Lesegören 2: Emely – absolut verstrickt! (eBook)
192 Seiten
Planet! (Verlag)
978-3-522-65298-8 (ISBN)
Patricia Schröder, 1960 geboren, lebt mit ihrem Mann und einer Handvoll Tieren auf einer Warft an der Nordsee. Ihr 'richtiger' Beruf ist Textildesignerin, noch lieber aber als Muster für Blusen, T-Shirts oder Krawatten denkt sie sich Geschichten für junge Mädchen aus, und so hängte sie ihren ersten Beruf vor einigen Jahren kurzerhand an den Nagel. Inzwischen gehört sie zu den erfolgreichsten und beliebtesten deutschen Kinder-und Jugendbuchautorinnen.
Ich hole mein Smartphone aus dem Seitenfach meines Rucksacks hervor und will gerade WhatsApp aktivieren, als es an der Haustür klingelt.
Bestimmt hat Anna etwas vergessen!, schießt es mir durch den Kopf. Oder sie hat es sich anders überlegt und will doch noch eine Weile mit mir abhängen. Ich werfe das Handy aufs Bett und stürze aus dem Zimmer, doch leider ist mein Bruder schneller als ich. Als er mich bemerkt, legt er sogar noch einen Zahn zu und springt die Klinke an, als wäre er Spiderman höchstpersönlich.
»Ey, du Lappen!«, rufe ich und hechte ihm hinterher. »Das ist sowieso für mich.«
»Kannst du neuerdings durch Wände gucken?«, frotzelt Teo und reißt die Tür auf. »Oder erwartest du deinen Lover?«
»Na, das nenne ich ja mal eine stürmische Begrüßung«, freut sich Oma Berlin und strahlt zuerst Teo an und dann mich.
Sie putzt sich die Schuhe auf der Fußmatte ab und tritt in den Flur.
»Moms ist nicht da«, sagt mein Bruder. »Sie kommt freitags nie vor acht Uhr nach Hause.«
»Kein Grund, mir die Tür gleich wieder vor der Nase zuzuschlagen«, erwidert meine Großmutter.
Teo läuft knallrot an.
»Das hatte ich gar nicht vor«, verteidigt er sich.
»Sollte ja auch bloß ein Scherz sein«, meint Oma Berlin und spaziert an uns vorbei zur Garderobe. »Offenbar kommt es euch gar nicht in den Sinn, dass mein Besuch auch euch gelten könnte, hm?«
Sie nimmt ihr dünnes dunkelblaues Wolltuch ab und mustert uns mit hochgezogenen Brauen.
»Na ja«, sage ich. »Es ist ja auch schon eine ganze Weile her, dass du hier …«
»Ich weiß«, unterbricht sie mich und zieht ihre Jacke aus. Sie stopft das Tuch in den Ärmel und hängt die Jacke über einen Bügel. Anschließend zupft sie sich vor dem Spiegel ihre dichten grau gesträhnten Haare zurecht. »Und ich möchte jetzt bitte keine Vorwürfe hören.«
»Aber ich wollte doch gar nicht …«, stammele ich. »Ich finde es nämlich total okay, wenn wir zu Opa und dir kommen … und Teo bestimmt auch. Wir haben uns bloß gewundert.«
»Oh Mann!«
Mein Bruder verdreht stöhnend die Augen und stapft auf sein Zimmer zu.
»Stopp! Hiergeblieben!«, hält Oma Berlin ihn zurück. »Es mag ja sein, dass du anderer Auffassung bist als deine Schwester, aber ich habe mit euch beiden zu reden. Am besten, wir setzen uns gemütlich ins Wohnzimmer.« Sie wendet sich mir zu und streicht mir sachte über die Wange. »Emely, Schätzchen, bist du so lieb, und besorgst uns etwas zu trinken?«
»Ich hab keinen Durst«, brummt Teo. Er ändert die Richtung und stapft nun aufs Wohnzimmer zu. »Und besonders viel Zeit habe ich auch nicht.«
»Was gibt’s denn so Wichtiges am ersten Ferientag?«, fragt meine Großmutter belustigt. »Geschäfte?«
Dabei weiß sie ganz genau, wie sehr mein Bruder und ich es hassen, uns lange im selben Zimmer aufzuhalten. Die Phase, in der es ein bisschen anders war und nicht sofort die Fetzen flogen, ist ziemlich kurz gewesen und längst wieder vorbei.
