Die Brücke der Gezeiten 5 (eBook)
Blanvalet Verlag
978-3-641-18112-3 (ISBN)
Die barbarischen Kriegshorden des Reiches von Yuros ziehen ihre blutige Spur durch das ehemals friedliche Antiopia, um es unbarmherzig zu unterwerfen. Doch als die antiopischen Soldaten einen Sieg um die Mauern der mächtigen Stadt Shaliyah erringen können, wendet sich das Blatt. Doch beide Seiten wissen nicht, dass der wahre Schlüssel zum Schicksal der Welt in den Händen des Magiers Alaron und des ehemaligen Marktmädchens Ramita liegt: denn die Skytale des Corineus, ein uraltes Artefakt, verleiht ihrem Besitzer unbegrenzte Macht ...
Der neuseeländische Schriftsteller David Hair wurde für seine Jugendromane bereits mehrfach ausgezeichnet. Die Brücke der Gezeiten ist seine erste Fantasy-Saga für Erwachsene. Nach Stationen in England, Indien und Neuseeland lebt er nun in Bangkok, Thailand.
Pallas, Rondelmar
Sommer 927
1 Jahr bis zur Mondflut
Gurvon Gyle ließ den Blick durch den Raum schweifen, während sein Landsmann Belonius Vult den Anwesenden noch einmal darlegte, wie sie Kesh erobern und sich gleichzeitig Echor Borodium, den Herzog von Argundy und dessen Truppen ein für alle Mal vom Hals schaffen konnten. Zwei Norer, die sich erst vor siebzehn Jahren gegen den Kaiser erhoben hatten, saßen nun im geheimen Ratszimmer ebenjenes Kaisers und unterbreiteten ihm einen Plan, um seine Herrschaft weiter zu festigen. Wer hätte das gedacht?
Kaiser Constant war damals noch ein Kind gewesen. Vielleicht hatte seine Jugend im Schatten all der Mächtigen ihm das Rückgrat gebrochen und ihn zu dem kriecherischen jungen Mann gemacht, der er jetzt war: ein ängstlicher »Kaiser«, der vor jedem Schatten erschrak und sogar Angst vor jenen hatte, die ihm am nächsten standen. Das Gewicht der Krone lastete schwer auf seinen Schultern und ließ ihn stets besorgt blicken. Alle Augenblicke schaute er zu seiner Mutter hinüber, als heische er um ihre Zustimmung.
Wenn unser Plan aufgeht, vernichten wir den Mann, der der weit bessere Herrscher gewesen wäre, und machen eine halbe Million Argundierinnen zu Witwen. Und das alles in deinem Namen, Constant Sacrecour.
Doch es war die Mater-Imperia Lucia, auf die alle Augen gerichtet waren – allerdings nicht, weil sie so schön war. Ihre bloße Anwesenheit, ihre alles durchdringende Präsenz, genügte. Der Ausdruck auf ihrem matronenhaften Gesicht war einer von höchster Konzentration, dennoch schweifte ihr Blick ständig umher. Während sie Vults Ausführungen lauschte, beobachtete sie jede Reaktion der Zuhörer und prägte sich alles genau ein. Ihre eigentliche Aufmerksamkeit allerdings galt anderen Dingen. Nicht dem wie versteinert dasitzenden Kaltus Korion, der den Oberbefehl über die rondelmarischen Legionen übernehmen würde, sobald Echor tot war. Nicht Tomas Betillon, der sich um die unvermeidlichen Zwistigkeiten in den eigenen Reihen kümmern sollte. Nicht Calan Dubrayle, der hier im sicheren Schoße Pallas’ bleiben und über den Kriegsgewinn Buch führen würde, und auch nicht dem Großen Kirchenvater Wurther, der immer da zu finden war, wo es am meisten zu essen gab. Sie musterte Vult und gelegentlich auch Gyle, ab und an begegneten sich ihre taxierenden Blicke, doch am meisten interessierte sie der, der als Letzter hinzugekommen war: der Fremde. Der Feind.
