Die Kraft des Bösen (eBook)

Kriminalroman - Ein Fall für Franco De Santis (1)
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
416 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-20048-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Kraft des Bösen -  Fabio Paretta
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Franco De Santis ist Polizist von Beruf, Neapolitaner aus Überzeugung und Ex-Ehemann wider Willen. Jeden Sonntag fährt er in das Nobelviertel der Stadt, um seinen Schwiegereltern eine glückliche Ehe vorzuspielen. Doch an diesem schwülen Sommertag wird er in den Arbeiterstadtteil Bagnoli gerufen: Der Gemeindepfarrer hat sich erhängt. Franco kennt ihn seit der Kindheit und weiß, wenn er an eines glaubte, dann an das Leben. Gegen den Willen seines Vorgesetzten beginnt Franco zu ermitteln. Doch in einer Stadt, in der der Schein trügt und der Tod Alltag ist, ist die Suche nach der Wahrheit gefährlich ...

Fabio Paretta ist das Pseudonym eines in Italien lebenden deutschen Autors. Er hat bereits an einigen erfolgreichen Buchprojekten mitgewirkt. Mit 'Die Kraft des Bösen' verbindet er seine große Leidenschaft für das Erzählen mit seiner Begeisterung für das Land, in dem er seit Jahren lebt und erkundet dabei Sonnen- wie Schattenseiten Süditaliens. Fabio Paretta ist mit einer Italienerin verheiratet und hat zwei Kinder.

1

Die Fliege kroch so langsam über die Panoramascheibe, als wäre sie verletzt, aber dann merkte Franco De Santis, dass sie den Bauch von außen gegen das kühle Glas presste, um sich in der Augusthitze ein wenig Linderung zu verschaffen. Er dagegen saß in klimatisierter Luft an der festlich gedeckten Sonntagstafel und zerteilte den Seeteufel, den seine Frau Isabella auf den Punkt gedünstet und mit Kräutern von der Dachterrasse verfeinert hatte. Das Filet zerfiel auf der Zunge in saftige, zarte Stücke und entfaltete den Duft des Meeres.

Franco schloss für einen Moment die Augen, trank einen Schluck Wein und genoss, wie das Tischgespräch zwischen seiner Frau, ihrer Tochter und den Schwiegereltern allmählich zu einem sanft wogenden Rauschen verschwamm.

»In die Oper?«, fragte seine Schwiegermutter gerade.

»Oper«, »Carmen«, »San Carlo« – De Santis hörte nur sanftes Blubbern, wie die Luft, die aus dem Lungenautomaten an die Oberfläche steigt.

»Aber das hättet ihr mir doch sagen können, ich hätte euch Karten besorgt!«, fiel der Schwiegervater ein. »Franco!«

De Santis fuhr zusammen, er wusste nichts von einem Opernbesuch. Er wollte nur diesen Sonntag genießen, das Essen und vor allem den Augenblick, wenn er Isabella für sich haben würde.

»Gebt eure Karten zurück. Morgen treffe ich Riccardo Muti im Rotary Club, von dem bekomme ich sie gratis«, meinte der Schwiegervater. Er verkehrte in den besten Kreisen der Stadt, oder besser gesagt, die Kreise, die sich um ihn bildeten, galten als die besten.

»Unsere haben auch nichts gekostet. Ein Kunde hat sie mir gegeben«, konterte Isabella lächelnd.

De Santis betrachtete sie und dachte: Was für eine Frau! Was für ein unerklärliches Glück, das ich damals hatte.

»Seit wann geht ihr denn wieder zusammen aus?«, fragte die vierzehnjährige Ludovica mit einem engelhaften Lächeln.

Die Sonntagsessen waren ein ebenso köstliches wie heikles Ritual. Zwar hat so gut wie niemand einen unbefangenen Umgang mit seinen Schwiegereltern, vor allem wenn sie aus einer völlig anderen Schicht stammen, aber bei Franco war die Sache besonders kompliziert. Denn vor sechs Wochen war er ausgezogen, damit sie beide nachdenken konnten über ihre Ehe. Er brauchte nicht nachzudenken, er wollte sie weiterführen, doch Isabella war noch zu keinem Ergebnis gekommen. Einstweilen wahrten sie den Schein, und sonntags, nach dem Dessert, wurde nach wie vor diese Ehe vollzogen.

