Amoralisch (eBook)

Ein Biotech-Roman Noir
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
256 Seiten
Parlez Verlag
978-3-86327-033-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Amoralisch -  Tobias Radloff
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Philip Strasser, Privatdetektiv, ist am Ende. Früher hatte er einen guten Ruf, doch seit er sich vor Jahren hat bestechen lassen, bleibt seine Ein-Mann-Detektei verwaist. Um sich über Wasser zu halten, schnüffelt er im Auftrag des Pharmaunternehmers Mortensen dessen eigenen Mitarbeitern in der Firma Protagen hinterher. Ein unangenehmer Job. Eines Tages bittet ihn Nina Berger, Sekretärin eines Chefs der Protagen-Forschungsabteilung, um seine Hilfe: Ihr Vorgesetzter stalke sie, sie wisse nicht mehr ein noch aus. Strasser lehnt den Auftrag ab; er kann nicht für Protagen und gleichzeitig gegen einen von dessen führenden Mitarbeitern tätig sein. Wenige Tage später ist Nina Berger verschwunden. Philip Strasser bringt in Erfahrung, dass ihr Chef Einbecker heißt, und dieser Einbecker ist für ihn kein Unbekannter. Er ist dem Mann schon einmal begegnet, vor Jahren. Damals ging es um Pharmatests, bei denen mehrere Probanden zu Tode kamen. Einbecker in der Forschungsabteilung bei Protagen? Strasser hat eine Ahnung, dass mehr hinter dem Verschwinden der Sekretärin stecken könnte, und beginnt, verdeckt zu ermitteln. Nina Berger ist tot, sie hat sich mit Tabletten das Leben genommen. Das denken alle: die Polizei, die Kollegen bei Protagen. Strasser gibt sich mit der Selbstmord-Theorie nicht zufrieden und sieht sich weiter im Umfeld der Toten um. Aber wie beschattet man erfolgreich einen Wissenschaftler aus der Führungsriege der Firma, für die man immer noch arbeitet? Wie bringt man einen Dealer zum Reden und setzt sich gegen dessen Bodyguards zur Wehr? Die Ermittlungen führen ihn vom Sumpf der Drogenszene bis in die Chefetagen der Biotech-Branche, und jede Erkenntnis wirft neue Fragen auf. Vor allem eine Frage: Was hat es mit Protagens neu entwickelten Wirkstoff Amortisol wirklich auf sich?

Tobias Radloff geboren 1977 in Langen bei Frankfurt, ist Schriftsteller, Musiker und passionierter Kaffeetrinker. Nach Schwarzspeicher, dem einzigen Roman über die Post-Snowden-Ära, der schon vor den Snowden-Enthüllungen erschienen ist, legt er mit Amoralisch seinen zweiten Spannungsroman vor. Tobias Radloff lebt in Belfast.

Tobias Radloff geboren 1977 in Langen bei Frankfurt, ist Schriftsteller, Musiker und passionierter Kaffeetrinker. Nach Schwarzspeicher, dem einzigen Roman über die Post-Snowden-Ära, der schon vor den Snowden-Enthüllungen erschienen ist, legt er mit Amoralisch seinen zweiten Spannungsroman vor. Tobias Radloff lebt in Belfast.

Am nächsten Morgen war ich nicht in der Stimmung, vor die Tür zu gehen. Ich beschloss, dass die Welt mir einen halbwegs erfreulichen Tag schuldete, holte mir einen runter und verbrachte die nächsten Stunden vor dem Fernseher. Sorgen, etwas zu verpassen, hatte ich nicht. Es war zwecklos, Blank noch länger zu observieren. Wenn ich den Bonus schon abschreiben musste, konnte ich mir mein Tageshonorar auch bequem von zu Hause aus verdienen. Auch bei Einbecker war es höchste Zeit, mir einzugestehen, dass das Detektivspielen in seinem Fall reine Zeitverschwendung gewesen war. Er war kein Sexgangster, sondern ein Playboy, und Nina Berger war mitnichten ein Stalkingopfer, sondern hatte wohl bloß Muffensausen gehabt. Beide Tatsachen waren enttäuschend, aber enttäuschenderweise auch legal.

Gegen Abend rief Hondo an und fragte, ob ich ins Deppenapostroph käme. Zuerst weigerte ich mich, aber als er sagte, dass heute Geburtstag angesagt sei, witterte ich Freibier. Ich zog mir etwas an, ging die Treppe runter und zwei Straßen weiter zu dem Flachdachbau, von dessen Fassade Farbe und zentimeterdicke Plakatschichten abblätterten.

Hinter der Tür und einem schweren Filzvorhang hing jahrzehntealter Rauch in der Luft. Zwei Halogenstrahler waren auf die Wand mit den Fotos gerichtet. Frühere Besitzer der Kneipe hingen dort in trauter Eintracht zwischen lebenden und verstorbenen Stammgästen, ihren Hunden und anderen Trinkenden, an deren Namen sich heute niemand mehr erinnerte. Ich glaube nicht an Gespenster, aber wenn es sie gäbe, dann würden sie aus angelaufenen Zinnrahmen wie denen steigen, die die Stirnwand des Guido's bedeckten.

