Duplikat (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
768 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-18616-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Duplikat -  Alastair Reynolds
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Auf der Suche
Wir schreiben das Jahr 2365: Eine gewaltige Flotte Holoschiffe macht sich auf den Weg zu einem Planeten, der Dutzende Lichtjahre von der Erde entfernt ist. An Bord eines dieser Schiffe befindet sich Chiku Akinya, die Urenkelin der legendären Raumfahrerin Eunice Akinya. Doch Chiko hofft auf diesem fernen Planeten nicht nur eine neue Heimat zu entdecken, sondern auch ein geheimnisvolles Artefakt - ein Artefakt, das nicht nur ihr künftiges Schicksal bestimmen wird, sondern auch das ihrer beiden Klone ...

Alastair Reynolds wurde 1966 im walisischen Barry geboren. Er studierte Astronomie in Newcastle und St. Andrews und arbeitete lange Jahre als Astrophysiker für die Europäische Raumfahrt-Agentur ESA, bevor er sich als freier Schriftsteller selbstständig machte. Mit seinem Debütroman »Unendlichkeit« führte er die Science-Fiction ins 21. Jahrhundert: Millionen von Leserinnen und Lesern rund um die Welt haben die Abenteuer der Menschheit in dieser fernen, düsteren Zukunft verfolgt. Heute lebt Alastair Reynolds mit seiner Familie in Wales.

2

Bald nach ihrer Ankunft in Lissabon hatte sie Pedro in Belém kennengelernt. Sie hatten sich beide am selben Stand ein Eis gekauft und lachend zugesehen, wie die Seemöwen wild entschlossen herabstießen, um ihnen das Erworbene wegzuschnappen.

Nun stieg Chiku auf das Dach des Denkmals der Entdeckungen mit seinen steinernen Seefahrern, die über das Meer blickten. Es war der einzige Ort, von dem aus man eine passable Aussicht auf die Windrose hatte, eine Karte der antiken Welt, die sich in rotem und blauem Marmor über eine weitläufige Terrasse ausbreitete. Galeonen und Seeungeheuer bewachten die tiefen Meere und Ozeane. Ein Krake zerrte mit seinen Fangarmen ein Schiff in die Tiefe. Außerhalb der Karte zeigten Pfeile die Himmelsrichtungen an.

»Wie schön, dass Sie gekommen sind.«

Sie drehte sich abrupt um. Bei ihrem Eintreffen hatten sich auf der Aussichtsplattform des Denkmals keine Meerleute aufgehalten, zumindest hatte sie keine entdeckt. Es war kurz nach zehn Uhr, und sie war davon ausgegangen, dass die Verabredung durch ihre Verspätung gegenstandslos geworden war. Doch nun stand Mecufi, in ein Exoskelett gezwängt, aufrecht vor ihr.

»Sie hatten das Gespenst erwähnt. Heute Morgen habe ich es schon wieder in der Straßenbahn gesehen.«

»Es wird schlimmer, nicht wahr? Doch dazu kommen wir später. Vorher stehen noch ein paar andere Punkte auf dem Programm. Wollen wir fliegen?«

»Fliegen?«

Mecufi schaute nach oben. Chiku folgte seinem Blick und spähte mit zusammengekniffenen Augen durch den Dunst. Aus dem weißen Möwenschwarm löste sich ein Gebilde, sank herab und wurde dabei immer größer. Es war ein Flieger, etwa so breit wie das Dach des Denkmals.

»Wir haben eine Sondergenehmigung«, erklärte Mecufi. »In Lissabon sind wir sehr beliebt, seit wir die Tsunamibrecher eingebaut haben. Man hat hier ein langes Gedächtnis – 1755 war erst gestern.« Aus dem grünen Bauch des Fliegers strömte warme Luft. Eine Rampe schob sich herunter, und Mecufi ermunterte Chiku, an Bord zu gehen. »Warum zögern Sie? Sie können uns getrost vertrauen. Ich habe Ihnen doch die Motio gegeben.«

»Motien lassen sich fälschen.«

»Alles lässt sich fälschen. Sie müssen sich eben darauf verlassen, dass die meine nicht gefälscht war.«

»Dann stehen wir also wieder am Anfang? Ich muss darauf vertrauen, dass Sie vertrauenswürdig sind?«

»Vertrauen ist gut und paradox zugleich. Ich habe Ihnen versprochen, Sie noch vor dem Abend nach Hause zurückzubringen – nehmen Sie mich einfach beim Wort.«

