Das Gesicht meines Mörders (eBook)

Psychothriller
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
320 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-57391-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Gesicht meines Mörders -  Sophie Kendrick
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Sie muss sich erinnern, um zu überleben. Als Clara aus dem Koma erwacht, ist ihr bisheriges Leben wie ausgelöscht. Sie erinnert sich weder an ihren eigenen Namen noch an ihren Ehemann, den Schriftsteller Roland Winter. Auch nicht an den Einbrecher, der sie niedergeschlagen haben soll. Freunde scheint sie keine zu haben - Roland ist ihre einzige Verbindung zur Vergangenheit. Mit seiner Hilfe wagt Clara einen Neuanfang. Bis jemand versucht, sie umzubringen. Und die junge Frau begreift, dass sie sich erinnern muss, um zu überleben. Schritt für Schritt rekonstruiert Clara ihr Leben und stößt auf eine geheimnisvolle Frau, mit der sie am Tag des Unglücks verabredet war. Und die seither spurlos verschwunden ist. «Liebling!» Ein Strahlen breitet sich auf dem Gesicht des Mannes aus. Er hat überraschend helle blaue Augen. «Wie fühlst du dich?» Liebling. Ich starre ihn an. Ich habe ihn noch nie im Leben gesehen. Zahllose Fragen liegen mir auf der Zunge. Wer sind Sie? Was machen Sie hier? Was ist mit mir passiert? Doch als ich den Mund öffne, bringe ich nur ein heiseres Krächzen zustande. Der Mann beugt sich vor. «Das kommt von den Schläuchen», sagt er mit sanfter Stimme. «In ein paar Tagen ist das abgeheilt.» Er sieht mich besorgt an. «Erinnerst du dich ...?» Ich schüttele den Kopf. Ich muss ihn fragen, wer er ist. Mein Freund? Mein Mann? Mein Bruder? «Wer ...?» Noch während ich das Wort krächze, fällt mir eine viel wichtigere Frage ein. «Wer bin ich?» Der Mann starrt mich an. «Du - du weißt nicht ...?» Ich bewege den Kopf hin und her. «Dein Name ist Clara Winter. Du bist meine Frau. Wir sind seit zwei Jahren verheiratet. Ich bin Roland Winter. Wir leben in Berlin. Ich bin Schriftsteller, und du ...» Ich schließe die Augen. Am liebsten würde ich mir die Ohren zuhalten und laut «Halt» schreien, doch dazu habe ich nicht die Kraft. Zu viele Informationen auf einmal. Als würde ich von einem Güterzug voller Wörter überrollt. Clara Winter. Der Name sagt mir nichts. Ich spüre ihn nicht. Kann es passieren, dass man sich selbst vergisst?

Sophie Kendrick lebte in verschiedenen europäischen Ländern, unter anderem in Großbritannien, wo sie englische Literatur studierte und über die Schwestern Brontë forschte. Sie arbeitete in einer Agentur für Buchprojekte und als Ghostwriterin, bevor sie ihren ersten eigenen Roman schrieb.

Sophie Kendrick lebte in verschiedenen europäischen Ländern, unter anderem in Großbritannien, wo sie englische Literatur studierte und über die Schwestern Brontë forschte. Sie arbeitete in einer Agentur für Buchprojekte und als Ghostwriterin, bevor sie ihren ersten eigenen Roman schrieb.

Zweifel


Ich komme erst wieder richtig zu mir, als ich neben Roland auf dem Mäuerchen vor dem Einkaufszentrum sitze. Ich zittere am ganzen Leib. Roland hat seine Jacke um mich gelegt, die Tüten sind säuberlich vor unseren Füßen aufgereiht. Der Lkw ist längst weitergefahren, auch die Menschenmenge hat sich zerstreut.

Meine neue Jeans ist von oben bis unten voll Matsch, mein Unterarm aufgeschrammt, aber das ist nichts gegen die Angst, den Verstand zu verlieren, ihn schon längst verloren zu haben.

«Meinst du, du schaffst es bis zum Auto?», fragt Roland.

«Ich denke schon.»

Mit seiner Hilfe humple ich zum Mercedes. Mein Bein schmerzt bei jedem Schritt, der aufgeschürfte Unterarm brennt, aber ich lasse mir nichts anmerken. Erleichtert atme ich auf, als ich mich endlich auf den Beifahrersitz fallen lassen kann.

Schweigend fahren wir zur Anlegestelle. Roland bleibt hinter dem Steuer sitzen, nachdem er den Motor ausgemacht hat, und starrt vor sich hin. Hinter seiner Stirn arbeitet es.

Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen. «Jemand hat … es hat sich so angefühlt …», stammle ich, «… als hätte mich jemand gestoßen.»

«Ich weiß», sagt Roland. «Ich habe es gesehen.» Er schlägt mit der Faust aufs Lenkrad.

Ich starre ihn an. «Du hast gesehen, wie jemand mich auf die Straße gestoßen hat?» Mir fällt ein Stein vom Herzen. «O Gott! Ich dachte schon, ich hätte es mir nur eingebildet!»

