Wie wir alt werden, ohne zu altern (eBook)

7 Ideen gegen die Verholzung des Denkens
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
160 Seiten
DuMont Buchverlag
978-3-8321-8935-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wie wir alt werden, ohne zu altern -  Gregor Eisenhauer
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Die Angst vor dem Alter macht uns mehr zu schaffen als das Alter selbst. Ständig prüfen wir uns auf Verfallssymptome. Die Furcht vor der Vergreisung ist uns von Kindesbeinen an mitgegeben: Ständig stehen wir unter der Beobachtung unseres Egos. Was sein Gutes haben könnte. Denn Senilität ist häufig keine Alterserscheinung, sondern selbstverschuldete Frühvergreisung. Wenn Sie eine höflichere Formulierung bevorzugen: Unser Horizont verengt sich mit den Jahren nicht deshalb, weil die Welt um uns herum kleiner wird, sondern weil unser Blick sich immer mehr zu Boden senkt, bis wir irgendwann nur noch die Fußspitzen am Ende des Sarges sehen. Gregor Eisenhauer beschäftigt sich in >Wie wir alt werden, ohne zu altern< nicht mit dem unweigerlichen Verfall unseres Körpers und auch nicht mit Krankheiten wie Alzheimer oder Demenz. Ihm geht es um die allmähliche Verholzung unseres Denkens, die uns so schnell so viel älter werden lässt, als wir es wirklich sind. Das Brett vor dem Kopf ist meist selbstgezimmert. In sieben Kapiteln zeigt er, wie wir die Fallen des Alterns erkennen. Denn eins kann auch er nicht versprechen: die ewige Jugend.

Gregor Eisenhauer, geboren 1960, hat Germanistik und Philosophie studiert und über Arno Schmidt promoviert. Er lebt als freier Schriftsteller in Berlin und schreibt u. a. Nachrufe für den Tagesspiegel. Zuletzt erschienen >Die 10 wichtigsten Fragen des Lebens - in aller Kürze beantwortet< und >Wie wir alt werden, ohne zu altern. 7 Ideen gegen die Verholzung des Denkens< bei DuMont. Gregor Eisenhauer, geboren 1960, hat Germanistik und Philosophie studiert und über Arno Schmidt promoviert. Er lebt

VORWEG: SIE WERDEN ÄLTER, ALS SIE DENKEN!

Das ist kein Versprechen, sondern eine statistische Tatsache. Wir täuschen uns, was unsere ganz persönliche Lebenserwartung angeht. Nicht nur um Wochen oder Monate, sondern um Jahre, zuweilen um Jahrzehnte. Die meisten von uns werden älter, als sie es in jungen Jahren je für möglich hielten. Und sie bleiben länger gesund. Was früher eine ferne Insel war, das hohe Alter, nur von wenigen erreicht, ist inzwischen ein Kontinent mit gewaltigen Ausmaßen, besiedelt von Millionen, bald schon von Milliarden Menschen. Wie leben diese – Alten?

Wozu die Frage? Die Antwort liegt nahe: Irgendwann werden auch Sie diesen Kontinent betreten. Die meisten von uns werden alt, mit ein wenig Glück und Umsicht sehr alt. Aber die wenigsten von uns sind darauf vorbereitet. Zumal die Informationslage verworren ist. Es gibt schreckliche Nachrichten von dieser Neuen Welt der Alten, Gerüchte über Retortensiedlungen, in denen wohlhabende Rentiers sich freiwillig dem hyperaktiven Nichtstun ergeben: Yoga für Yetis, Tantra für Untote, Bridge für Prüde. Krankheiten ohne Zahl, so die Reisewarnungen des medizinischen Dienstes, suchen die Eingeborenen heim. Demenz, Parkinson, Alzheimer sind die Geißeln derer, die den Tod scheuen, raunen die Missionare der Jugend. Viele, denen der Zutritt zu den reichen Seniorenparks verwehrt ist, schlafen unter Brücken, weil die Armut ihnen das Heim raubte, andere arbeiten in lebenslanger Sklaverei für niedrigste Löhne oder nisten sich mitleidlos bei ihren Kindern ein.

Die Fakten: Nur jeder Siebte hierzulande ist derzeit von Altersarmut betroffen, nur jeder zehnte der über Neunzigjährigen wird dement. Warum dann so viele Schreckensmeldungen? Die Söhne und Töchter schreiben lieber über die Leiden ihrer Eltern als über deren Freuden. Es ist die Rache der Jungen an der neuen Lebenslust der Alten, die solche Katastrophenbelletristik befördert. Dahinter steckt oft wirkliche Sorge, aber häufig genug auch Neid. Selbst die Unzahl der Reportagen über die neue Agilität der Alten ist selten frei von Häme. Aber auch die Alten selbst schlagen gern einen missgünstigen Tonfall an, allen voran alte Schriftsteller. »Alter ist ein Massaker«, jammerte der amerikanische Autor Philip Roth in einem Spiegel-Interview, aber er jammert auf sehr hohem Niveau, denn er verdient gut als Chorleiter der Selbstmitleidigen.

