Das Mädchen aus Herrnhut (eBook)

Roman.
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2016 | 1. Auflage
464 Seiten
Gerth Medien (Verlag)
978-3-96122-008-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Mädchen aus Herrnhut -  Elisabeth Büchle
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Der Historiker Daniel Ritter ist fasziniert von einer Holzfigur, die ein junges Mädchen mit Umhang darstellt. Denn diese Figur gibt einige Rätsel auf. Ihre Spur führt zurück bis ins Mittelalter und sie ist gesäumt von mysteriösen Todesfällen und seltsamen Verstrickungen. Was verbindet Luise, eine Frau, die im 18. Jahrhundert in der Herrnhuter Gemeinschaft lebte, mit der jungen, modernen Lehrerin Emma Fischer? Daniel, der schon bald auch von Emma fasziniert ist, macht sich gemeinsam mit ihr an die Nachforschungen. Doch dann geraten beide in große Gefahr ... Ein vielschichtiger Roman, der in das historische Herrnhut entführt.

Elisabeth Büchle hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und wurde für ihre Arbeit schon mehrfach ausgezeichnet. Ihr Markenzeichen ist die Mischung aus gründlich recherchiertem historischen Hintergrund, abwechslungsreicher Handlung und einem guten Schuss Romantik. Sie ist verheiratet, Mutter von fünf Kindern und lebt im süddeutschen Raum. www.elisabeth-buechle.de © Foto: Claudia Toman, Traumstoff

Elisabeth Büchle hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und wurde für ihre Arbeit schon mehrfach ausgezeichnet. Ihr Markenzeichen ist die Mischung aus gründlich recherchiertem historischen Hintergrund, abwechslungsreicher Handlung und einem guten Schuss Romantik. Sie ist verheiratet, Mutter von fünf Kindern und lebt im süddeutschen Raum.

Kapitel 2

Luise zitterte vor Kälte. Ihre Schritte wurden immer kleiner. Längst schon hatte sie kein Gefühl mehr in ihren Händen, und immer wieder rang sie mit sich selbst, ob sie ihr Gepäckstück nicht einfach im frisch gefallenen Neuschnee liegen lassen sollte.

Doch sie klammerte sich daran fest, als würde sie ohne diesen Halt in dem weißen, eisigen Meer, das sich um sie herum ausbreitete, ertrinken.

Unter ihren durchnässten Stiefeln wirbelte der vom Mondlicht bläulich beschienene Schnee auf, und die Bäume ragten dunkel vor ihr in die Höhe auf, als wollten sie sich ihr in den Weg stellen.

Es war die fünfte Nacht ihrer Reise. Die zweite Nacht, in der sie nicht schlief, und der Hunger in ihrem Inneren rumorte.

Sehnsüchtig betete sie den neuen Tag herbei, damit sie wenigstens etwas sehen konnte. Vielleicht gab es in der Nähe einen Bauernhof, auf dem sie gegen Arbeit um eine kleine Mahlzeit und ein paar Stunden Schlaf in einem Stall bitten konnte. Sie hatte Leipzig, Wurzen, Riesa und Großenhain hinter sich gebracht. Jetzt, so schätzte sie, musste sie in der Nähe von Bautzen sein, doch was brachte ihr dieses Wissen, wenn sie nicht endlich einen Platz fand, an dem man ihr einen Unterschlupf gewährte? Ob sie in Bautzen starb oder irgendwo sonst – was machte das schon für einen Unterschied?

Luise taumelte und stieß gegen eine junge Tanne. Der noch schlanke, biegsame Stamm wehrte sich gegen die rüde Behandlung, indem er seine kalte weiße Fracht auf die erschöpfte Frau entlud. Der weiße Schneenebel hüllte sie ein und kroch ihr kalt und nass unter den Kragen, um eisige Tropfen über ihren Nacken und den Rücken hinunterrinnen zu lassen.

Luise erschauderte. Bewegungslos blieb sie stehen. Sie konnte nicht mehr. Ihre Beine zitterten unkontrolliert und schließlich knickten ihre Knie ein. Sie fiel hin und der pulvrige Schnee stob in die Höhe. Wie ein Leichentuch legte er sich auf sie, als sie bewegungslos liegen blieb.

