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Der Junge, der vom Frieden träumte (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
400 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403392-1 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
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»Was der ?DRACHENLÄUFER? für Afghanistan, ist der ?Der Junge, der vom Frieden träumte? für Palästina.« Huffington Post »Der Junge, der vom Frieden träumte« von Michelle Cohen Corasanti ist ein Roman, der den Leser den Nahostkonflikt hautnah erleben lässt. Er erzählt vom Schicksal eines jungen Palästinensers, der zwischen den Fronten des Krieges aufwächst und dennoch versucht, sich die Menschlichkeit zu bewahren. Der zwölfjährige Palästinenser Ahmed kämpft um das Überleben seiner Familie, der einst eine blühende Orangenplantage gehörte. Mittlerweile haben die Israelis den dortigen Bauern fast alles genommen. Auf der Jagd nach einem Schmetterling kommt seine zweijährige Schwester Amal in einem Minenfeld ums Leben. Als auch noch sein Vater verhaftet und der Familie alles genommen wird, ist er der Einzige, der sie retten kann. Denn Ahmed ist ein Mathematikgenie und erhält eines der begehrten Stipendien an der Universität von Tel Aviv. Doch dort ist er der einzige Palästinenser unter Juden...

Michelle Cohen Corasanti ist eine in den USA geborene Jüdin. Mit sechzehn schickten ihre Eltern sie nach Israel, um Hebräisch zu lernen und die jüdische Kultur und Religion zu studieren. Sie besuchte die Hebrew University of Jerusalem, wo sie ihren Master in Nahostwissenschaften machte. Inzwischen hat sie zwei Harvard-Diplome und ist Anwältin für Menschenrechte. »Der Junge, der vom Frieden träumte« war international sehr erfolgreich und wurde in viele Sprachen übersetzt. »Das Mädchen, das die Hoffnung fand« ist ihr zweiter Roman.

Michelle Cohen Corasanti ist eine in den USA geborene Jüdin. Mit sechzehn schickten ihre Eltern sie nach Israel, um Hebräisch zu lernen und die jüdische Kultur und Religion zu studieren. Sie besuchte die Hebrew University of Jerusalem, wo sie ihren Master in Nahostwissenschaften machte. Inzwischen hat sie zwei Harvard-Diplome und ist Anwältin für Menschenrechte. »Der Junge, der vom Frieden träumte« war international sehr erfolgreich und wurde in viele Sprachen übersetzt. »Das Mädchen, das die Hoffnung fand« ist ihr zweiter Roman. Adelheid Zöfel lebt und übersetzt in Freiburg im Breisgau. Zu den von ihr übersetzten Autoren gehören u.a. Marisha Pessl, Chuck Klosterman, Bill Clegg, David Gilmour, Janice Deaner und Louise Erdrich.

Sie bringt es fertig, das sensible Thema erschütternd aber auch absolut packend nahezulegen.

Tiefgreifend.

Israelisch-palästinensische Geschichte in einem bewegenden Roman!

TEIL EINS
1955


1


Mama sagte immer: Die kleine Amal hat es faustdick hinter den Ohren. In der Familie fanden überhaupt alle, dass meine Schwester mehr Mumm und Energie hatte als mein jüngerer Bruder Abbas und ich zusammen. Dabei war Amal erst zwei Jahre alt und noch ziemlich wackelig auf ihren runden Beinchen. Als ich an einem Nachmittag nach ihr schaute und sie nicht in ihrem Bettchen fand, geriet ich deshalb sofort in Panik.

Es war Sommer, und das ganze Haus ächzte unter der Hitze. Ich stand allein in Amals Zimmer. Vielleicht verriet mir ja die Stille, wo meine kleine Schwester steckte. Der weiße Vorhang bauschte sich von einem leisen Windhauch, das Fenster stand offen – weit offen. Ich lief hin. Hoffentlich war ihr nichts zugestoßen. Hoffentlich sah ich sie nicht dort unten liegen, wenn ich jetzt hinausschaute! Eine furchtbare Angst packte mich, aber ich beugte mich trotzdem über den Sims, weil die Ungewissheit noch schlimmer war als die Angst. Bitte, lieber Gott, bitte, lieber Gott, bitte, bitte …

Unten war nichts zu sehen, nur Mamas Garten: bunte Blumen, die sich in der sanften Brise wiegten.

Im Erdgeschoss war die Luft von köstlichen Gerüchen erfüllt, der große Tisch beladen mit leckeren Gerichten. Baba und ich, wir liebten Süßes, deshalb bereitete Mama für unser Fest heute Abend tausend Köstlichkeiten zu.

»Wo ist Amal?«, fragte ich sie. Weil Mama mir den Rücken zuwandte, steckte ich mir blitzschnell einen Dattelkeks in die Tasche. Und noch einen – für Abbas.

»Sie macht ihren Mittagsschlaf.« Mama goss Sirup über die Baklava.

