Die Akte Harlekin (eBook)
352 Seiten
Riverfield Verlag
978-3-9524640-1-4 (ISBN)
Thomas Vaucher (35) arbeitet als Autor und Lehrer. Er ist zudem als Schauspieler und Musiker tätig. Vaucher hat schon mehrere historische Romane geschrieben, die im renommierten Schweizer Stämpfli Verlag veröffentlicht wurden. »Die Akte Harlekin« ist sein erster Thriller und spielt, da dem Autor die schöne Hansestadt sehr am Herzen liegt, in Bremen. Vaucher ist verheiratet und lebt mit seiner Frau in der Nähe von Freiburg (CH).
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Das Anwesen der Familie Bachmann befand sich etwas außerhalb Bremens. Es bestand aus einer weiß gestrichenen, zweistöckigen Villa und einem Park, der das Haus umgab. Das Grundstück war eingezäunt und die Zufahrtsstraße wurde von einem Gitter mit Gegensprechanlage und Videoüberwachung versperrt. Nachdem Winter seine Vollmacht in die Linse gehalten hatte, war das Tor aufgeschwungen und hatte den Weg für seinen alten Nissan Micra freigegeben. Keine zwanzig Meter hinter dem Gitter befanden sich einige Parkplätze. Ein glänzender schwarzer BMW der 7er-Reihe besetzte eines der Felder und Winter parkte seinen Wagen daneben.
Ein Mann kam ihnen entgegen, kaum waren sie ausgestiegen. Winter schätzte ihn um die siebzig. Er trug einen perfekt sitzenden Anzug und sein beinahe kahler Schädel wurde nur noch durch einen schmalen Kranz weißer Haare geschmückt. Ein weißer Schnauz zierte sein Gesicht.
»Was kann ich für Sie tun? Die Polizei war doch schon mehrmals da«, sagte er und leiser Ärger schwang in seiner Stimme mit.
»Ich …«
»Wir!«, zischte Weiß, doch Winter ignorierte sie.
»Ich bin als Spezialermittler von der Polizei zurate gezogen worden. So leid es mir tut, Herr Bachmann, so muss ich doch von Ihnen verlangen, mir alles noch einmal ganz genau zu erzählen und mir Einsicht in Ihr Haus und alle Unterlagen Ihrer Frau zu gewähren.«
Paul Bachmann seufzte, nickte aber dann ergeben und machte eine einladende Geste.
»Natürlich, verzeihen Sie mein forsches Auftreten, doch die letzten Tage …« Er verstummte und wandte sich ab. Dann zog er ein Taschentuch aus seiner rechten Hosentasche und führte es zu seinen Augen.
»Bitte folgen Sie mir«, sagte er, als er sich wieder etwas gefasst hatte.
Bachmann führte sie in ein geräumiges Wohnzimmer und bot ihnen Tee und Kaffee an, doch Winter lehnte höflich ab.
»Wann haben Sie ihre Frau das letzte Mal gesehen?«, wollte er stattdessen von ihm wissen.
»Letzten Freitagnachmittag. Sie hatte einen Termin beim Friseur. Sie kehrte nie zurück.«
Weiß hatte einen Notizblock aus ihrer Handtasche hervorgezaubert und machte sich eifrig Notizen.
»Haben Sie einen Verdacht, wer Ihre Frau getötet haben könnte? Hatte sie Feinde?«, fragte Winter weiter.
Bachmann schüttelte den Kopf, hielt inne und zuckte schließlich hilflos mit den Schultern.
»Nein, eigentlich nicht, aber … Sie wissen ja, wie das ist: Sie war früher Polizistin. Schon möglich, dass sie sich da einige Feinde gemacht hat.«
Winter nickte, obschon er bezweifelte, dass ein persönlicher Feind von Kathrin Bachmann sie umgebracht hatte. Die drei Mordopfer schienen ihm bisher willkürlich ausgewählt. Noch hatte er keinerlei Zusammenhänge erkennen können.
