Tränen der Freiheit (eBook)

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2016 | 1. Auflage
464 Seiten
Riverfield Verlag
978-3-9524523-9-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Tränen der Freiheit -  Lisa Schneider
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Amerika 1861: Ein blutiger Krieg um Freiheit und Gleichheit und die Abschaffung der Sklaverei bricht aus. Mittendrin ein junges Mädchen auf der Flucht, zerrissen zwischen der Liebe zu einem feindlichen Soldaten und ihrem Freiheitswillen. Als der amerikanische Bürgerkrieg ausbricht, wird die 14-jährige Catherine von ihrer Mutter allein in einen Zug gesetzt, der sie in den sicheren Norden Amerikas bringen soll. Doch der Zug wird überfallen und Catherine in ein Gefangenenlager verschleppt. Ein junger feindlicher Soldat aber hilft Catherine zu fliehen. Auf ihrer abenteuerlichen Flucht begegnet sie dem fünfjährigen, verwaisten Sklavenjungen Bahati, der sie schon bald vor eine lebensgefährliche Wahl stellt ... Die Geschichte ist packend und einfühlsam geschrieben - eindrucksvoll untermauert die junge Autorin mit 'Tränen der Freiheit' ihr enormes Erzähltalent.

Lisa Schneider, geboren 2000, ist Schülerin. Schon als Kind liebte sie es, Aufsätze und Kurzgeschichten zu schreiben. Nach ihrem Debüt »Thymios - Das Herz des Kriegers« im Herbst 2015 präsentiert sie mit »Tränen der Freiheit« ihr zweites Werk. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Basel (CH).

Kapitel 2


Zwei Jahre später, Oktober 1860


»Die Schwarzen sind schlecht!«, rief Mrs. Darwinson durch das hell erleuchtete Klassenzimmer.

»Schwarze sind schlecht und wertlos!«

Ihre Worte drangen immer und immer wieder aus ihrem zu einer feinen Linie zusammengepressten Mund. Wie eine Schlange erreichten sie zuerst Fenster, dann Tische und Stühle, bevor sie als eiskalter Hauch in meine Ohren drangen und mich jedes einzelne Mal erzittern ließen. Ich fühlte mich so wehrlos, so zurückgelassen und allein, als sie mit energischen Schritten unsere Stühle abklapperte, mit dem geraden Holzstock in den Händen im Takt klopfte und allen Kindern die Worte zwanghaft aus ihren Mündern presste.

Alle hassten sie. Sie erschien uns wie ein Monster, eine Kreatur des Bösen, und doch wagte es niemand, das Wort gegen sie zu erheben, niemand war mutig genug, aufzustehen und zu gehen. Niemand.

Noch heute kann ich mich an die Worte meines Vaters erinnern, als er mich ein letztes Mal in seinen schützenden Armen hielt, bevor er in den Krieg zog. Da muss ich etwa vier Jahre alt gewesen sein. Mutter und Vater hatten sich wenige Tage davor in der Küche gestritten, während Matthew und ich gelauscht hatten. Matthew hatte mir befohlen, ganz leise zu sein, und ich tat es, nicht weil ich Angst hatte, sondern einfach weil ich den Worten Vaters horchte, der Mutter erklärte, dass es seinem guten Freund in Südamerika sehr schlecht ginge und die Leute dort auf militärische Hilfe angewiesen waren. Es herrschte Krieg zwischen Brasilien und der Argentinischen Konföderation. Vater war ein überzeugender Redner, dennoch gelang es ihm nicht, Mutter zu beruhigen. Sie weinte, machte eine Pause und fragte immer wieder das Gleiche: Wieso um Gottes Willen Vater in einen Krieg eines anderen Volkes ziehen musste? Vater hatte nur gelächelt, ihr eine Träne aus dem Gesicht gewischt und leise die Worte geflüstert: »Weil ich helfen kann.«

Und so hatte er entschieden zu gehen. Vor seiner Abreise frühmorgens hatte er mich zuerst zärtlich umarmt, bevor er mir, seinen Mund ganz nah an meinem Ohr, einige Worte zuwisperte. Er sprach so leise, dass ich seine Worte mehr erahnen als verstehen konnte.

