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Die Reise der Amy Snow (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
480 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-1263-7 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
14,99 inkl. MwSt
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Als Baby wurde Amy Snow ausgesetzt. Mittellos und von allen gehasst wird sie auf dem noblen Hatville Court aufgezogen. Die schöne Tochter des Hauses, Aurelia Vennaway, ist Amys einzige Freundin und der wichtigste Mensch in ihrem Leben. Als Aurelia jung stirbt, bricht Amys Welt zusammen. Aber Aurelia macht ihr ein letztes Geschenk: ein Bündel Briefe, das Amy auf Schatzsuche schickt. Einen Code, den nur Amy entschlüsseln kann. Am Ende erwartet Amy ein Geheimnis, das ihr Leben verändern wird. Amy Snow begibt sich auf eine Reise quer durch England.

Tracy Rees studierte in Cambridge und hat acht Jahre in einem Sachbuchverlag gearbeitet. Ihr Debütroman 'Die Reise der Amy Snow' wurde aus über tausend Einsendungen in einem Schreibwettbewerb als Gewinner ausgewählt. Sie lebt in South Wales, England.

Tracy Rees studierte in Cambridge und hat acht Jahre in einem Sachbuchverlag gearbeitet. Ihr Roman "Amy Snow" wurde aus über tausend Einsendungen in einem Schreibwettbewerb als Gewinner ausgewählt. Sie lebt in South Wales, England.

FÜNFUNDZWANZIG


Endlich ist etwas einmal ganz einfach. Ich brauche keine erschöpfenden Anstalten zu treffen, um die Adresse der Familie herauszufinden, die ich besuchen muss, und ich brauche auch nicht in meinen Erinnerungen zu kramen und längst vergessene Augenblicke zu sichten, als würde ich nach Rüsselkäfern im Mehl suchen. Über diese Familie weiß ich mehr als über all die anderen, denen Aurelia auf ihrer Reise begegnet ist. Es sind die Wisters aus Twickenham, um genau zu sein aus der Mulberry Lodge, Orleans Lane, Twickenham Meadows, Middlesex. Ich fand die Adresse exotisch, als ich sie oben auf Aurelias Briefen geschrieben sah.

Offenbar gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, um nach Twickenham zu kommen: mit dem Omnibus, der Postkutsche oder mit dem Boot. Oder man fährt mit dem Zug nach Richmond und geht dann zu Fuß. Dies alles erfahre ich von der sehr informativen Mrs Woodrow, die nur zu gern über die Vor- und Nachteile jeder Reisemöglichkeit referiert.

Und so sitze ich nach einem flotten Spaziergang durch Straßen, die der Regen rein gewaschen hat, vor St. Paul’s in der Kutsche und spähe durch das Fenster auf die riesige Kathedrale. Die gewaltige Fassade aus Portland-Stein ist geschwärzt und es steigt Dunst von ihr auf. Dampfend und brütend sitzt sie da, als sich die Frische des zeitigen Morgens verabschiedet.

Die Kutsche erinnert mich an eins der Pferde von Lord Vennaway: Sie ist genauso geleckt und gepflegt und mit glänzendem Messing und Leder herausgeputzt. Sie hat auch denselben Namen, Meteor, wie eines der Pferde von Lord Vennaway. Wenn auch dessen Meteor nicht kastanienbraun und schwarz war und keine roten Reifen hatte, so erinnert mich dennoch das eine an das andere, nämlich an Stolz, das Versprechen von Geschwindigkeit und die Ungeduld, sich auf den Weg zu machen.

Ohne zu zögern zahlte ich für einen Innenplatz. Der Gedanke, mich aufs Dach zu schwingen und schaukelnd und den Elementen ausgesetzt den Weg über Land zurückzulegen, bedürfte eines Abenteuergeistes, der bis jetzt noch in mir schlummert. Jedenfalls brauche ich nicht länger vorzugeben, nur über eine kleine Geldsumme zu verfügen, denn hier wird mich keiner kennen.

Nichtsdestotrotz sehe ich mich um, bevor ich einem hochgewachsenen Gentleman mit sehr blonden Haaren und sehr blauen Augen gestatte, mir beim Einsteigen zu helfen. Ich rechne zwar nicht damit, dass mir ein räuberischer Vennaway auflauert – aber der irrationale starke Instinkt, zu überprüfen, ob Gefahr droht, ist noch immer tief in mir verwurzelt.

