Die schwarze Republik und das Versagen der deutschen Linken (eBook)

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2015 | 1. Auflage
240 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-43618-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die schwarze Republik und das Versagen der deutschen Linken -  Albrecht von Lucke
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Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler und Redakteur der renommierten 'Blätter für deutsche und internationale Politik', analysiert die Gefahr einer dauerhaften Großen Koalition im Bund und wie die deutsche Linke sich gegenseitig blockiert. Wir leben in einer schwarzen Republik - ohne echte Regierungsalternative zur CDU. Mit der 'gespaltenen Linken' ist derzeit kein Staat zu machen - und damit ist keine Alternative zu Merkel in Sicht. Blicken wir also einer ewigen Großen Koalition entgegen? Diese würde zu einer weiteren Abwendung der Bevölkerung von der Politik und zu einer stärkeren Radikalisierung der Ränder führen. Albrecht von Lucke zeigt, wie SPD und Linkspartei sich gegenseitig ausschalten und warum das Land so dringend eine linke Alternative braucht.

Albrecht von Lucke, 1967 geboren, lebt seit 1989 in Berlin. Er ist Jurist und Politikwissenschaftler sowie politischer Publizist. Seit 2003 ist er Redakteur der renommierten politischen Monatszeitschrift 'Blätter für deutsche und internationale Politik' (www.blaetter.de). Regelmäßig schreibt von Lucke u.a. für die tageszeitung und den Freitag und arbeitet für Fernsehen und Hörfunk (politische Kommentare, Teilnahme an Diskussionen u.a. ARD-Presseclub, Phönix-Runde, Bayern 2, WDR 5 Politikum, MDR Figaro, NDR Kultur und SWR2 Forum).Von ihm sind erschienen: '68 oder neues Biedermeier: Der Kampf um die Deutungsmacht' (2008) und 'Die gefährdete Republik: Von Bonn nach Berlin. 1949-1989-2009' (2009). 2014 wurde er mit dem Lessing-Förderpreis für Kritik ausgezeichnet (auf Vorschlag von Hans-Ulrich Wehler).

Albrecht von Lucke, 1967 geboren, lebt seit 1989 in Berlin. Er ist Jurist und Politikwissenschaftler sowie politischer Publizist. Seit 2003 ist er Redakteur der renommierten politischen Monatszeitschrift "Blätter für deutsche und internationale Politik" (www.blaetter.de). Regelmäßig schreibt von Lucke u.a. für die tageszeitung und den Freitag und arbeitet für Fernsehen und Hörfunk (politische Kommentare, Teilnahme an Diskussionen u.a. ARD-Presseclub, Phönix-Runde, Bayern 2, WDR 5 Politikum, MDR Figaro, NDR Kultur und SWR2 Forum). Von ihm sind erschienen: "68 oder neues Biedermeier: Der Kampf um die Deutungsmacht" (2008) und "Die gefährdete Republik: Von Bonn nach Berlin. 1949-1989-2009" (2009). 2014 wurde er mit dem Lessing-Förderpreis für Kritik ausgezeichnet (auf Vorschlag von Hans-Ulrich Wehler).

1.
Die schwarze Republik


Am 14. März 2015 meldete Der Spiegel, dass der Parteivorsitzende der SPD für die Zukunft der deutschen Sozialdemokratie eine düstere Prognose abgegeben habe: »Zwischen Union, Grünen und Linkspartei bleibt uns nur ein Potenzial von 27 Prozent.« Es könne »sehr lange dauern, bis wir wieder den Kanzler stellen«. Und ein Jahr später, im Juni 2016, setzte Sigmar Gabriel noch eins drauf, als er im Zeit-Interview forderte: »Wenn schon 20 Prozent, dann stolze 20 Prozent.«[4] Auf gut Deutsch: Die Bundestagswahl 2017 ist verloren.[5]

Dass ein SPD-Chef gut zwei Jahre vor der nächsten Wahl diese bereits aufgibt, ist ein erstaunlicher Vorgang und ein in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik singuläres Ereignis. Natürlich dementierte Sigmar Gabriel die Meldung umgehend. Doch unabhängig von der Frage, ob die Aussage tatsächlich getätigt wurde, entscheidend ist etwas anderes: Der Inhalt der Botschaft ist völlig richtig.[6] Die SPD verharrt in den Meinungsumfragen wie festgefroren bei knapp über 20 Prozent und die Linkspartei gefällt sich in Fundamentalopposition. Damit ist die deutsche Linke ohne jede Chance auf die Kanzlerschaft. Heillos zerstritten ist sie zu einer eigenen Regierungsalternative nicht in der Lage. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) zog daraus prompt die Konsequenz, seine Partei solle 2017 auf einen Kanzlerkandidaten ganz verzichten.[7]

Das aber ist keineswegs nur ein Problem der SPD und der deutschen Linken, sondern der Demokratie insgesamt. »Demokratie heißt, die Wahl zu haben zwischen politischen Alternativen«, stellte Bundespräsident Horst Köhler vor seiner umstrittenen Parlamentsauflösung 2005 zu Recht fest. Wenn etwas alternativlos ist in der Demokratie, dann ist es die Existenz einer politischen Alternative. Wir aber leben heute in einer blockierten, ihres einen Flügels amputierten Demokratie: mit einer schwarzen Kanzlerin ohne echte Alternative – und das möglicherweise auf lange Zeit.

