Zwei Schwestern (eBook)

Eine Geschichte aus unruhiger Zeit

(Autor)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
176 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-40055-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zwei Schwestern -  Petra Oelker
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Ein faszinierendes Bild der Hamburger Reformationszeit Martin Luther hat zur Reformation aufgerufen, die Hamburger sind ihm gefolgt - eine neue Zeit bricht an. Das gilt auch für Reimare Hogenstraat: Sie war Nonne, jetzt ist sie nur noch eine Jungfer ohne den Schutz des Ordens, ohne den vertrauten Halt ihrer Gemeinschaft, ohne das Reglement des alten Glaubens. All ihrer Aufgaben beraubt, muss sie ihr Leben neu ordnen, einen neuen Sinn finden. Ist eine Heirat die Lösung? Die wohlhabende Witwe Anna Bünnfeld unterstützt ihre jüngere Schwester nach Kräften. Auch sie sucht ihren Weg in dieser unsicheren Zeit. Ein Testament muss geschrieben, ihr Vermögen neu geordnet werden - gilt es, selbst darin neuen Werten zu folgen? Beide Schwestern stehen vor der Entscheidung ihres Lebens ...

Petra Oelker arbeitete als Journalistin und Autorin von Sachbüchern und Biographien. Mit «Tod am Zollhaus» schrieb sie den ersten ihrer erfolgreichen historischen Kriminalromane um die Komödiantin Rosina, zehn weitere folgten. Zu ihren in der Gegenwart angesiedelten Romanen gehören «Der Klosterwald», «Die kleine Madonna» und «Tod auf dem Jakobsweg». Zuletzt begeisterte sie mit «Das klare Sommerlicht des Nordens», «Emmas Reise» sowie dem in Konstantinopel angesiedelten Roman «Die Brücke zwischen den Welten».

Petra Oelker arbeitete als Journalistin und Autorin von Sachbüchern und Biographien. Mit «Tod am Zollhaus» schrieb sie den ersten ihrer erfolgreichen historischen Kriminalromane um die Komödiantin Rosina, zehn weitere folgten. Zu ihren in der Gegenwart angesiedelten Romanen gehören «Der Klosterwald», «Die kleine Madonna» und «Tod auf dem Jakobsweg». Zuletzt begeisterte sie mit «Das klare Sommerlicht des Nordens», «Emmas Reise» sowie dem in Konstantinopel angesiedelten Roman «Die Brücke zwischen den Welten».

Kapitel 1


An einem sonnigen Dienstagmorgen im Mai anno 1533 sah Anna Bünnfeld zu, wie ihr Blut in eine silberne Schüssel rann, und überlegte, ob das Silber von Eitelkeit zeuge. Reimare hatte so etwas erwähnt, allerdings war ihre jüngere Schwester eine strenge Person: Dinge, die nur das Auge erfreuten oder der Bequemlichkeit dienten, verurteilte sie leicht als überflüssigen Tand. Zum Glück hatte sie sich abgewöhnt, diese Kleinigkeiten sündig zu nennen, das machte den Umgang mit ihr viel angenehmer.

In der Schale an der Armbeuge der alten Dame hatte sich eine erkleckliche Portion Blut gesammelt, obwohl das Rinnsal dünn gewesen war. Dr. Warnow verstand sein Metier. Anders als bei seinem Vorgänger, der zuletzt schwache Augen und zitterige Hände gehabt hatte, gelang diesem Physikus der Aderlass ohne überflüssige Qual für die Kranken. Das war alles andere als selbstverständlich, wie Anna sehr gut wusste.

«Ihr seid die Einzige unter meinen Patienten, die den Blick nicht abwendet, wenn ich das Messer ansetze, Ihr seht sogar zu, wie das Blut rinnt.» Dr. Warnow drückte das zu einem festen Quadrat gefaltete Läppchen auf den Schnitt, um das Rinnsal aufzuhalten. «Die meisten Menschen haben einen Ekel vor ihrem eigenen Blut, das der Tiere am Schlachttag stört sie hingegen wenig.»

«Frauen sind an eigenes Blut gewöhnt, das wisst Ihr doch.»

Der Physikus begann, eine Binde um ihre Armbeuge zu wickeln. «Schön ruhig halten», ermahnte er, «mindestens bis zum Abend. Wenn es trotzdem wieder blutet …»

«… schicke ich Gesine, und Ihr kommt geeilt, mich zu retten, sei es auch um Mitternacht.»

Sie kicherte, was sich aus dem Mund einer sechzigjährigen, in Ehren ergrauten Witwe merkwürdig anhörte, wie sie selbst fand.

