Martin Luther (eBook)

(Autor)

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2016 | 4. Auflage
128 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-69888-0 (ISBN)
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Luther war der einflussreichste "Ketzer" der Kirchengeschichte. Seine beispiellose Fähigkeit, als Prediger, Professor und Publizist das Ohr seiner Zeitgenossen zu erreichen, machte ihn zum meistgelesenen Theologen des 16. Jahrhunderts. Thomas Kaufmann schildert anschaulich die enge Verbindung von Luthers reformatorischer Theologie mit den geschichtlichen Erfahrungen seiner Zeit: Luther lebte in der Gewissheit, dass Gott selbst am Ende der Zeiten eine Reformation seiner Kirche ins Werk setzt, und sah sich dabei umzingelt von – tatsächlichen oder vermeintlichen – Feinden des wahren Christentums: vom Papst und seinen Anhängern, von innerprotestantischen Abweichlern, von Türken und von Juden. Er beschreibt, wie Luther vor diesem Hintergrund die menschliche Existenz auf die "Freiheit eines Christenmenschen" in und zu Gott gründete und was es bedeutete, wenn der Mensch nicht mehr im Kloster, sondern im Beruf, in der Gesellschaft, in der Familie, allgemein "in der Welt" den Ort seines Gottesdienstes finden sollte



<p>Thomas Kaufmann ist Professor f&uuml;r Kirchengeschichte an der Universit&auml;t G&ouml;ttingen, Vorsitzender des Vereins f&uuml;r Reformationsgeschichte und Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu G&ouml;ttingen.</p>

lt;p>Thomas Kaufmann, geb. 1962, ist Professor für Kirchengeschichte an der Universität Göttingen, Vorsitzender des Vereins für Reformationsgeschichte und Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Zuletzt erschienen von ihm "Konfession und Kultur" (2006), "Türckenbüchlein" (2008), "Geschichte der Reformation in Deutschland" (Neue Ausgabe 2016), "Luthers Juden" (2015) sowie bei C.H.Beck "Erlöste und Verdammte. Eine Geschichte der Reformation" (2016).

Cover 1
Titel 3
Impressum 4
Inhalt 5
Hinweis zur Zitierweise 6
Einleitung: Eine Person «in zwei Naturen» 7
I. Auf der Suche nach Luther 15
II. Ein Leben im Horizont der Reformation Gottes 25
1. Gottes Reformation 25
2. Kindheit und Jugend 27
3. Der Student 30
4. Luthers Konversion zum Mönchtum 32
5. Der Ordensmann und Professor 34
6. Der Exeget der Gerechtigkeit Gottes 38
7. Der Prophet und Reformator 42
8. Der Weg in die Ketzerei 47
9. Der Lehrer der evangelischen Ketzerkirche 55
III. Theologische Existenz 59
1. «Gottes Wort und Luthers Lehr» 59
2. Luthers Bibel 64
3. Katheder und Kanzel 74
4. Gottes Schöpfung und die politische und bürgerliche Ordnung der Welt 84
5. Christliche Gemeinschaft in der Welt 96
6. Luther, seine «Feinde» und seine Feindbilder 106
Epilog: Luther und das Christentum 116
Literaturhinweise 123
Zeittafel 125
Personenregister 127
Karte 129

Einleitung: Eine Person «in zwei Naturen»


In Luthers Person begegnen sich Extreme. Dies gilt in unterschiedlicher Hinsicht. Seit Beginn des Ablassstreites im Jahr 1517 war der als Martin Luder geborene Wittenberger Augustinereremit und Bibelprofessor für viele seiner Zeitgenossen nicht einfach nur ein bestimmtes Individuum mit einer bestimmten Herkunft, biographischen Entwicklung und religiösen Überzeugung. Er war eine Person, an der und durch die etwas geschah, das sich nicht aus der Wirklichkeit seiner Zeit, aus den Ordnungen seiner Welt, aus der Verfasstheit seiner Kirche heraus erklären ließ. Er war eine Person, an der und durch die Erfahrungen von Transzendenz, letzten Verbindlichkeiten im Verhältnis Gottes zu den Menschen, unmissverständlichen Gewissheiten über Heil oder Unheil gemacht wurden, eine Person, an deren Beurteilung sich die Geister schieden wie selten an einem Menschen vor ihm.

