutter!», rief Juna. «Dort!» Sie zeigte auf etwas im Wasser, es schien schwer zu sein, trieb nur langsam mit der Strömung, aber geradewegs auf sie zu. Oda kniff die Augen zusammen – ein Baumstamm, eine Hand, die einen Ast umklammert, ein Arm, nasse, schwarze Haare. Das Gesicht kaum zu erkennen. Freund oder Feind? Tot oder lebendig?

Odas Hand tastete nach dem Messer am Gürtel.

«Er bewegt sich», sagte Juna. Sie streckte bereits die Hand aus, suchte den Baumstamm, den Körper zu fassen.

«Nicht!»

«Aber Mutter …»

Oda griff zum Speer. Mit der Spitze nach vorne stach sie in den Arm. Er zuckte, gefolgt von einem erstickten Aufschrei.

«Wir müssen ihm helfen», sagte Juna. «Er ist verletzt.»

«Vielleicht eine Falle.» Oda blickte zum sicheren Ufer, mit ein paar schnellen Schlägen konnten sie es erreichen und sich hinter den Palisadenzaun in Sicherheit bringen. Der Flusslauf hingegen lag im Nebel. Nur wenige Bootslängen entfernt lagen vielleicht feindliche Krieger auf der Lauer und warteten nur darauf, sie gefangen zu nehmen. Es war ein Spiel mit dem Feuer.

«Mutter, er ertrinkt.»

Die Kraft des Fremden schien tatsächlich am Ende zu sein. Sein Schopf sank unter Wasser, sein Griff löste sich. Wenn sie ihn jetzt nicht fasste, würde die Strömung ihn mitreißen.

Oda legte den Speer zur Seite. Bei allen Göttern, sagte sie sich, lasst es keine Falle sein. Dann lehnte sie sich hinaus, packte den Arm und zog den Fremden aus dem Wasser.

***

Bevor Turon die Augen öffnete, erwachten seine Ohren. Frauen plapperten, Kindern tollten herum, ein Feuer knisterte. Er lag weich und warm, es fühlte sich fast so sicher an wie in seiner eigenen Hütte. In der Luft lag der Geruch nach gebratenem Fisch. Jemand sang. Eine Frauenstimme, klar, hell und tröstlich, dazu eine Flöte. War er in der Anderen Welt? Er seufzte.

«Mutter! Er ist aufgewacht.»

Die Stimme hämmerte in seinem Schädel. Er öffnete die Augen und sah ein rothaariges Mädchen zu ihm herunterschauen, es winkte die anderen heran und strahlte über alle Maßen, genau wie Khina, seine kleine Schwester, wenn er von der Jagd nach Hause kam.

«Geh weg von ihm!»

Dieses Gesicht war dem ersten ähnlich, wenngleich es einer Frau gehörte, die ihre rote Haarpracht mit einem silbernen Stirnband fasste. Ihr Blick aus grünen Augen war alles andere als freundlich, eine Narbe zog sich vom Wangenknochen bis zu ihrem Ohr, in der Hand hielt sie eine Klinge von beeindruckender Länge.

Turon fuhr auf, suchte sich in Sicherheit zu bringen, doch die Frau drückte ihn spielend leicht zurück, als wäre er nichts weiter als ein Grashalm und sie der Wind. Ein Schmerz in der Brust nahm ihm den Atem, darauf das Bewusstsein.

Als Turon wieder erwachte, war es still und dunkel, kein Laut drang an sein Ohr, kein Feuerschein fiel an die Decke. Sein Lager war kalt und feucht, es roch nach Eiter und verwestem Fleisch. Sein Herz schlug schnell, er glaubte zu ertrinken.

Da schob sich rotglühend ein Eisen in sein Blickfeld. Die Hand, die es führte, war alt und zittrig, an einem Finger ein silberner Ring mit einem Symbol, das er noch nie zuvor gesehen hatte – die Fratze eines Dämons mit herausgestreckter Zunge und gierigen Augen.

«Oda, hilf mir.»

Neben diesen alten Teufel mit seinen grauen Haaren und dem langen Bart trat die rothaarige Frau mit der Narbe auf der Wange. Sie nahm ihm das glühende Eisen aus der Hand. Ihre Augen entschlossen, sie kannte keine Gnade. Verfluchtes Teufelsweib.

«Haltet ihn fest.»

Er spürte Hände auf sich, die ihn tiefer auf sein Lager pressten, hinein in die Hölle, die ihm dieses Teufelsweib gleich bereiten würde.

Als das Eisen seine Brust berührte, bäumte er sich auf und schrie. Dann fiel all der Schmerz von ihm ab, und wieder verschluckte ihn ein schwarzes Loch.

Aus der Dunkelheit kehrte Turon ein drittes Mal zurück. Schatten an der Decke, mit Köpfen und Armen. In den Händen Messer, daran Fleisch, das sie genüsslich aßen. Gelächter, ein Hund bettelte und bellte. Eine Kinderstimme befahl ihm, sich auf zwei Beine zu stellen. Wieder dieses Lachen, dann klatschten welche in die Hände. Sie redeten und tranken, eine Frau stand auf, ihr Schatten war der einer Riesin.

«Lasst uns den Göttern danken.» Sie erhob ihren Becher und stimmte einen Sprechgesang an, dem...

Erscheint lt. Verlag 24.3.2017
Zusatzinfo Mit 7 s/w Abb.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Brücke • Franken • Geschichte • Hexenverfolgung • Mittelalter • Neuzeit • Würzburg
ISBN-10 3-644-57531-2 / 3644575312
ISBN-13 978-3-644-57531-8 / 9783644575318
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