Hoffmann,E.T.A.,Gesammelte Werke (eBook)

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2015 | 1. Auflage
800 Seiten
Anaconda Verlag
978-3-7306-9098-7 (ISBN)

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Hoffmann,E.T.A.,Gesammelte Werke -  E.T.A. Hoffmann
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Das literarische Werk von E. T. A. Hoffmann ist eines der schönsten Gewächse der Romantik. Es kehrt sich ab vom Vernunftglauben und erfindet eine Welt voller nachtschwarzer und phantastischer Erscheinungsformen. Hoffmann, der als Jurist tätig war und eigentlich Kapellmeister werden wollte, war ein früher Meister der Schauerliteratur. Mit grenzenloser Erfindungsgabe erkundete er die Tiefen des Seelenlebens, wie einige seiner besten hier versammelten Werke belegen: 'Nussknacker und Mausekönig', 'Der Sandmann', 'Das Fräulein von Scuderi', 'Der goldene Topf' und viele mehr.

Ernst Theodor Amadeus Hoffmann (1776-1822) wuchs in Königsberg auf, studierte Jura und war nach dem Studium Assessor in Berlin, Posen, Plozk (Polen) und Warschau. 1807 ging er nach Berlin zurück und verdiente seinen Lebensunterhalt von nun an als Musiker, Zeichner und Literat. 1808-1813 war er Kapellmeister, Komponist und Musikkritiker in Bamberg und erlebte mit den ersten phantastischen Erzählungen seinen Durchbruch als Schriftsteller. Ab 1814 lebte er wieder in Berlin und war führendes Mitglied der 'Serapionsbrüder', eines literarischen Zirkels, dem u.a. auch Clemens Brentano, Adelbert von Chamisso und Friedrich de la Motte Fouqué angehörten.

E.T.A. Hoffmann ist einer der großen deutschen Dichter der Romantik. Mit seinen bizarr-phantstischen Erzählungen schuf er eine neue Erzählform, deren übersinnliche Motive und groteske Züge auf die ganze Weltliteratur wirkten - von von E. A. Poe bis zu Oscar Wilde.

Ritter Gluck


Eine Erinnerung aus dem Jahre 1809

 

Der Spätherbst in Berlin hat gewöhnlich noch einige schöne Tage. Die Sonne tritt freundlich aus dem Gewölk hervor, und schnell verdampft die Nässe in der lauen Luft, welche durch die Straßen weht. Dann sieht man eine lange Reihe, buntgemischt – Elegants, Bürger mit der Hausfrau und den lieben Kleinen in Sonntagskleidern, Geistliche, Jüdinnen, Referendare, Freudenmädchen, Professoren, Putzmacherinnen, Tänzer, Offiziere usw. durch die Linden, nach dem Tiergarten ziehen. Bald sind alle Plätze bei Klaus und Weber besetzt; der Mohrrüben-Kaffee dampft, die Elegants zünden ihre Zigaros an, man spricht, man streitet über Krieg und Frieden, über die Schuhe der Mad. Bethmann, ob sie neulich grau oder grün waren, über den geschlossenen Handelsstaat und böse Groschen usw., bis alles in eine Arie aus Fanchon zerfließt, womit eine verstimmte Harfe, ein paar nicht gestimmte Violinen, eine lungensüchtige Flöte und ein spasmatischer Fagott sich und die Zuhörer quälen. Dicht an dem Geländer, welches den Weberschen Bezirk von der Heerstraße trennt, stehen mehrere kleine runde Tische und Gartenstühle; hier atmet man freie Luft, beobachtet die Kommenden und Gehenden, ist entfernt von dem kakophonischen Getöse jenes vermaledeiten Orchesters: Da setze ich mich hin, dem leichten Spiel meiner Fantasie mich überlassend, die mir befreundete Gestalten zuführt, mit denen ich über Wissenschaft, über Kunst, über alles, was dem Menschen am teuersten sein soll, spreche. Immer bunter und bunter wogt die Masse der Spaziergänger bei mir vorüber, aber nichts stört mich, nichts kann meine fantastische Gesellschaft verscheuchen. Nur das verwünschte Trio eines höchst niederträchtigen Walzers reißt mich aus der Traumwelt. Die kreischende Oberstimme der Violine und Flöte, und des Fagotts schnarrenden Grundbass allein höre ich; sie gehen auf und ab, fest aneinander haltend in Oktaven, die das Ohr zerschneiden, und unwillkürlich, wie jemand, den ein brennender Schmerz ergreift, ruf ich aus:

»Welche rasende Musik! die abscheulichen Oktaven!« – Neben mir murmelt es:

»Verwünschtes Schicksal! schon wieder ein Oktavenjäger!«

Ich sehe auf und werde nun erst gewahr, dass, von mir unbemerkt, an demselben Tische ein Mann Platz genommen hat, der seinen Blick starr auf mich richtet, und von dem nun mein Auge nicht wieder loskommen kann.