»Du darfst dich nie ergeben! Kein Mensch auf der Welt hat das Recht, dir vorzuschreiben, was du zu tun und zu lassen hast, Catherine!«

Ich war so überrascht gewesen, dass ich nur wie angewurzelt dastand und nickte. Meine Augen füllten sich mit glitzernden Tränen. Doch als er mit seiner Ausrüstung zur Tür schritt und mich ansah, konnte ich an seinen Lippen ablesen, wie er vor sich hin murmelte: »Bleib stark!« Er hatte es mehr zu sich selbst gesagt, doch seit diesem Tag wusste ich, dass Vater das Beste gewesen war, was Mutter hatte passieren können. Und nun war er verschwunden und Mutter allein.

Ich hasste mich dafür, Mrs. Darwinson nie meine Meinung zu sagen, genau wie die anderen Schüler, die jeden Tag mit gequälten Blicken ihren Aufforderungen gehorchten. Doch ich, als dreizehnjähriges Mädchen, was sollte ich schon gegen sie ausrichten können? Es war mir nicht erlaubt, mein Wort gegen sie zu erheben, und deshalb schwieg ich, tagein, tagaus. Schon viele Male hatte ich versucht, den Mund aufzumachen und ihr zu widersprechen, doch jedes Mal, wenn ich in meinem Kopf verschiedene Silben gebildet und zusammengesetzt hatte, verschluckte ich sie in der darauffolgenden Sekunde wieder. Und um ehrlich zu sein, war die Situation doch zu abwegig: ein Mädchen, das eine Lehrerin belehren wollte!?

Das immer näher kommende Klappern ihrer Schuhe und ein unmittelbar folgender lauter Knall rissen mich blitzartig aus meinen Gedanken. Ich blickte auf und sah Mrs. Darwinsons Kopf direkt über mir. Sie war schon älter, ich schätzte sie auf etwa Ende fünfzig. Ihre grauen Haare, die keine einzige Welle zu haben schienen, waren stets streng nach hinten gebunden, sodass keine einzige Strähne ihr Gesicht stören konnte. Sie hatte blaue, eiskalte Augen, die ihr Gegenüber zu durchdringen schienen und dazu zwangen, ihr zu gehorchen. Es mag ein wenig merkwürdig klingen, doch es war unvermeidlich, dass einem bei ihrem Anblick immer ein kalter Schauer erfasste – es fühlte sich an, als würde eine giftige Schlange sich am Rücken hinunterschlängeln und dann, unten angekommen, mit spitzen Zähnen ihr Gift ins Fleisch stoßen. Ein Gift, welches das Gehirn ihrer Opfer verdunkelte und sie auf ihre Seite zwang. Genau so empfand ich diese Frau: als eine gefährliche Schlange mit einem noch gefährlicheren Gift. Jetzt wurde mein Blick von ihren eiskalten, magischen Augen gebannt, bevor mich ihre zischenden Worte erreichten.

»Mrs. Lanchaster, ich höre Sie nicht den bekannten Satz sagen. Wollen Sie etwas anderes vortragen?«

Ich erschrak ob der hinter ihren Worten liegenden unausgesprochenen Drohung und antwortete schnell: »Nein, natürlich nicht, Mrs. Darwinson!«

»Gut, dann sehen Sie zu, dass Sie nach vorn kommen und den Satz der Klasse in aller Deutlichkeit vortragen!«

Ich holte tief Luft, bevor ich mich erhob und mit wackeligen Schritten meinen Platz verließ. Als ich kurz darauf vor meinen Mitschülern stand und in ihre ängstlichen Gesichter starrte, stieg ein Gefühl in mir hoch, das in seiner Intensität alle bisherigen Empfindungen überstieg. Langsam, wie ein Zittern, drang es von meinen Händen zu meinem Herzen, bevor die Gedanken in meinem Kopf zu Millionen Splittern zersprangen.

Mit steifen Lippen und in ohnmächtigem Zorn presste ich diesen Satz aus mir heraus: »Schwarze sind schlecht. Schwarze sind wertlos!«