Hondo saß allein an der Bar und telefonierte. An einem Tisch spielte der Wirt Klabberjass mit einem Stammgast, dessen Namen ich schon dreimal wieder vergessen hatte. Er hatte einen achtjährigen Knirps neben sich, der darin vertieft war, mit seiner Cola zu blubbern. Der Stammgast und ich teilten das Schicksal des geschiedenen Vaters, er hatte zusätzlich das Alkoholproblem.

„Ich kenne den besten Club in der Stadt. Du musst unbedingt mitkommen, du wirst begeistert sein", sagte Hondo in sein iPhone. Ich setzte mich auf den Hocker neben ihm. Das Holz des Tresens war dunkel von Alter und im Suff vergossenen Tränen. „Okay, aber ich nehme nur coole Girls mit dahin. Du bist doch cool, oder?"

Ich räusperte mich. Hondo grinste, beendete aber das Gespräch. „Ich muss jetzt los. Klar, du hast ja meine Nummer." Er steckte sein Handy ein und wandte sich mir zu. „Na, wie läuft’s?"

„Wer hat Geburtstag?"

„Heute? Ein Dreihundertfünfundsechzigstel der Menschheit, schätze ich."

Mir fiel wieder ein, dass ich Hondo eigentlich gar nicht leiden konnte. Ich stand auf.

„Man sieht sich."

Er verdrehte die Augen. „Philip, du verstehst aber auch gar keinen Spaß. Außerdem siehst du aus wie jemand, der ein Bier braucht." Fast wäre ich gegangen. Dummerweise hatte Hondo recht: Ich konnte wirklich ein Bier vertragen. Vor allem aber sehnte ich mich nach Gesellschaft.

Es gibt keinen verlässlicheren Weg, sieben Abende die Woche frei zu haben, als wenn dich alle für ein Dreckschwein halten. Unseren gemeinsamen Freundeskreis hatte ich bei der Trennung an Hannah verloren. Infolgedessen waren die Stammgäste im Guido's die einzigen Menschen, zu denen ich regelmäßigen Kontakt hatte. Na ja, vielleicht noch Boris Hansen, aber im Vergleich zu ihm, da war ich mir ziemlich sicher, war Hondo immer noch die bessere Wahl.

Ich ließ mich wieder auf den Hocker sinken. Hondo klopfte mir auf die Schulter. „Na, wer sagt’s denn. Bleib sitzen, Guido, ich mach schon!"

„Finger weg vom Zapfhahn!" Der Wirt legte seine Karten verdeckt auf den Tisch und kam hustend hinter den Tresen. Auf seinem Pullover wechselten sich Elche und Tannenbäume ab. Wir hatten September.

„Pils, Philip?", fragte er und hielt das Glas unter den Hahn, ohne meine Antwort abzuwarten. Manchmal tut es gut, nicht jede Entscheidung selbst treffen zu müssen.

Das Bier plätscherte fröhlich ins Glas. Ich warf einen Blick zum Tisch hinüber. Karo war Trumpf. „Wer gewinnt?"

„Die Bank natürlich." Guido zwinkerte mir zu. „Hier, lass es dir schmecken. Und du sei nett zu unserem Jungspund!", ermahnte er Hondo, bevor er wieder an seinen Tisch zurückwackelte. Ich unterdrückte ein Schnauben. Hondo ist höchstens drei Jahre älter als ich.

Er stieß sein Glas gegen meins. „Santé."

„Du mich auch."

„Santé. Gesundheit. So prostet man sich in Frankreich zu."

„Du bist ein Snob."

„Du täuschst dich. Ich habe Panache!"

Auch das war falsch, was immer Panache bedeuten mochte. Die Wahrheit lautete, dass Hondo ein Selbstdarsteller war, extrover-tiert bis zur Hemmungslosigkeit und stets darum bemüht, alle Blicke auf sich zu ziehen. Er hatte einen Hut neben sich liegen und in seiner Brusttasche steckte eine Taschenuhr an einer goldenen Kette.

„Du hast dein Monokel vergessen", sagte ich. „Und die Dampfkutsche."

„Purer Neid. Ein wenig Stil würde dir auch gut tun, und deinem game sowieso. Allerdings müsstest du dafür in deiner Wohnung einen Spiegel aufhängen." Er war einmal bei mir oben gewesen. Die fehlenden Spiegel waren das erste Detail gewesen, das ihm aufgefallen, und das einzige, das ihm im Gedächtnis geblieben war. Ich trank und schwieg.

Hondo trank und redete. „Hast du mal darüber nachgedacht, wie selten man noch Raucher sieht? Also Leute, die tatsächlich eine brennende Zigarette in der Hand haben und ab und zu daran ziehen?" Ich dachte an den Kellner von Freitagabend. Heitkamps vermeintliche Schwester drängte sich ins Bild, und ich schüttelte den Gedanken mühsam wieder ab.

