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Heidegger und die christliche Tradition (eBook)

Annäherung an ein schwieriges Thema
eBook Download: PDF | EPUB
2007 | 1. Auflage
288 Seiten
Felix Meiner Verlag
978-3-7873-3114-7 (ISBN)
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Heideggers abfällige Bemerkungen zur christlichen Theologie, auch zur 'pseudotheologischen Luft' an der Nachkriegsuniversität, die ihm sehr zu schaffen mache, lassen die pointierte Deutung von Heideggers unausgesprochenen Absichten bedenkenswert erscheinen: »Indem er [Heidegger] sich gegen das kirchliche System der Heilssicherung wandte, glaubte er vielleicht selber noch 'christlicher' zu sein als die offizielle Theologie« (Jean Grondin). Hans-Georg Gadamer sah hinter Heideggers Versuch der Destruktion der abendländischen Philosophie »das alte, wohlbezeugte Anliegen Heideggers an der originären christlichen Botschaft«. Heideggers Beziehung zum christlichen Glauben war - nach der anfangs klaren Zustimmung - in seiner mittleren Zeit gestört und in seinen späteren Jahren schwankend und zwiespältig geworden. Aber das tiefe Interesse an der Aneignung der christlichen Tradition ist aus seinen Schriften und Vorlesungen, aus Briefen, Seminarprotokollen und Berichten belegt. Das 2006 veranstaltete Mainzer Symposion zum 30sten Todestag Heideggers galt der Erörterung seiner Beziehung zur christlichen Überlieferung an ausgewählten Stationen seines Denkwegs. Heidegger selbst hat die Frage nach seiner 'Herkunft' aus dem Christlichen ausdrücklich bejaht. Neu publizierte Texte in der 'Ausgabe letzter Hand' förderten bisher unbeachtete Perspektiven ans Licht, die zu einem klareren Bild führen. Bereits in seiner frühen Vorlesung Phänomenologie der Anschauung und des Ausdrucks (1920) verkündete Heidegger programmatisch: »Es besteht die Notwendigkeit einer prinzipiellen Auseinandersetzung mit der griechischen Philosophie und der Verunstaltung der christlichen Existenz durch sie. Die wahrhafte Idee der christlichen Philosophie; christlich keine Etikette für eine schlechte und epigonenhafte griechische. Der Weg zu einer ursprünglichen christlichen - griechentumfreien - Theologie«. Der Band nimmt Heideggers Stellung zu den Autoren in den Blick, die für seinen Rekurs auf das christliche Erbe besonders wichtig waren. Hinweis des Verlages. Herrmann Heidegger hat den Verlag aufgefordert, zu dem Beitrag von Otto Pöggeler auf Seite 183 klarzustellen, dass Martin Heidegger seine politische Haltung zu keiner Zeit zu dem Entschluß geführt habe, »aus dem Leben zu scheiden«. Diese Behauptung sei unseriös und nicht zu begründen. Wir kommen dem Wunsch von Herrmann Heidegger hiermit nach.

– FRIEDRICH-WILHELM VON HERRMANN

Faktische Lebenserfahrung und urchristliche Religiosität


Heideggers phänomenologische Auslegung Paulinischer Briefe


1. Die wahrhafte Idee der christlichen Philosophie und die echte Religionsphilosophie


In Heideggers Früher Freiburger Vorlesung vom Sommersemester 1920 Phänomenologie der Anschauung und des Ausdrucks heißt es programmatisch (GA 59,91): »Es besteht die Notwendigkeit einer prinzipiellen Auseinandersetzung mit der griechischen Philosophie und der Verunstaltung der christlichen Existenz durch sie. Die wahrhafte Idee der christlichen Philosophie; christlich keine Etikette für eine schlechte und epigonenhafte griechische. Der Weg zu einer ursprünglichen christlichen – griechentumfreien – Theologie.« Dieses Programm der wahrhaften Idee der christlichen Philosophie erhält schon in der Vorlesung des anschließenden Wintersemesters 1920/21 Einleitung in die Phänomenologie der Religion seine erste entscheidende Ausführung. Diese Vorlesung endet mit der abschließenden Bestimmung (GA 60,124): »Die echte Religionsphilosophie entspringt nicht vorgefaßten Begriffen von Philosophie und Religion. Sondern aus einer bestimmten Religiosität – für uns der christlichen – ergibt sich die Möglichkeit ihrer philosophischen Erfassung.«