»Wir fliegen nur zu den Seesiedlungen?«

»Und nicht weiter. Was für ein wunderschöner Tag. Das Licht auf dem Wasser ist so rastlos wie die See! Ist es nicht eine Freude zu leben?«

Chiku gab sich geschlagen. Sie gingen an Bord und nahmen in der geräumigen Kabine auf bequemen Sesseln Platz. Der Zugang wurde geschlossen, der Flieger stieg auf und beschleunigte. In wenigen Atemzügen hatten sie die Küste hinter sich gelassen. Unter ihnen schillerte das Meer in verschiedenen Schattierungen, als hätten sich Seen aus indigo- und ultramarinblauer Tinte darauf verteilt.

»Es ist schön auf der Erde, finden Sie nicht?« Von seinem Exo war Mecufi wie ein großes Stofftier auf den Sitz geladen worden, dann hatte sich die Prothese für die Dauer des Flugs zusammengeklappt.

»Bisher war ich hier ganz zufrieden.«

»Warum haben Sie sich ausgerechnet in das marode alte Lissabon verkrochen, um die Geschichte Ihrer Familie zu studieren?«

»Ich hatte gehofft, hier ein wenig Ruhe und Frieden zu finden. Aber das war offenbar ein Irrtum.«

Der Flieger blieb tief über dem Wasser. Gelegentlich sahen sie unter sich einen Cyberklipper, eine Vergnügungsjacht oder ein kleines, bunt bemaltes Fischerboot. Die Maschine war so schnell, dass Chiku nur einen kurzen Blick auf die Fischer werfen konnte, die an Deck mit Netzen und Seilwinden hantierten. Die Männer sahen nicht einmal auf. Das Flugzeug löste den selbst erzeugten Mach’schen Kegel hinter sich auf, sodass kein Überschallknall entstand.

Der Rumpf hatte sich gewiss der Farbe des Himmels angepasst.

»Dürfte ich Sie nach Ihren anderen Ichs fragen?«

»Darüber möchte ich lieber nicht sprechen.«

»Leider muss es sein. Beginnen wir am Anfang. Ihre Eltern Sunday Akinya und Jitendra Gupta sind beide noch am Leben. Sie selbst wurden vor etwa zweihundert Jahren in der ehemals Überwachungsfreien Zone auf dem Mond geboren. Wollen Sie das bestreiten?«

»Warum sollte ich?«

Mecufi salbte sich mit einem nach Lavendel duftenden Öl aus einem kleinen Spender, bevor er fortfuhr: »Sie hatten eine sorgenfreie Kindheit und lebten in wohlhabenden Verhältnissen, in einer Zeit, die geprägt war von weltweitem Frieden und positivem gesellschaftlichem und technologischem Wandel. Es gab keine Kriege, keine Armut und so gut wie keine Krankheiten. Sie konnten sich überaus glücklich preisen – Milliarden von Toten hätten jederzeit mit Ihnen getauscht. Dennoch stellten Sie beim Eintritt ins Erwachsenenalter eine innere Leere bei sich fest. Es fehlte Ihnen an Orientierung, an festen moralischen Richtwerten. Mit diesem Namen aufzuwachsen war nicht leicht. Ihre Eltern, Großeltern und Urgroßeltern hatten Berge versetzt. Eunice hatte das Sonnensystem für die Besiedlung und die kommerzielle Nutzung erschlossen. Sunday und Ihre anderen Verwandten eröffneten den Weg zu den Sternen! Was blieb für Sie an Vergleichbarem zu tun?«

Chiku verschränkte die Arme. »Sind Sie fertig?«

»Noch lange nicht. Das ist das Problem mit unserer Langlebigkeit – es gibt so unglaublich viel zu berichten.«

»Vielleicht sollten Sie allmählich doch zum Punkt kommen.«

»Als Sie fünfzig Jahre alt waren, gelangte eine neue Technologie zur Reife, und Sie trafen eine folgenschwere Entscheidung. Sie beauftragten die Firma Quorum Binding, mit dem Verfahren der beschleunigten Phänotypisierung zwei Klone von Ihnen herzustellen. Die Klone waren nach wenigen Monaten physisch vollkommen ausgeformt, dämmerten aber nur als leere Leinwände vor sich hin. Sie hatten zwar Ihr Gesicht, aber weder Ihre Erinnerungen noch Ihre Narben. Sie waren nicht von den Spuren Ihres Lebens gezeichnet, Ihre persönliche Entwicklungs- und Immungeschichte war nicht vorhanden. Doch das war Teil des Plans.

