Die Mars-Chroniken (eBook)

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2015 | 1. Auflage
384 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-60750-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Mars-Chroniken -  Ray Bradbury
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Die Mars-Chroniken über eine Folge von Reisen, die Erdbewohner zum Mars bringen erst Raumfahrer, dann Pioniere, dann Außenseiter und schließlich die Überlebenden des letzten Weltkriegs auf der Erde , sind längst ein Klassiker der Sciencefiction.

Ray Bradbury, geboren 1920 in Waukegan (Illinois), wurde gleich mit seinem ersten Roman ?Fahrenheit 451?, den François Truffaut verfilmte, berühmt. Bekannt für seine Science-Fiction schrieb Bradbury auch Kinderbücher, Gedichte und Drehbücher wie jenes zu ?Moby Dick? von John Huston. Ray Bradbury starb 2012 in Los Angeles.

Ray Bradbury, geboren 1920 in Waukegan (Illinois), wurde gleich mit seinem ersten Roman ›Fahrenheit 451‹, den François Truffaut verfilmte, berühmt. Bekannt für seine Science-Fiction schrieb Bradbury auch Kinderbücher, Gedichte und Drehbücher wie jenes zu ›Moby Dick‹ von John Huston. Ray Bradbury starb 2012 in Los Angeles.

[13] Green Town, irgendwo auf dem Mars;
Mars, irgendwo in Ägypten

Eine Einführung

»Sagen Sie mir nicht, was ich tue; ich will’s nicht wissen!«

Das sind nicht meine Worte. Sondern die meines Freundes, des italienischen Filmregisseurs Federico Fellini. Als dieser Szene um Szene seine Drehbücher verfilmte, weigerte er sich, die neuen Aufnahmen anzuschauen, die von der Kamera eingefangen und am Ende eines jeden Drehtags im Labor entwickelt wurden. Er wollte, dass seine Szenen mysteriöse provocateurs blieben, die ihn zur Weiterarbeit verführten.

So verhielt es sich auch, für den Großteil meines Lebens, mit meinen Erzählungen, Theaterstücken und Gedichten. Und so verhielt es sich mit den Mars-Chroniken in den Jahren kurz vor meiner Heirat 1947. Sie gipfelten in der Überraschung des rasant fertiggestellten Werkes im Sommer 1949. Was als Gelegenheitsarbeit, als »Asides« oder als innerer Monolog über den Roten Planeten begonnen hatte, glich im Juli und August jenes Jahres dem Aufplatzen eines überreifen Granatapfels: Jeden Morgen hastete ich an meine Schreibmaschine, um herauszufinden, welche ungewöhnlichen neuen Dinge meine Muse zu liefern gewillt war.

[14] Hatte ich eine solche Muse? Und habe ich schon immer an dieses mythische Geschöpf geglaubt? Nein. Am Anfang, in der High School, und nachher, als ich an einer Straßenecke stand und Zeitungen verkaufte, tat ich, was die meisten Schriftsteller zu Beginn ihrer Laufbahn tun: Ich eiferte meinen Vorgängern nach, ich imitierte meine Zeitgenossen und beraubte mich so jeder Möglichkeit, Wahrheiten zu entdecken, die unter meiner Haut und hinter meinen Augen schlummerten.

Obwohl ich eine Reihe sehr guter unheimlicher oder phantastischer Geschichten geschrieben habe, die veröffentlicht wurden, als ich Mitte zwanzig war, habe ich nichts daraus gelernt. Ich wollte nicht wahrhaben, dass ich eine Menge guter Dinge in meinem Kopf aufwirbelte und sie auf dem Papier eingefangen hatte. Meine eigenartigen Geschichten waren lebendig und wirklich. Meine Zukunftsgeschichten waren leblose Roboter, mechanisch und unbeweglich.

Was mich befreite, war Winesburg, Ohio von Sherwood Anderson. In meinem vierundzwanzigsten Jahr ließ ich mich irgendwann von diesen Figuren überwältigen, die ihr Leben auf halberleuchteten Veranden und in düsteren Dachstuben jener immerzu herbstlichen Stadt zubrachten. »Guter Gott«, rief ich. »Wenn ich ein Buch schreiben könnte, das nur halb so gut ist wie dieses, aber auf dem Mars spielt – wie unglaublich wäre das!«

Ich stellte eine Liste möglicher Schauplätze und Charaktere in jener fernen Welt zusammen, dachte mir Titel aus, begann ein Dutzend Geschichten und brach sie wieder ab, dann legte ich sie zu den Akten und vergaß sie. Oder bildete mir ein, sie vergessen zu haben.

