Als du mich einst gefunden hast - Die schönsten Gedichte (eBook)

(Autor)

Kim Landgraf (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
256 Seiten
Anaconda Verlag
978-3-7306-9149-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Als du mich einst gefunden hast - Die schönsten Gedichte -  Rainer Maria Rilke
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Das lyrische Werk von Rainer Maria Rilke ist unvergänglich schön. Es altert nicht, erscheint universell und kommt nie aus der Mode. Rilkes Gedichte erobern mühelos jede junge Generation, denn sie verdichten immer aufs Neue Erfahrung und Empfindung, Suche, Ahnung und Erkenntnis. Kaum ein von Poesie infizierter Mensch geht durchs Leben, ohne sich ein Stück des Weges von Rilke begleiten zu lassen. Dazu empfiehlt sich diese Auswahl seiner schönsten Gedichte.

Rilke wurde 1875 als Sohn eines Prager Beamten geboren. Nach einer erzwungenen Militärerziehung begann er 1896 in Prag ein Studium der Kunst- und Literaturgeschichte, wechselte dann an die Universitäten von München und Berlin. 1901 heiratete er in Worpswede die Bildhauerin Clara Westhoff, löste die Ehe aber bereits 1902 wieder auf. In den darauffolgenden Jahren bereiste er Italien, Skandinavien und Frankreich. In Paris schloss er Bekanntschaft mit Rodin und wurde dessen Privatsekretär. Bereits nach acht Monaten kam es aber zum Bruch. Es folgten unstete Jahre des Reisens mit Stationen in verschiedenen Städten Europas. Nach seinem Entschluss zu einem reinen Dichterdasein war Rilke zu jedem Verzicht bereit, wenn es dem Werk galt. Er opferte sein kurzes Leben ganz seiner Kunst. Im Ersten Weltkrieg war er zur österreichischen Armee eingezogen worden, wurde aber seiner kränklichen Konstitution wegen in das Wiener Kriegsarchiv versetzt. 1926 starb Rilke nach langer Krankheit in Val Mont bei Montreux. Rainer Maria Rilke gilt als der bedeutendste und einflussreichste deutsche Dichter der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts.

ADVENT


Es treibt der Wind im Winterwalde

die Flockenherde wie ein Hirt,

und manche Tanne ahnt, wie balde

sie fromm und lichterheilig wird;

und lauscht hinaus. Den weißen Wegen

streckt sie die Zweige hin – bereit,

und wehrt dem Wind und wächst entgegen

der einen Nacht der Herrlichkeit.

DU MEINE heilige Einsamkeit,

du bist so reich und rein und weit

wie ein erwachender Garten.

Meine heilige Einsamkeit du –

halte die goldenen Türen zu,

vor denen die Wünsche warten.

WENN WIE ein leises Flügelbreiten

sich in den späten Lüften wiegt, –

ich möchte immer weiter schreiten

bis in das Tal, wo tiefgeschmiegt

an abendrote Einsamkeiten

die Sehnsucht wie ein Garten liegt.

Vielleicht darf ich dich dorten finden,

und zage wird dein erstes Mühn

die wehen Wünsche mir verbinden,

du wirst mich führen tief ins Grün –

und heimlich werden weiße Winden

an meinem staubigen Stabe blühn.

ICH MUSSTE denken unverwandt,

wie ich einst zwischen schwarzen Pinien

den tiefen Frühling sinnen fand,

als ich vor deiner Schönheit stand,

und durch der Scheitel dunkle Linien

dein Antlitz träumte wie ein Land.

Es schlich von deiner Lippen Saum

ein Lächeln auf verlornem Pfade –

ganz leis. Die andern merktens kaum.

So weht ein Blatt vom Blütenbaum:

nur Einer schaut die Frühlingsgnade,

und der sie schaut, ist wie im Traum.

FREMD IST, was deine Lippen sagen,

fremd ist dein Haar, fremd ist dein Kleid,

fremd ist, was deine Augen fragen,

und auch aus unsern wilden Tagen

reicht nicht ein leises Wellenschlagen

an deine tiefe Seltsamkeit.

