Die Stille der Lärchen (eBook)

Ein Fall für Commissario Grauner
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
320 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31613-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Stille der Lärchen -  Lenz Koppelstätter
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Südtiroler Charme und ein hochspannender Fall aus einem Tal, das einst berühmte Schriftsteller beherbergte Am Rande eines 300-Seelen-Dorfes wird an einem Frühlingsmorgen die Leiche eines Mädchens entdeckt. Blutüberströmt liegt sie bei den Urlärchen von St. Gertraud, die jedes Kind in Südtirol kennt. Generationen lang haben die Bäume allem getrotzt, Wind, Wetter und den Menschen; unter ihren Wurzeln soll sich der Eingang zur Hölle befinden. In ihrem neuen Fall ermitteln Grauner und Saltapepe im Ultental, dessen Bewohner schweigsam, stolz und gottesfürchtig sind. Erstaunlich schnell ist ein Geständiger gefunden: Haller, ein zugezogener Architekt. Die Dorfgemeinschaft aber sagt: Haller deckt nur seinen Sohn Michl, der seltsam ist und niemandem geheuer. Und auch Grauner ahnt, dass alles komplizierter ist. Zumal unweit des Tatorts altertümlich anmutende Schriftstücke gefunden werden. Sie könnten aus den verschollenen Tagebüchern eines berühmten Gastes der Ultentaler Heilbäder stammen. Und sie berichten von einem kaltblütigen Mord, der vor über hundert Jahren geschah. Einem Mord, der das Dorf bis heute umtreibt.

Lenz Koppelstätter, Jahrgang 1982, ist in Südtirol geboren und aufgewachsen. Er arbeitet als Medienentwickler und als Reporter für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und Salon. 2015 startete bei Kiepenheuer & Witsch die Krimireihe um den Südtiroler Commissario Grauner, die ein großer Erfolg bei Leser:innen und Presse ist.

Lenz Koppelstätter, Jahrgang 1982, ist in Südtirol geboren und aufgewachsen. Er arbeitet als Medienentwickler und als Reporter für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und Salon. 2015 startete bei Kiepenheuer & Witsch die Krimireihe um den Südtiroler Commissario Grauner, die ein großer Erfolg bei Leser:innen und Presse ist.

4


Weiherer war aufgetaucht. Er stand in der Wohnungstür. Sein sonst stets glänzendweißer Schutzanzug war mit grasgrünen Streifen und waldbraunen Flecken versehen. An der Sohle seiner Bergschuhe klebte verkrustete Erde, selbst in seinen Haaren hatten sich Reste von Moos verfangen.

Grauner lachte lauthals auf. Wie oft war er vom Chef der Scientifica angeschnauzt worden, wenn er mit schmutzigen Schuhen an einem Tatort herumtrampelte? Nun war es Weiherer selbst, der das Wohnzimmer dieses sterilen Glashauses mit Dreck verschandelte.

»Wo warst du? Hast du dich im Wald verlaufen? Hast du die Tatwaffe gefunden?«

Weiherer setzte sich zwischen Saltapepe und Marché und räusperte sich. »Zuerst eine schlechte Nachricht«, sagte er. »Nein, wir konnten keine Waffe sicherstellen. Der Täter muss sie versteckt oder weggeworfen haben. Und jetzt eine noch schlechtere …«

Grauner warf ihm einen grimmigen Blick zu. Seine Lippen waren bereits in Stellung gebracht, um einen ordentlichen Flucher loszuwerden.

Doch Weiherer kam ihm zuvor: »Porco Tschiuda! Zio Hennen! Das ist mir in zwanzig Jahren Berufserfahrung noch nicht untergekommen! Diese Dorfdeppen haben mir den gesamten Fundort und alles drum herum zertrampelt. Puttaniga! Das könnt ihr euch gar nicht vorstellen: Da wimmelt es nur so von Fußabdrücken, Fasern, Speichel, menschlicher DNA. Und mit Fingerabdrücken wird das da draußen eh schwierig. Der Fundort ist unbrauchbar für mich. Absolut unbrauchbar!«

»Warum sagen deine Leute, dass der Fundort nicht der Tatort ist?«, fragte Grauner. Er klang nun ganz ruhig.

»Wir haben eine Spur im Wald gefunden. Angeknackste Zweige. Blut. Die Spur verliert sich jedoch alsbald. Das Gelände wird unzugänglich, mit tiefen Felskluften und dickem Gebüsch. Aber …« Er hob bedeutsam den Zeigefinger. »Ich habe das hier entdeckt.«

Weiherer öffnete den silbernen Arbeitskoffer, den er vorhin neben sich gestellt hatte, holte drei durchsichtige Plastiktütchen hervor und legte sie auf den Tisch.