Wir sitzen zu sechst eingezwängt in der Kutsche, darunter eine Gouvernante mit zwei jungen Schutzbefohlenen, beides Mädchen, eins mehrere Jahre älter als das andere. Ich stelle unweigerlich Vergleiche an und spüre ihn erneut, den Verlust von Aurelia. Dann gibt es den extrem rundlichen rotgesichtigen Herrn. Sein Bauch wölbt sich derart kugelig und lebendig, dass er fast droht, ganz von ihm Besitz zu ergreifen. Mir fällt dazu nur ein, dass ihm langsames Gehen sicherlich besser bekäme als das Holpern und Ruckeln einer Kutschfahrt. Dies jedoch über längere Strecken und jeden Tag.

Der letzte Passagier ist der Gentleman mit den goldblonden Haaren, der mir beim Einsteigen half, ein so fein gekleideter Mensch, wie mir auf Hatville keiner begegnet ist. Er trägt eine glänzende himmelblaue Krawatte, passend zu seinen Augen. Und er weckt in mir das Gefühl, das ich auch auf Hatville hatte: nämlich schäbig und schutzlos zu sein. Doch er ist äußerst zuvorkommend zu allen und bietet mir und der Gouvernante seine Hilfe in einem Übermaß an, wie die Sonne ihre Strahlen verteilt.

»Erlauben Sie mir, Ihnen meine Dienste anzubieten, sollten Sie Hilfe irgendwelcher Art benötigen«, sagt er zu mir, als wir Platz genommen haben. Er sitzt mir gegenüber und ich weiß nicht, wohin mit mir, so nah ist er. »Ich verstehe die delikate Lage einer allein reisenden Dame, doch manchmal diktieren einem dies die Umstände, nicht wahr?«

Irgendwie gelingt es mir, gleichzeitig mit dem Kopf zu nicken und ihn zu schütteln, um ihm meine Dankbarkeit für seine Fürsorge und meine Zustimmung zu allem, was er sagt, zu vermitteln. Keiner der feinen Herren auf Hatville hat mich je so zartfühlend angesprochen – oder überhaupt –, abgesehen von Bailor Dunthorne, und dies ist eine Erinnerung, die es nicht wert ist, gepflegt zu werden!

Jetzt neigt er seinen goldfarbenen Kopf der Gouvernante zu. »Und Sie, Madam, nicht nur allein, sondern auch noch mit einer überaus verantwortungsvollen Aufgabe betraut, wie ich sehe. Dasselbe gilt für Sie: Sollten Sie etwas benötigen, stehe ich zu Ihrer Verfügung.«

»Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es dazu kommen wird, Sir. Ich fahre nur bis Hammersmith.« Ihr Ton vermittelt eine unmissverständliche Nachricht: Bemitleiden Sie mich nicht, stellen Sie keine Spekulationen über mich an, ich komme bestens zurecht. Es wäre schön, wenn ich ihr darin nacheifern könnte.

»Natürlich. Das liegt ja nur einen Steinwurf weit entfernt, und dorthin zu reisen ist mit einer so kostbaren Fracht sicherlich ein Vergnügen.«

Sie entspannt sich ein wenig. »Danke, Sir. Es sind liebe Mädchen.« Dann wendet sie ihre Aufmerksamkeit dem Fenster zu. Die kostbare Fracht ist gut erzogen, wie ich bemerke. Die Mädchen bewegen sich nicht, sie sprechen nicht und sie schneiden einander auch keine Grimassen. Und als wir Westminster erreichen, erinnern sie mich schon nicht mehr an Aurelia und mich.

Mit einem Ruf und einem Peitschenknall setzen wir uns in Bewegung. Vom ersten Moment an überträgt sich der ganze Prozess so, dass ich ihn spüre: Pferde, die sich ins Geschirr legen, Geschirr, das an der Deichsel reißt, die Deichsel, die ruckartig die Kutsche zieht. Ich kann die Räder spüren, die uns auf vor langer, langer Zeit festgelegten Routen durch die Stadt befördern – Routen, die schon bald außer Gebrauch kommen werden, wie es heißt, jetzt, da sich die Züge ausbreiten.

Der strahlende Gentleman und der beleibte Gentleman machen Konversation, wie sie Gentlemen angemessen ist.

»Sebastian Welbeck«, sagt Letzterer und streckt eine pummelige Hand über seine füllige Leibesmitte. »Und Sie sind Mr …?«

»Garland«, ergänzt der andere und beugt sich lässig vor, um ihm die Hand zu schütteln. Als er sich vorstellt, verstärkt sich die Röte auf Mr Welbecks Gesicht sogar noch.