Altern ist der einzige Kampf, bei dem es sinnvoll ist, seine Niederlage von vornherein einzugestehen. Das Leben fordert unser Verschwinden. Dieses unerbittliche Gesetz der Evolution können Sie nicht früh genug verinnerlichen. Denn Leugnung kostet Kraft. Je angestrengter Sie versuchen, jung zu bleiben, desto schneller altern Sie. Das ist die einzige Erkenntnis der Altersforschung, die unumstritten ist.

Warum wird dennoch so unverhältnismäßig viel gejammert? Weil sich die Alten an den Jungen messen. Würden sie sich an den Alten der ärmeren Länder dieser Welt messen, sie wüssten nicht mehr ein noch aus vor Glück. Die große Mehrheit der alternden Menschen in den reichen Ländern könnte derzeit ein glückliches und unabhängiges Leben führen. Warum das nicht immer so ist, hat in erster Linie keine materiellen, sondern mentale Ursachen.

»Sind Sie aufs Alter vorbereitet? Können Sie es sich überhaupt leisten, alt zu werden?«

»Aber ja«, kommt dann prompt die Entgegnung, »wir haben gut vorgesorgt!«

Haben Sie tatsächlich? Ihre Rente ist sicher, Ihre Wohnung, Ihr Haus längst abbezahlt, ein wenig Erspartes liegt auf dem Konto, aber – was werden Sie tun, wenn Sie nichts mehr zu tun haben? Garten, Enkel, Hobby, Sport, Freunde, Freizeit – alles wird bleiben, wie es ist, nur dass nun endlich mehr Zeit für alles bleibt. Das könnte sich als verhängnisvoller Irrtum herausstellen.

Mit mehr Zeit wissen die wenigsten gut umzugehen. Das ist tragisch. Denn die magische Zeitspanne zwischen dem sechzigsten und dem neunzigsten Lebensjahr, die früher als Lebensabschnitt gar nicht wahrgenommen wurde, weil Opa und Oma die Zeit dösend im Lehnstuhl verschaukelten, könnte für viele die beste Zeit ihres Lebens werden. Als junger Mensch stehen Sie unter dem Diktat Ihrer Hormone, das ist schön, aber auch zwanghaft. Sie wollen sich verlieben, Sie wollen Erfolg, Sie wollen meist mehr, als Ihnen guttut. Als Mensch mittleren Alters haben Sie die Pflicht, Ihre Wünsche mit der Realität in Einklang zu bringen, das kann beglückend sein, ist aber vor allem anstrengend. Als alternder Mensch sind Sie plötzlich von allen Erwartungen befreit. Was viele veranlasst, sich sofort in neue Verpflichtungen zu stürzen. Das Leben so weiterführen wie bisher – nur ehrenamtlich eben. Aber das Leben im Alter ist nicht einfach nur altes Leben oder Leben mit halber Kraft, es ist ein anderes Leben und ein anderes Denken: ein neuer Kontinent. Ich will in diesem Buch nicht die Schrecken des Alters leugnen, ich will die Chancen dieses neuen Denkens hervorheben. Wir dürfen uns alte Menschen als glückliche Menschen vorstellen. Weil es ein Glück ist, alt zu werden. Altern ist keine Krankheit. Natürlich drohen Verluste, aber in diesem Buch geht es um die Gewinne. Der größte Gewinn: Uns wird ein viertes Lebensalter geschenkt. Die Frage ist: Wollen wir das Geschenk annehmen?

Was tun mit viel zu viel Zeit? Als Konsumgruppe sind die Best, Silver und Golden Ager schon fest im Blick der Werber und Produzenten. Es wird viel Geld mit den neuen Alten verdient, denn nicht wenige von ihnen haben viel Geld. Aber Sie können noch so häufig auf Reisen gehen, Sie können sich Woche für Woche Botox spritzen lassen oder im Hamsterrad der Fun-and-Fit-Industrie Ihre Runden drehen, Sie werden nicht jünger dadurch. Die Versprechen führen in die Irre, so viel Geld auch immer in die Kassen der Regenerationsindustrie fließen mag. Und es fließt sehr viel Geld. An der Angst vor dem Alter verdienen alle. Denn: Je älter wir werden, desto jünger wollen wir sein. Dieser Versuchung entkommen weder Sie noch ich, auch wenn wir damit gegen das einzige und erste Gebot würdevollen Alterns verstoßen: Machen Sie sich nicht lächerlich!