In dem ersten befand sich ein goldener Ohrring. In dem zweiten ein silberner Armreif. Im dritten eine bronzene Brosche mit rotem Stein.

»Das lag alles im Wald, wo wir auch die angeknacksten Zweige und das Blut gefunden haben. Von Marie scheint der Schmuck jedoch nicht zu sein. Zumindest hat das Mädchen keine Löcher in den Ohrläppchen. Aber dass der Fund ein Zufall ist, glaube ich trotzdem nicht.«

Grauner nickte zustimmend.

»Der Wald muss weiter abgesucht werden!«, befahl er.

»Das tun wir bereits«, sagte Weiherer.

»Findet den Tatort!«

»Wir werden ihn finden.« Weiherers Antwort hörte sich wie ein Versprechen an.

»Und findet die Tatwaffe! Sucht sie auch hier im Haus. Und, Weiherer, bring den Schmuck nach Bozen, lass ihn fotografieren und auf Fingerabdrücke untersuchen. Auch will ich wissen, was der hergibt. Ist es billiges Zeug oder so wertvoll, dass der eine oder andere dafür morden würde?« Kurz überlegte er. »Wir werden den Schmuck vorerst niemandem zeigen. Sprecht nicht darüber. Niemand weiß, dass wir ihn gefunden haben. Vielleicht bringt uns dieser Wissensvorsprung etwas. Einen Versuch ist es wert.«

Er schaute in die Runde, er meinte alle damit. Alle nickten.

 

Marché hatte vor zwanzig Minuten den Staatsanwalt Dr. Martino Belli ans Telefon bekommen und das Handy gleich an Grauner weitergereicht. Belli war in Mailand, auf einer Konferenz, Assemblea Mafia 2.0 lautete das Motto des Zusammentreffens. Ein Meeting von Staatsanwälten aus ganz Italien, die das organisierte Verbrechen bekämpften. Grauner konnte sich vage daran erinnern, dass Belli davon geredet hatte. Warum da allerdings jemand aus Bozen dabei sein musste, war ihm schleierhaft; aber er hatte ein Bild vor Augen, wie sich sein Vorgesetzter beim Gruppenbild in die erste Reihe drängte. Inmitten der Staatsanwälte italienischer Großstädte würde Belli in die Kamera strahlen, inmitten jener mutigen Männer, die ihr Leben dem Kampf gegen halb mafiöse Politiker und Unternehmer verschrieben hatten. Helden! Ganz anders als ihr Bozner Kollege, der sich lediglich ab und an mit einem Provinzmord zu beschäftigen hatte und ansonsten seine Tage im Schatten der Trauerweiden im Garten des Parkhotel Laurin verbrachte, die Mittagskarte bei einem Glas Sauvignon Blanc studierend.

Immerhin hatte Belli versprochen, ein Fax mit der Delega d’Indagine schicken zu lassen. Es summte soeben aus Hallers Gerät. Das Schreiben beinhaltete die Erlaubnis, das Haus zu durchsuchen und den mutmaßlichen Täter vorläufig in Haft zu nehmen.

»Dieser Haller ist unser Mörder«, hatte der Staatsanwalt abschließend ins Telefon geblafft, sodass Grauner das Gerät um eine Armlänge von seinem Ohr entfernte. »Bringen Sie ihn nach Bozen! Quetschen Sie ihn aus! Lassen Sie ihn das Geständnis unterschreiben, und dann präsentieren wir ihn den Zeitungen und machen ein paar schöne Fotos.«

Grauner war sich sicher: Was Belli noch mehr genoss als eine Bachforelle mit Petersilienkartoffeln und Bozner Soße im Laurin, war eine Bachforelle im Laurin und vor sich ausgebreitet die Tageszeitungen mit schönen Fotos von ihm darin.

 

Grauner stellte sich an die bodentiefe Fensterscheibe und starrte in das Tal hinaus. Es kam ihm so vor, als wäre dieser Fall falsch losgegangen. Erst gelangte er zu spät an den Ort des Geschehens, dann, er hatte noch nicht einmal zu ermitteln begonnen, war er bereits mit einem Geständnis konfrontiert. Eines, von dem er nicht recht wusste, was es wert war. Nicht, dass er jemals irgendetwas gegen schnelle Geständnisse einzuwenden gehabt hätte. Aber manchmal war es schwieriger, ein solches zu verifizieren, als einen ungeständigen Mörder zu überführen.

Saltapepe stellte sich neben ihn. »Worüber denkst du nach, Grauner?«, fragte er.