[15] Denn die Muse ist hartnäckig. Sie lebt fort, auch wenn man sie vernachlässigt; sie wartet darauf, dass man ihr Luft verschafft oder dass man stirbt, ohne ihr zum Ausdruck verholfen zu haben. Ich hatte die Aufgabe, mich selbst davon zu überzeugen, dass die Geschichten nicht nur ein Mythos waren, sondern eine intuitive Wesenheit, die ich wachrütteln musste, damit sie in Zungen sprach und aus meinen Fingerspitzen quoll.

Während der nächsten paar Jahre schrieb ich eine Reihe marsianischer pensées, eine Art shakespearesches »Asides«, mäandernde Gedanken, ausgedehnte Nachtvisionen, Halbträume vor der Morgendämmerung. Die Franzosen, so etwa Saint-John Perse, praktizieren dies meisterhaft. Es handelt sich um jeweils einen Absatz – halb Poesie, halb Prosa –, der sich auf nicht mehr als hundert Wörter beläuft oder aber eine ganze Seite einnimmt, und zwar zu jedem Thema, heraufbeschworen vom Wetter, von der Zeit, einer architektonischen Fassade, gutem Wein, gutem Essen, dem Ausblick auf das Meer, schnellen Sonnenuntergängen oder einem langen Sonnenaufgang. Aus diesen Elementen erbricht man einzigartige Wortknäule oder hilflos faselnde hamletartige Monologe.

Jedenfalls legte ich meine pensées ohne besonderes System oder irgendeinen Plan an und begrub sie mit zwei Dutzend anderen Erzählungen.

Dann geschah etwas Erfreuliches. Norman Corwin, der beste Rundfunkautor und -regisseur, bestand darauf, dass ich New York besuchte, um mich »entdecken« zu lassen. Gehorsamst fuhr ich mit dem Bus nach Manhattan, dümpelte im YMCA vor mich hin und traf Walter Bradbury (keine [16] Verwandtschaft), den wunderbaren Lektor von Doubleday, der mir zu verstehen gab, ich hätte einen unsichtbaren Gobelin gewirkt. »All diese marsianischen Geschichten«, legte er mir nahe, »könnten Sie die nicht mit Nadel und Faden zu den Mars-Chroniken verweben?«

»Mein Gott«, flüsterte ich. »Winesburg, Ohio!«

»Wie bitte?«, fragte Walter Bradbury.

Tags darauf lieferte ich den Entwurf zu den Chroniken bei Walter Bradbury ab, dazu ein Konzept für Der illustrierte Mann. Ich fuhr mit dem Zug nach Hause, in der Brieftasche fünfzehnhundert Dollar, mit denen ich die Miete (dreißig Dollar im Monat) zwei Jahre im Voraus bezahlen und unserer ersten Tochter auf die Welt helfen konnte.

Die Mars-Chroniken erschienen im späten Frühjahr 1950. Es gab kaum Besprechungen. Lediglich Christopher Isherwood bekränzte mich mit Lorbeeren, als er mich Aldous Huxley vorstellte, der sich beim Tee vorbeugte und sagte: »Wissen Sie, was Sie sind?«

Sagen Sie mir nicht, was ich tue, dachte ich, ich will’s nicht wissen!

»Sie«, sagte Huxley, »sind ein Dichter.«

»Ich will verdammt sein«, sagte ich.

»Nein, Sie sind gesegnet«, sagte Huxley.

Wahrhaftig, genetisch gesegnet.

Und der Segen liegt in diesem Buch begründet.