Mein Bruder Matthew wartete an der Mauer des Schulhauses angelehnt, bis ich nach draußen kam. Das hatte er in der letzten Zeit nicht mehr getan. Viele Monate lang war er in der obligatorischen Militärausbildung gewesen und hatte dort gelernt, wie man eine Waffe in den Händen hält und Menschen umbringt. Auch wenn er mir nie etwas über seine Zeit im Camp in Missouri erzählen wollte und sofort das Thema wechselte, wenn ich fragte, so wusste ich doch, dass ihn die Erfahrungen, die er dort gesammelt hatte, belasteten. Mir wurde angst und bange, wenn ich daran dachte und mir den empfindsamen Matthew in einem einsamen Camp vorstellte, mit einer Waffe in den Händen den schlammigen Boden entlangrobbend! Das hatte er nicht verdient, niemand hätte das verdient: für den Tod zu arbeiten, statt für die Familie da zu sein! Doch Matthew war, wie unser Vater einst, zu stolz, um sich zu beklagen – zumal in einer Zeit, in der es schon genug Probleme gab. Aber seit er vor wenigen Wochen zurückgekommen war, bestand er darauf, mich zur Schule zu begleiten, »wann immer es ihm Gott erlaubte«, wie er zu sagen pflegte. Das Camp hatte ihn verändert, und viele mögen glauben, dass ein Mann mit solchen Erfahrungen über Leben und Tod härter wird, doch dem ist nicht so. Männer werden damit im Kern weicher, dessen war ich mir gewiss!

Matthew sah mich mit einem schiefen Grinsen an.

»Sag nichts«, zischte ich mit einem spöttischen Unterton.

»Das muss ich gar nicht, ich kenne sie!«, erwiderte er, nun ein wenig düsterer.

So liefen wir schweigend den langen Kieselpfad entlang, der seitlich von wundervoll grünen Weiden gesäumt war. Die Blumen, die der Sonne entgegenwuchsen, strahlten in allen Farben, einige schienen das Licht der Sonne selbst zu sein in ihrem Grellgelb, andere wiederum erinnerten an einen kalten Abend am Kamin, wenn sich die roten Feuerspitzen hin und her bewegten.

Ein flatterndes Geräusch riss mich aus meinen Tagträumen. Ich sah neugierig nach vorn über das Feld und konnte ganz dicht vor mir einen saphirblauen Vogel erkennen, dessen Schönheit mich sofort fesselte. Sein schwarz gefiedertes Haupt zierte ein feiner, aufgestellter Schopf, während der Rest seines Körpers bläulich glänzte und die prächtigen Flügel in der Sonne beinahe türkisfarben schimmerten. Ich überlegte einen Moment lang, doch dann wusste ich es wieder: Das war ein Diademhäher, ein Singvogel, der uns oft mit seinem wundervollen Gezwitscher beglückte. Ich liebte Vögel, doch vor allem liebte ich den Gedanken, dass sie einfach nur ihre Flügel auszubreiten hatten, um sich schwerelos in die Lüfte zu erheben. Das ließ mein Herz ganz warm werden. Mit einem Lächeln sah ich dem Vogel hinterher, der nun mit einer Leichtigkeit zwischen den Blumen hindurchflatterte, bei deren Anblick ich schon fast neidisch wurde. Er war so wunderschön und frei, wie ohne Sorgen! Langsam flog er immer weiter fort, bis nur noch seine schwarzen Umrisse in der gelben Sonne zu sehen waren. Ich streckte meine Hand nach ihm aus, doch er war schon längst weit, weit weg.

Die tiefe Sehnsucht nach Freiheit und Leichtigkeit lag noch in meinem Blick, als ich Matthew nun mit meinen großen braunen Augen ansah, während ein feiner Windhauch meine lockigen Haare hin und her bewegte und schließlich auch Matthews Haar durchkämmte. Matthew legte seine Hand auf meine Schulter und gab einen leichten Seufzer von sich.

»Lass ihn gehen, Cathie, lass ihn gehen!«

Diese Worte sollten mich für immer an Matthew erinnern. Sie waren fortan in meinen Kopf gebrannt und sollten noch große Gefühle in mir auslösen. Obwohl ich das damals noch nicht erahnen konnte …

Mutter kam wie immer spät nach Hause, so spät, dass selbst Matthew ihr Kommen nicht bemerkt hatte, als er zu Bett ging. Matthew und ich schliefen in einem Zimmer, die Betten dicht aneinander, sodass wir uns an den Händen halten konnten und wussten, wir waren nicht allein. So hatte ich keine Angst, wenn Mutter spät nach Hause kam – diese Angst, sie würde nie wieder zurückkehren. Das war so,...

Erscheint lt. Verlag 26.10.2016
Verlagsort Schweiz
Sprache deutsch
Gewicht 550 g
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Amerikanischer Bürgerkrieg • historisch • Roman
ISBN-10 3-9524523-9-4 / 3952452394
ISBN-13 978-3-9524523-9-4 / 9783952452394
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