Diese beiden bedeutsamen Zitate Heideggers sprechen aus einem denkerischen Weg, der im Kriegsnotsemester 1919 mit der Vorlesung Die Idee der Philosophie und das Weltanschauungsproblem deutlich faßbar einsetzt (vgl. GA 56/57). Wie die Wendung ›Die Idee der Philosophie und das Weltanschauungsproblem‹ anzeigt, erfolgt hier ansatzmäßig eine Neubestimmung des Wesens und d. h. eine neue Grundlegung der Philosophie nach ihrem Gegenstand und ihrer Methode: Philosophie als Urwissenschaft vom vor- oder atheoretischen Umweltleben und -erleben, deren methodisches Vorgehen zur erstmaligen Gewinnung dieses vortheoretischen Umweltlebens die aus der Abgrenzung gegen die reflexiv-theoretische Phänomenologie Edmund Husserls entspringende hermeneutische Phänomenologie ist.1 In der Vorlesung vom Wintersemester 1919/20 Grundprobleme der Phänomenologie kennzeichnet Heidegger die hermeneutisch-phänomenologische Philosophie als Ursprungswissenschaft vom faktischen Leben, das er in unserer religionsphänomenologischen Vorlesung bereits ›faktisches Dasein‹ nennt (GA 58,65 ff.).

Was 1919 als Idee der Philosophie thematisch und methodisch neu grundgelegt wird, ist der Ansatz der hermeneutischen Phänomenologie des Daseins von Sein und Zeit. Aus dem faktischen Leben oder Dasein sollen alle philosophischen Fragen und somit auch die philosophische Gottesfrage neu gestellt werden. Von hier aus zeigt sich für Heidegger auch ein neuer, ein anderer Weg für die christliche Theologie.

Die in zwei Teile gegliederte Vorlesung Einleitung in die Phänomenologie der Religion entfaltet in ihrem ersten Teil (GA 60,1 – 66)2 Grundstücke aus der schon in den vorangegangenen Vorlesungen ausgearbeiteten hermeneutischen Phänomenologie des faktischen Lebens und der faktischen Lebenserfahrung. Im zweiten Teil (GA 60,67 – 125) erfolgt dann auf diesem Ursprungsboden in hermeneutisch-phänomenologischer Zuwendung zum Galaterbrief und zu den beiden Thessalonicherbriefen des Paulus unter gelegentlicher Heranziehung des Römerbriefes und der beiden Korintherbriefe eine Auslegung der urchristlichen Lebenserfahrung als eine konkrete Gestalt faktischer Lebenserfahrung.