Emir Rashid Mubar von Hallikut war wahrscheinlich der erste Keshi, der diesen Raum je betreten hatte. Sein ganzes Auftreten stand in krassem Gegensatz zu der steifen Förmlichkeit der Rondelmarer. Als er seinen Umhang ablegte, schien es beinahe, als würde ein Pfau seine Schwanzfedern auffächern: Seine Kleidung war schon fast kitschig anzusehen, überall glitzerten Edelsteine auf dem Stoff. Der Blick seiner leuchtend grünen Augen erinnerte Gyle an die Kobras der Schlangenbeschwörer in den Straßen Hebusals. Rashid hörte aufmerksam zu, stellte kluge Fragen und ließ sich geduldig verhören. Er war ein Meister dieses Schlangentanzes und antwortete ohne Umschweife auf die ihm gestellten Fragen, wenn auch nicht auf alle. Die meisten betrafen Organisatorisches: ob er ein Heer ausheben konnte, das groß genug war, um Echor zu vernichten. Wie viele Magi er hatte. Ob er tatsächlich glaubte, Meiros’ Fraktion innerhalb des Ordo Costruo ausschalten zu können.
Natürlich ging er bei seinen Antworten nicht ins Detail. Alles andere hätte Gurvon zutiefst überrascht, denn sie waren keine Verbündeten, sondern Feinde, die eine geheime Absprache trafen. Auch sie verrieten dem Emir nicht alles, nur so viel, wie er wissen musste, um den Herzog zu besiegen. Echor sollte ausschließlich unerfahrene Soldaten und schwachblütige Magi zugeteilt bekommen, außerdem führte sein Auftrag ihn in eine der unwirtlichsten Wüsten Antiopias. Keiner der Anwesenden schien auch nur daran zu denken, dass Rashid eine Bedrohung für Kaltus Korions Legionen darstellen könnte. Korions Kontingent war mit allem ausgestattet, was die rondelmarische Kriegsmaschinerie aufzubieten hatte, und galt als so gut wie unbesiegbar.
Und wenn das erledigt ist, kommt der Rest ganz von selbst … Gurvon lächelte grimmig. Sobald Dhassa, Kesh und Javon in Rondelmars Hand waren, würden die Legionen über ganz Antiopia ausschwärmen und den gesamten Kontinent erobern. Rashids Sieg über Echor wäre vergessen – außer in Argundy, wo der fürchterliche Blutzoll noch über Generationen jede Rebellion unmöglich machen würde. Kaiser Constant wäre Herrscher der gesamten bekannten Welt.
Belonius Vult hatte das Verhör inzwischen mit seinen üblichen geschliffenen Floskeln beendet und wandte sich fragend an den Thron.
Der Kaiser suchte wie immer den Blick seiner Mutter, dann nickte er. Rashid war das selbstverständlich nicht entgangen, und Gurvon konnte förmlich sehen, wie der Emir seine Schlüsse zog: dass der Herrscher von Yuros am Rockzipfel seiner Mutter hing.
»Emir Rashid«, begann Lucia, »habt Ihr Eurerseits Fragen an uns?«
Der Emir neigte unmerklich den Kopf. »Keine, edle Dame. Die Worte des Magisters waren überaus klar.« Der Klang seiner Stimme war so melodisch, dass jede Nonne Kores ihm sofort verfallen wäre.
»Dann befremdet es Euch also nicht, wenn wir uns gegen die eigenen Verbündeten verschwören?«, fragte Lucia möglichst beiläufig.
Rashid lächelte. »Gestattet mir, Eure Frage mit einer kleinen Geschichte zu beantworten. Mein Großvater lud einst alle seine Brüder und Vettern, also alle, die außer ihm Anspruch auf den Thron von Hallikut hatten, zu einem großen Festmahl ein. Eine Woche lang überschüttete er sie mit Gastfreundschaft und Geschenken. Dann, in der letzten Nacht, als auch noch der Misstrauischste von ihnen Vertrauen gefasst hatte, entließ er zehntausend Giftschlangen, die er eigens für diesen Zweck hatte sammeln lassen, in die Schlafgemächer seiner Gäste. Er löschte fast seine gesamte Verwandtschaft aus, um sich den Thron zu sichern. Nur die unmittelbare Familie blieb verschont.«
Korion und Dubrayle musterten den Emir mit einer Mischung aus Skepsis und offener Verachtung. Betillon hingegen sah beeindruckt aus – ein Komplott ganz nach seinem Geschmack. Nur die Kaiserinmutter schien aufrichtig erfreut, als hätte sie in Rashid einen Seelenverwandten erkannt.
Gurvon schüttelte innerlich den Kopf. Was für eine Verschwendung. Er selbst hätte mit Sicherheit eine wesentlich elegantere Lösung gefunden.
»Wie wird Euer Volk den Sieg über Herzog Echor aufnehmen?«, fragte er.
