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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Frankfurter Ausgabe (eBook)

Band 1: Unterwegs zu Swann
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
714 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-74364-5 (ISBN)
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Mit Unterwegs zu Swann beginnt Prousts monumentales Romanwerk. Wie ein Zauberwort läßt der Name »Swann« an Bilder, Szenen und Episoden denken, die zum literarischen Allgemeingut geworden und trotzdem neu zu entdecken sind: zu Beginn des Romans der Schlafende, Träumende, der sieh an frühere Zeilen erinnert; das Drama des Zubettgehens in Combray, die Madeleine; die Weißdornblüten und Seerosen, drei Kirchtürme im Abendlicht, ein Sonnenstrahl auf einem regennassen roten Ziegeldach; Swanns Liebe zu Odette, der kleine Kreis der Verdurins, Vinteuils Geigensonate; die Spiele mit Gilberte in den Anlagen der Champs-Élysées. Erinnerungen an Personen und Orte, Landschaftsbilder, Gedanken zum Lesen, zum Schreiben, über Kunst und Musik, Liebe und Eifersucht und nicht zuletzt brillante Gesellschaftssatire: All dies bildet ein literarisches Universum - Spiegel der Welt und der Literatur.

<p>Marcel Proust wurde am 10. Juli 1871 in Auteuil geboren und starb am 18. November 1922 in Paris. Sein siebenbändiges Romanwerk <em>Auf der Suche nach der verlorenen Zeit</em> ist zu einem Mythos der Moderne geworden.</p> <p>Eine Asthmaerkrankung beeinträchtigte schon früh Prousts Gesundheit. Noch während des Studiums und einer kurzen Tätigkeit an der Bibliothek Mazarine widmete er sich seinen schriftstellerischen Arbeiten und einem - nur vermeintlich müßigen - Salonleben. Es erschienen Beiträge für Zeitschriften und die Übersetzungen zweier Bücher von John Ruskin. Nach dem Tod der über alles geliebten Mutter 1905, der ihn in eine tiefe Krise stürzte, machte Proust die Arbeit an seinem Roman zum einzigen Inhalt seiner Existenz. Sein hermetisch abgeschlossenes, mit Korkplatten ausgelegtes Arbeits- und Schlafzimmer ist legendär. <em>In Swanns Welt</em>, der erste Band von Prousts opus magnum, erschien 1913 auf Kosten des Autors im Verlag Grasset. Für den zweiten Band, <em>Im Schatten junger Mädchenblüte</em>, wurde Proust 1919 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. Die letzten Bände der <em>Suche nach der verlorenen Zeit</em> wurden nach dem Tod des Autors von seinem Bruder herausgegeben.</p>

Marcel Proust wurde am 10. Juli 1871 in Auteuil geboren und starb am 18. November 1922 in Paris. Sein siebenbändiges Romanwerk Auf der Suche nach der verlorenen Zeit ist zu einem Mythos der Moderne geworden. Eine Asthmaerkrankung beeinträchtigte schon früh Prousts Gesundheit. Noch während des Studiums und einer kurzen Tätigkeit an der Bibliothek Mazarine widmete er sich seinen schriftstellerischen Arbeiten und einem – nur vermeintlich müßigen – Salonleben. Es erschienen Beiträge für Zeitschriften und die Übersetzungen zweier Bücher von John Ruskin. Nach dem Tod der über alles geliebten Mutter 1905, der ihn in eine tiefe Krise stürzte, machte Proust die Arbeit an seinem Roman zum einzigen Inhalt seiner Existenz. Sein hermetisch abgeschlossenes, mit Korkplatten ausgelegtes Arbeits- und Schlafzimmer ist legendär. In Swanns Welt, der erste Band von Prousts opus magnum, erschien 1913 auf Kosten des Autors im Verlag Grasset. Für den zweiten Band, Im Schatten junger Mädchenblüte, wurde Proust 1919 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. Die letzten Bände der Suche nach der verlorenen Zeit wurden nach dem Tod des Autors von seinem Bruder herausgegeben.

 

De ce timide Israélite

Quoi, vous guidez ici les pas!

 

Dieses scheuen Israeliten

Schritte leitet ihr also hierher!

 

oder:

 

Champs paternels, Hébron, douce vallée.

 

Heimische Felder, Hebron, sanftes Tal.

 

oder auch:

 

Oui je suis de la race élue.1

 

Ich bin vom auserwählten Volk.

 

In diesen kleinen Eigenheiten meines Großvaters drückte sich kein Übelwollen gegen meine Freunde aus. Bloch freilich hatte meinen Eltern aus anderen Gründen mißfallen. Zunächst hatte er meinen Vater gereizt, der ihn naß bei uns eintreffen sah und daraufhin interessiert fragte:

»Ja aber, Monsieur Bloch, was ist denn für ein Wetter? Hat es geregnet? Ich verstehe das gar nicht, das Barometer stand doch so hoch.«

Worauf er lediglich zur Antwort erhielt:

»Ich kann Ihnen absolut nicht sagen, Monsieur, ob es geregnet hat. Ich lebe so entschieden außerhalb all dieser physischen Kontingenzen, daß meine Sinne sich nicht einmal mehr die Mühe machen, sie zu registrieren.«

»Mein armer Junge, dein Freund ist ja ein richtiger Idiot«, hatte mein Vater gesagt, als Bloch gegangen war. »Er kann einem ja nicht einmal sagen, was für Wetter ist! Dabei ist das doch das Allerinteressanteste! Er ist einfach schwachsinnig!«

Auch meiner Großmutter hatte Bloch mißfallen, denn als sie nach dem Mittagessen gesagt hatte, sie fühle sich nicht ganz wohl, hatte er ein Schluchzen unterdrückt und eine Träne aus dem Augenwinkel fortgewischt.