Die in ihrem Wesen grundlegend neu zu bestimmende Philosophie ›entspringt der faktischen Lebenserfahrung‹ (8), indem sie ihren Weg durch die faktische Lebenserfahrung bahnt. Aber der Sinn des faktischen Lebens und Daseins läßt sich nicht mit den bisherigen philosophischen Mitteln fassen. Durch die Auslegung des faktischen Lebens wird »das gesamte traditionelle Kategoriensystem gesprengt […]: so radikal neu werden die Kategorien des faktischen Daseins sein« (54). Das in der faktischen Lebenserfahrung Erfahrene, das Gehaltliche dieser Erfahrung, ist »Welt«, aber nicht als Objekt der Erkenntnis, sondern als das, »worin man leben kann« (11), Lebenswelt. Welt als das Worin des Lebens zeigt den Seinscharakter der »Bedeutsamkeit« (13), im Sinne nicht der besonderen Wichtigkeit, sondern des Bedeutungshaften. Welt als Bedeutsamkeit gliedert sich dreifach nach »Umwelt« (die Dinge und dinglichen Geschehnisse, die uns in ihrem Bedeutungshaften begegnen), die »Mitwelt« (die Mitmenschen in ihren bestimmten Charakterisierungen) und die »Selbstwelt« (das Bedeutungshafte, in dem mein Selbst verfaßt ist) (11). Das faktische Leben vollzieht sich in drei Sinnrichtungen, deren eine auf den erfahrenen weltlichen bzw. bedeutungshaften Gehalt, auf die Bedeutsamkeitswelt, gerichtet ist und der »Gehaltssinn« (63) ist. Die Weise, wie wir im faktischen Leben auf die umweltlichen, mitweltlichen und selbstweltlichen Bedeutsamkeiten bezogen sind, ist der »Bezugssinn« (63) mit seiner Struktur der »Bekümmerung« (52). Wie aber der Bezugssinn seinerseits vollzogen wird, das so oder so vollzogene Wie des Bezugssinnes, ist der »Vollzugssinn« (63). Der Gehaltssinn entspricht dem Weltverständnis, der Bezugssinn dem Sorgecharakter und der Vollzugssinn den beiden Grundmöglichkeiten der Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit des Daseins in Sein und Zeit. Hermeneutisch-phänomenologische Auslegung des faktischen Lebens und dessen Erfahrung besagt daher, die faktische Lebenserfahrung nach deren drei Sinnrichtungen durchsichtig zu machen. Der faktische Lebensvollzug ist an ihm selbst und aus ihm selbst heraus »historisch«, d. h. geschichtlich. Es ist »das Historische, wie es uns im Leben begegnet« (32), nicht das uns sonst bekannte Historische aus der Geschichtswissenschaft. Dieses Historische ist »unmittelbare Lebendigkeit« (33), die Lebendigkeit des faktischen Lebensvollzuges in dessen drei Sinnrichtungen. Das faktische Leben selbst ist der Ursprung des Geschichtlichen. Der »Objekts-Begriff des Historischen« (36) ist für das Verständnis der Geschichtlichkeit des faktischen Lebensvollzuges abzublenden. So wie das faktische Leben aus ihm selbst geschichtlich lebt, so lebt es auch aus ihm selbst zeitlich. Der Ursprung der Zeit liegt in der sich zeitigenden »Zeitlichkeit« (65) der faktischen Lebenserfahrung. Daher muß gefragt und durch Auslegung des Sichzeitigens des faktischen Lebens bestimmt werden, was diese Zeitlichkeit ist, was in der faktischen Lebenserfahrung »Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft« (65) besagen, wie sich das faktische Selbst in seinem Lebensvollzug zu Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart verhält.

Damit sind Grundstrukturen des faktischen Lebens und seines Erfahrens gehoben, in denen sich auch die urchristliche Lebenserfahrung des Neuen Testaments vollzieht, so daß die in den Paulinischen Briefen sich aussprechende christliche Lebenserfahrung auf jene Grundstrukturen hin philosophisch im Sinne der echten Religionsphilosophie ausgelegt werden kann.

2. Hermeneutisch-phänomenologische Auslegung dreier Paulinischer Briefe auf dem Boden der faktischen Lebenserfahrung


Heidegger betont, er beabsichtige in seiner Zuwendung zu den Paulinischen Briefen keine dogmatische oder theologisch-exegetische Interpretation, sondern »lediglich eine Anleitung zum phänomenologischen Verstehen« (67). »Erst mit dem phänomenologischen Verstehen öffnet sich ein neuer Weg« für die echte Religionsphilosophie und »für die Theologie« (67). Das lediglich formal anzeigende phänomenologische und in diesem Sinne philosophische Verstehen beabsichtigt »nur den Zugang zu eröffnen zum Neuen Testament« (67).

Zunächst komme es darauf an, »ein allgemeines Verständnis des Galaterbriefes« zu gewinnen, um dann von diesem her »in die Grundphänomene des urchristlichen Lebens vorzudringen« (68). Heidegger gliedert den Galaterbrief in drei Teile: 1. »Erweis der Eigenständigkeit von Pauli apostolischer Sendung und seiner Berufung durch Christus«, 2. »Auseinandersetzung zwischen Gesetz und Glaube«, 3. »Christliches Leben im Ganzen, seine Motive und seine inhaltlichen Tendenzen«. Die »phänomenologische Situation« im Galaterbrief ist Paulus im religiösen Kampf mit den Juden und Judenchristen, Paulus »mit seiner religiösen Leidenschaft in seiner Existenz als Apostel« (68) im Kampf »zwischen ›Gesetz‹ und ›Glaube‹« (68). Durch...

Erscheint lt. Verlag 20.2.2007
Reihe/Serie Blaue Reihe
Blaue Reihe
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Philosophie der Neuzeit
Schlagworte Christentum • Existenzphilosophie • Heidegger • Martin • Phänomenologie • Theologie
ISBN-10 3-7873-3114-X / 378733114X
ISBN-13 978-3-7873-3114-7 / 9783787331147
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