Während die Klone heranreiften, wurde Ihr eigener Körper einer Strukturanpassung unterzogen. Medizinische Nanomaschinen fraßen sich bis in den Kern Ihrer Weiblichkeit in Sie hinein. Sie nahmen Ihre Knochen, Ihre Muskeln und Ihr Nervensystem auseinander und setzten alles neu zusammen, bis Sie genetisch und funktional nicht mehr von Ihren Klonschwestern zu unterscheiden waren. Eine Front von Neuralmaschinen fegte wie ein Buschfeuer durch Ihr Gehirn und zeichnete Ihr idiosynkratisches Konnektom auf – ein detailliertes Abbild Ihrer mentalen Verkabelung. Gleichzeitig prägten ähnliche Maschinen – sogenannte Skriptoren – genau dieses Abbild dem Bewusstsein Ihrer Schwestern auf. Deren Geist war dem Ihren von jeher ähnlich gewesen, doch nun waren sie identisch – bis hinunter zur Gedächtnisebene. Woran Sie sich erinnerten, das wussten auch die beiden anderen. Der Prozess war eine Art von stochastischer Mittelung. Einige der natürlichen Strukturen Ihrer Schwestern wurden sogar in Ihren Kopf zurücktranskribiert. Als am Ende alle drei aus den Immersionsbehältern geholt wurden, konnte man sie tatsächlich nicht mehr unterscheiden. Sie sahen gleich aus und dachten gleich. Die telomere Uhr in Ihren Zellen war auf null gestellt worden. Epigenetische Faktoren hatte man korrigiert und zurückgesetzt. Da Sie alle Zugriff auf dieselben Erinnerungen hatten, konnten Sie nicht einmal mehr selbst sagen, wer von Ihnen das Original war. Genau das war beabsichtigt: Keine Schwester sollte bevorzugt werden. Nicht einmal in der Firma Quorum Binding, die den Auftrag ausgeführt hatte, wusste man noch, wer von Ihnen authentisch war. Es war ein rigoroses Blindverfahren. Die Kunden erwarteten nichts anderes.«

»Und was haben Sie nun damit zu tun …?«

»Wir haben uns immer mit Ihnen beschäftigt, Chiku, ob es Ihnen gefällt oder nicht. Erzählen Sie mir, wie die Einzelschicksale ausgewählt wurden.«

»Warum?«

»Weil das der einzige Teil der Geschichte ist, auf den ich keinen Zugriff habe.«

Sechs Monate nach Abschluss des Klon-Verfahrens hatten sich die drei in Äquatorial-Ostafrika wiedergetroffen. Es war ein warmer Tag gewesen, und sie hatten beschlossen, mit drei Airpods zu einem Picknick aufzubrechen. Nach einem schnellen Flug dicht über dem Boden hatten sie einen geeigneten Platz ausfindig gemacht. Noch jetzt sah Chiku im Geiste die Airpods auf dem Boden und den gedeckten Tisch im schwülen Schatten eines Kandelaberbaums. Aus einer Laune heraus hatten sich die drei darauf geeinigt, ihre Schicksale durch Brotbrechen zu bestimmen. Die Brotlaibe enthielten farbige Papierlose, über deren Bedeutung sie sich im Vorhinein verständigt hatten. Zwei der Schwestern sollten sich getrennt voneinander auf Reisen begeben, die mit gewissen Risiken verbunden waren. Die dritte Schwester sollte als eine Art Rückversicherung im Sonnensystem bleiben. Von ihr wurde lediglich verlangt, dass sie ein halbwegs behütetes Leben führte. Da die Erträge des Familienunternehmens immer noch exponentiell anwuchsen, würde diese dritte Schwester nur zu arbeiten brauchen, wenn sie das selbst wollte.

Insgeheim wünschte sich...

Erscheint lt. Verlag 13.3.2017
Reihe/Serie Poseidons Kinder
Übersetzer Irene Holicki
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel On the Steel Breeze
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Alastair Reynolds • eBooks • Familiensaga • Ferne Galaxien • Fremde Welten • Raumschiffe • Science Fiction • Zukunftstechnologie
ISBN-10 3-641-18616-1 / 3641186161
ISBN-13 978-3-641-18616-6 / 9783641186166
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