»Wie kann denn das aufrichtig sein, wo er mich doch nicht kennt; es sei denn, er ist nicht ganz richtig im Kopf.«

Und schließlich hatte er es mit allen verscherzt, weil er, anderthalb Stunden verspätet und mit Schmutz bespritzt zum Mittagessen kommend, statt einer Entschuldigung nur geäußert hatte:

»Ich lasse mich niemals durch atmosphärische Störungen oder durch die konventionelle Zeiteinteilung beeinflussen. Ich wäre durchaus bereit, den Gebrauch der Opiumpfeife und des malaiischen Kris wieder einzuführen, diese unendlich verderblicheren und zudem nur dem ideenlosen Bürgertum dienenden Instrumente wie Taschenuhr und Regenschirm aber ignoriere ich.«

Trotz allem hätte er weiterhin nach Combray kommen können. Allerdings war er nicht der Freund, den meine Eltern für mich gewünscht hätten. Sie waren schließlich sogar zu der Ansicht gekommen, die Tränen über die Unpäßlichkeit meiner Großmutter seien echt gewesen; aber sie wußten aus Instinkt oder Erfahrung, daß die Regungen unseres Gefühls wenig über unsere Handlungen und unsere Lebensführung vermögen und daß die Beachtung moralischer Pflichten, die Treue gegen Freunde, das Vollenden eines Werks, die Befolgung einer Diät eine zuverlässigere Grundlage in blindlings eingehaltenen Gewohnheiten haben als in solchen schnell abklingenden, glühenden, unfruchtbaren Gefühlsausbrüchen. Sie hätten mir an Stelle von Bloch lieber Gefährten gewünscht, die mir nicht mehr gegeben hätten, als nach den Regeln bürgerlicher Moral einem Freund zukommt; die mir nicht unerwartet einen Korb mit Obst geschickt hätten, weil sie an dem betreffenden Tag gerade liebevoll meiner gedachten, die aber, außerstande, die unbestechliche Waage der Pflichten und die Erfordernisse der Freundschaft zu meinen Gunsten zu überlasten, nur weil eine flüchtige Wallung der Phantasie oder ihres Gefühls sie dazu trieb, sie andererseits auch nie zu meinen Ungunsten beeinflußt hätten. Selbst unsere Fehler bringen solche Naturen, deren Idealtypus meine Großtante verkörperte, von dem, was sie anderen schuldig sind, kaum ab: Seit Jahren war sie mit einer Nichte zerstritten, so daß sie nie mit ihr sprach, aber weil sie nun einmal die nächste Verwandte war und weil es sich »so gehörte«, änderte sie deswegen nicht etwa ihr Testament, durch das sie dieser Nichte ihr ganzes Vermögen vermachte.

Ich aber mochte Bloch sehr; meine Eltern wollten, was mir Vergnügen machte; die ungelösten Probleme der Schönheit, hinter der sich wie in dem Vers von Minos und Pasiphaë kein Sinn verbarg, plagten mich mehr und setzten meiner Gesundheit weit stärker zu als etwaige Gespräche mit ihm, die meine Mutter freilich für verderblich hielt. Er wäre also noch immer in Combray bei uns empfangen worden, hätte er nicht nach jenem Nachtessen, nachdem er mich eben davon unterrichtet hatte – eine Neuigkeit, die später großen Einfluß auf mein Leben gewann, mich zunächst glücklicher, dann sehr viel unglücklicher machte –, daß alle Frauen nur auf Liebe ausseien und es keine gebe, deren Widerstand nicht gebrochen werden könne, außerdem noch bemerkt, er habe mit Sicherheit sagen hören, daß meine Großtante eine stürmische Jugend verbracht habe und »ausgehalten« worden sei. Ich konnte es nicht lassen, diese Äußerungen vor meinen Eltern zu wiederholen, man wies ihm die Tür, als er wiederkam, und als ich ihn danach einmal auf der Straße anredete, behandelte er mich ausgesprochen kühl.

Doch mit Bergotte hatte er recht gehabt.