Du bist wie jene Bildgestalten,

die überm leeren Altarspind

noch immer ihre Hände falten,

noch immer alte Kränze halten,

noch immer leise Wunder walten –

wenn längst schon keine Wunder sind.

DIE NACHT holt heimlich durch des Vorhangs Falten

aus deinem Haar vergessnen Sonnenschein.

Schau, ich will nichts, als deine Hände halten

und still und gut und voller Frieden sein.

Da wächst die Seele mir, bis sie in Scherben

den Alltag sprengt; sie wird so wunderweit:

An ihren morgenroten Molen sterben

die ersten Wellen der Unendlichkeit.

EIN HÄNDEINEINANDERLEGEN,

ein langer Kuss auf kühlen Mund,

und dann: auf schimmerweißen Wegen

durchwandern wir den Wiesengrund.

Durch leisen, weißen Blütenregen

schickt uns der Tag den ersten Kuss, –

mir ist: wir wandeln Gott entgegen,

der durchs Gebreite kommen muss.

MIR WAR so weh. Ich sah dich blass und bang.

Das war im Traum. Und deine Seele klang.

Ganz leise tönte meine Seele mit,

und beide Seelen sangen sich: Ich litt.

Da wurde Friede tief in mir. Ich lag

im Silberhimmel zwischen Traum und Tag.

WIE MEINE Träume nach dir schrein.

Wir sind uns mühsam fremd geworden,

jetzt will es mir die Seele morden,

dies arme, bange Einsamsein.

Kein Hoffen, das die Segel bauscht.

Nur diese weite, weiße Stille,

in die mein tatenloser Wille

in atemlosem Bangen lauscht.

ICH GING durch ein Land, durch ein trauriges Land.

Wie auf leerer Wiege ein Wiegenband

lag der blasse Fluss auf dem flachen Sand,

darüber aus nassem Nebelgewand

reckte die Weide die Totenhand.

Mir war so traurig. Ich starrte und stand.

Ich sah dich kauern am Wegesrand.

Einst hab ich dich und das Glück gekannt.

Du weintest wühlend und unverwandt,

und ich fragte dich: Ist das dein Heimatland?

Du nicktest, du nicktest wie traumgebannt …

Da hab ich dich wieder wie einst genannt;

doch dein Bild zerrann mir, dein Bild entschwand.

Die Pappeln kohlten im Abendbrand,

und der Tod ging rot durch dein Heimatland.

KANNST DU die alten Lieder noch spielen?

Spiele, Liebling. Sie wehn durch mein Weh

wie die Schiffe mit silbernen Kielen,

die nach heimlichen Inselzielen

treiben im leisen Abendsee.

Und sie landen am Blütengestade,

und der Frühling ist dort so jung.

Und da findet an einsamem Pfade

vergessene Götter in wartender Gnade

meine müde Erinnerung.

MANCHMAL FÜHLT sie: Das Leben ist groß,

wilder, wie Ströme, die schäumen,

wilder, wie Sturm in den Bäumen.

Und leise lässt sie die Stunden los

und schenkt ihre Seele den Träumen.

Dann erwacht sie. Da steht ein Stern

still überm leisen Gelände,

und ihr Haus hat ganz weiße Wände –

Da weiß sie: Das Leben ist fremd und fern –

und faltet die alternden Hände.

ICH MÖCHTE dir ein Liebes schenken,

das dich mir zur Vertrauten macht:

aus meinem Tag ein Deingedenken

und einen Traum aus meiner Nacht.

Mir ist, dass wir uns selig fänden

und dass du dann wie ein Geschmeid

mir löstest aus den müden Händen

die niebegehrte Zärtlichkeit.

OB AUCH die Stunden uns wieder entfernen:

wir sind immer beisammen im Traum

wie unter einem aufblühenden Baum.