Wird man darin Blutspuren von Sherwood Anderson finden? Nein. Dessen überwältigender Einfluss hatte sich längst in meinen Schaltkreisen aufgelöst. Vielleicht begegnen Sie ein paar Geistererscheinungen aus Winesburg, Ohio in dem anderen Band mit Erzählungen, die vorgeben, ein Roman zu [17] sein: Löwenzahnwein. Aber es sind keine Spiegelbilder. Andersons Grotesken waren scheußliche Wasserspeier auf den Dächern der Stadt; meine sind in der Mehrzahl Collies, alte Jungfern, die sich in Soda-Bars verlieren, und ein Junge, der überempfindlich ist gegenüber toten Straßenbahnwagen, verlorenen Kumpel und Colonels aus dem Bürgerkrieg, die im Meer der Zeit abgesoffen sind oder trunken vor Erinnerungen. Die einzigen Scheusale auf dem Mars sind Marsianer, die als meine Verwandten aus Green Town getarnt sind und sich verstecken, bis sie die wohlverdiente Strafe ereilt.

Sherwood Anderson hätte nicht gewusst, wie man am Abend des Unabhängigkeitstages mit Feuerballons umgeht. Ich entzündete sie und ließ sie auf dem Mars und in Green Town aufsteigen, in beiden Büchern sind sie beheimatet und brennen leise vor sich hin. Sie brennen dort noch immer und spenden gerade genug Licht, dass man dabei lesen kann.

Vor etwa achtzehn Jahren erstellte ich eine Bühnenfassung von Die Mars-Chroniken für das Wilshire Boulevard Theater. Sechs Straßenzüge weiter, im Los Angeles Art Museum, war die Wanderausstellung zum ägyptischen Tutanchamun zu sehen. Ich pendelte zwischen Tut und Theater, Theater und Tut, und mir fiel die Kinnlade herab.

»Mein Gott«, sagte ich, als ich auf die goldene Maske Tutanchamuns starrte, »das ist ja Mars.«

»Mein Gott«, sagte ich, als ich meinen Marsianern auf der Bühne zusah, »das ist ja Ägypten mit Tutanchamuns Geistern.«

So wurden vor meinen Augen und in meinem verwirrten Gemüt alte Mythen erneuert, neue Mythen in Papyrus eingewickelt und mit glänzenden Masken bedeckt.

[18] Ohne es zu wissen, stand ich die ganze Zeit in Tuts Nachfolge, hatte die Hieroglyphen der Roten Welt verfasst und daran geglaubt, sogar in vom Staub befreiten Vergangenheiten die Zukunft gedeihen lassen zu können.

Wenn all dies zutrifft, wie kommt es dann, dass Die Mars-Chroniken so oft als Sciene-Fiction bezeichnet werden? Die Bezeichnung passt nicht. In dem ganzen Buch gibt es nur eine Geschichte, die den Gesetzen der Physik gehorcht: »Sanfte Regen werden kommen«. Dies war eines der ersten Häuser virtueller Realität, die sich in den letzten paar Jahren mitten unter uns eingerichtet haben. 1950 hätte dieses Haus eine ruinöse Summe gekostet. Heute, mit der Ankunft von Computer, Internet, Fax, Tonband, Walkmen mit Kopfhörern und Widescreen-TV, wären seine Zimmer für wenig Geld mit dem nächsten großen Elektromarkt vernetzt.

Nun gut, was also sind die Chroniken? Sie sind der aus seinem Grab auferstandene König Tutanchamun, als ich drei war, die nordische Edda, als ich sechs war, und die römisch-griechischen Götter, die mich in ihren Bann schlugen, als ich zehn war: purer Mythos. Ginge es um praktische, technologie-orientierte Sciene-Fiction, wäre das Buch längst am Straßenrand verrostet. Da es sich jedoch um eine selbstdefinierende Sage handelt, sind selbst die arriviertesten Physiker des California Institute of Technology bereit, die trügerische Sauerstoffatmosphäre zu atmen, die ich dem Mars verpasst habe. Naturwissenschaften und Maschinen können einander aus dem Gefecht schlagen oder abgelöst werden. Der Mythos, den man in Spiegeln erblickt und den man nicht berühren kann, lebt fort. Wenn er nicht unsterblich ist, so...

Erscheint lt. Verlag 28.10.2015
Übersetzer Peter Naujack, Thomas Schlück, Margarete Bormann
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Außenseiter • Besiedlung • Bradbury • Erde • Frieden • Heimat • Krieg • Lüge • Mars • Missionen • Planeten • Raumfahrer • Reise • Roman • Science-fiction • Überlebende • Utopie • Weltkrieg • Zerstörung
ISBN-10 3-257-60750-4 / 3257607504
ISBN-13 978-3-257-60750-5 / 9783257607505
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