»Hat sich Ihre Frau in letzter Zeit seltsam benommen? Hat sie irgendwelche neuen Bekanntschaften gemacht?«
Bachmann verneinte.
»Die Fragen, die ich Ihnen jetzt gleich stellen werde, werden Ihnen vielleicht etwas seltsam vorkommen, aber ich wäre froh, wenn Sie sie dennoch nach bestem Wissen beantworten würden.«
Bachmann sah Winter etwas irritiert an, nickte aber.
»Haben Sie oder Ihre Frau sich jemals mit Okkultismus beschäftigt? Gläserrücken, Pendeln, Wahrsagen …?«
Bachmanns Augen verengten sich und er schüttelte den Kopf. Sein Blick machte deutlich, was er von derartigen Praktiken hielt.
»Haben Sie oder Ihre Frau schon – ›Geister‹ gesehen oder sind in Ihrem Haus jemals irgendwelche seltsamen Dinge vorgegangen? Geräusche, die nicht hierhin gehörten, Dinge, die verschwunden sind, Bilder, die von der Wand fielen, oder Ähnliches?«
»Nein! Ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Die anderen Hinterbliebenen haben den Geist ihrer Verstorbenen gesehen. Bei mir war das nicht der Fall und es wird auch nicht passieren, weil ich nicht an Geister glaube!«
»Natürlich. Entschuldigen Sie, reine Routine.«
Winter stand auf und bat den Hausherrrn, sich die Räume ansehen zu dürfen.
Bachmann führte sie durch das Anwesen und öffnete ihnen alle Zimmer. Im Treppenhaus hingen einige große, teuer aussehende Gemälde mit Porträts von Familienmitgliedern, wie Bachmann ihm erklärte, als Winter sich dahingehend erkundigte. Bachmann outete sich als großer Kunstliebhaber, was denn auch unübersehbar war, war doch das gesamte Haus voll von großen Gemälden, die nicht nur Porträts, sondern auch historische und zum Teil auch moderne Sujets zeigten. Doch abgesehen von der Vorliebe für Kunst konnte Winter nirgendwo etwas Ungewöhnliches erkennen.
Als sie wieder bei der Eingangstüre anlangten, reichte ihm Bachmann die Hand. Winter wollte sich schon verabschieden, als ihm noch etwas einfiel.
»Haben Sie vielleicht noch ein aktuelles Foto von Ihrer Frau, Herr Bachmann?«
»Ich habe was Besseres. Haben Sie Ihr Handy dabei?«
Winter nickte verwirrt. Bachmann bedeutete ihnen, ihm zu folgen, dann führte er sie in sein Büro. Der Gestank von Urin stieg Winter in die Nase, als er den großen, hellen Raum betrat. Er kannte diesen Geruch. Er erinnerte ihn an früher, als er noch eine Katze gehabt hatte. Rot war sie gewesen und sie hatte ständig in der Wohnung markiert.
»Haben Sie eine Katze?«
Bachmann reagierte nicht auf die Frage, sondern schritt um seinen Schreibtisch herum und hob dann ein großes Gemälde, das zuvor hinter dem Schreibtisch an der Wand gelehnt hatte, auf den Tisch. Es war ein Porträt von Kathrin Bachmann.
Winter stockte. Das Bild schien auf den ersten Blick nicht einmal sonderlich gut gelungen und dennoch … Winter kniff die Augen leicht zusammen und sah noch einmal genauer hin. Frau Bachmanns Oberkörper war leicht nach links gedreht, doch ihr Kopf war dem Betrachter zugewandt und ein warmes Lächeln umspielte ihre Lippen. Unwillkürlich zogen sich auch Winters Mundwinkel leicht nach oben. Es sah so realistisch aus, dass man fast meinen mochte, Frau Bachmann würde gleich zu sprechen beginnen.