Nie sah ich einen Kopf, nie eine Gestalt, die so schnell einen so tiefen Eindruck auf mich gemacht hätten. Eine sanft gebogene Nase schloss sich an eine breite, offene Stirn, mit merklichen Erhöhungen über den buschigen, halbgrauen Augenbraunen, unter denen die Augen mit beinahe wildem, jugendlichem Feuer (der Mann mochte über funfzig sein) hervorblitzten. Das weich geformte Kinn stand in seltsamem Kontrast mit dem geschlossenen Munde, und ein skurriles Lächeln, hervorgebracht durch das sonderbare Muskelspiel in den eingefallenen Wangen, schien sich aufzulehnen gegen den tiefen, melancholischen Ernst, der auf der Stirn ruhte. Nur wenige graue Löckchen lagen hinter den großen, vom Kopfe abstehenden Ohren. Ein sehr weiter, moderner Überrock hüllte die große hagere Gestalt ein. Sowie mein Blick auf den Mann traf, schlug er die Augen nieder, und setzte das Geschäft fort, worin ihn mein Ausruf wahrscheinlich unterbrochen hatte. Er schüttete nämlich aus verschiedenen kleinen Düten mit sichtbarem Wohlgefallen Tabak in eine vor ihm stehende große Dose und feuchtete ihn mit rotem Wein aus einer Viertelsflasche an. Die Musik hatte aufgehört; ich fühlte die Notwendigkeit ihn anzureden.

»Es ist gut, dass die Musik schweigt«, sagte ich; »das war ja nicht auszuhalten.«

Der Alte warf mir einen flüchtigen Blick zu und schüttete die letzte Düte aus.

»Es wäre besser, dass man gar nicht spielte!«, nahm ich nochmals das Wort. »Sind Sie nicht meiner Meinung?«

»Ich bin gar keiner Meinung«, sagte er. »Sie sind Musiker und Kenner von Profession …«

»Sie irren; beides bin ich nicht. Ich lernte ehemals Klavierspielen und Generalbass, wie eine Sache, die zur guten Erziehung gehört, und da sagte man mir unter anderm, nichts mache einen widrigern Effekt, als wenn der Bass mit der Oberstimme in Oktaven fortschreite. Ich nahm das damals auf Autorität an und habe es nachher immer bewährt gefunden.«

»Wirklich?«, fiel er mir ein, stand auf, und schritt langsam und bedächtig nach den Musikanten hin, indem er öfters, den Blick in die Höhe gerichtet, mit flacher Hand an die Stirn klopfte, wie jemand, der irgendeine Erinnerung wecken will. Ich sah ihn mit den Musikanten sprechen, die er mit gebietender Würde behandelte. Er kehrte zurück, und kaum hatte er sich gesetzt, als man die Ouvertüre der Iphigenia in Aulis zu spielen begann.