»Quentin Garland aus Chiswick?«, stottert er. »Es ehrt mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Sir, eine große Ehre. Finanzier, Unternehmer, eine herausragende Persönlichkeit unserer Gesellschaft – gibt es etwas, das Ihre Talente nicht abdecken?« Daraufhin fühlt er Mr Garland gründlich auf den Zahn, um seine Ansichten über die Eisenbahn zu erfahren.

Es überrascht mich nicht, dass dieser Mann überragende Fähigkeiten besitzt. Und ich wundere mich, dass mir binnen zweier Tage zwei Männer begegnet sind, die beide mit hervorragendem Aussehen und Manieren gesegnet und doch so verschieden sind. Henry war locker im Umgang, offen und fröhlich. Mr Garland hat geschliffene Umgangsformen, ist höflich und gesetzt. Henry hatte wuschelige Locken und lange Gliedmaßen. Mr Garland sieht aus, als könnte ihm kein Windstoß das Haar zerzausen und kein Naturereignis etwas anhaben. Henry versucht noch, seinen Weg in die Welt zu finden, bedrängt von den Ungewissheiten und Enttäuschungen, denen Sterbliche ausgeliefert sind. Mr Garland hat einen festen Platz im Leben, ist erfolgreich und unabhängig. Henry wärmte mir das Herz. Mr Garland blendet mich. Eigentlich fröstelt es mich sogar ein wenig in seiner Gegenwart. Aber beide sind ein sehr erfreulicher Anblick.

In Hammersmith verlässt uns die Gouvernante mit ihren Mädchen. Drei alte Männer nehmen ihre Plätze ein, nicken knapp und setzen dann eine hitzige Debatte über Currypulver fort. Weil Mr Welbeck so viel Platz einnimmt, quetschen sich alle drei neben mich.

»Haben Sie es auch bequem, Miss Snow? Möchten Sie vielleicht mit mir Platz tauschen?«, erkundigt Mr Garland sich mit leiser Stimme. Seine Diskretion ist unangebracht – die Debatte wird wütend und heftig geführt. Die Rosshaarpolster sind klumpig und kein ausreichender Schutz vor dem heftigen Nachhall der Straße.

»Ich sitze recht gut, besten Dank, Sir«, erwidere ich und meine Stimme ist ein bloßes Flüstern. Es ärgert mich, dass ich mich wie eine graue Maus verhalte. Aber er gehört zu dem Schlag von Menschen, wie sie mir auf Hatville begegnet sind, wenn sie an mir vorbeirauschten, darauf erpicht, Aurelia zu sehen – und er sitzt mir direkt gegenüber. Seine Beine sind so lang, dass sie, obwohl er sie elegant übereinandergeschlagen hat, in meine Hälfte der Kutsche hineinreichen. Und in diesem Fall bin ich einmal froh, dass meine so kurz sind, und ich ziehe sie so dicht wie möglich an meinen Platz heran.

Mit besorgter Miene neigt er sich mir zu. Ich weiche zurück. »Haben Sie noch einen weiten Weg vor sich?«

Ich zögere. »Nicht sehr weit, Sir, danke.«

Mr Welbeck wirkt verärgert, weil er das Interesse des bedeutenden Mannes verloren hat, aber er gewinnt es zurück, indem er eine detaillierte Hypothese über Aktien und Anteile entwickelt, der ich nicht zu folgen vermag.

Während die Gespräche an mir vorbeirauschen, ertappe ich mich dabei, dass ich immer mal wieder einen Blick auf Mr Garland werfe. Das ist nicht richtig, dessen bin ich mir sicher, aber es bietet sich an, Spekulationen über ihn anzustellen. Er ist ein Mann um die dreißig, weder jung und töricht noch alt und verbraucht. Mich faszinieren seine ebenmäßigen Züge, der erlesene taubengraue...

Erscheint lt. Verlag 14.3.2016
Übersetzer Elfriede Peschel
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Buch 2016 • England • Eva Stachniak • Freundschaft • Geheimnis • Jane Austen • Jojo Moyes • Kate Morton • London • Lucinda Riley • Neu 2016 • Neuerscheinung 2016 • Neuerscheinungen 2016 • Reise • Waisenkind
ISBN-10 3-8437-1263-8 / 3843712638
ISBN-13 978-3-8437-1263-7 / 9783843712637
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