Winter machte einen Schritt auf das Bild zu und dann noch einen. Ihm war, als ob alles rund um ihn herum verblasste. Da war nur noch dieses Bild. Dieses wundervolle Gemälde, das ihn in seinen Bann zog und ihn nicht mehr losließ. Er hätte jetzt gerne einen Whiskey gehabt – der Gedanke löste ihn aus seiner Starre und er dachte, dass er seine Meinung von eben grundsätzlich revidieren müsse. Das Porträt war mitnichten nicht sonderlich gut. ›Es ist fantastisch!‹ Winter hatte nie ein beeindruckenderes Bildnis einer Person gesehen.
»Ich habe es heute erst erhalten.«
Bachmanns Worte drangen wie aus weiter Ferne an Winters Ohren und rissen ihn in die Wirklichkeit zurück. Er blinzelte und wollte den Kopf wenden, um Bachmann anzusehen, doch er musste sich beinahe mit Gewalt von dem Anblick des Bildes losreißen. Als es ihm endlich gelungen war, zog er verwirrt die Stirn in Falten.
»Ich wusste nicht einmal, dass meine Frau es in Auftrag gegeben hatte. Vermutlich wollte sie mich damit überraschen«, fuhr Bachmann fort. Der Stolz, der für einen Moment sein Gesicht erhellt hatte, wich wieder der Traurigkeit.
»Das ist … ein unglaublich gutes Porträt«, brachte Winter mühsam hervor. Seine Sinne klärten sich nur allmählich wieder. Er unterdrückte den Drang, das Bild erneut anzusehen. »Sie haben recht. Es steht einem Foto in nichts nach, im Gegenteil.«
Winter kramte sein Smartphone aus der Manteltasche und fotografierte das Porträt. Es befand sich zwar ein Foto von Frau Bachmann in den Akten, doch musste es bereits einige Jahre alt sein, denn auf diesem Porträt sah sie doch schon wesentlich älter und reifer aus. Vielleicht würde ihm das eben gemachte Foto noch von Nutzen sein, wenn er sich bei dem Friseur und in der Nachbarschaft nach Frau Bachmann umhörte.
Zum zweiten Mal begaben sie sich danach zur Eingangstüre. Auf dem Weg dorthin sprach Winter das Thema an, das ihm schon seit Beginn des Besuches auf dem Magen lag.
»Sie wissen, dass Ihre Frau nicht das erste Opfer dieses Täters war?«
Bachmann nickte grimmig. »Ich verfolge die Nachrichten, Herr Winter.«
»Dann haben Sie sicher auch mitgekriegt, dass die Familien der anderen beiden Opfer kurze Zeit danach Selbstmord begangen haben?«
Abermals nickte Bachmann, doch gleichzeitig machte er eine wegwerfende Handbewegung.
»Keine Angst, ich werde mir nichts antun. Ihr Psychologe hat schon mit mir gesprochen und ist zu dem Schluss gekommen, dass ich nicht gefährdet bin. Sie müssen sich also keine Sorgen um mich machen.«
»Gut.«
Winter atmete tief durch, als Bachmann die Eingangstüre öffnete und die kalte Winterluft in seine Lungen strömte. Er zog seine Brieftasche hervor und entnahm ihr eine etwas abgewetzte Visitenkarte, die er Bachmann hinhielt.
»Rufen Sie mich an, falls irgendetwas Seltsames passieren sollte oder wenn Ihnen sonst noch etwas einfällt.«
Bachmann nickte, verabschiedete sich und schloss die Türe. Winter und Weiß gingen nebeneinander auf Winters Auto zu.
»Das Porträt von dieser Frau Bachmann«, begann Weiß etwas verwirrt, »… diese Frau kommt mir irgendwie bekannt vor.«
»Das wundert mich nicht: Sie hat bis zu ihrer Pensionierung bei der Polizei gearbeitet, schon vergessen? Vermutlich haben Sie auf dem Revier irgendwo mal ein Bild von ihr gesehen.«
Weiß nickte nachdenklich.
»Und? Was halten Sie von Herrn...
Erscheint lt. Verlag | 17.8.2016 |
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Verlagsort | Schweiz |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Krimi • Spannung • Thriller |
ISBN-10 | 3-9524640-1-5 / 3952464015 |
ISBN-13 | 978-3-9524640-1-4 / 9783952464014 |
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