«Richtig.» Es war nicht nötig, sein breites Lächeln hinter der Maske der Beflissenheit zu verstecken. Andere Damen hätten es womöglich als Respektlosigkeit empfunden, Anna Bünnfeld war klug genug, diese Dinge zu unterscheiden. Da er das wusste und dem Irrtum vieler gebildeter Männer unterlag, die allermeisten Frauen seien von Natur aus einfältig und nur mit viel Mühe zu Vernunft und Verstand zu bringen, fand er den Umgang mit der Bünnfeldin angenehm, wobei – das muss hier gesagt werden – eine Dame ihres Alters schon seiner Kategorie ‹Frauen› entrückt war.

Die Bünnfeldin zeichnete eine gewisse innere Unabhängigkeit aus, das fand er erstaunlich, es war ihm bei einer Frau selten begegnet. Sie war seit Jahrzehnten Witwe, ihre Ehe mit Johann Bünnfeld hatte nur acht Jahre gedauert, er war erheblich älter gewesen als seine zweite Frau und lebte in behaglichem Wohlstand. Ihre Tochter, ihrer beider einziges lebendes Kind, war unter der Vormundschaft ihres Onkels jung und passend nach Osnabrück verheiratet worden. Also bestimmte die Bünnfeldin, soweit die guten bürgerlichen Sitten es gewährten, schon lange selbst über ihr Leben, über ihr Denken wie über ihr Handeln.

Dr. Warnow hatte an der Wittenberger Universität neben der Medizin auch die Rechte und ein wenig Mathematik und Theologie studiert, er hatte viel gelernt – von den Frauen verstand er gleichwohl wenig. Er hatte mit Bewunderung von der Frau Katharina Lutherin gesprochen, wie die meisten, die in Wittenberg gewesen waren. Aber die weithin als klug und tüchtig bekannte junge Ehefrau des großen Reformators fiel ebenso wenig in die schlichte Variante der Kategorie Frauen wie die Heiligen. Der Vergleich hätte Professor Luther zweifellos erzürnt, die Anbetung aller Heiligen verdammte er als Götzendienst. Gegen deren Verehrung hatte er allerdings nichts einzuwenden. So hieß es doch? Was war schon sicher bei all dem Neuen in dieser bewegten Zeit.

Dr. Warnow und die Frauen. Immerhin war bekannt, dass er sie mochte. In jüngeren Jahren war er verlobt gewesen, mit Unterschrift und Siegel. Nachdem das Mädchen an den Blattern gestorben war, mied er die vertraute Nähe mit Damen im Heiratsalter. Das plante Anna Bünnfeld zu ändern. Auch eine betagte Matrone brauchte eine sinnvolle Beschäftigung. Da ihr behagliches Vermögen von ihrem Bruder verwaltet wurde – gut verwaltet, das musste sie zugestehen, sie prüfte heimlich alles nach –, suchte sie sich von Zeit zu Zeit eine neue Aufgabe. Keine zu leichte, ein wenig Herausforderung tat not, sonst blieb es nur Zeitvertreib.

Sie hatte gründlich nachgedacht, das Für und Wider abgewogen und war endlich sicher gewesen und es auch geblieben. Hier waren zwei, die ihr sehr am Herzen lagen und wie füreinander geschaffen waren, nur zu dumm, es selbst zu bemerken. Oder zu stolz? Zu ängstlich? Verbohrt? Einerlei – die Bünnfeldin hatte eine Entscheidung getroffen und musste nur noch einen listigen Weg finden, damit sich alles glücklich fügte. Johannes hatte dazu geschwiegen, wie immer musste sie wichtige Angelegenheiten alleine entscheiden. Vielleicht ruhte er doch schon zu lange in seiner Gruft in St. Katharinen, als dass ihn weltliche Dinge wie die Stiftung einer guten Ehe noch interessierten.

Leider musste auch gesagt werden, dass eine Dame im fortgeschrittenen Alter sehr wenige fordernde Aufgaben fand. Die letzte, die sich auch nach Meinung der Bünnfeldin schließlich doch noch als lohnend erwiesen hatte, lag nun schon geraume Zeit zurück. Nachdem das einzige Frauenkloster der Stadt zerstört und die Gemeinschaft der Nonnen aufgelöst worden war, ein barbarischer Vorgang übrigens, dazu eine dumme Verschwendung, hatten einige der einstigen Nonnen geheiratet, andere waren in ihre Familien zurückgekehrt, wieder andere hatten Aufnahme in Schwesterklöstern in katholischen Herrschaftsgebieten gefunden. Jene, die weiter in ihrer vertrauten Gemeinschaft leben wollten und doch bereit gewesen waren, sich zur neuen, in dieser Stadt nun einzig gültigen, nämlich der lutherischen confessio zu bekennen, hatten schließlich in dem einstigen Dominikanerkloster St. Johannis an der Kleinen Alster eine neue Heimat gefunden. Aus den für ihr Selbstbewusstsein bekannten Hamburger Nonnen, die sich entschieden gegen die Auflösung ihres Klosters gewehrt hatten, waren so Jungfern geworden, Jungfrauen ohne Bedeutung.