«Nein, das hast du nicht, Liebes.» Er streicht mir über die Wange, dann lässt er die Hand sinken, blickt wieder geradeaus. «Ich verstehe nur nicht …»

«Was?»

Er sieht mich an. «Der Typ trug einen dunklen Kapuzenpulli.»

Ich schließe die Augen. «Jemand mit Kapuzenpulli ist mir im Einkaufzentrum aufgefallen. Ich hatte den Eindruck, dass er mir folgt.»

«Hast du sein Gesicht gesehen?»

«Nein.»

«Mist.» Roland fährt sich durch die Haare.

«Hast du gesehen, wohin er geflüchtet ist, nachdem er mich gestoßen hat?»

«Ich habe nur auf dich geachtet. Bis ich sicher war, dass du unverletzt bist. Als ich mich dann umgeschaut habe, war er längst weg. Ich habe die Leute gefragt, die dir aufgeholfen haben, auch den Fahrer des Lkw. Keinem sonst ist er aufgefallen.»

«Meinst du, es gibt ihn doch, den Stalker?», frage ich hoffnungsvoll. «Den Mann, der schon einmal versucht hat, mich zu töten?» Plötzlich erscheint mir die Aussicht, dass jemand hinter mir her ist, beinahe verheißungsvoll. Alles ist besser, als geisteskrank zu sein.

Roland sieht mich lange an. «Nein, das glaube ich nicht.»

«Aber wer war es dann?»

«Ich habe da einen anderen Verdacht.» Er fasst mich am Kinn, sieht mir tief in die Augen. «Ruf dir den Typ noch mal in Erinnerung: Könnte es auch eine Frau gewesen sein?»

 

Gestern habe ich in mein Tagebuch gezeichnet, statt aufzuschreiben, was geschehen ist. Es fiel mir leichter, als alles in Worte zu fassen. Ich habe den Kerl – oder die Frau – mit dem Kapuzenpulli gezeichnet und mich gewundert, wie gut es mir gelungen ist. Am liebsten hätte ich Roland die Skizze gezeigt und ihn gefragt, ob er die Person genau so in Erinnerung hat, aber dann habe ich mich gescheut. In dem Tagebuch stehen so viele persönliche Dinge, es ist das einzige bisschen Ich, das mir ganz allein gehört.

Gleich bekommen wir Besuch, die beiden Polizisten aus Berlin haben sich angekündigt. Roland hat sie angerufen und ihnen erzählt, was passiert ist. Dieser Mirko Rossbach war wohl sauer, weil wir nicht gleich die Polizei vor Ort verständigt haben. Aber was hätte die schon tun können?

Ich höre einen Motor, springe vom Sofa auf und trete vor die Hütte. Mein Bein tut beim Laufen noch immer etwas weh. Roland steht schon am Steg und hilft den beiden, das Boot zu vertäuen. Kein altmodischer Holzkahn, sondern ein schnittiges Motorboot, auf dem in großen Lettern POLIZEI steht.

«Nett einsam haben Sie es hier», sagt Rossbach.

Jan Colbe sagt gar nichts, nickt mir nur zu.

Wir setzen uns in die Essecke. Rossbach fragt uns, ob er das Gespräch aufzeichnen darf, dann legt er ein Diktiergerät auf den Tisch.

«Ist Ihre Erinnerung inzwischen zurückgekehrt?», fragt er mich.

«Nein.»

«Dann erzählen Sie mal, was gestern passiert ist.»

Ich berichte stockend. Als ich fertig bin, erzählt Roland, was er beobachtet hat.

«Warum waren Sie nicht bei Ihrer Frau?», fragt Colbe.

«Ich habe mich mit meiner Lektorin getroffen, während sie einkaufen war.»

«Und Sie kamen exakt in dem Moment zurück, als Ihre Frau vor das Fahrzeug gestoßen wurde?»

«Ja.» Roland sieht den Beamten herausfordernd an.

«Und außer dem Kapuzenpulli können Sie nichts zu dem Aussehen des Täters sagen?»

«Nein», sagt Roland. «Aber ich habe einen Verdacht.»

Ich halte die Luft an, obwohl ich bereits weiß, was kommt.

«Was für einen Verdacht?» Colbe sieht plötzlich alarmiert aus.

«Sie wissen ja, was ich beruflich mache», beginnt Roland.

Die beiden Männer nicken, Colbe hebt leicht die Augenbrauen. Ich ahne, was er von einem Mann hält, der Liebesromane schreibt.

«Ich bekomme viel Fanpost», fährt Roland fort. «Vor allem von Frauen. Ausschließlich von Frauen, wenn ich ehrlich bin. Normalerweise sind es E-Mails, manche schicken jedoch auch Briefe an den Verlag. Unsere Privatadresse ist nicht so leicht zu ermitteln. Einige dieser Mails sind … nun ja, sehr schwärmerisch.»

«Fahren Sie fort», sagt Rossbach.