Wir werden die Worte, die laut sind, verlernen

und von uns reden wie Sterne von Sternen, –

alle lauten Worte verlernen:

wie unter einem aufblühenden Baum.

LEISE HÖR ich dich rufen

in jedem Flüstern und Wehn.

Auf lauter weißen Stufen,

die meine Wünsche sich schufen,

hör ich dein Zu-mir-gehn.

Jetzt weißt du von dem Gefährten,

und dass er dich liebt … das macht:

es blühen in seinen Gärten

die lang vom Licht gekehrten

Blüten, blühn über Nacht …

DER REGEN greift mit seinen kühlen

Fingern uns die Fenster blind;

wir lehnen in den tiefen Stühlen

und lauschen, wie aus müden Mühlen

die leise Dämmerstunde rinnt.

Und dann spricht Lou. Und es verneigen

sich unsre Seelen. Auch der Strauß

am Fenster grüßt aus hohen Zweigen,

und wir sind alle heimateigen

in diesem leisen weißen Haus.

WIR LÄCHELN leis im Abendwind,

wenn sich die Blumen schwankend küssen

und wenn die Vögel müde sind.

Weil wir nicht mit der Sonne müssen,

die breit auf flachen Abendflüssen

aus unsern Wiesentalen rinnt.

Wir bleiben, und wir sehn die Nacht

aufwachsen, weit und Wunder werden,

sehn Berge, Bilder und Gebärden

viel größer als wir je gedacht.

Sehn, was die Blüten nicht ertrügen,

was Vögel erst nach langen Flügen

erreichen würden, stellt sich nah

und was am Morgen schon erstarrt

in Stille ist und Gegenwart,

wir kannten es, als es geschah …

DU LÄCHELST leise, und das große

Auge grüßt die Dämmerung.

Die Hände schimmern dir im Schoße

und deine Hände sind so jung.

Sie sind nicht müde, wenn sie rasten;

ein Lauschen nur ist ihre Ruh.

Sie warten wie auf Orgeltasten

einer neuen Hymne zu.

MIR IST, als ob ich alles Licht verlöre.

Der Abend naht und heimlich wird das Haus;

ich breite einsam beide Arme aus,

und keiner sagt mir, wo ich hingehöre.

Wozu hab ich am Tage alle Pracht

gesammelt in den Gärten und den Gassen,

kann ich dir zeigen nicht in meiner Nacht,

wie mich der neue Reichtum größer macht

und wie mir alle Kronen passen?

ES IST ja Frühling. Und der Garten glänzt

vor lauter Licht.

Die Zweige zittern zwar

in tiefer Luft, die Stille selber spricht,

und unser Garten ist wie ein Altar.

Der Abend atmet wie ein Angesicht,

und seine Lieblingswinde liegen dicht

wie deine Hände mir im Haar:

ich bin bekränzt.

Du aber siehst es nicht.

Und da sind alle Feste nicht mehr wahr.

WAS HILFT es denn, dass ich dir aufbewahre

aus meinem Wandern manches Wunderbare,

das ich empfing, und das mir fremd entglitt –

ich will nicht, dass ich Rosen für dich spare,

ich will sie jung in deinem jungen Haare,

und wenn ich wieder in den Frühling fahre:

dann musst du mit.

So viele Villen weiß ich jetzt, in denen

kein fremder Fuß die große Stille stört,

so viele Gärten, die sich sonnig sehnen,

mit Abenden,...

Erscheint lt. Verlag 7.7.2017
Reihe/Serie Geschenkbuch Gedichte und Gedanken
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Lyrik / Gedichte
Schlagworte deutschsprachiger Lyriker • Dichtkunst • Dinglyrik • eBooks • Gedichtband • Gedichte • Liebe • Literarische Moderne • Lyrik • österreichische Lyriker • österreichischer Lyriker • Rainer Maria Rilke • Rilke
ISBN-10 3-7306-9149-X / 373069149X
ISBN-13 978-3-7306-9149-6 / 9783730691496
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