»Warum sollten sie nicht zusammen ausgehen?«, fragte die Schwiegermutter zurück, sichtlich alarmiert.

De Santis spürte, wie ihm ein Schweißtropfen auf die Stirn trat, trotz der angenehmen neunzehneinhalb Grad Celsius.

»Na jaaa«, setzte Ludovica an, »es gibt da so einiges …«

Sowohl Isabella als auch Franco versuchten, ihre Tochter mit drohenden Blicken zu bändigen, aber seit Ludovica in der Pubertät war, hatte sie den Rausch der Macht und die Lust an der Eskalation entdeckt. Da ihr das Leben an sich, besonders aber das ihrer Eltern, schnurzegal war, setzte sie es gerne aufs Spiel und verfolgte erheitert, wie das Ganze ausging. Meistens mit einer beachtlichen Prämie. Für sie. Sie drohte mit der Apokalypse, und die Welt zahlte, um nicht unterzugehen.

»Was heißt das, einiges?«, fragte der Schwiegervater in formellem Ton. Man bewegte sich nun nicht mehr auf der Ebene des Klatsches, sondern der offiziellen Verlautbarungen.

»Das, was in jeder Ehe vorkommt, selbst in der besten«, wiegelte De Santis ab.

»Ha!«, lachte Ludovica kurz und höhnisch.

»Schluss jetzt«, schaltete Isabella sich ein, sprang auf und fügte hinzu: »Hilf mir mal mit dem Dessert.«

Das Mädchen blieb sitzen.

De Santis war unschlüssig, was zu tun sei, aber die Anziehungskraft seiner Frau war stärker als die Angst vor einem Eklat, den ihre Tochter in seiner Abwesenheit heraufbeschwören mochte. »Ich greif dir unter die Arme, Schatz«, sagte er, folgte seiner Frau und legte ihr zärtlich die Hand auf den Rücken. Unter der Seidenbluse spürte er die Muskeln längs der Wirbelsäule. Bei jedem Schritt zeichneten sie die schlingernde Bewegung des Beckens nach. »Isabella«, flüsterte er und näherte sich ihrem Ohr, um das sich die langen schwarzen Locken kringelten.

»Lass das bitte, später …«, sagte sie, wie jeden Sonntag, und er konnte es kaum erwarten, das Protokoll mit dem Nachtisch, dem Espresso und dem Gläschen Sambuca zu absolvieren. »Sieh lieber zu, dass du unsere Tochter zur Räson bringst. Wir haben eine klare Abmachung.«

»Keine Sorge«, erwiderte er.

»Was heißt hier, keine Sorge?«

Was sie nicht wissen konnte und auch nicht wissen sollte: Ludovica erpresste ihren Vater, und noch hoffte sie auf Erfolg. Sie wollte ein iPhone 6 haben, »wie jeder« in ihrer Klasse. Und sie hatte in eleganten Andeutungen eine Verbindung zwischen ihrem Verhalten bei Tisch und diesem Wunsch hergestellt. »Du glaubst doch nicht, dass ich die Komödie vor Oma und Opa mitspiele?«, hatte sie ihm zur Begrüßung gesagt.

»Das glaube ich wohl.«

»Wieso sollte ich?«

»Um weiterhin unser Wohlwollen und unsere Zuwendung zu genießen.«

»Ich brauche kein Wohlwollen, sondern ein neues Handy. Ich mache mich zum Otto vor der ganzen Klasse.«

»Dann lass uns sehen, wie das Essen läuft.«

Sie hatte nur gegrinst. Wo er das Geld für ein iPhone 6 hernahm, war ihr egal, doch ihm war es ein Rätsel, wie er seiner Tochter diesen Wunsch erfüllen sollte. Als Commissario verdiente er, mit allen Ortszulagen, kaum mehr als ein Kellner.

Isabella hatte ein Zitronensorbet vorbereitet, der perfekte Abschluss für ein Fischessen an einem heißen Tag. Als sie das Silbertablett mit den fünf Kelchen anheben wollte, griff er unter ihren Armen hindurch und nahm es ihr ab. Dabei presste er ihr einen Kuss in den Nacken und dachte an das Schlafzimmer, von dem aus man über das Nobelviertel Vomero blickte, hoch über dem Moloch Neapel, diesem Knäuel aus Problemen, diesem Konzentrat aus Müll, Gestank, Revierkämpfen, geschmuggelten Zigaretten, Prostituierten, Dealern, Nonnen, Krippenfiguren und zärtlich gepflegten Totenschädeln. Hier oben würde er in der Satinbettwäsche liegen, auf einer Wolke aus gutbürgerlicher Ordnung, mit der Frau, die er mehr als alles andere liebte, vielleicht sogar mehr noch als seine Stadt.