Luder war diese Person als «Luther»; der Name, den er sich selbst zu Beginn der Ablasskontroverse gab, reflektiert das neue Selbstverständnis seiner Person: aus «Luder» war «Eleutherius», der in Gott Freie, von Christus Befreite geworden (B. Moeller, K. Stackmann 1981). Als «Luther», als Person, die sich selbst in neuer Weise als Christ verstand, wurde er bekannt, berühmt, gehasst, verehrt, verketzert, als eine Art zweiter Christus beinahe divinisiert – eine Jahrhundertgestalt. Als Christ, als vor Gott befreiter Mensch, als «Luther», wurde er einigen seiner Zeitgenossen zum Anlass, das, was Christsein hieß, in neuartiger, das bestehende Kirchenwesen fundamental infrage stellender Weise zu durchdenken und selbst zu formulieren; anderen aber gereichte er zur Herausforderung, um im Widerspruch gegen ihn die traditionsbewährte Plausibilität der römisch-katholischen Auslegungsgestalt des Christentums in Lehre und Leben zu erweisen.

Luther war eine öffentliche Person, jemand, der in die Öffentlichkeit drängte und seine Belange in die Öffentlichkeit zog, eine Person, an der sich öffentliche Auseinandersetzungen vollzogen, die wie keine geschichtliche Gestalt vor ihm öffentliche Aufmerksamkeit zu inszenieren, zu mobilisieren, zu instrumentalisieren wusste. Zugleich wurde er ein Opfer der Öffentlichkeit, ein Objekt polemischer Wertungen, fragwürdiger Inanspruchnahmen, interessengeleiteter Projektionen. Luther war der erste «Medienstar» der Geschichte, der die Medienrevolution der Zeit zu nutzen wusste und zugleich von den neuen Medien aus der Druckpresse benutzt wurde. Und er war bei all dem Rummel, den es um seine Person gab, doch vor allem eines: Ausleger der Bibel an einer traditionslosen Universität am Rande der Zivilisation, deren Name erst durch ihn weltbekannt wurde und für immer mit ihm verbunden blieb: Wittenberg.

Zu Luthers Person gehörte beides konstitutiv hinzu: die kontemplativ-grüblerische Zurückgezogenheit des Bibellesers, -übersetzers und Beters, des geistlichen Dichters, des sorgfältigen Textinterpreten und -komponisten und die aktiv-gestalterische, kommunikative Offenheit des Predigers, des Polemikers, des die Öffentlichkeit suchenden Sprachvirtuosen. Luthers Person umfasste zugleich ausgeprägt introvertierte und extrovertierte Züge, einen Hang zur Intimität im Umgang mit Vertrauten und einen Drang zur Mitteilung gegenüber Fremden, eine Neigung zu spontanem Vertrauen und zu abgrundtiefem Misstrauen. Er stand zugleich im Angesicht seines Gottes und im Horizont der Welt, und gerade diese Simultaneität der Relationen, in denen er sich verstand, konstituierte seine geschichtliche Existenz und seine historische Bedeutung. Weil der Beter und Bibelleser Luther zugleich ein virtuoser Literat war – beziehungsweise nach und nach, im Prozess des Schreibens, wurde – und weil der Agitator, Kämpfer und Propagandist sein Wirken an die Meditation der Schrift und die Zwiesprache mit seinem Gott zurückband, befruchteten sich beide «Wesensnaturen» und ermöglichten ihm, sich flexibel und variantenreich auf die geschichtlichen Herausforderungen einzulassen, die auf ihn einstürmten und ihn überforderten.

Zu einer öffentlichen Person ist Luther als der geworden, der sich mit bohrender Gründlichkeit, selbstquälerischer Intensität und unermüdlicher Zuversicht über die Bibel gebeugt hat, um sie zu lesen, wieder zu lesen und immer noch einmal zu lesen, ihren Wortlaut abzuklopfen, um aus menschlichen Worten Gotteswort herauszufiltern. Das meditierende Lesen der Bibel war ihm Gespräch mit Gott. In diesem Gespräch wuchsen ihm Einsicht und Sprachkraft zu, die ihn in die Öffentlichkeit trieben; denn es ging ja um nichts Geringeres als um die Wahrheit des christlichen Glaubens, die, wie er meinte, in der Kirche seiner Zeit verloren gegangen war und die zu sagen und wiederaufzurichten er sich berufen wusste. Die öffentliche Person Luther ist keine gegenüber der tiefgründigen Beter- und Büßernatur sekundäre oder «uneigentliche» Gestalt, sondern sie hängt mit dieser untrennbar zusammen. Als öffentlicher Person, als theologischem Lehrer, Prediger, religiösem Schriftsteller, als jemandem, der coram publico zu reden gefordert war, wuchsen Luther neue Einsichten zu, entwickelte er Positionen weiter, die auch für sein Verständnis der Bibel oder einzelner Texte, für sein Gebet, sein Gottesverhältnis bedeutsam wurden. Luther, den religiösen Genius, als «Bruder Martinus» oder «Vater im Glauben» zu loben oder gar zu verehren, den Agitator, Polemiker, «Verräter der Bauern», Ketzerrichter und Judenfeind Luther seiner «Irrungen und Wirrungen» wegen aber zu schelten und zu verachten, prallt an der historischen Person ab. Er ist von alledem etwas und geht darin doch nicht auf. Die liebens- und die verachtungswürdigen Züge an ihm sind nicht gegeneinander aufzuwiegen. Sie gehören zusammen, denn: Luther ist in allem, was er sagte und tat, in seiner Größe und in seinen Grenzen, immer Luther, die Chimäre des 16. Jahrhunderts.