Hondo legte sein iPhone vor sich auf den Tisch und griff nach dem Aschenbecher. „Ich wette, der hier ist seit Wochen nicht benutzt worden. Pass auf!" Er streckte die Zunge heraus und leckte einmal quer über den Boden des Aschers.

Ich starrte ihn an. Das war einer der Gründe, warum ich nicht für eine Million Euro mit Hondo in Urlaub fahren würde: Ständig musste er jemanden beeindrucken. Meistens zielte er auf Frauen ab, aber wenn keine in der Nähe war, nahm er auch mit mir vorlieb.

„Lass dich nicht veräppeln, Philip", sagte Guido in meinem Rücken. „Bevor du kamst, hat er mir zugesehen, wie ich das Ding feucht ausgewischt habe." Er wollte noch mehr sagen, aber sein Raucherhusten machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Es klang wie rostige Nägel in einer noch rostigeren Konservendose.

Hondo schlug mir auf den Rücken, dass ich mich am Tresen festhalten musste. „Mann, deinen Gesichtsausdruck hättest du sehen sollen! Nachher nehme ich einen Ascher mit. Ich wette, bei den HBs schlägt der Trick ein wie eine Bombe." Er sprach die Buchstaben englisch aus: Äitsch-Bies.

„Gar nichts nimmst du mit!", presste Guido zwischen zwei Hustenattacken hervor.

Hondo hob sein Glas zu einem tiefen, lässigen Zug. Ich tat es ihm nach, wenn auch ohne die Beiläufigkeit, die man erst nach hunderten von bierseligen Kneipenabenden entwickelt. Ich passte nicht ins Schema des Eckkneipenstammgasts – zu jung, zu gesund. Wenn ich nicht zufällig in der Nähe gewohnt hätte, hätte ich nicht einmal gewusst, dass das Guido's überhaupt existierte. „Nichtsdestotrotz habe ich recht", fuhr mein Nicht-Freund fort. „Raucher sind aus der Öffentlichkeit praktisch verschwunden und mit ihnen all die Codes, die damit verknüpft waren. Welche Marke rauchst du? Drehst du selbst? Streichhölzer, Bic oder Zippo? Hältst du die Fluppe wie Marlon Brando oder wie John Travolta? Das waren mal wichtige Fragen. Heute dreht sich alles nur noch um das hier." Er schob mir sein iPhone zu. Ich nahm es in die Hand und bemerkte erst jetzt, dass es gar nicht echt war. Der vermeintliche Minicomputer war eine Replik aus hellem Speckstein. Proportionen, Gewicht, alles stimmte. Hondo hatte das Design perfekt reproduziert.

„Nicht schlecht, was?"

Ich nickte widerwillig. „Das ist also Kunst?"

Hondos Nische war, alltägliche Objekte und Gesten in Kunstgegenstände zu verwandeln. Selbst ein Laie wie ich konnte erkennen, dass er darin nicht allzu schlecht war. Dennoch hatte er mir mehr als einmal erklärt, dass das nur sein Job war. Seine Berufung hingegen bestünde darin, Frauen aufzureißen. Darauf lief es jedenfalls hinaus, auch wenn er und seinesgleichen es anders ausdrückten. Sie nannten sich Pick-up-Artists und machten eine Pseudowissenschaft daraus, HBs – Pick-up-Artist-Slang für Hot Babes – ins Bett zu kriegen. Als Hondo mir an dem Abend, als ich mich zum ersten Mal ins Guido's getraut hatte, davon erzählte, hatte ich ihn ausgelacht. Ich war felsenfest davon überzeugt gewesen, dass er mich verarschte.

„Nein, es ist kubanische Folklore", gab er zurück. „Natürlich ist es Kunst! Das Original wird demnächst in Frankfurt ausgestellt." „Am Main oder an der Oder?"

Er tat so, als habe er die Frage nicht gehört. Ich bohrte nicht nach. Ich wollte noch nicht wieder allein sein.

„Smartphones sind das, was Zigaretten einmal waren." Hondo nahm das falsche iPhone und nestelte damit an seinem Oberarm herum. „Ich wette, du wusstest nicht, dass wir coolen Jungs die Kippenschachtel früher in den Ärmel unseres T-Shirts gewickelt haben."

„Weil es den Bizeps zur Geltung bringt", sagte ich. „Ich habe auch mal einen Film aus den Siebzigern gesehen."

„Mhm. La Boum, nehme ich an. Kommerzscheiße." Hondo mochte es nicht, wenn sein obskures Wissen keine angemessene...

Erscheint lt. Verlag 7.4.2023
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Biotech • detektivroman • Dunkler Roman • Kriminalroman • Noir • noir roman • Roman Noir • roman privatdetektiv • Thriller • Weihnachten • weihnachtsdeals
ISBN-10 3-86327-033-9 / 3863270339
ISBN-13 978-3-86327-033-9 / 9783863270339
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