«Die Frauen bilden sich ein, dass ich ihre große Liebe bin, dass wir zusammengehören. Eine Leserin hat mich sogar mal aufgefordert, meine Frau zu verlassen und mit ihr durchzubrennen.»

Colbe sieht Roland scharf an. «Wollen Sie andeuten, dass nicht Ihre Frau gestalkt wird, sondern Sie?»

«Vielleicht handelt es sich um dieselbe Person, und wir haben nicht begriffen, worum es ihr wirklich geht.»

«Aber ich dachte …» Colbe bricht ab und starrt mich an.

Ich weiß, was er sagen wollte: Aber ich dachte, Ihre Frau ist verrückt und bildet sich das alles nur ein.

«Von wie vielen Verdächtigen sprechen wir?», will Rossbach wissen.

«Nicht mehr als drei oder vier. Alle anderen Mails sind absolut harmlos.»

«Wir benötigen Ihren Rechner, um die entsprechenden Frauen zu ermitteln und zu überprüfen.» Colbe macht eine auffordernde Handbewegung.

«Das geht nicht. Ich brauche ihn zum Arbeiten.»

«Wir müssen die Mails analysieren», sagt Colbe in schneidendem Tonfall. «Sie wollen doch auch, dass wir die Person ausfindig machen, die es auf das Leben Ihrer Frau abgesehen hat?»

«Natürlich will ich das!»

Rossbach schaltet sich ein. «Was halten Sie davon, wenn Sie uns den Rechner in den nächsten Tagen vorbeibringen, dann machen unsere Experten aus der IT eine Kopie der Festplatte. Sie können das Gerät dann sofort wieder mitnehmen.»

Roland ist einverstanden. Damit ist das Thema erledigt. Die Polizisten haben keine Fragen mehr, es geht zurück zum Steg. Colbe bleibt zurück, während sein Kollege mit Rolands Hilfe das Boot losmacht.

Als er mich ansieht, fühle ich mich durchschaut, obwohl ich mir keiner Schuld bewusst bin. «Halten Sie es für möglich, dass Ihr Mann eine der Frauen näher kennt?», fragt er leise.

Seine Direktheit schockiert mich. «Wie meinen Sie das?»

Er antwortet nicht, aber das ist auch nicht nötig. Ich weiß genau, was er meint. Ich denke an die Lektorin oder wen auch immer Roland getroffen hat, während ich einkaufen war, und mein Hals wird plötzlich eng.

 

Ich öffne die Schlafzimmertür und spähe auf den Flur. Nach dem Besuch der beiden Polizisten habe ich eine unruhige Nacht hinter mir. Beinahe hätte ich doch wieder zu den Tabletten gegriffen. Aber ich habe es ohne geschafft.

Irgendwer will mich umbringen, und er könnte es jederzeit wieder versuchen. Ich muss einen klaren Kopf behalten. Das hat auch Roland eingesehen und die Tabletten erst einmal weggepackt, allerdings unter der Bedingung, dass ich mit dem Psychiater darüber spreche und mir von ihm etwas Leichteres verschreiben lasse. Ich bin jetzt nicht mehr ständig müde, und übel war mir seither auch nicht mehr. Der Preis dafür sind schlaflose Nächte, in denen mich wirre Bilder wach halten, die Erinnerungen sein könnten oder einfach nur Gebilde meiner Phantasie, wie das cremefarbene Sofa in dem Zimmer mit Gartenblick.

Bis eben habe ich Wasserrauschen gehört. Roland hat geduscht. Ich trete auf den Flur. Die Tür zum Gästezimmer ist nur angelehnt, ich kann ihn vor dem Schrank stehen sehen. Er ist nackt. Mir fällt auf, dass ich ihn noch nie nackt gesehen habe. Nicht seit ich mich erinnern kann.

Er ist schlank und doch muskulös, zu muskulös für einen Mann, der den ganzen Tag am Schreibtisch verbringt. Er muss regelmäßig Sport treiben, irgendwo trainieren. Bisher habe ich nichts davon mitbekommen. Vielleicht gab es in unserem Haus einen Fitnessraum.

Er reckt sich, um eine Hose aus dem oberen Fach des Schranks zu angeln, und ich bewundere das Spiel seiner Muskeln. Eine Mischung aus Erregung und Furcht kribbelt mir im Nacken. Eines Tages werde ich Farbe bekennen, werde ich mich auch den körperlichen Aspekten unserer Beziehung stellen müssen. Oder sie beenden. Wenn ich Roland so sehe, erscheint mir die Entscheidung einfach. Aber ich weiß, dass es nicht so einfach ist.

In dem Augenblick dreht Roland sich um und wirft die Hose auf das Bett. Ich weiche zurück, doch er hat mich bereits gesehen. Er reißt überrascht die...

Erscheint lt. Verlag 16.12.2016
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Amnesie • Berlin • DDR • Frauenschicksal • Gedächtnisverlust • Schriftsteller • Schwestern
ISBN-10 3-644-57391-3 / 3644573913
ISBN-13 978-3-644-57391-8 / 9783644573918
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