Wie es uns mit einer Melodie geht, die wir später über alles lieben werden, die wir aber noch nicht deutlich heraushören, enthüllte sich mir in den ersten Tagen noch nicht, was mir später an seinem Stil besonders gefallen sollte.1 Wenn ich einen Roman von ihm las, konnte ich mich nicht davon lösen, glaubte aber, einzig durch den Gegenstand gefesselt zu sein, so wie es einem in den ersten Phasen der Liebe geht, wenn man alle Tage eine Frau bei irgendeiner Veranstaltung, einer Darbietung zu treffen versucht und meint, man fühle sich nur durch den Reiz dieser Zerstreuungen angezogen. Dann wurde ich auf die seltenen, fast archaischen Wendungen aufmerksam, die er in gewissen Augenblicken gern gebrauchte, wenn ein verborgener Strom von Harmonie, ein Präludieren im Innern seinen Stil höher trug; in diesen Augenblicken sprach er dann auch von dem »eitlen Traum des Lebens«, dem »unerschöpflichen Strom der schönen Erscheinungen«, der »fruchtlosen und so köstlichen Qual des Verstehens und Liebens«, den »tiefbewegenden Bildnissen, die für alle Zeiten die verehrungswürdige, die bezaubernde Stirn der Kathedralen adeln«2, und er drückte eine für mich neue Philosophie in wunderbaren Bildern aus, von denen man hätte meinen können, sie seien es, die jenen Harfenton aufklingen ließen, der sich von da an erhob und dessen begleitender Stimme sie etwas Erhabenes gaben. Eine jener Stellen bei Bergotte, die dritte oder vierte, die sich für mich von dem übrigen abgehoben hatte, schenkte mir eine Freude, die jener nicht mehr zu vergleichen war, die ich bei der ersten empfunden hatte, eine Freude, die ich in einer tieferen, einheitlicher angelegten, weiträumigeren Sphäre meines Innern zu verspüren glaubte, aus der alle Hindernisse und Trennungswände fortgeräumt schienen. Das kam daher, daß ich beim Wiedererkennen der gleichen Neigung zu seltenen Ausdrücken, jenes gleichen musikalischen Überströmens, jener gleichen idealistischen Philosophie, die schon die anderen Male, ohne daß ich es wußte, den Grund meines Vergnügens bildeten, nicht mehr den Eindruck hatte, mich einem besonderen Passus aus einem bestimmten Buch von Bergotte gegenüberzufinden, das auf der Oberfläche meines Denkens eine rein lineare Figur eingezeichnet hätte, vielmehr dem »Idealpassus« aus Bergotte, der allen seinen Büchern gemeinsam war und dem alle ähnlichen, mit ihm verschmelzenden Stellen eine Art Dichte, Volumen verliehen, an denen mein Geist zu wachsen schien.

Mit meiner Bewunderung für Bergotte stand ich nicht völlig allein da; er war auch der Lieblingsschriftsteller einer Freundin meiner Mutter, die in der Literatur sehr bewandert war; und um das letzterschienene Buch von ihm zu lesen, ließ Doktor du Boulbon seine Patienten warten; so wurden einige der ersten Samenkörner jener Vorliebe für Bergotte – damals noch eine so seltene, heute eine allgemein verbreitete Spezies, deren ideale und gleichzeitig gewöhnliche Blume man überall in Europa oder in Amerika auch im kleinsten Dorf antrifft – aus dem Sprechzimmer du Boulbons und aus einem Park in der Nähe von Combray davongetragen. Was die Freundin meiner Mutter und, wie es scheint, auch der Doktor du Boulbon an den Büchern von Bergotte besonders liebten, war, wie auch für mich, jener gleiche melodische Fluß, jene altertümlichen Ausdrücke, dann auch einige andere, ganz einfache und bekannte, für die er aber durch den Platz, an dem er sie hervorhob, eine ihm innewohnende ganz eigene Neigung zu offenbaren schien; endlich an den traurigen Stellen eine gewisse Schroffheit, ein beinahe rauher Ton. Sicherlich mußte er auch selber spüren, daß er hier seine größten Reize entfaltete. Denn wenn er in den folgenden Büchern eine große Wahrheit feststellte oder den Namen einer berühmten Kathedrale erwähnte, unterbrach er seine Erzählung und ließ in einer Beschwörung, einer Anrede, einem langen Gebet jenen Ergießungen freien Lauf, die in seinen ersten Büchern unter dem Fluß seiner Prosa verborgen blieben und sich nur im leisen Wogen der Oberfläche verrieten, beglückender vielleicht und harmonischer noch in dieser Verhülltheit, unter der man nie genau den Punkt bestimmen konnte, wo sie ihren Anfang nahmen und wo sie endeten. Diese Stellen, in denen er sich selbst so gern erging, waren unsere Lieblingsstellen. Ich kannte sie auswendig. Wenn er den Faden seiner Erzählung wieder aufnahm, war ich enttäuscht. Wann immer er von etwas sprach, dessen Schönheit mir bis dahin verborgen geblieben war, von...

Erscheint lt. Verlag 6.10.2015
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 19. Jahrhundert • 20. Jahrhundert • Erinnerung • Fin de siècle • Frankfurter Ausgabe • Frankreich • Marcel Proust • Moderne • Proust • Roman • ST 3641 • ST3641 • Suche • suhrkamp taschenbuch 3641 • Unterwegs zu Swann • Westeuropa • Zeit
ISBN-10 3-518-74364-3 / 3518743643
ISBN-13 978-3-518-74364-5 / 9783518743645
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