Mit halb geschlossenen Augen, die verschränkten Arme auf den Tisch gestützt, hörte er das Andante; den linken Fuß leise bewegend, bezeichnete er das Eintreten der Stimmen: Jetzt erhob er den Kopf – schnell warf er den Blick umher – die linke Hand, mit auseinandergespreizten Fingern, ruhte auf dem Tische, als greife er einen Akkord auf dem Flügel, die rechte Hand hob er in die Höhe: Es war ein Kapellmeister, der dem Orchester das Eintreten des andern Tempos angibt – die rechte Hand fällt und das Allegro beginnt! – Eine brennende Röte fliegt über die blassen Wangen; die Augenbraunen fahren zusammen auf der gerunzelten Stirn, eine innere Wut entflammt den wilden Blick mit einem Feuer, das mehr und mehr das Lächeln wegzehrt, das noch um den halb geöffneten Mund schwebte. Nun lehnt er sich zurück, hinauf ziehen sich die Augenbraunen, das Muskelspiel auf den Wangen kehrt wieder, die Augen erglänzen, ein tiefer, innerer Schmerz löst sich auf in Wollust, die alle Fibern ergreift und krampfhaft erschüttert – tief aus der Brust zieht er den Atem, Tropfen stehen auf der Stirn; er deutet das Eintreten des Tutti und andere Hauptstellen an; seine rechte Hand verlässt den Takt nicht, mit der linken holt er sein Tuch hervor und fährt damit über das Gesicht. – So belebte er das Skelett, welches jene paar Violinen von der Ouvertüre gaben, mit Fleisch und Farben. Ich hörte die sanfte, schmelzende Klage, womit die Flöte emporsteigt, wenn der Sturm der Violinen und Bässe ausgetobt hat und der Donner der Pauken schweigt; ich hörte die leise anschlagenden Töne der Violoncelle, des Fagotts, die das Herz mit unnennbarer Wehmut erfüllen: Das Tutti kehrt wieder, wie ein Riese hehr und groß schreitet das Unisono fort, die dumpfe Klage erstirbt unter seinen zermalmenden Tritten.

Die Ouvertüre war geendigt; der Mann ließ beide Arme herabsinken und saß mit geschlossenen Augen da, wie jemand, den eine übergroße Anstrengung entkräftet hat. Seine Flasche war leer: Ich füllte sein Glas mit Burgunder, den ich unterdessen hatte geben lassen. Er seufzte tief auf, er schien aus einem Traume zu erwachen. Ich nötigte ihn zum Trinken; er tat es ohne Umstände, und indem er das volle Glas mit einem Zuge hinunterstürzte, rief er aus: »Ich bin mit der Aufführung zufrieden! das Orchester hielt sich brav!«

»Und doch«, nahm ich das Wort – »doch wurden nur schwache Umrisse eines mit lebendigen Farben ausgeführten Meisterwerks gegeben.«

»Urteile ich richtig? – Sie sind kein Berliner!«

»Ganz richtig; nur abwechselnd halte ich mich hier auf.«

»Der Burgunder ist gut: Aber es wird kalt.«

»So lassen Sie uns ins Zimmer gehen und dort die Flasche leeren.«

»Ein guter Vorschlag. – Ich kenne Sie nicht: Dafür kennen Sie mich aber auch nicht. Wir wollen uns unsere Namen nicht abfragen; Namen sind zuweilen lästig. Ich trinke Burgunder, er kostet mich nichts, wir befinden uns wohl beieinander, und damit gut.«

Er sagte dies alles mit gutmütiger Herzlichkeit. Wir waren ins Zimmer getreten; als er sich setzte, schlug er den Überrock auseinander und ich bemerkte mit Verwunderung, dass er unter demselben eine gestickte Weste mit langen Schößen, schwarzsamtne Beinkleider und einen ganz kleinen, silbernen Degen trug. Er knöpfte den Rock sorgfältig wieder zu.

»Warum fragten Sie mich, ob ich ein Berliner sei?«, begann ich.

»Weil ich in diesem Falle genötigt gewesen wäre, Sie zu verlassen.«

»Das klingt rätselhaft.«

»Nicht im Mindesten, sobald ich Ihnen sage, dass ich – nun, dass ich ein Komponist bin.«

»Noch immer errate ich Sie nicht.«

»So verzeihen Sie meinen Ausruf vorhin: Denn ich sehe, Sie verstehen sich ganz und gar nicht auf Berlin und auf Berliner.« Er stand auf und ging einige Mal heftig auf und ab; dann trat er ans Fenster und sang kaum vernehmlich den Chor der...

Erscheint lt. Verlag 7.10.2015
Reihe/Serie Anaconda Gesammelte Werke
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Ästhetik • Dark Aacademia • Das Fräulein von Scuderi • Der goldene Topf • Der Sandmann • eBooks • Fantasy • Horror • Klassiker • Nussknacker und Mausekönig • Phantastik • Phantasy • Roboter • Romantik • Schauerliteratur • Schauerroman • Spannung • Zitate
ISBN-10 3-7306-9098-1 / 3730690981
ISBN-13 978-3-7306-9098-7 / 9783730690987
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