* * *

Etwas ungeheuer Scharfes, Beißendes rann in ihren Mund und ihre Kehle hinunter. Es schmeckte ekelhaft, doch genau das erweckte ihre Sinne zu neuem Leben. Weit riss sie ihre Augen auf, sie würgte und hustete. Ein paar kräftige, behandschuhte Hände hielten sie an den Oberarmen fest, um sie aufrecht zu halten.

Ihr war schrecklich kalt. Sie bebte am ganzen Leib und konnte nur mühsam ihre Augen offen halten. Dennoch nahm sie zwei Männergesichter wahr, die sie besorgt ansahen.

„Was meinst du, Bruder Christian?“, fragte einer der beiden. Er hatte eine sehr prägnante Nase und trug einen guten Reisemantel über den Schultern.

„Wir haben sie gerade noch rechtzeitig entdeckt, Bruder Lutz.“

„Gottes Bewahrung!“, sagte der Erste nun wieder, bevor er sich aus der Hocke erhob, und es klang wie ein Dankgebet.

Waren diese Worte der Grund, weshalb Luise zuließ, dass der andere fremde Mann sie einfach auf die Arme nahm und zu einer vornehmen Kutsche trug? Oder lag es an ihrer völligen Erschöpfung und der Gleichgültigkeit, die Besitz von ihr ergriffen hatte und jeden Wunsch zur Gegenwehr fortwischte, wie der Wind den losen Schnee vor sich hertrieb?

Als sie vorsichtig auf die weich gepolsterte Bank in der Kutsche gesetzt wurde, war sie sogar zu schwach, um sich aufrecht zu halten, sodass ihre Schulter und ihr Kopf gegen die hölzerne Kutschwand rutschten. Der Mann, der sie getragen hatte, hüllte sie in eine dicke, warme Reisedecke. Während Luise teilnahmslos sein Tun beobachtete, stellte sie fest, dass er intensiv nach Feuchtigkeit und Pferd roch.

Nachdem er das schaukelnde Gefährt verlassen hatte, setzte sich der besser gekleidete Mann ihr gegenüber auf die Bank. Er schenkte ihr ein kurzes, aber freundliches Lächeln, ehe er sich ebenfalls in eine Decke hüllte. Luise wollte auf ihre Tasche hinweisen, die noch draußen im Schnee liegen musste – immerhin enthielt sie ihren ganzen Besitz, abgesehen von den Sachen in ihrer Kiste, die sich noch in Halle befand –, doch ihr heftiges Zähneklappern hinderte sie am Sprechen.

Jemand machte sich hinten an der Kutsche zu schaffen. Ob der Kutscher ihre Reisetasche doch noch entdeckt hatte und sie jetzt auflud? Und wenn nicht, ist es jetzt auch gleich, dachte sie und schloss ermattet die Augen. Wie konnte man sich nur so schwach und ausgeliefert fühlen wie sie im Augenblick?

Das Gefährt neigte sich leicht zur Seite, als sich jemand auf den Kutschbock schwang.

Langsam öffnete sie ihre schweren Lider und musterte den Fremden ihr gegenüber. Er wirkte gepflegt und vornehm. Sie war überrascht festzustellen, dass er sie – so schmutzig und durchnässt, wie sie war – mitleidsvoll, ja sogar besorgt ansah.

Die Kutsche fuhr sanft an, dennoch hatte Luise Mühe, sich auf ihrer Bank zu halten. Einen Augenblick kämpfte sie um ihr Gleichgewicht, und als sie endlich wieder aufrecht saß, war sie einer Ohnmacht nahe.

„Wie heißt du?“, erkundigte sich der Mann bei ihr.

Luise gelang es trotz intensiver Bemühungen nicht, ihre Augen offen zu halten, und schließlich hörte sie auf, gegen ihre schweren Lider anzukämpfen. „Luise“, flüsterte sie mit bebenden Lippen.

„Nur Luise?“, fragte er, und sie konnte anhand seiner Stimme erahnen, dass er dabei lächelte.

„Ja.“ Ihre Zähne klapperten so heftig aufeinander, dass sie nicht mehr zu sagen wagte. Außerdem fühlte sie sich dazu viel zu erschöpft. Sie wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden und schlafen – gleichgültig, wohin die beiden Männer sie bringen würden.