Die Verantwortung für ihre faktische Alternativlosigkeit trägt jedoch nicht Angela Merkel, obwohl ihr dies absurderweise oft vorgeworfen wird.[8] Es ist das Versagen einer Linken, die zu einer eigenen Regierungsalternative nicht willens ist. Nur das hat dem Lande seine ewige Kanzlerin beschert. Dabei wäre sowohl 2005 als auch 2013 eine rot-rot-grüne Koalition rechnerisch möglich gewesen, doch von ihrer tatsächlichen Realisierung waren die Akteure meilenweit entfernt. SPD, Grüne und Linkspartei verweigerten jede Zusammenarbeit. Im Ergebnis fehlten sowohl der politische Wille als auch die erforderlichen inhaltlichen Gemeinsamkeiten.

An dieser fatalen Ausgangslage hat sich bis heute nichts geändert, im Gegenteil: Das Problem hat sich noch verschärft. Angesichts des Höhenflugs der AfD sowie eines möglichen Comebacks der FDP kommen SPD, Linke und Grüne derzeit in Meinungsumfragen nicht einmal auf die erforderliche Mehrheit der Stimmen, ganz abgesehen davon, dass von Koalitionsfähigkeit und -willigkeit der drei Parteien untereinander weiterhin keine Rede sein kann. Die Wahlsiegerin des Jahres 2017 steht damit in der Tat bereits fest.

Die Kanzlerin bezieht ihre Macht folglich nicht primär aus eigener Stärke, sondern aus der geschichtlich beispiellosen Schwäche der deutschen Linken, die auf Bundesebene ohne jede strategische Option auf die Kanzlerschaft ist.

Eines vorab: Wenn in diesem Buch von der Linken die Rede ist, dann ist dezidiert nicht nur jene Partei gemeint, die sich heute, durchaus anmaßend, »Die Linke« nennt, sondern das gesamte links der Mitte gelegene parteipolitische Spektrum, also Linkspartei und SPD, gegebenenfalls, wir werden es genauer analysieren müssen, auch Bündnis 90/Die Grünen. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird allerdings heute bereits in aller Regel – und selbst in den meisten Zeitungen – die Linke gleichbedeutend mit »Die Linke« gebraucht, also allein für die Linkspartei. Rein rhetorisch ist es der Linkspartei somit bereits gelungen, die gesellschaftliche Linke auf eine 10-Prozent-Partei zu schrumpfen.

Wenn heute allein die Linkspartei die politische Linke wäre, müsste man sich um die Frage zukünftiger linker Machtoptionen in der Tat keine Gedanken machen, denn offensichtlich liegt ihr Potenzial bei eben jenen ca. 10 bis 15 Prozent. Und hier zeigt sich die eigentliche Malaise: Vergleicht man die heutige Lage mit der von 2005, dem Jahr des ersten Bundestagseinzugs der Linkspartei, dann erreichen diese und die SPD zusammen genau jene 35 Prozent, die noch 2005 allein auf die SPD entfielen. Pointiert könnte man es auch so formulieren: Das Auftauchen »Der Linken« hat, wie im Folgenden zu begründen sein wird, die Linke auch machtstrategisch geschrumpft, wenn nicht sogar ausgeschaltet.

Diese fatale Lage im Bund zeigt sich auch anhand der völlig anderen Situation auf Landesebene: In 9 von 16 Bundesländern regieren heute Ministerpräsidenten der SPD, fünf stellen CDU/CSU und je einen Grüne und Linkspartei. Doch faktisch birgt keine der SPD-Koalitionen in den Ländern ein taugliches Vorbild für die Bundesebene. »Wir regieren jetzt in 14 von 16 Bundesländern, und wir regieren dort in sehr unterschiedlichen Konstellationen – keine dieser Konstellationen ist von irgendeiner Signalwirkung für die Bundesebene«, bringt SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi das Dilemma der SPD, wenn auch ungewollt, auf den Punkt. Dabei ist die Stärke auf Landesebene normalerweise ein ziemlich untrügliches Indiz für kommende Chancen im Bund. Nicht so derzeit: Faktisch ist die deutsche Linke zu einem »Machtwechsel« wie noch 1969 und 1998 nicht in der Lage. Ja, mehr noch: Die SPD ist heute so chancenlos wie zuvor nur unter dem Parteivorsitzenden Erich Ollenhauer, vor Beginn der Ära Brandt. Noch immer hat sich die Partei – einigen Wahlerfolgen in den Ländern zum Trotz – nicht nennenswert von ihrem historisch schlechtesten Ergebnis, den 23 Prozent von 2009, erholt.