»Wollen wir nicht langsam wieder rein?«, fragte sie grinsend. »Wer weiß, was sie sonst noch anstellt?«

Er ließ Isabella los, und sie traten lächelnd ins Esszimmer.

Das Gespräch war verstummt, und die Schwiegereltern – er in einem dunkelblauen Zweireiher mit Einstecktuch und zur Krawatte passenden Socken, sie mit Seidenbluse, dezenten Diamantohrringen, Goldschmuck und fein dosierten Botox-Einlagerungen – starrten sie erwartungsvoll an. Ludovica grinste.

Für einen Moment dachte De Santis, er hätte sich getäuscht. Ihr war das Handy scheißegal, sie wollte einfach nur ihre Eltern bloßstellen und hatte das sorgsam gehütete Geheimnis ausgeplaudert.

»Zitronensorbet, du bist ein Engel«, rief der Schwiegervater. »Niemandem gelingt es wie dir.«

Entwarnung. Sie wussten nichts.

»Niemandem gelingt es wie Julia«, sagte Ludovica. Das war der Name der Putzhilfe.

»Sie hat mir nur den Schneebesen gehalten«, sagte Isabella.

Das Mädchen winkte ab, und betretenes Schweigen legte sich über die Tafel. De Santis griff zu seinem Weinglas und trank den letzten Schluck Falanghina, als sein Handy in der Hosentasche vibrierte. Er zog es hervor, erkannte die Nummer eines Kollegen und gleichzeitig, aus dem Augenwinkel, den säuerlichen Blick seiner Schwiegermutter. Er machte eine entschuldigende Geste und trat hinaus in die Diele.

»Franco?«, fragte eine männliche Stimme, es war Gennaro Pizzuoli, Ispettore und sein Untergebener.

»Ja.«

»Wir haben eine Leiche in Bagnoli.«

»Wo bist du?«

»Unterwegs zum Tatort.«

»Nicht zu Hause?«

»Ich hatte noch ein paar Akten aufzuarbeiten.«

»Am Sonntag?«

Pizzuoli war ein exzellenter Polizist, das heißt, er wäre einer gewesen, wenn er denn irgendwann auch mal zum Schlafen gekommen wäre. Er hatte vier Kinder und arbeitete im Pizzabringdienst seiner Frau mit, vor allem an den Wochenenden. Anders kamen sie finanziell nicht über die Runden. Dass er am Sonntag auf dem Revier war, passte gar nicht ins Bild. Es verhieß Probleme, neue Probleme.

»Fahr nach Hause, ich übernehme das.«

»Ich bin schon fast da.«

»Okay, ich übernehme dann vor Ort. Ist die Leiche schon identifiziert?«

»Ja. Es handelt sich um den Gemeindepriester von Sant’Anna. Don Sebastiano.«

»Weiß man etwas über die Umstände?«

»Erhängt im Glockenturm der Kirche, der Küster hat ihn gefunden.«

Es gehörte zu Pizzuolis Tugenden, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Mord oder Selbstmord, er wagte sich nicht mit Hypothesen vor.

»Gibt es Anzeichen von Fremdverschulden?«

»Bisher nicht.«

»Ich denke, ich brauche eine halbe Stunde.«

Als Franco zurück ins Esszimmer kam, waren die Sorbets verzehrt.

»Ich muss weg«, sagte er und sog geräuschvoll und hastig an seinem Strohhalm. Die Schwiegereltern schüttelten verkniffen die Köpfe. »Tut mir furchtbar leid«, fügte er hinzu, zog Isabella am Schulterblatt zu sich heran und küsste sie auf den feuchten Mund, der nach Weißwein und Zitrone schmeckte.

Ludovica quittierte...

Erscheint lt. Verlag 12.12.2016
Reihe/Serie Ein Fall für Franco De Santis
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte eBooks • Italien • ItalienKrimi • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Mafia • Neapel • Süditalien
ISBN-10 3-641-20048-2 / 3641200482
ISBN-13 978-3-641-20048-0 / 9783641200480
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