Ich bin jedenfalls froh, dass ich noch einen Abstecher in die Küche machen kann, und lasse mir alle Zeit der Welt dabei, drei Gläser aus dem Hängeschrank und eine Flasche O-Saft aus dem Kühlschrank zu nehmen.
Als ich das Wohnzimmer betrete, sitzt Oma Berlin auf dem Sofa, während mein Bruder mit verschränkten Armen und muffigem Gesicht in einem der beiden Sessel hockt.
»Der Orangensaft ist eklig«, brummt er.
»Dann hol dir doch was anderes«, brumme ich zurück, stelle die Gläser auf den Tisch und drehe den Schraubverschluss von der Flasche.
»Ich hab ihn übrigens schon darauf hingewiesen, dass er gerade kein besonders hübsches Bild abgibt«, meint meine Großmutter.
Das tut er nie, liegt es mir auf der Zunge, zu sagen, verkneife es mir jedoch. Ich habe keine Lust zu streiten, sondern will das hier so schnell wie möglich hinter mich bringen. Und da Teo Oma Berlins Bemerkung völlig ungerührt an sich abperlen lässt, scheint es ihm ganz ähnlich zu gehen. – Tja, in manchen Dingen sind wir uns eben doch schon immer sehr schnell einig gewesen.
Ich fülle die Gläser, reiche eins meiner Großmutter und setze mich mit dem anderen zu ihr aufs Sofa.
Teo wirft mir einen feindseligen Blick zu, dann sieht er Oma Berlin an. »Was ist denn?«, will er wissen.
Meine Großmutter schenkt ihm ein Lächeln. Sie nimmt einen großen Schluck O-Saft und stellt das halb geleerte Glas geräuschvoll auf den Tisch zurück.
»Ich werde morgen an die Nordsee reisen und habe beschlossen, euch mitzunehmen«, teilt sie uns ohne Umschweife mit.
»Was?«, rufen Teo und ich wie aus einem Mund, woraufhin er gleich noch einen zweiten Giftblick auf mich abschießt.
»Das geht nicht«, sage ich.
»Und warum nicht?«, fragt Oma Berlin.
»Weil ich mit Anna ins Wildcamp fahre«, entgegne ich. »Das weißt du doch!«
»Ja.« Meine Großmutter nickt. »Am Donnerstag.«
»Und wenn ich nicht will?«, platzt es aus mir heraus.
Mein Bruder droht ebenfalls zu platzen. Jedenfalls ist er knallrot im Gesicht und seine Augen treten bedrohlich hervor.
»Eure Eltern halten es für das Beste«, sagt Oma Berlin. »Und ich im Übrigen auch.«
»Unsere Eltern?«, schnaubt Teo und springt aus dem Sessel. »Ich glaub, es hackt!«
»Das glaube ich allerdings auch«, erwidert meine Großmutter. »Und jetzt setz dich bitte wieder hin und lass uns in Ruhe über alles reden.«
»Aber er hat doch recht«, sage ich, obwohl es mir widerstrebt, ihn zu verteidigen, und ich sonst was darum gäbe, nicht mit ihm auf einer Seite stehen zu müssen. Der Fall »unsere Eltern« ist allerdings ein Sonderfall und setzt daher ausnahmsweise alle bestehenden Schwester-Bruder-Regeln außer Kraft. »Moms und Pops haben sich getrennt und entscheiden nichts mehr gemeinsam.«
»Doch«, widerspricht Oma Berlin. »Zum Glück tun sie das noch. Und soweit ich darüber unterrichtet bin, haben sie euch das auch genauso zu verstehen gegeben.«
Teo lässt sich in den Sessel zurückfallen und kreuzt die Arme noch etwas fester über seiner Brust.
»Ihr könnt uns nicht zwingen«, knurrt er.
Für das »uns« müsste ich ihn eigentlich küssen, aber danach würde ich mich wahrscheinlich über die gute Sofagarnitur übergeben, und das Risiko möchte ich unter gar keinen Umständen eingehen.