Gemessen an ihren einstigen Wahlerfolgen – und an ihrer großen, über 150 Jahre alten Geschichte – ist die SPD nur noch ein Schatten ihrer selbst. Die Vergangenheit der Partei ist heute weit größer als ihre Gegenwart. Bereits 1987, zum Abschied vom Parteivorsitz, hatte Willy Brandt öffentlich Zweifel daran geäußert, ob es seine SPD in 20 Jahren als Volkspartei noch geben werde. Dreißig Jahre nach dieser düsteren Prophezeiung könnte sich die Vorahnung des großen Vorsitzenden bewahrheiten.

Der SPD droht die dauerhafte strukturelle Regierungsunfähigkeit, vergleichbar ihrer Nischenexistenz in den 50er-Jahren. Aus einer potenziellen Mehrheitspartei ist ein bloßer Mehrheitsbeschaffer geworden. Damit hat die SPD den Charakter einer Volkspartei verloren – wenn man darunter eine Partei versteht, die sowohl breit in der Bevölkerung verankert ist als auch jederzeit in der Lage, die Macht im Lande zu übernehmen. Zumindest Letzteres ist gegenwärtig offensichtlich nicht der Fall.

Denn das haben die Jahre seit dem Ende der letzten sozialdemokratisch geführten Regierung – und seit der Gründung der Linkspartei im Jahr 2005 – gezeigt: Offensichtlich liegt der harte Wählerkern der SPD gegenwärtig bei 25 Prozent. Diese 25 Prozent, mehr allerdings auch nicht, sind der SPD durch die Krisen der letzten Jahre treu geblieben – doch noch ist keineswegs ausgemacht, dass damit der Tiefpunkt ihrer Geschichte nun endlich erreicht ist.

Damit erleben wir, so viel steht heute bereits fest, das Ende einer großen Tradition. Über wenigstens 40 Jahre – von 1965 bis 2005 – befand sich die deutsche Linke stets auf Augenhöhe mit der Union. Auf der Bipolarität zweier großer Parteien, Union und SPD, basierte die demokratische Statik des Landes. Heute kann davon keine Rede mehr sein. Von zwei Volksparteien ist nur noch eine geblieben, aus einer schwarz-roten wurde die »schwarze Republik«.

Bereits 2009 sprach der Politikwissenschaftler Franz Walter vom »Herbst der Volksparteien«. Wie selbstverständlich war damals vom Niedergang im Plural die Rede. Heute stellt sich die Lage völlig anders dar: Während die Union unter Angela Merkel eine Renaissance erlebt, ist die SPD völlig chancenlos und hochgradig zerstritten. Kurzum: Die Union ist, um Angela Merkels Lieblingswort zu bemühen, heute in der Tat alternativlos. There is no alternative: Das neoliberale TINA-Postulat Margaret Thatchers ist heute nur die Beschreibung der Lage – und die faktische Alternativlosigkeit Angela Merkels Ausdruck des Versagens der deutschen Linken.

Vor bald zwanzig Jahren sah die Lage noch völlig anders aus. Damals konnte von Alternativlosigkeit der Union nicht die Rede sein. Am 27. September 1998 war der scheinbar ewige Helmut Kohl abgewählt worden, nach sechzehn Jahren im Amt. Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine sonnten sich im Erfolg ihres Sieges; mit 40,9 Prozent lag die SPD klar vor der Union, die bloß 35,1 Prozent erreicht hatte. 1998 konnte die SPD noch 20 Millionen Stimmen auf sich vereinigen. Seither hat sich die Stimmenanzahl, wie auch die Anzahl der Mitglieder, um die Hälfte reduziert, auf nur noch 10 Millionen Wählerinnen und Wähler.

Doch nicht nur das: Der rot-grüne Sieg sah damals aus wie eine gesamteuropäische sozialdemokratische Wende. Ganz Europa strahlte im linken Glanz. Ob in Frankreich unter Lionel Jospin, in England unter Tony Blair oder in Italien unter Romano Prodi: In fast allen Ländern der Europäischen Union regierten Linksparteien. Deutschland machte da keine Ausnahme, im Gegenteil: Nur ein Jahr später lag die Union...

Erscheint lt. Verlag 25.9.2015
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte AfD • Angela Merkel • Bundestagswahl • CDU • CSU • Demokratie • Deutsche Linke • Deutsche Parteien • Deutscher Bundestag • Deutschland • deutschland politik • Deutschland politisch • Die Linke • Große Koalition • Kanzlerin • Linkspartei • Parteiensystem • Regierung • SPD
ISBN-10 3-426-43618-3 / 3426436183
ISBN-13 978-3-426-43618-9 / 9783426436189
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