Rashids smaragdfarbene Augen blitzten. »Mit größter Freude.«
»Es wird Euer einziger Sieg bleiben«, warnte Korion.
Der Emir lächelte verhalten. »Euer Ruf ist weithin bekannt, General Korion.«
»Seid gewarnt: Wir reichen Euch den kleinen Finger, mehr nicht«, fuhr Korion auf. Seine Lippen formten stumm das Wort »Dreckhaut«, er hatte jedoch Verstand genug, es nicht laut auszusprechen. Rashid war einer der wenigen Keshi-Magi, ein Dreiviertelblut und berüchtigt für seine Kampfkraft.
»Der Krieg wird seinen Verlauf nehmen, ganz wie es Ahm gefällt«, antwortete der Emir gemessen. »Wir werden Euren Feind, den Herzog von Argundy, vernichten, und damit endet unsere Zusammenarbeit. Was danach kommt, weiß Ahm allein.«
»Ganz recht«, warf Lucia ein. »Wir danken Euch für Euren Besuch, Emir Rashid. Wir werden Euch über jede von Echors Bewegungen unterrichten und ihn mit falschen Informationen nach Shaliyah locken. Wir verlassen uns darauf, dass Ihr die Situation zu nutzen versteht.«
Rashid erhob sich und machte eine elegante Verbeugung. »Der Sieg ist unser, so Ahm will.«
Lucia erhob sich ebenfalls und ließ den Emir ihre Hand küssen. Dann verließ Rashid begleitet von halbherzigen Glückwünschen die Ratskammer.
Gurvon folgte ihm.
»Nun, Magister Gyle«, fragte Rashid, als sie allein im Vorraum waren, »ist alles nach Euren Wünschen verlaufen?«
»Voll und ganz, Emir«, erwiderte Gurvon und streckte die Hand aus.
Rashid musterte sie erst, dann schüttelte er sie langsam. »Dieses rondelmarische Händeschütteln ist eine eigenartige Geste«, merkte er an. »Sehr unpersönlich. Sie sagt viel über Eure Kultur: ein kaltes Land mit kalten Herzen.«
»Ich glaube, unsere Völker sind gar nicht so verschieden, Emir. Die Herrscher herrschen, und das Volk folgt. Letztendlich sind es immer die Fähigen, die sich über die anderen erheben.«
Rashid blinzelte. »Da bin ich anderer Meinung. Die Rondelmarer sind streitsüchtige Zweifler. Sie kennen keinen Respekt vor denen, die über ihnen stehen. Eben in der Ratskammer habe ich mit eigenen Augen gesehen, wie die Mutter den Sohn überstimmt, Generäle mit Priestern streiten und Diebe wie Ihr – verzeiht, aber das ist es, was Ihr seid: ein Dieb – über die Zukunft des Kaiserreichs entscheiden. Wo ich herkomme, sind die Könige von Ahm selbst gesalbt, und sie sprechen mit einer Stimme. Ihr hingegen streitet unentwegt, und das macht Euch schwach.«
»Ganz im Gegenteil, Emir. Unsere Uneinigkeit ist unsere Stärke.«
»Es ist die Gnosis, die Euch stark macht. Alles andere ist gottlose Schwäche.« Rashid tätschelte Gurvons Wange. »Eines Tages wird Ahm Euch niederstrecken, dann werdet Ihr auf ewig in Shaitans Feuer schmoren. So steht es geschrieben.«
Gurvon lachte leise. »Glaubt Ihr das wirklich? Ich hatte Euch nicht für einen Fanatiker gehalten, Emir.«
»Ich bin Pragmatiker, Magister Gyle. Nichtsdestotrotz diene ich Ahm.« Rashid verneigte sich. »Wenn wir uns das nächste Mal begegnen, Gurvon...
Erscheint lt. Verlag | 16.5.2016 |
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Reihe/Serie | Die Brücke der Gezeiten |
Die Brücke der Gezeiten | |
Übersetzer | Michael Pfingstl |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Unholy War (The Moontide-Quartet 3) Part One |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction | |
Schlagworte | blutige Schlachten • eBooks • Fantasy • Fremde Welten • Gefährten • George R. R. Martin • High Fantasy • Kontinente • Magie • Tolkien |
ISBN-10 | 3-641-18112-7 / 3641181127 |
ISBN-13 | 978-3-641-18112-3 / 9783641181123 |
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