Wenn etwas im Alter in unerreichbar weiter Ferne liegt, dann Ihre Jugend. Wie wäre es also, wenn Sie kurz innehalten, den Blick von der Vergangenheit abwenden, so wie es schon Orpheus empfohlen wurde, und die Zeitstrecke überdenken, die vor Ihnen liegt. Mit ein wenig Glück: dreißig Jahre Unabhängigkeit. Diese Jahre wollen Sie nicht nur am Strand, im Riester-Fitnessclub oder in der Enkelbetreuung verbringen!

Was also tun mit viel zu viel Zeit? Fragen Sie die Experten! Was mich befähigt, über dieses Thema zu schreiben? Nichts. Ich bin kein Altersforscher, ich bin ein Leser. Ich lese gerne Lebensgeschichten, und ich schreibe gerne Lebensgeschichten. Vor allem versuche ich immer wieder aus Lebensgeschichten zu lernen, sei es in den Nachrufen, die ich über Alltagsmenschen schreibe, oder in den biografischen Miniaturen, die ich über vermeintliche Berühmtheiten verfasst habe. Aus dieser Perspektive stelle ich die Frage erneut: Was ist das Geheimnis glücklichen Alterns? Wir alle wissen, dass manche Bücher altern und manche nicht. Warum ist das so? Warum kann manchen Büchern, manchen Menschen die Zeit nichts anhaben, während andere schon vergreist auf die Welt kommen?

Das ist die Frage dieses Buches. Es gibt viele kluge Abhandlungen über das Altern, von Wissenschaftlern, von Philosophen, bei allen kann man sich Rat holen, fachmännischen Rat. Expertengespräche sorgen häufig für einen kühlen Kopf, aber leider auch für ein kaltes Herz, deshalb war meine Idee eine andere: Ich wollte kein Gelehrtensymposium belauschen, sondern noch einmal mit all den literarischen Figuren ins Gespräch kommen, die ich bewundere und liebe, weil sie mir viele glückliche Momente geschenkt haben. Ich wollte einige meiner Lieblingsbücher noch einmal zur Hand nehmen, weil jedes von ihnen mich an ein Leben erinnert, das ich selbst nie hätte führen können, aber dennoch durchleben durfte, weil die Autoren mich dazu einluden. Dichter sind gastfreundlicher als Philosophen oder Wissenschaftler. In Sachen Altersweisheit fragte ich also lieber Agatha Christie um Rat als Simone de Beauvoir, die ein sehr gewichtiges Buch über das Altern geschrieben hat. König Lear ist mir wichtiger als die vielen klugen Professoren, die sich, wissenschaftlich distanziert, dem Thema der nachlassenden Geisteskraft gewidmet haben. Peter Pan ist mein ewiger Jugendbeauftragter, und in Sachen Heimweh nach der Zukunft wende ich mich stets an E.T., auch wenn ich das nie offen eingestehen würde. Als Lebenselixierexperte steht mir Harry Potter zur Seite, und Pippi Langstrumpf berät mich noch immer in allen Lebensfragen, die über das Praktische hinausgehen. Diese Figuren sprechen mit mir, nicht, weil ihre Autoren sie wie Handpuppen bewegen, sondern weil sie etwas aussprechen, was in mir selbst zum Ausdruck drängt.

In diesem Buch unterscheide ich folglich nicht zwischen Lebenden und Toten, nicht zwischen den Schriftstellern und ihren Helden. Hamlet und Dorian Gray sind mir viel näher als Shakespeare oder Oscar Wilde. Zuweilen ertappe ich mich sogar dabei, wie ich Gespräche mit diesen Figuren führe, die laut Melderegister nie existiert haben. Oder mit ihren Autoren, die noch so lange tot sein mögen und dennoch ansprechbar bleiben für ihre Leser. Dabei spielt es im Übrigen keine Rolle, ob sie im chronologischen Sinne alt wurden. Alter ist eine sehr wandelbare Kategorie: Brecht war schon als junger Dichter sehr altklug, Proust kam vergreist auf die Welt. Bessere Zeitzeugen als sie kann es folglich nicht geben. Sie hören ein wenig Wahnsinn aus meinen Worten heraus? Gut so! Ein wenig Wahnsinn kann im Alter durchaus...

Erscheint lt. Verlag 21.9.2016
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
Sonstiges Geschenkbücher
Schlagworte Allgemeines Sachbuch • Angst • Die zehn wichtigsten Fragen des Lebens • Einstellung • Jugend • Ratgeber • Sachbuch • Tagesspiegel • Umgang • Verfall
ISBN-10 3-8321-8935-1 / 3832189351
ISBN-13 978-3-8321-8935-8 / 9783832189358
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