»Von Zwingen kann gar keine Rede sein«, gibt meine Großmutter gelassen zurück. »Im Gegenteil: Ich bitte euch, mich zu begleiten.«
»Und warum sollen wir das tun?«, frage ich.
Für mich steht nämlich längst fest, dass ich meinen Vater frühestens in den nächsten Osterferien in seinem neuen Domizil besuche. Und zwar allein und auch nur für den Fall, dass er dann überhaupt noch dort ist.
»Er kommt doch sowieso irgendwann wieder zurück.« Nicht in unser Haus, aber in unsere Stadt. Zumindest hat er das behauptet.
»Darum geht es doch gar nicht«, sagt Oma Berlin.
»Sondern?«, brummt Teo und pustet sich eine störrische dunkle Strähne aus der Stirn.
»Es soll es uns allen ein wenig leichter machen«, erwidert sie.
»Kapier ich nicht.« Ich setze mein Glas an die Lippen und leere es in einem Zug. »Wenn wir Pops jetzt hinterherreisen, denkt er doch, wir finden es okay, dass er uns verlassen hat.«
Meine Großmutter schüttelt den Kopf.
»Das tut er ganz sicher nicht. Es hilft allerdings auch nicht weiter, wenn ihr ihm deswegen ewig böse seid.«
So weit war ich selber auch schon. Dieses Ewig-bösesein ist nämlich unendlich anstrengend. Traurig und enttäuscht bin ich trotzdem. Und das lässt sich mit einer solchen Schwamm-Drüber-Aktion, wie Oma Berlin sie gerade plant, ganz bestimmt nicht einfach abstellen.
»Also, ich bleibe hier«, sagt Teo.
Diesmal erhebt er sich fast in Zeitlupe aus seinem Sessel, stapft dafür aber umso energischer in den Flur hinaus. Kurz darauf schlägt seine Zimmertür mit einem lauten Knall zu.
Meine Großmutter zuckt kurz zusammen.
»Schade«, meint sie dann und stößt einen langen tiefen Seufzer aus. »Wenn das so ist, vergessen wir das Ganze am besten.«
Super, denke ich, muss zu meiner eigenen Verblüffung jedoch feststellen, dass mir das nun auch wieder nicht passt.
»Wieso eigentlich?«, höre ich mich fragen.
»Weil es die Dinge nur erschweren würde«, antwortet Oma Berlin. »Es wäre besser, wenn ihr euch einig wärt«, fügt sie erklärend hinzu.
Wie bitte? Heißt das etwa, das Wohl unserer Familie hängt von einem egoistischen Tierquäler, alias meinem Bruder, ab?
»Da kannst du lange warten«, brumme ich. »Teo und ich sind uns doch nie einig.« Zumindest nicht, wenn es wirklich drauf ankommt. »Eher fällt Ostern und Weihnachten auf einen Tag.«
Meine Großmutter mustert mich forschend.
»Darf ich daraus schließen, dass du dieser kleinen Reise nicht abgeneigt wärst?«
»Wann soll es denn überhaupt losgehen?«, frage ich zögernd.
»Also, ich nehme den Zug morgen Mittag um kurz nach halb zwei«, erwidert Oma Berlin. »Du könntest bis Dienstag bleiben … oder am nächsten Donnerstag direkt von dort aus ins Wildcamp fahren.«
Zweifel kommen mir erst, als meine Großmutter das Haus verlassen hat.
Grübelnd trotte ich in mein Zimmer, schließe die Tür ab und lasse mich rücklings aufs Bett fallen. Ich schnappe mir mein Handy und sehe, dass Jonathan sich bereits über WhatsApp gemeldet hat.
Sorry, Em, ich habe es vorhin etwas übertrieben.
Was meinst du?, frage ich ihn.
Die Sache, über...
Erscheint lt. Verlag | 13.7.2015 |
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Reihe/Serie | Lesegören |
Lesegören | |
Illustrationen | Carolin Liepins |
Mitarbeit |
Designer: Maria Seidel |
Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur |
Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre | |
Schlagworte | Abenteuer • Bloggen • DIY • Do it yourself • Freche Mädchen • Freundschaft • Mädchenbuch • Mädchenfreundschaft • Sommerferien • Urlaub |
ISBN-10 | 3-522-65298-3 / 3522652983 |
ISBN-13 | 978-3-522-65298-8 / 9783522652988 |
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