»Über den Fundort«, antwortete der Commissario. »Wenn das Mädchen irgendwo anders ermordet wurde, irgendwo im Wald, dann muss der Täter einen triftigen Grund gehabt haben, sie nach der Tat hierherzubringen. Welches Zeichen wollte er damit setzen? Den Verdacht auf Haller lenken? Wenn aber wiederum Haller tatsächlich der Täter ist, warum präsentiert er die Leiche dann vor seiner Haustür?«

»Als Trophäe? Vielleicht ist er eine kranke Bestie.«

»Vielleicht …«

Weiter kam Grauner nicht. Das Surren einer Klingel ertönte. Der Commissario ging zur Wohnungstür und öffnete sie.

Aus der Nähe glich das Gesicht des Pfarrers einem mit Haut überzogenen Totenkopf. Die Augen lagen tief in ihren Höhlen. Wo andere Menschen rosige Wangen hatten, zog sich bei Hochwürden das Gesicht unterhalb aschfahler Knochen ins Innere. Die Lippen waren schmal und schwarzblau, wie mit Kajalstift gezogen, Zahnfleisch und Zähne waren allzeit zu sehen, auch wenn der Pfarrer weder sprach noch lachte. Dass er jemals in seinem Leben gelacht hatte, wagte Grauner zu bezweifeln.

Die in Schwarz gehüllten Frauen, die dem Commissario schon vorhin als des Pfarrers Geleitschutz aufgefallen waren, hatten sich erneut in einem Halbkreis um den Geistlichen formiert. Sie trugen bestickte Tücher über dem zum Dutt gebundenen Haar. Grauner vernahm leises Gebetsgegeflüster aus ihren Mündern.

Ein paar Schritte hinter diesem ehrfürchtigen Gestirn harrten immer noch einige Dorfbewohner aus. Es waren nicht mehr so viele wie vorhin, vielleicht zwei Dutzend Leute.

Einer stand etwas abseits. Grauners Blick fixierte ihn. Der Mann trug knabenhafte Züge. Seine Haare und Sommersprossen leuchteten rot wie Jonagold im September. Der Mann wirkte wie jemand, bei dem die Pubertät beschlossen hatte, bis in die Dreißiger hinein ihr Spiel zu treiben. Er schwitzte, seine Augen zuckten unsicher. Ein goldener Siegelring umschlang einen seiner Finger. Es musste sich um den Bürgermeister handeln.

Der Commissario kannte diese Phänomene aus fast allen Dörfern Südtirols, in denen er zu tun gehabt hatte. Einer hatte das Sagen: entweder der Bürgermeister oder der Pfarrer. Dass sie zusammenhielten, war ihm noch nie untergekommen. Auch hier war nun klar, wo die Geschicke des Tales bestimmt wurden: in der Kirche, hinter dem Altar, nicht im Gemeindehaus.

 

»Rücken Sie ihn raus!«, forderte der Pfarrer mit tiefer Stimme. »Rücken Sie ihn raus! Er hat Gottes Strafe verdient.«

»Und die wäre?« Jetzt entdeckte Grauner inmitten der rachsüchtigen Gesichter zu allem Überfluss auch noch das Konterfei von Charly Weinreich, dem von ihm verhassten Reporter des Südtirol Kurier.

Weinreich kritzelte seinen Notizblock voll. Grauner malte sich in Gedanken schon die fantasievollen Schlagzeilen aus: Mädchenmord im Ultental! Dorfbewohner fordern Selbstjustiz! Polizeibeamter feuert Waffe ab! Situation außer Kontrolle!

Der Commissario spürte, wie die Wut in ihm hochkroch, wie sich sein Magen zusammenzog.

»Er hat getötet, nun muss er sich dem Zorn der Lebenden stellen. Auge um Auge, …«

Der Pfarrer bäumte sich vor ihm wie ein Inquisitor auf.

»Schluss!« Grauner starrte auf die Zähne des Geistlichen und hob die rechte Hand. »Schluss mit dem Bauerntheater! Wir sind nicht im Mittelalter. Sie gehen jetzt alle schön brav nach Hause. Oder in die Kirche zum Rosenkranzbeten oder auf die Felder oder wohin auch immer. Sie...

Erscheint lt. Verlag 13.10.2016
Reihe/Serie Commissario Grauner ermittelt
Commissario Grauner ermittelt
Zusatzinfo 2 farbige Karten
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2. Fall • Alpen-Berge • Bozen • Commissario Grauner • Dorf-Tal • Italien-Südtirol • Krimi-Reihe • Lenz Koppelstätter • Schriftsteller-Kurort • Zoggler-Stausee
ISBN-10 3-462-31613-3 / 3462316133
ISBN-13 978-3-462-31613-1 / 9783462316131
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 7,1 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Psychothriller

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2022)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99
Krimi

von Jens Waschke

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
9,99
Psychothriller | SPIEGEL Bestseller | Der musikalische Psychothriller …

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2021)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99