»Nein, sie ist nicht in ihrem Bett.«

»Wo ist sie dann?« Mama stellte die heiße Pfanne in die Spüle und kühlte sie mit Wasser, das sich augenblicklich in Dampf verwandelte.

»Vielleicht versteckt sie sich irgendwo?«

Mamas schwarzes Gewand streifte mich, als sie zur Treppe eilte. Wortlos folgte ich ihr. Ich beschloss, mir die Kekse in meiner Tasche zu verdienen, indem ich Amal vor ihr fand.

»Kann mir mal jemand helfen?« Abbas stand oben an der Treppe, das Hemd noch nicht richtig zugeknöpft.

Ich warf ihm einen warnenden Blick zu – er sollte kapieren, dass ich dabei war, Mama bei einer schwierigen Aufgabe zu helfen.

Hinter Mama drängten Abbas und ich uns in das Zimmer, in dem sie und Baba schliefen. Doch Amal hatte sich nicht unter dem großen Bett verkrochen. Ich zog die Vorhänge beiseite, hinter denen die Kleider unserer Eltern verstaut waren, und erwartete ganz sicher, dass Amal dort kauern würde, ein fröhliches Grinsen auf dem Gesicht. Aber keine Spur von der Kleinen. Ich spürte, dass auch Mama allmählich richtig Angst bekam. Ihre dunklen Augen funkelten so, dass mir ganz bang ums Herz wurde.

»Keine Sorge, Mama«, sagte Abbas. »Ahmed und ich, wir helfen dir. Wir finden sie.«

Mama legte den Finger an die Lippen, um uns zu signalisieren, wir sollten still sein, während wir den Flur zum Zimmer unserer kleinen Brüder durchquerten. Die beiden schliefen noch, deshalb gab Mama uns mit einer Handbewegung zu verstehen: Bleibt draußen! Sie wusste besser als Abbas und ich, wie man sich lautlos bewegt. Aber auch dort – keine Amal.

Abbas schaute mich mit großen Angstaugen an, und ich legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter.

Wir gingen nach unten. Immer und immer wieder rief Mama Amals Namen. Sie suchte im Wohnzimmer und im Esszimmer und ruinierte dabei alles, was sie für das große Festessen mit Onkel Kamals Familie vorbereitet hatte.

Schließlich eilte sie zu der Glasveranda, Abbas und ich hinter ihr her. Die Tür zum Garten stand offen. Mama rang nach Luft.

Von dem großen Fenster aus sahen wir Amal. Sie hüpfte in ihrem Nachthemd über die Wiese, in Richtung Feld.

Und schon war Mama draußen, rannte quer durch ihren Garten, knickte die Rosen, deren Dornen sich in ihrem Kleid verhakten. Abbas und ich blieben ihr auf den Fersen.

»Amal!«, rief Mama. »Bleib stehen!« Ich hatte schon Seitenstechen, rannte aber weiter. Bei dem Schild machte Mama so abrupt halt, dass Abbas und ich mit ihr zusammenstießen. Amal war auf dem Feld. Ich bekam keine Luft vor Schreck.

»Halt!«, schrie Mama. »Bleib sofort stehen!«

Amal jagte einen roten Schmetterling. Ihre schwarzen Locken flatterten im Wind. Sie drehte den Kopf und schaute zu uns. »Gleich hab ich ihn!«, jubelte sie und zeigte lachend auf den Schmetterling.

»Nein, Amal!«, rief Mama mit ihrer strengsten Stimme. »Bleib stehen! Sofort!«

Amal blieb tatsächlich stehen, und Mama atmete hörbar auf.

Abbas sank erleichtert auf die Knie. Wir wussten: Unter keinen Umständen durfte man weitergehen als bis zum Schild. Dahinter begann das Feld des Teufels.

Der hübsche rote Schmetterling landete etwa vier Meter vor Amal.

»Nein!«, schrie Mama.

Abbas und ich schauten hoch.

Amal warf Mama einen verschmitzten Blick zu, dann hüpfte sie zu dem Schmetterling.

Alles, was danach kam, geschah wie in Zeitlupe. Es war, als würde jemand Amal ganz langsam in die Luft schleudern. Rauch und Feuer unter ihr. Ihr Lächeln flog davon. Der Knall traf uns wie ein tödlicher Schlag, wir taumelten rückwärts. Und als ich zu der Stelle blickte, wo Amal gerade noch gewesen war, konnte ich sie nicht mehr sehen. Sie war weg. Einfach weg. Ich hörte nichts.

Und dann Schreie. Mamas Stimme. Dann Babas Stimme, irgendwo weit hinter uns. Da begriff ich, dass Amal gar nicht weg war. Ich sah etwas. Ihren Arm. Ja, es war ihr Arm, aber ihr Körper hing nicht mehr daran. Ich rieb mir die Augen. Amal war in Stücke zerfetzt. Wie ihre alte Puppe, nachdem unser Wachhund sie zwischen die Zähne bekommen hatte. Ich machte den Mund auf und schrie so laut, dass ich dachte, gleich zerreißt es mich in zwei Teile.