Als öffentliche Person wurde Luther beinahe sogleich, als er auf der geschichtlichen Bühne erschien, zum Anlass unterschiedlicher Deutungen und spezifischer Inanspruchnahmen und ist es seither geblieben. Einige Humanisten sahen in ihm einen Mitstreiter für die Erneuerung der bonae literae, den Kampf gegen die scholastische Theologie und für die Befreiung der deutschen Nation vom römischen Joch. Einige Reichsritter begrüßten ihn als Anwalt ihres Kampfes gegen die Übermacht der Territorialfürsten und für die deutsche Freiheit; einige Städter sahen in ihm einen Parteigänger im Ringen um städtische Autonomie; manche Bauern begrüßten ihn als einen Gewährsmann ihrer Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit, Abschaffung des Zehnten und der Restitution des alten, göttlichen Rechts. Weibliche und männliche Laien beriefen sich auf Luther und seine Auslegung der Schrift, um ihren christenmenschlichen Anspruch auf öffentliche religiöse Kommunikation und laikale Urteilskompetenz in Glaubensfragen zu artikulieren. Entlaufene Mönche und Nonnen begründeten ihren Ausbruch aus dem als Gewissensgefängnis empfundenen Ordensstand mit exegetischen Einsichten, die ihnen Luther vermittelt hatte. Diese schillernden Wirkungen der öffentlichen Person Luther, die den Prozess der Reformation eröffneten und begleiteten, sind nicht einfach nur produktive oder problematische Missverständnisse Luthers, sondern gehören zum öffentlichen Charakter seiner Person konstitutiv hinzu. Denn die Zerfallsprozesse der reformatorischen Bewegung, die seit circa 1522, seit dem öffentlichen Bruch mit der sogenannten Wittenberger Bewegung und ihrem Protagonisten Karlstadt, einsetzten, schufen nach und nach jene schmerzhaften Klärungen, die eine Unterscheidung zwischen dem, was Luther selbst wollte und dachte, und dem, was man bei ihm finden zu können gemeint oder in ihn hineinprojiziert hatte, möglich und nötig machten. Die Geschichte der reformatorischen Bewegung, die in die Ausbildung unterschiedlicher theologischer und kirchenpolitischer Gruppen, etwa der Reformierten oder des Täufertums, einmünden sollte, ist auch ein Klärungsprozess hinsichtlich der öffentlichen Person Luthers selbst gewesen. In der Polarität zwischen dem jungen, bahnbrechenden, «progressiven» und dem alten, orthodoxen und «konservativen» Luther ist diese Spannung perpetuiert worden. Doch auch die biographischen Diskontinuitäten und positionellen Weiterentwicklungen, die Luthers mit der Geschichte seiner Zeit untrennbar verbundene Biographie begleiten sollten, lösten die für seine Person konstitutive Existenzdialektik nicht auf: Der «junge» wie der «alte» Luther lebte ganz in seiner Gottesbeziehung und ganz in der Öffentlichkeit, zugleich coram deo und coram hominibus, eine Beter- und eine Täternatur.

Solange Luther lebte, konnte er sich zu den Wertungen und Inanspruchnahmen, die ihm als öffentlicher Person widerfuhren, verhalten. Er tat dies freilich keineswegs bei jeder sich dazu bietenden Gelegenheit, sondern wählte gezielt aus; Kontroversen führte er zumeist nur dann und nur solange, bis seine Position unmissverständlich artikuliert, «die Wahrheit aufgerichtet» war und ihm der sachliche Ertrag einer...

Erscheint lt. Verlag 19.8.2016
Reihe/Serie Beck'sche Reihe
Zusatzinfo mit 4 Abbildungen und 1 Karte
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 16. Jahrhundert • Biografie • Biographie • Christentum • Ketzer • Kirchengeschichte • Leben • Luther • Protestantismus • Reformation • Reformationsjubiläum • Religion • Religionsgeschichte • Theologie • Umbruch
ISBN-10 3-406-69888-3 / 3406698883
ISBN-13 978-3-406-69888-0 / 9783406698880
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