Dass sie jedoch weiter in Gemeinschaft leben konnten, als Konvent, hatte einiges an Einflüsterungen in die Ohren Asmus Hogenstraats und eine ganze Reihe von Plaudereien mit Müttern und Ehefrauen anderer wichtiger Herren bedurft. Asmus hatte als Zweiter Bürgermeister ein gewichtiges Wort in der Stadt und flüsterte seinerseits in andere, noch gewichtigere Ohren. In diesem speziellen Falle waren die wichtigsten die der Herren Bugenhagen und des später zum ersten Superintendenten berufenen Pastors Johannes Aepinus gewesen.

Von Zeit zu Zeit war es doch angenehm, einen Bürgermeister zum Bruder zu haben – insbesondere zum jüngeren Bruder. Asmus war längst ein überaus erfolgreicher Kaufmann im Fernhandel und geachtetes Ratsmitglied, trotzdem blieb er der kleine Bruder, dem sie einst die Windeln gewechselt, die Ohren langgezogen und das Alphabet beigebracht hatte.

«Frau Bünnfeld?» Die Stimme des Arztes drang besorgt in Annas Bewusstsein. Seine Hand lag leicht auf ihrer Schulter. «Ist Euch nicht wohl? Es ist ganz normal, wenn Euch ein wenig schwach ist. Ihr müsst jetzt ruhen, unbedingt, und nicht wie beim letzten Aderlass gleich in die Küche eilen und mit der Köchin Einkäufe und Speisen für die nächste Woche besprechen. Und die Läuse auf Euren Rosenstöcken überlasst dem Gärtnerknecht. Hört Ihr!? Auch alles Übrige muss bis morgen warten.»

«Redet nicht mit mir wie mit einem Kind, ich habe nur nachgedacht. Manche Frauen tun so etwas, auch wenn Ihr, wie ich sehr wohl weiß, daran nicht glauben wollt.»

Nun lachte der Arzt offen und so laut, dass es die Frauen in der Küche und der Wäschekammer hörten, die Hände über ihrer Arbeit sinken ließen und erleichtert lächelnd nickten.

«Die Heftigkeit Eurer Rede, erlaubt mir das offene Wort, zeigt, dass es mit Eurer Schwäche nicht weit her sein kann. Vielleicht sollten wir noch ein wenig mehr Blut …»

«Keinesfalls! Ich bin nicht Sankt Sebastian. Ihr betont selbst immer wieder, Blut sei unser Lebenssaft, ohne den wir ebenso wenig wie die Tiere leben können. Oder wollt Ihr mich umbringen? Denkt daran», sie hob in gespieltem Groll den Zeigefinger, «wenn Ihr in meinem Testament bedacht werden wollt, benehmt Euch, wie es sich gehört.»

Ohne um Erlaubnis zu bitten, was sie mit leichtem Stirnrunzeln bemerkte, zog Dr. Warnow einen Hocker heran und setzte sich ganz nah an ihr Ruhebett. Er sah sie prüfend an, bevor er sprach. Die Bünnfeldin bemerkte in seinem Blick etwas Weiches, das sie seltsam berührte. Später, viel später, würde sie sich eingestehen, dass etwas in Warnows Blick sie an Johannes’ Augen erinnerte. Immer noch. Nach fast dreißig Jahren.

«Ich habe schon um Erlaubnis für ein offenes Wort gebeten, Ihr habt nicht protestiert, also gilt es als gewährt. Euer Testament interessiert mich nicht. Bezahlt mich gut, solange Ihr lebt. Das ist mir am liebsten.» Diesmal blitzte in seinen Augen nur ein amüsiertes Funkeln auf.

«Ihr könntet so höflich sein, junger Mann, zu erwähnen, dass es bis zu meinem Dahinscheiden noch sehr lange dauern wird und es noch nicht Zeit ist, daran zu denken.»

«Warum sollte ich das? Das liegt allein in Gottes Hand, und er hat Euch schon viele Jahrzehnte geschenkt. Hohles Geschwätz und Schleimerei vergiften Euer Blut nur aufs Neue mit schwarzer Galle.»

«Wie recht Ihr habt.» Anna seufzte. «In dieser Sache allerdings – nun, Ihr...

Erscheint lt. Verlag 24.3.2017
Illustrationen Andrea Offermann
Zusatzinfo Mit 10 4-farb. Ill.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Hamburg • Kloster • Luther • Nonne • Reformation • Schwestern
ISBN-10 3-644-40055-5 / 3644400555
ISBN-13 978-3-644-40055-9 / 9783644400559
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