Baba und Onkel Kamal kamen angerannt. Keuchend blieben sie an dem Schild stehen. Mama schaute die beiden gar nicht an, sie wimmerte nur tonlos: »Mein Baby, mein Baby …«

Da sah Baba die kleine Amal, drüben, jenseits des Schildes – des Schildes, auf dem Sperrgebiet stand. Er wollte sich auf sie stürzen, Tränen liefen ihm übers Gesicht. Aber Onkel Kamal hielt ihn mit beiden Händen fest. »Nein …!«

Baba versuchte, ihn abzuschütteln, doch Onkel Kamal gab ihn nicht frei. Baba wehrte sich, schrie: »Ich kann sie nicht allein lassen!«

»Es ist zu spät.« Onkel Kamals Stimme ließ keinen Widerspruch zu.

Ich sagte zu Baba: »Ich weiß, wo sie die Minen vergraben haben.«

Er schaute mich nicht an, sondern sagte nur: »Zeig mir den Weg, Ahmed.«

»Du willst dein Leben in die Hände eines Kindes legen?« Onkel Kamal sah aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen.

»Er ist kein normaler Siebenjähriger«, entgegnete Baba.

Ich ging einen Schritt auf die Männer zu und ließ Abbas bei Mama zurück. Beide Männer weinten. »Sie haben die Minen mit den Händen eingebuddelt«, sagte ich. »Und ich habe eine Karte angelegt.«

»Hol die Karte«, sagte Baba. Er fügte noch etwas hinzu, aber das konnte ich nicht mehr verstehen, weil er sich wegdrehte, hin zum Feld des Teufels – und zu Amal.

Also rannte ich, so schnell ich konnte, zum Haus, holte die Karte aus ihrem Versteck auf der Veranda, schnappte mir Babas Wanderstock und lief zurück zu den anderen, zu meiner Familie. Mama sagte sonst immer, ich dürfe mit Babas Stock in der Hand nicht rennen, weil ich mich verletzen könnte, aber das hier war ein Notfall.

Baba nahm den Stock und klopfte damit auf den Boden, während ich mich bemühte, wieder regelmäßig zu atmen.

»Hinter dem Schild musst du geradeaus gehen«, sagte ich. Ich war fast blind von den Tränen, die mir in den Augen brannten, aber ich schaute nicht weg.

Vor jedem Schritt klopfte Baba den Boden ab. Als er drei Meter vom Schild entfernt war, blieb er stehen. Amals Kopf lag etwa einen Meter vor ihm. Ihre Locken waren verschwunden. Wo die Kopfhaut verbrannt war, quoll eine weiße Masse heraus. Babas Arme waren nicht lang genug, um den Kopf zu erreichen, also ging er in die Hocke und versuchte es so. Mama stöhnte auf. Meiner Meinung nach hätte er lieber den Stock nehmen sollen, aber ich wagte nicht, ihm das vorzuschlagen, denn es konnte ja sein, dass er das Amal nicht antun wollte.

»Komm zurück!«, flehte ihn Onkel Kamal an. »Das ist viel zu gefährlich.«

»Die beiden Kleinen!«, stöhnte Mama plötzlich. Baba wäre fast vornübergefallen, aber er fing sich wieder. »Sie sind allein im Haus.«

»Ich sehe nach ihnen.« Onkel Kamal ging, und ich war froh, als er weg war, weil er alles nur noch schlimmer machte.

»Bring sie bitte nicht hierher!«, rief Baba ihm nach. »Sie dürfen Amal nicht so sehen. Und Nadia soll lieber auch nicht kommen.«

»Nadia!« Mama klang, als hätte sie den Namen ihrer ältesten Tochter gerade das erste Mal gehört. »Nadia ist bei euch, Kamal, bei euren Kindern.«

Onkel Kamal nickte nur und setzte seinen Weg fort.

Mama kauerte laut schluchzend neben Abbas auf dem Boden. Abbas starrte völlig unbewegt auf das, was von Amal übrig geblieben war – wie jemand, über den ein Bann verhängt wurde und der sich nicht mehr rühren kann.

»Wie weiter, Ahmed?«, fragte Baba.

Nach meiner Karte befand sich etwa zwei Meter hinter Amals Kopf eine Mine. Die Sonne...

Erscheint lt. Verlag 25.5.2016
Übersetzer Adelheid Zöfel
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Drachenläufer • Israel • Israelis • Jerusalem • Krieg • Mandelbaum • Mathematik • Mathematikgenie • Nahostkonflikt • Nobelpreis • Palästina • Palästinenser • PLO • Tel Aviv
ISBN-10 3-10-403392-7 / 3104033927
ISBN-13 978-3-10-403392-1 / 9783104033921
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