* * *

Als Luise die Augen aufschlug, saß sie nicht mehr aufrecht und ihr Kopf ruhte auf dem Schoß des Mannes.

Wann hatte er sich neben sie gesetzt? Und wieso lag sie hier?

Erschrocken wollte sie sich aufrichten, doch die ruckartige Bewegung jagte unerträgliche Schmerzwellen durch ihren Kopf. „Bitte entschuldigen Sie“, stammelte sie, während sie sich langsam aufsetzte, obwohl der Schwindel in ihrem Kopf sie in einen schwarzen Strudel hineinzureißen drohte.

„Entschuldigen Sie, Luise. Ich wollte Sie nicht erschrecken, doch ich befürchtete, dass Sie auf den Boden fallen würden.“

„Danke. Vielen Dank für Ihre Hilfe.“ Luise wollte noch viel mehr hinzufügen. Sie hätte gerne gewusst, wer dieser Herr war und wohin sie fuhren. Aber sie fühlte sich noch immer zu elend, auch wenn ihr nun nicht mehr so entsetzlich kalt war.

„Wir sind gleich in Herrnhut, Luise. Dort können Sie sich erst einmal aufwärmen und erholen.“

„Herrnhut?“, flüsterte sie und schloss erleichtert die Augen. Sie würde ihr Ziel erreichen! In diesem Moment kam es ihr vor, als würde sie jetzt schon die himmlische Pforte durchschreiten und ins Paradies eintreten dürfen, so schön und sicher hörte sich der Name dieser Ortschaft an: unter der Hut des Herrn. Allerdings fühlte sie sich so schwach, dass sie daran zweifelte, ob sie sich tatsächlich von dem Marsch, der hinter ihr lag, erholen würde. Aber im Augenblick war ihr das gleichgültig.

„Und Sie werden gesund werden und wieder zu Kräften kommen, Luise. Denn ich glaube fest, dass Gott mit Ihnen noch etwas Besonderes vorhat. Sonst hätte er nicht das Unmögliche möglich gemacht, dass Bruder Christian Sie in der Dunkelheit und unter der Schneeschicht, die Sie bedeckte, entdecken konnte.“

Kurze Zeit später änderte sich der Untergrund, wie am Geräusch der Räder zu erkennen war. Der Wagen rollte jetzt gleichmäßiger dahin – ein Zeichen dafür, dass sie in eine sorgfältig gepflegte Straße eingebogen waren. Schließlich hallten die Huftritte der Pferde laut von der Wand eines großen Gebäudes wider, und die Kutsche fuhr einen kleinen Bogen, ehe sie stoppte.

Der Mann erhob sich, um wieder auf der gegenüberliegenden Bank Platz zu nehmen. Luise senkte beschämt den Kopf. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie sehr sie sich noch gegen den Körper des Mannes gelehnt hatte.

Draußen wurden Stimmen laut. Trotz der sehr frühen Morgenstunde waren schon viele Menschen auf den Beinen und jemand rief laut: „Der Herr Graf ist zurück!“

Luise blickte ihr Gegenüber erschrocken an. Während das Fahrzeug heftig schaukelte, als der Kutscher abstieg, blieb der Mann in aufrechter Haltung sitzen und schaute an den Vorhängen des Fensters vorbei in den frischen Morgen. Ein Lächeln lag auf seinem Gesicht. Er schien sich zu freuen, diese einfachen Menschen, die dort draußen zusammenliefen, zu sehen.

Der Graf? War das tatsächlich der Gründer Herrnhuts, Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf? Und sie hatte es gewagt, sich an ihn zu lehnen, ja, sogar ihren Kopf auf seinen Schoß zu betten, um zu schlafen?

Entsetzt über diese Erkenntnis schlug Luise ihre kalten, zitternden Hände vor ihr Gesicht und wünschte sich, sich ganz klein machen zu können.

In diesem Moment öffnete der Kutscher schwungvoll die Tür und klappte den Tritt aus.

„Bruder Christian, wenn du dich bitte um Luise kümmern würdest. Sie kommt unter die...

Erscheint lt. Verlag 13.6.2016
Verlagsort Asslar
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Herrnhuter Gemeinschaft • Historischer Roman • Mittelalter
ISBN-10 3-96122-008-5 / 3961220085
ISBN-13 978-3-96122-008-3 / 9783961220083
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